Erwin von Zach
male (1872–1942)
Alternative Names: Erwin Ritter von Zach
Wikidata ID: Q112704 | de: Erwin von Zach | en: Erwin von Zach
Translations
325-
Ba yue shi wu ye zeng zhang gong cao 八月十五夜贈張功曹: Die Nacht des 15. des 8. Monats. Dem Provinzialsekretär Chang Shu gewidmet (Han Yu 韓愈)
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Die dünnen Wolken rollen sich überall zusammen (infolge des Windes), am Himmel ist die Milchstrasse nicht mehr sichtbar (wegen des Mondlichtes). Ein reiner Wind braust über das Firmament, und der Mond verbreitet sein Licht. Der Flussand erscheint eben, das Wasser ruhig, Töne und Schatten sind verschwunden, Wir trinken einander zu, und Du musst ein Lied singen. Dein Lied klingt melancholisch, und seine Worte sind traurig, Bevor man es zu Ende gehört hat, fliessen die Tränen in Strömen. Die Wogen des Tungt'ing-Sees gehen am Horizont in den Himmel über, die Bergkette der Neun Zweifel ragt hoch empor. Drachen kommen und gehen, Riesenaffen und fliegende Hunde jammern. Von zehn Beamten, die nach dem Süden verbannt wurden, sind neun dort gestorben. Man lebt dort in tiefem Schweigen, wie ein Flüchtling, der sich versteckt hält. Wenn man das Bett verlässt, fürchtet man Schlangen zu treffen, im Essen vermutet man Gift. Die Meerluft ist von feuchter, durchdringender Schwüle und reich an übelriechenden Dünsten. – Da wurde vor kurzem die grosse Glocke vor dem Distriktsyamên geschlagen (um zu künden), Dass ein neuer Kaiser den Thron bestiegen, und Minister wie K'uei und Kao durch ihn ernannt worden seien. Ein Amnestieerlass wird mit grösster Geschwindigkeit verbreitet: Alle Todesstrafen (Liki I, 484) für Kapitalverbechen werden erlassen, Die Degradierten werden wieder in ihre Würde restituiert, die Verbannten zurückgerufen. Alle Schmach wird entfernt, um das kaiserliche Beamtenkorps wieder in seinem alten Glanze aufleben zu lassen. Der Distriktsrichter hatte auch unsere Namen (Chang Shu und Han Yü) gemeldet, aber der Provinzgouverneur hatte den Bericht nicht weiter geleitet. In unserm Unglück gelingt es uns nur eine Verbesserung unseres Urteils durch Versetzung nach Chiang-ling zu erhalten. Polizeibeamte, wie wir, sind von so niedrigem Range, dass man es kaum sagen kann: Wir gehören noch zur Kategorie der Beamten, die mit dem Rotan gezüchtigt werden können. Unsere gleichaltrigen Kollegen haben alle früher schon den Weg nach oben gefunden. Der Weg zum Himmel (d.h. zum Kaiser) ist gar gefährlich und für uns schwer zu erklimmen. – Lass Dein Lied zu Ende sein, höre jetzt auf meines. Mein Lied ist verschieden von Deinem Liede: Im ganzen Jahre ist heute Nacht das Mondlicht am hellsten. Des Menschen Leben hängt ab vom Schicksal und von nichts anderem (unser Unglück ist also nicht unsere Schuld). Wenn wir jetzt Wein haben und nicht trinken wollen, wozu wäre dann der Mond so helle?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 73-75. -
Bai bi gua 白鼻騧: Der Gelbfuchs mit der weissen Nase (Li Bai 李白)
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in: Donath, Andreas. Chinesische Gedichte aus drei Jahrtausenden, Fischer Bücherei. Frankfurt a. M.: Fischer Verlag, 1965. p. 36. -
Bei ji zeng li guan 北極贈李觀: Im äussersten Norden. Ein dem Li Kuan gewidmetes Gedicht (Han Yu 韓愈)
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Im äussersten Norden lebt der Vogel Rock, im südlichen Meere haust der Riesenfisch K'un (T. of T. I, 167). Diese Gegenden sind gar weit von einander entfernt, und die Beiden haben keine Gelegenheit, einander zu sehen oder zu hören. Eines Morgens treffen sie sich wie Wind und Wolken (Tufu, ed. Chang Chin 15/15) und verwandeln sich in ein Wesen. Wer würde noch sagen, dass sie von einander weit entfernt waren? Die wechselseitige Beeinflussung war von wunderbarer Schnelligkeit. – Als ich 25 Jahre alt war, suchte ich einen Freund, konnte aber keinen finden. Traurig sang ich auf dem Marktplatze von Ch'angan – da lernte ich Dich, o Meister (Li Kuan), kennen. Wenn die Neigungen die gleichen sind, besteht dann etwa noch ein Unterschied zwischen weise und thöricht (zwischen Dir und mir)? Wir wollen die Eigenschaften von Metall und Stein erwerben, und für ewig soll unser Charakter sich nicht ändern (Legge I, 321). Lasst uns nicht wie junge Leute benehmen, die im Elend voll Kummer sind über ihre Armut.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 29.
Sollen die Anmerkungen in Klammern drin bleiben oder nicht? -
Bi guan 閉關: Ich schliesse die Türe meiner Wohnung (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Bian si jiao liu zeng zhang pu ye 汴泗交流贈張僕射: Am Zusammenflusse der Pien- und Ssu-Flüsse. Dem Minister Zhang Chien-fêng gewidmet (Han Yu 韓愈)
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Am Zusammenflusse der Pien- und Ssu-Flüsse an der Ecke der Stadtmauer von Hsü-chou (Playfair No. 3049) Hast Du einen Ballplatz von tausend Fuss Länge angelegt, glatt wie rasiert. Auf drei Seiten zieht sich im Bogen eine niedrige Mauer herum, Trommeln werden dort wirbelnd geschlagen, rote Flaggen gehisst. – Im Frühherbst, am kalten Morgen, wenn man die Sonne noch nicht sieht, Warum kommst Du dann passend gekleidet so früh hierher? Die um den Sieg kämpfenden Parteien werden schon nach früherer Verabredung bestimmt. Hundert Pferde drängen sich beim Spiele stampfend (um den Ball). Der Ball springt erschreckt dahin, vom Stock geschlagen, bald kommen sie zusammen, bald trennen sie sich wieder. Die roten Mützenbänder und Schärpen der Spieler, das goldene Zaumzeug der Pferde erglänzen. Bei gebücktem Körper reicht der schwingende Arm bis unter den Bauch des Pferdes, Und wie der Blitz enteilt dem Stosse folgend die wunderbare Perle (der Polo-Ball). In der Ferne verliert er sich und giebt beiden Parteien eine zeitweilige Pause. Fortwährend wandelt sich in überraschender Schnelligkeit das bunte Bild. Durch das Besiegen von Schwierkeiten und Erlangen von Geschicklichkeit wird die Lust am Spiele verstärkt. Freudige Rufe ertönen von allen Seiten, und der wackere Sieger wird mit Beifall begrüsst. Dies ist wirklich Vorbereitung für den Kampf, und nicht etwa Spiel. Ist dies nicht besser, als ruhig da zu sitzen und schöne Pläne zu entwerfen? Die loyalen Beamten der Jetztzeit sind selten, Ermüde daher Deine Pferde nicht allzu sehr, denn (wenn eine Rebellion ausbricht) bist Du der berufene Mann, sie im Keime zu ersticken.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 66f. -
Bian zhou luan er shou 汴州亂二首: Rebellion in Pien-chou (Han Yu 韓愈)
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Die Tore der Stadt Pien-chou werden morgens nicht geöffnet. Meteore stürzen zur Erde mit Donnergepolter (Zeichen einer Rebellion). Die Rebellen brüsten sich stolz, dass sie den stellvertretenden Gouverneur (Lu Ch'ang-yüan) schon getötet haben. Ganze Strassen werden zu Asche verbrannt, Die Gouverneure (benachbarter) Provinzen, die ganz nahe von Pien-chou sind, können nicht helfen. Was nützt es, wenn ich einsamer Mann allein für mich jammere? Wer ist die Mutter, die da mit ihrem Sohne flüchtet? Sie ist die Gattin jenes hohen (ermordeten) Würdenträgers (Lu Ch'ang-yüan), er ist der Sohn des Statthalters. Gestern fuhr sie noch in der Karosse, und er ritt ein herrliches Pferd. Wer sie sah, stand eiligst auf; wer zu Pferde sass, stieg ab. Die kaiserliche Regierung (der Ahnentempel der Dynastie) will ohne Waffengebrauch (die Rebellion unterdrücken). Ach, was könnt Ihr, Mutter und Sohn, da beginnen?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 63. -
Bie ying shang ren 別盈上人: Abschied vom buddhistischen Mönch Ying (Han Yu 韓愈)
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Der Bergmönch liebt seinen Berg, und es besteht (für mich) keine Hoffnung, dass er ihn verlassen wird. Der Laie ist an die Welt gebunden, wann dürfte er da wieder Zeit finden, hierher zu kommen? Unterhalb der Chu-jung-Spitze (des Hêng-shan) wende ich mich nochmals zurück Und weiss, dass dies ein Abschied fürs Leben ist.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 240. -
Bie zhao zi 別趙子: Abschied von Chao Tê (Han Yu 韓愈)
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Während ich als Verbannter nach Chieh-yang (Playfair No. 868) kam, lebtest Du dort schon von früher her. Chieh-yang ist von der Hauptstadt Ch'angan über zehntausend Meilen weit entfernt. Wer hätte gedacht, dass ich in einer kleinen Stadt (wie dieser) einen Mann wie Dich treffen würde, um mich mit ihm gut zu unterhalten – Dich mit Deinem bescheidenen Gemüt und Deinem tugendhaften Lebenswandel und Deiner tiefen Kenntnis von Shihking und Shuking. Du lustwandeltest am Ufer des südlichen Meeres, Du spieltest mit den Perlen, die wie der Mond erglänzen. Als ich von Chieh-yang nach I-ch'un versetzt wurde, hatte ich die Absicht, Dich mitzunehmen. Doch Du schütteltest das Haupt, lächeltest und sprachst: "Bin ich etwa hier nicht zufrieden? Und was sollte ich im Norden beginnen? Wozu dieses zwecklose Hin- und Herreisen? Auf den Inseln im Meere leben gar viele Einsiedler. Ich habe mich mit ihnen verabredet (sie zu besuchen), um die vom Wind gepeischten Wogen zu betrachten. Und da sie schon lange auf mich warten, kann ich die Sache nicht mehr ändern. Ueberdies bestehen bei mir Zweifel, ob die Riesenkrebse wirklich so gewaltige Zähne und Barthaare besitzen (wie es gewöhnlich von ihnen heisst). Alle die Muscheln, Fische und Schildkröten, die man dort findet, sind interessant, weil die einen uns fürchten, die anderen auf uns lauern. Wer das eine Thier kennt, hat zehn andere schon wieder vergessen; im Grossen und Ganzen sind sie alle gleich, doch genau genommen ist jedes vom anderen verschieden. Jetzt möchte ich sie einmal genau untersuchen". Seit diesen Deinen Worten sind viele Jahre verflossen. Jetzt verlässt Du doch den Süden und begibst dich nach dem Norden. Warum solltest Du nicht auch Deine Pläne haben? Die Absichten des Menschen bleiben sich nicht immer gleich (Legge V, 562/7), und man darf sie nicht auf Konsequenz prüfen. Jeder soll seinen Bestrebungen folgen und darf nicht deswegen ein Weiser oder ein Tor genannt werden.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 172f. -
Bing chi 病鴟: Die kranke Eule (Han Yu 韓愈)
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Oestlich vom Hause in die hässliche Wassergosse ist eine Eule gefallen und schreit kläglich. Der dunkle Kot hindert ihre beiden Flügel, sie schlägt damit herum und kann sich nicht losmachen. Eine Menge Buben rufen einander herbei, und jeder sucht sie zuerst mit einem Stein zu treffen. Wenn man ihre Lebensweise erwägt, so ist ihr Tod wohl sicher auch durch das Recht geboten. Denn sie schämt sich nicht zu rauben und zu plündern, und wenn gesättigt, schwärmt sie im Himmelsraum herum. Bei schönem Wetter geniesst sie von den glänzenden Sonnenstrahlen, und bei Sturm fliegt sie von ihm getragen in die höchsten Höhen. Da nähert sie sich dann der Schar violetter Phönixe; wie sollte sie sich noch kümmern um die tief unten fliegenden Störche und Wildgänse? Heute war ihr aber das Schicksal ungünstig: sie wurde durch einen geschickten Schützen mit einer Armbrustkugel getroffen. Diese Kugel hat einen lebenswichtigen Ort Deines Körpers verwundet, und Du kannst jetzt Deine Fähigkeiten nicht mehr gebrauchen. Was gehst Du übrigens mich an? Ich kann es nur nicht ertragen, dass man aus Deiner gefährlichen Lage Nutzen zieht. Ich gebe Dir das Leben zurück, das schon dem Tode nahe war, indem ich Deine Wunde im reinen Teichwasser wasche. Zum Frühstück gebe ich Dir Fleisch und Fisch zu essen, in der Nacht, wenn Du schläfst, wehre ich die Füchse ab. Du weisst selbst, dass Du diese Rettung nicht verdient hast; obwohl Du meine Güte empfangen hast, bist Du doch lange gewissermaszen misstrauisch. Gesättigt begibst Du Dich in den tiefen Bambushain, hungrig kommst Du zu den Thorstufen angeflogen. Offenbar denke ich nicht daran, von Dir Dankbarkeit zu fordern, und lasse Dich daher in Deinen Bewegungen gewähren. Gestern warst Du schon wieder zu Kräften gekommen und hüpftest spielend auf die Hecke. Heute früh flogst Du plötzlich auf und davon, ohne mich auch nur das geringste wissen zu lassen. Einen so glücklichen Zufall (meinen Beistand) darfst Du nicht immer erhoffen; strebe daher nicht nach den hohen Wegen des Himmels. In der Hauptstadt pflegt man gar viel mit der Armbrust zu jagen, und es wird Dir schwer werden, die schiessenden Knaben zu täuschen. Vergesse nicht die Schande, in die Gosse gefallen zu sein; der Fall in die Gosse ist eigentlich eine gute Lehre für Dich.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 161f. -
Bing zhong de fan fa shu 病中得樊大書: Während meiner Krankheit erhalte ich Briefe vom älteren Fan (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Bing zhong ku jin luan zi 病中哭金鑾子: Während meiner eigenen Krankheit beweine ich den Tod meines Töchterleins Goldlöckchen (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Bing zhong zao chun 病中早春: Krank zu Beginn des Frühlings (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Bing zhong zeng zhang shi ba 病中贈張十八: Während meiner Krankheit. Dem Chang Chi, 18ten seines Clans gewidmet (Han Yu 韓愈)
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Ich fühle Schwäche im Innern und bekomme plötzlich einen heftigen Durchfall; eine Verkühlung fürchtend lege ich mich unter dem nördlichen Fenster nieder. Wenn morgens das Trommelzeichen für die Audienz ertönt, gehe ich nicht zu Hofe; während ich ruhig schlafe, höre ich plötzlich ein Klopfen. Es ist Chang Chi, der in der Nachbarschaft wohnt; was er an Talenten besitzt, wird von der Regierung noch unbenutzt gelassen. Zur eigenen Unterhaltung verfasst er Abhandlungen, die wohlklingend sind, wie wenn Glocken und Musiksteine angeschlagen würden. Die Kraft seines Pinsels kann nur mit der jenes Mannes (Hsiang Yü) verglichen werden, der den tausend Pfund schweren Dreifuss mit den Drachenfiguren emporhob. Die im Gespräch so gewandte Zunge eines Li I-chi ist schon lange nicht mehr bewegt worden; fürwahr, wenn nicht Du, wer könnte mit jenem verglichen werden. Auf den Tisch mich stützend, ermutige ich ihn zu sprechen; zuerst werden unwichtige Dinge durchgedroschen (Wen-hsüan 7/22). Auf halbem Wege freue ich mich, dass er selbstständig zu neuen Themen übergeht; es ist wie wenn die Nebenflüsse den Grossen Strom verlassen würden. Ich möchte seine Kraft zu voller Entwicklung bringen und doch ihn meine Flaggen und Banner nicht sehen lassen. Auf den Feldern lasse ich Vieh weiden, während meine Truppen im Hinterhalt liegen (vgl. De Groot, Hunnen pg. 96); losgelöst sind die Flaggentücher und zusammengebunden die leeren Fahnenstangen (Legge V, 206/5). Unter gegenseitigem Zutrinken werden die Becher geleert und an den Wänden häufen sich die Kannen und Krüge. Ein dunkler Vorhang trennt uns vom Schneesturm, und auf den Ofen fällt das helle Licht der Wandlampe. Gegen Ende der Nacht ergeht er sich frei in seiner Rhetorik, öffnet den Mund weit und zieht die buschigen Augenbrauen auseinander. In seiner Art gleicht er durchaus dem alten Li I-chi aus Kao-yang, der ohne Mühe den Minister des Ch'i-Staates T'ien Hêng (B.D. No. 1917) zur Unterwerfung brachte. Am folgenden Morgen ist er stolz auf seine Leistung, und sein Aeusseres macht einen geschwollenen Eindruck. – Als er im Begriffe ist heimzukehren, sage ich ganz ruhig zu ihm: "Hast Du nicht vielleicht doch Unsinn geschwätzt?" Und ich führe meine Streitkräfte von neuem herbei und beginne ihn zu bekämpfen und zu verfolgen, Wie einst Sun Pin (B.D. No. 1825) den armen P'ang Chüan, den er schliesslich beim gefällten Baum erwischte (Pétillon, All. litt. pg. 286). Mit leiser Stimme gibt er die Wahrheit zu und unterwirft sich, wie der Herrscher von Chêng im Tso-chuan (Legge V, 311/6), der ein Schaf mit einem Weinkrug im Halse mit sich führte. "Du, Han Yü – so spricht er – bist der vom K'un-lun entspringende Hwang-ho, ich, Chang Chi, ein kleiner Giessbach des Ling-nan-Gebirges. Ich bin gleichsam ein unbedeutender Ameisenhügel, wie könnte ein solcher einen hohen Berg übertreffen wollen? Ich wäre Dir äusserst dankbar, wenn ich bis zum Schlusse Deiner Belehrung teilhaftig würde, auf dass Du alle Auswüchse und Anomalien beseitigtest. Von nun an werde ich den richtigen Weg zu gehen wissen, ebenso wie die rauschenden Fluten, die stets nach Osten strömen".–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 142-144. -
Bo zhuo xing 剝啄行: Die Erzählung: "Es wird an die Tür geklopft" (Han Yu 韓愈)
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Es wird an die Türe geklopft, Gäste sind angekommen. Ich gehe nicht hinaus, um sie zu empfangen und ihnen Rede zu stehen; da gehen die Gäste ärgerlich wieder fort. Meine Diener fragen mich, warum ich so vorgehe. Ich antworte: "Ich habe gegen die Gäste nichts einzuwenden, nur das Sprechen macht mich müde. Dadurch dass ich sie nicht empfangen gehe, will ich die Quelle verstopfen (d.h. den Anlass zu meiner Müdigkeit wegnehmen). Die leere Halle ist ruhig, und Matten liegen ausgebreitet (um darauf zu ruhen). Die beiden Flügel der Türe sind geschlossen und innerhalb derselben sind Bücher aufgehäuft. Es ist wie wenn sich rings um das Haus ein tiefer Graben befände, so stark und unzugänglich ist die äussere Mauer. Diese Mauer kann nicht zerstört werden, und diese Halle kann nicht erreicht werden". Da sagten die Diener zu mir: "Ach, es ist wirklich schwierig, zu Dir zu gelangen. Obwohl Du dies haben willst, werden die Menschen nur um so mehr darüber sprechen. Wir wollen Dir einen Rat geben, der besonders gut ist. Die Leute der Jetztzeit wollen alle schnell zu Namen und amtlicher Stellung gelangen. Wenn du Ch'angan nicht verlassen willst und mit jenen noch weiter zusammenbleibst (wie Welle mit Welle), so werden sie – Selbst wenn Du den Mund nicht öffnest und die Türe verschliessest – Ihre Ansichten über Dich ändern und Dich verläumden, wie durch Dämonen und Geister (Legge V, 661/19) besessen. Wenn Du jetzt nicht den Mut findest, die Hauptstadt zu verlassen und Dich in die Einsamkeit zurückzuziehen, werden dann nicht in Zukunft daraus vielleicht Schwierigkeiten für Dich entstehen?" Ich dankte höflich für diesen guten Rat und sagte: Sprechet nicht mehr darüber. Die Vergangenheit kann nicht mehr geändert werden, und was die Zukunft betrifft, so liegt noch viel Zeit vor uns, um uns zu ändern.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 97f. -
Bu ju 卜居: Als ich zum erstenmal die rote Uniform eines Statthalters anlegte. In Antwort auf das Gedicht eines Freundes (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Cha yu zhao zhang gong cao 叉魚招張功曹: Das Fischspiessen (Han Yu 韓愈)
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Das Fischspiessen findet im Frühling bei hohem Wasserstande statt; dieses Vergnügen geht um Mitternacht vor sich. Grosse Fackeln erleuchten taghell das Dunkel, lange Boote sind mit einander wie zu einer Brücke verbunden. Klar sieht man in die Tiefe, so dass man den Sand am Grunde zählen könnte; ruhig bewegen sich die Ruder so dass keine Welle das Wasser kräuselt. Dem niederfahrenden Spiess kann kein Fisch entkommen; mancher springt aus Furcht von selbst aus dem Wasser heraus. Werden die Schuppen verletzt, ist leider das schillernde Brokatkleid zerrissen; wird das Auge getroffen, verschwindet zum Schrecken diese Perle für immer. Vom Feuer geblendet eilen (die Fische) weg, um sich wieder zu nähern; aus Furcht vor den Menschen verschwinden sie zeitweilig in der Ferne. Wird nach reicher Beute gestrebt, werden die Herzen der Fischer erpicht; wird ein mächtiges Exemplar gefangen, erhebt sich immer ein gewaltiger Lärm. Erst wenn die Tiefen leer sind, weiss man, dass nur wenige Fische mehr übrig geblieben sein dürften; erst wenn das Boot bis zum Rande gefüllt ist, bemerkt man, dass schon viele gefangen. Liegt Kopf gegen Kopf, glaubt man sie zum Köder schnellen zu sehen; liegen sie neben einander, meint man, dass sie an einem Zweig aneinandergereiht sind. Obwohl sie sich in gegenseitiger Liebe mit Speichel befeuchten (T. of T. I, 242, 357), kann von einem Aufstieg in den Stromschnellen von Lungmên keine Rede mehr sein. Dass ein Fisch einen Wagen füllt, ist eine Lüge alter Berichte; dass die Fische als Hundefutter Verwendung finden (wie es bei Tufu, ed. Chang Chin 15/33, erzählt wird), sieht man heute morgens bestätigt. Die blutgefärbten Wellen versinken und kommen wieder zum Vorschein, der Fischgeruch entfernt sich und macht sich von neuem bemerkbar. Die den Fluss bedeckenden Nebel sind wie ein dichter Schleier, die heimkehrenden Ruderboote verschwinden darin allmählich. Die Fischotter zieht von dannen, aus Kummer dass ihr die Nahrung genommen wurde; und auch der Drachen verändert seinen Aufenthaltsort aus Furcht vom Feuer der Facklen ereilt zu werden. Wenn Leute jetzt hier das Fischen beobachten wollten, wie einst Yinkung in T'ang (Legge V, 17/1), so wäre dies schon ein Irrtum; wenn Leute kämen um hier Fische zu angeln wie einst T'aikung im Wei, so wäre dies erst recht lauter Zeitvergeudung (weil die Fische alle sind). Doch die Freunde der Literatur sind überrascht von diesem Sport und suchen um die Wette poetische Beschreibungen darüber zu verfassen, während die Ruderer sich freuen ihre Gesänge zu beenden. Wenn das Fischgericht bereitet ist, denke ich voll Sehnsucht meiner abwesenden Freunde, wenn ich Festesfreude um mich sehe, erinnere ich mich meiner Amtskollegen. Beim Anblick dieses Vergnügens kann man sich sicherlich von der Last des Kummers befreien; wozu sollte man noch vom Unglück bedrückt wie einst der verbannte Chia I (B.D. No. 321) die Eule befragen?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 235f. -
Chang an jiao you zhe zeng meng jiao 長安交遊者贈孟郊: Die Kameradschaften (Koterien) von Ch'angan, ein dem Mêng Chiao gewidmetes Gedicht (Han Yu 韓愈)
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Unter den Kameradschaften von Ch'angan gibt es Reiche wie Arme, die ihre Anhänger haben. Wenn Verwandte und Freunde einander besuchen, finden beide (Reiche wie Arme) was ihnen Freude bereitet; In der niedrigen Hütte gibt es Wissenschaft (Wen-hsüan 16/26), im stolzen Palaste hört man Flöten-musik. Wie kann man zwischen Glanz und Elend einen Unterschied machen wollen? Lasst uns vielmehr Weise (die sich mit Wissenschaft beschäftigen) und Dumme (die zur Musik tanzen) unterscheiden!–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 27. -
Chang le gong 長樂宮: Der Palast der ewigen Freude (Meng Haoran 孟浩然)
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Der zur Ch'in-Zeit erbaute Palast war wegen seiner graziösen Schönen schon lange berühmt, Und auch unter den Han-Kaisern dürften dort der Haremsdamen nicht wenige gewesen sein. War es nicht dort, wo rotgeschminkt sie den Herrscher zur Lust verführten Und wie in einem Freudenhaus von nächtlichem Spiel ermüdet sich nach dem Morgen sehnten? Schwach waren die Klänge der Stundenglocke, die nach aussen drangen, Denn Gesang und Tanz nahm leider drinnen ununterbrochen seinen Gang. Diese Art Vergnügungen ist jetzt für immer still geworden, Und man hört nur jahrein jahraus das Stöhnen des Windes, der durch die Bäume des Parks rauscht.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 315. -
Chang'e 嫦娥: Ch'ang O, die Mondgöttin (Li Shangyin 李商隱)
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Im Frauengemach innerhalb des Perlmutter-Windschirms glänzt Kerzenlicht tief in der Nacht. Die lange Milchstrasse versinkt allmählich, der Morgenstern verschwindet. Um diese Zeit dürfte die Mondgöttin Reue darüber empfinden, dass sie einst ihrem Manne das Lebenselixier gestohlen hatte und deswegen für immer zum Aufenthalt im Mond verurteilt wurde. Denn dort im Mond kann sie nächtlicherweile nichts anderes tun, als unermüdlich das grüne Meer und den blauen Himmel bescheinen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 373. -
Chao gui 朝歸: Bei der Rückkehr von der Audienz (Han Yu 韓愈)
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Hoch ragt die Amtsmütze des Würdenträgers, in steter Bewegung sind die Edelsteine seines Gürtelgehänges (Liki I, 709). Sind etwa die Abzeichen der Würde auf meiner Uniform nicht herrlich zu schauen? (Leider) entsprechen sie nicht der Tüchtigkeit des Trägers. Ich sehe den Schatten meiner Amtsmütze, ich höre die Klänge der Edelsteine; mein Gesicht ist voll Scham, und kalter Schweiss läuft mir über den Rücken. Um in meiner Karriere vorwärts zu kommen, fehlt mir auch das geringste Verdienst (das Verdienst von Hunden und Hühnern); andererseits habe ich auch nicht den Mut mich selbst zurückzuziehen. Ruhig fresse ich mich an und werde dick; ohne Talent gleiche ich tauben oder blinden Leuten. – Ein gewaltiger Wind bläst über den Himmel, die Herbstsonne scheint glänzend über weite Entfernungen (infolge der Klarheit der Luft). Bis zum Abend will ich nun nichts anderes als fest schlafen; und es ist mir nicht einmal möglich ein trauriges Lied zu singen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 186. -
Chao han shui 嘲鼾睡: Zwei Spottgedichte auf das Schnarchen (Han Yu 韓愈)
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Der Bonze T'an schläft bei Tage, wie hässlich klingt da doch sein Schnarchen! Es ist wie wenn sich aus dieser Fettmasse ein scharfer Wind erhöbe; es wechseln tiefe Täler mit hohen Bergen ab. Wildes Röcheln geht plötzlich in Athemruhe über, normale Atemzüge werden allmählich tiefer und tiefer. Er verhält sich wie ein Verstorbener in der Avitchi-Hölle, der unter allen möglichen Torturen fortwährend schreit. Pferd und Rind halten erschreckt in ihrer Mahlzeit inne; alle Sorten von Dämonen eilen herbei und warten auf seinen Tod. Die kreuzförmige Holzunterlage (auf der sein Kopf ruht) berstet; und auf der Oberfläche eines ihm vorgehaltenen Spiegels bilden sich Flecken. Selbst der eiserne Buddha (des Tempels) beginnt beim Hören dieses Schnarchens die Stirne zu runzeln; und die Steinstatuen zeigen ein Zittern und Beben der Beine. Wer könnte sagen, Himmel und Erde behandeln uns gnädig? Ich möchte vielmehr Gott tadeln, (dass er solchen Unfug zulässt). Die Läuse verkriechen sich in den Ohren, um einen ruhigen Platz aufzusuchen; die wild werdenden Wogen wollen das Meer umstürzen. Die helle Sonne kann den Lärm nicht vertragen und verdunkelt sich, ihre Wagenlenker werden lässig und verdrossen. Plötzlich wird das Schnarchen so laut, dass man vermeint, P'eng Yüeh und Ch'ing Pu schreien zu hören, als sie hingerichtet wurden. Oder man glaubt einen Tiger zu vernehmen, der infolge von Wunden und Hunger in seinem Käfig wild brüllt. Selbst wenn ein Ling-lun (B.D. No. 1266) in Gegenwart unseres schnarchenden Bonzen die Flöte bliese, könnte er die hässlichen Klänge nicht übertönen (oder harmonisch gestalten). Selbst wenn der Zauberer Wu-hsien (Lisao Str. 71) seine Seele zurückriefe, würde sie nicht mehr zurückkommen. Auf welchem Berge wächst wohl ein wunderkräftiges Kraut? Ich möchte es pflücken gehen, um dieses Schnarchen zu kurieren. Priester T'an, ob er sitzt oder liegt, pflegt gar fest zu schlafen. Ich hörte einmal sein Schnarchen und fürchtete gar sehr, dass dadurch meine Eingeweide Schaden leiden könnten. Es ist wie wenn der Huang-ho, in seinem Laufe durch die Unfähigkeit seines Regulierers Kun gehindert, heftig aufwallen würde. Erst nachdem der Kaiser des Südens seinen Hammer schwingt, wird in das Hindernis ein Loch geschlagen und die Wassermassen ergiessen sich in wilder Flut. In so weite Ferne schiessen plötzlich die Gewässer, dass man zehntausend Klafter Länge für unbedeutend halten muss. Und wenn man glaubt, die Ueberschwemmung sei schon zu Ende, sieht man neue Wassermassen herankommen, erst recht gewaltig dahinfliessend. Tief kommt aus dem kleinen Kehlkopf das Schnarchen hervor, es erinnert an üppig wuchernde Vegetation. Selbst heimtückische Räuber verlieren den Mut und wagen nicht in das Zimmer (des Schnarchenden) zu spähen. Es ist wie das Chaos vor der Erschaffung der Welt, wo phantastische Gestalten durcheinander stürmten. Es ist bald wie der Lärm von Streitenden, bald wie hasserfülltes Geschrei. – Die Phänomene dieser Welt sind gar sehr voneinander verschieden, und es gibt keinen Weg, um nach der Ursache dieser Verschiedenheiten zu fragen. Wie könnte man die Ursache dieses Schnarchens beseitigen? Doch wohl nur dadurch, dass man eine Last Erde auf den Mund des schnarchenden Bonzen würde (und ihn lebendig begrübe).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 295f. -
Chao lu lian zi 嘲魯連子: Ich spotte über Meister Lu Chung-lian (Han Yu 韓愈)
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Du warst in Deiner Jugend schon sehr schlau und hattest etwas vom jungen Habicht an Dir. T'ien Pa (der Sophist, der bei einer Debatte mit dem zwölfjährigen Lu Chung-lien schwieg) war ein alter verständiger Mann und hatte Mitleid mit Dir, der Du Dich mit Deinen Klauen und Schnabel brüstetest. Von allem Anfange an suchtest Du die Menschen einzuschüchtern, und dieses freche, protzige Auftreten kann ich an Dir nicht leiden. T'ien Pa trat durch jenes Schweigen seinen hohen Ruhm an Lu Chung-lien ab, wie wenn er ein Glas Wasser ausgeschüttet hätte; dies schätze ich hoch. Die Welt pflegt allein die weisen Yao und Shun zu preisen (weil sie ihre hohe Stellung an andere abgetreten haben), aber sie weiss noch nichts von T'ien Pa.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 138. -
Chen kou you zeng er shou 郴口又贈二首: In Ch'ên-k'ou; demselben Freunde gewidmet; zwei Gedichte (Han Yu 韓愈)
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Die Berge ragen wie eine Menge Schwerter empor, und der Strom sieht aus wie ein Spiegel mit Bildern. Das flache Boot folgt den plötzlichen Windungen des Stromes, schneller als ein Vogel im Fluge. Ich wende den Kopf zurück und blicke lachend auf meinen Freund Chang Shu. Tag und Nacht dachten wir immer an die Rückkehr, heute endlich kehren wir zurück. Der Sprühregen erinnert an das Tanzen und Wirbeln von Schnee und Reif und gestattet kein deutliches Sehen. Der Lärm der Wogen erinnert an das Dröhnen von Donner und Zucken von Blitzen und erschwert das Hören der Rede. Längs des felsigen Ufers windet sich unser Boot bis zu einem verborgenen Platz in der Ferne, Wo endlos der blaue, wolkenlose Himmel sich spannt.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 238f. -
Chen zhou qi yu 郴州祈雨: In Chên-chou (Hunan) wird um Regen gebeten (Han Yu 韓愈)
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Man bittet den Geist der toten Jungfrau um Regen; die ihr dargebrachten Opferspeisen sind rein und mannigfaltig. Beim Oeffnen des Tempels schreien die Fledermäuse; die Fee ist herabgestiegen, denn die Zauberer von Yüeh (Chavannes, Mém. hist. III, 507) beginnen (als Medien) zu sprechen. Von den heissen, trockenen Dünsten erhofft man, dass sie sich bald verziehen; von den Beamten des Regengottes erwartet man, dass sie geschäftig umherlaufen (Legge III, 309), um den Regen vorzubereiten. Nicht lange darauf sieht man den Präfekten erscheinen, und schon folgt ein Regenschauer seinem Wagen (wie einst in der späteren Han-dynstie bei der gerechten Verwaltung des Präfekten Chêng Hung).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 238. -
Cheng nan lian ju 城南聯句: Beschreibung der Gegend südlich der Stadt Ch'angan. Kettengedicht des Han Yü und Mêng Chiao (Han Yu 韓愈, Meng Jiao 孟郊)
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Mêng Chiao: Der Bambusschatten ist vom durchfallenden Sonnenlichte wie mit Goldplättchen bedeckt, Han Yü: Das Plätschern der Quelle ist wie Klingen von Edelsteinen. Das Laub der Bäume ist wie aus grünem Glas geschnitten. Mêng Chiao: Die Blumen der Gärten erblühen in den Farben des Königsfischers. Infolge des Strassenkotes wankt man beim Gehen Han Yü: Sucht man schöne Ausblicke, muss man tiefer vordringen. Die fernen Bergspitzen erscheinen wie zollange Smaragde. Mêng Chiao: Beim Blick in die Weite haben die Augen grössere Klarheit als sonst; Überall sind überreife Ähren gegen den Boden gerichtet. Han Yü: Der Insekten leere Häute hängen vertrocknet an den Stengeln. Auf den faulen Baumstümpfen wachsen manchmal Schwämme. Mêng Chiao: Die Tautropfen des Grases wetteifern im Glanz mit den Pupillen. Im Walde wurden vor kurzem einige Bäume gefällt, Han Yü: Neben den gefällten Stämmen stehen jetzt viele vereinzelte Stümpfe. Die Gefangenen der Spinne bewegen bei ihren Fluchtversuchen das klebrige Netz, Mêng Chiao: Die räuberischen Vögel erschrecken vor den rasch aufeinander folgenden Armbrustkugeln. Die abgefallenen Früchte sind von selbst aufgesprungen. Han Yü: Kletterpflanzen umschlingen, was immer ihnen begegnet. Die höfliche Fledermaus verbeugt sich und bleibt stehen, Mêng Chiao: Das dumme Rind stösst mit den Hörnern und brüllt. Wir ergötzen uns an den Leguminosen-Knospen (Legge, Iking 245/16) knapp vor dem Herbstfeste (vgl. Liki, ed. Couvreur I, 341, ein Frühlingsfest, das später in den Herbst verlegt wurde). Han Yü: Und freuen uns der geringen Abgaben auf die Feldfrüchte. Der dem Tau ausgesetzte Glühwurm kann sich selbst nicht erwärmen. Mêng Chiao: Der in der Kälte erstarrende Schmetterling möchte sich noch in die Lüfte erheben. Der nächtigende Vogel fliegt zuweilen auf, bevor es Tag wird. Han Yü: Der nach Futter schnappende Fisch ist stets halb aufgerichtet. Die violetten Hörner der nach oben gekehrten Wasserkastanie sind scharf. Mêng Chiao: Die grünen Blätter des gebrochenen Nenuphar hängen herab. Grosse und kleine Störe (Legge IV/97), wie sie die Leute von Ch'u zu essen lieben, sind durcheinandergemengt (d.h. kommen beide hier vor), Han Yü: Schaltiere und Krebse (Legge, Iking 432/5), wie sie die Laos verspeisen, zeigen sich hier zusammen im Wasser. Man sieht am Maulbeerbaume der Geometerraupe Schreiten durch die Luft, Mêng Chiao: Man hört aus der Höhle des Fuchses grimmigen Kampf. Die im Schatten der Bäume sich niederlassenden Vögel schlagen mit den Flügeln, Han Yü: Die im Verborgenen schleichenden Schlangen schlagen mit ihren Schwänzen umher. Die Fühler der Schnecke werden ausgestreckt und wieder eingezogen. Mêng Chiao: Der Schnabel des Spechtes bearbeitet hackend die Bäume. Von der langen Bambus-Angelrute hängt schwingend herab der Haken mit dem Wurm. Han Yü: Scharen von Fischchen bringen das Wasser des Teiches gleichsam in kochende Bewegung (Legge IV/508). Aus den Sprüngen der am Ufer liegenden Schildkrötenschalen kann man wahrsagen. Mêng Chiao: Die wilde Gerste zeigt allmählich üppige Sprossen. Der weisse Rauch verdeckt die zerstreuten Inseln. Han Yü: Die Fussstapfen der Vögel im Sande der Bucht erinnern an die Siegelschrift. Die Haut, von Raupenhaaren getroffen, entzündet sich. Mêng Chiao: Das Ohr wird betäubt, wenn es den fremden Weckruf der Hühner hört. Ungewöhnliche Gedanken kommen und gehen nach Belieben, Han Yü: Der Blick in die Weite überlässt sich zufälligen Eindrücken. Der bewaldete Berggipfel sieht aus wie eine Menge ferner Augenwimpern. Mêng Chiao: Die bläulichen Bergdünste beruhigen das befreite Gemüt. Man möchte seine Schritte zurücklenken, aber man kann es nicht, Han Yü: Man möchte sein Herz losreissen, aber es kostet einen Kampf. Das Aussehen der Flachssamen erinnert an Hundeläuse. Mêng Chiao: Das Wehklagen der Dorfkinder klingt wie der Schrei des Riesenaffen (Wen-hsüan 5/19). Die roten, runzligen Jujuben trocknen auf Ziegeln des Vordaches. Han Yü: Doe Ranken der Kürbisse schlingen sich um den Querbalken des Einganges. Die Spinne ist unermüdlich im Fangen von Fliegen (Legge V, 87/4). Mêng Chiao: Der Habicht stürzt sich auf die sich bekämpfenden Sperlinge. Die Finger des Holzsammlers sind durch Binden der dürren Äste stumpf geworden. Han Yü: Die Schulter des Kuli, der den Ernteschnitt einbringt, ist gerötet. Wenn er beim Lasttragen die Schulter wechselt, ist die Haut wie abgestorben (T. of T. I/293), Mêng Chiao: Wenn er seine Kräfte einsetzt, ist sein Bauch vorgetrieben. Die Stampfmühle wird durch die Kraft des schnellfliessenden Wassers getrieben, Han Yü: Das Sondern der Spreu vom reinen Reis besorgt das Wehen des Windes. Die Gerichte der Dankopfer werden auf Holztassen präsentiert, Mêng Chiao: Man fängt die dämonischen Füchse und bindet sie mit Rotan-Stricken. In der verlassenen Schule sieht man noch fünf bis sechs Bücher herumliegen. Han Yü: Die alten Gräber sind auf drei, vier Plätze verteilt. Die Gebildeten des Dorfes erweisen (den Gräbern) mit Händen und Füssen Verehrung. Mêng Chiao: Das Höhlenmonstrum späht verstohlenen Blickes aus. Der durch die Hufe zerrissene Weg wird ausgebessert und von neuem runiert. Han Yü: Das Spinnengewebe fegt man weg, und es bildet sich wieder. Am Abend ist die Halle voll flatternder Fledermäuse, Mêng Chiao: Der zerstörte Herd wimmelt von Asseln. Will man die Sache verfolgen und fragt nach den früheren Herren, Han Yü: So lautet die Antwort: alle waren grosse Minister (Legge V, 461/12). Die zerfallende Mauer wird vom kalten Mondlicht durchbohrt. Mêng Chiao: Der gebrochene Bambus pfeift im Winde wie eine vergessene Flöte. Es ist, wie wenn das Parfüm, von Frauenjacken entfernt (Wen-hsüan 8/5), noch anwesend wäre, Han Yü: Es kommt uns vor, als ob die Eindrücke der mit Riemen gebundenen Frauenschuhe noch ein wenig vorhanden wären. Die Steinobelisken der Balustrade sind noch aufrecht stehengeblieben, Mêng Chiao: Die geschnitzten Tiere halten sich noch immer an den Säulen fest. Die crachat-ähnlichen Edelsteinverzierungen sind noch nicht alle ausgebrochen, Han Yü: Die tränengleichen Jadeornamente fallen mit klirrendem Geräusch zu Boden. Hinter den Gazevorhängen der Fenster vermutet man eingesperrte Schönheiten. Mêng Chiao: Die verzierten Kerzen sind im Leuchter zusammengebrannt. Feines Gras spriesst aus dem Marmor der Brunneneinfassung, Han Yü: Üppiges Moos bedeckt bis hoch hinauf die steinharten Pfosten. Weisse Motten fliegen über die frühere Bühne (den Fensterplatz), Mêng Chiao: Verborgene Würmer fallen vom Büchergestell (nach dieser Beschreibung eines verfallenen Herrenhauses wird im folgenden (Vers 89-126) die Kunst früherer Dichter, das üppige Leben der Bewohner und der eingetretene Verfall besungen). – (Bei dem Blick auf die Bücher) denken wir an die alten Lieder, die diesen Ort besungen, Han Yü: Und die herrlichen Verse, die harmonisch erklungen wie Vogelsang (Legge IV, 253). Nach seltsamen Worten suchend hebt man wunderbare Dinge wie tief aus Meerestiefen, Mêng Chiao: Dem Reime sich überlassend scheucht man den himmelstürmenden Walfisch auf. Die Brust ist voll von tausend Bildern, Han Yü: Die Inspiration ist von aussergewöhnlicher Kühnheit. Die Geistesheroen von Ssu-ch'uan, Li T'ai-po und Tu Fu erheben sich, Mêng Chiao: Ihre gewaltige Kraft erinnert an des Donnerwagens Getöse. Mächtige Verse setzen die Schöpfung in Bewegung. Han Yü: Erhabene Worte bringen himmelhoch ragende Berge zu Falle. Ihrer Pinsel Spitzen kann Kälte in Wärme verwandeln, Mêng Chiao: Die ihnen von Geistern geliehene Hilfe lässt den Wein in den Bechern überschäumen. Die ganze Natur fliegt auf in Erregung. Han Yü: Sowohl schnellfliessendes wie stehendes Wasser wiederklingen. Die blumenreiche Sprache lässt einen denken an das Kosten von Blütenstaub, Mêng Chiao: Die Wahl des Ausdrucks erinnert an das Aufreihen von Korallenkirschen. Schöne Bilder übertreffen den hellen Schnee an Reinheit, Han Yü: Zarte Worte ertönen wie Vogelgezwitscher. In der Freude des Rausches (bei festlichen Gelegenheiten) werden die Mützen und die Jadeornamente (die die Ohren bedecken) vertauscht. Mêng Chiao: Üppiger Luxus zeigt sich in der Verschwendung von Gold und Edelsteinen. Die Lotosblüten werden beschrieben in den Gesängen von Chiang-nan (Wen-hsüan 26/29, 31/3), Han Yü: (Weissgesprenkeltes) Polygonatum ist wie übersät mit Nephrit(staub) aus Lan-t'ien. Der in der Küche zubereitete "Reif" ist weisses Fischhaché vom schwarzen Barsch. Mêng Chiao: Die "gewaschenen Edelsteine" sind gekochter, wohlriechender Reis. Das Frühstück hat schon hundert Gestalten (Gerichte), Han Yü: Der Frühlingswein hat wieder tausend Namen. Der klagende Ton der Orgelpfeifen lässt die wandernde Sonne halten, Mêng Chiao: Der helle Gesang lässt die letzten Sonnenstrahlen zögern. Die Seele trennt sich vom Leibe, und man ist sich seiner nicht mehr bewusst, Han Yü: Wie mit Rheumatismus in den Gliedern sitzt man versteift und starrt ins Leere (T. of T. II, 44). Für die Tiefstehenden (Ch'u tz'u 5/4 u. 12/2) gibt es keine Möglichkeit, diesen Luxus zu erreichen, Mêng Chiao: Vom Licht umflossene Genien sind die Bevorzugten. Durch Vereinigung von Artisten sucht man um die Wette Lachen zu erwecken, Han Yü: Um neue Vergnügungen vorzubereiten, wird überall nach jungen Mädchen gesucht. Doch wo früher Maulbeerenbäume gestanden, wachsen jetzt plötzlich Unkraut und Schlingpflanzen, Mêng Chiao: Beim Fällen des Kampferbaumes erschallen weithin die Axtschläge. Wie kann der Kampf der Schönheit ewig währen? Han Yü: Durch wen kann die (frühere) günstige Periode fortgesetzt werden? – Der Aufenthalt der Geister (Wen-hsüan 2/3) unterstützt die Wohlfahrt der kaiserlichen Domäne, Mêng Chiao: Glänzende Begabungen verherrlichen die Hauptstadt. Glück bedeckt die literarischen Zelebritäten, Han Yü: Unter den Männern von gutem Holze befinden sich aussergewöhnliche Talente (Pinie und Tamariske). Was hier sich vorfindet ist reich an verschiedenster Gestaltung, Mêng Chiao: Die entgegengesetzten Kräfte der Natur zeigen sich in Bergen und Tälern. Der gespaltene Hwa-shan-Berg offenbart die gewaltige Kraft des Flussgeistes (Wen-hsüan 2/2), Han Yü: Der gedrungene Chung-shan-Berg vereinigt in sich das Glück des Landes. Männer von weitreichenden Plänen (Legge IV/511) festigen das Legen der ersten Fundamente, Mêng Chiao: (Glückliche) Ratgeber (Ch'u tz'u 3/28) bringen dem Reiche dauernden Frieden. Die hier in Fülle (wie Staub) vereinigten Talente bevölkern die ganze Gegend (wörtlich: verstopfen die Wege, Wen-hsüan 9/15). Han Yü: Wunderbare Drachen (d.h. weise Männer) halten sich von jeher auf in diesen reinen Gewässern. Noch bedeutender wurde der Ort nach der Zeit der Han- und Wei-Kaiser, Mêng Chiao: Die Gründung (der jetzigen Dynastie) übertrifft an Grösse die Chou- und Ch'in-Dynastien. Der in Menge vorhandene Glanz umfasst auch das durch die Tugend verbreitete Licht, Han Yü: Überlieferung der Klassiker wird wie goldgefüllte Truhen geschätzt. In den Häusern der Reichen sind grosse und kleine Dreifüsse (Legge IV/606) in Reihen aufgestellt (für die Speisung der Trabanten). Mêng Chiao: Die Familien der Günstlinge sind reich an Bogen und Bannern (an hohen Würden). Kaiserliche Edikte befolgen durchaus die Satzungen über Belohnungen, Han Yü: Aber die geheimen Zuwendungen überschreiten alles Mass. Auf hohen Brücken (schreitend) glaubt man sich auf die Milchstrasse stützen zu können, Mêng Chiao: Vom umgebenen Ufer meint man das Meer zu erblicken. Der Bambus am Flusse wurde aus der Ferne als Geschenk präsentiert, Han Yü: Steine aus dem T'ai-hu-See wurden mit grossen Unkosten herangebracht. Traube und Klee stammen von jenseits der grossen Gobi, Mêng Chiao: Platane und immergrüne Eichen kommen aus den südlichen Provinzen. Da sie günstig gepflanzt sind, sieht man selten geneigte oder verfaulte Bäume, Han Yü: Durch gute Düngung erleichtert man Wachstum und Blüte. Aus den lang herabhängenden Federn des Königsfischers versteht man Ornamente zu gruppieren, Mêng Chiao: Aus gekrümmtem Elfenbein weiss man Gürtelgehänge zu drechseln. Die "Fischmaul"-Stickereien funkeln wie Sterne, Han Yü: Der "Rosshaar"-Brokat zeigt ein fleckiges Rot. - Klima und Bodenverhältnisse der fünf Regionen vermischen sich hier miteinander, Mêng Chiao: In der Bepflanzung des Bodens unterscheidet man (allein schon) hundert Arten. Die Blumen- und Blattknospen erscheinen voll gegenseitiger Eifersucht (voll Wetteifer), Han Yü: Reiche Vegetation, zugleich sich entfaltend, erheitert den Himmel. Alle möglichen Pflanzen vereinigen sich hier zum Staunen der Menschen (Wen-hsüan 48/3) Mêng Chiao: Wie Vogelfedern in den Verzierungen verborgener Damentaschen (Liki I, 622) (?). Von gefährlicher Höhe hält man Ausschau wie auf einem Vogel reitend, Han Yü: Zum Himmel emporsteigend betritt man hohe Aussichtspunkte (Wen-hsüan 8/18). Im Frühjahr spazierengehend trat man auf junges, geschmeidiges Grün (Ch'u tz'u 12/3), Mêng Chiao: Die schöne Gefährtin erschien in bräutlichem Schmucke. Der von ihr ausgehende Glanz schwebt uns jetzt noch vor Augen (Wen-hsüan 6/12), Han Yü: Das keusche Antlitz bewegt jetzt noch unser Innerstes. Schön und ergeben steht sie vor mir, wie wenn ich nicht träumte, Mêng Chiao: Beim Verschwinden ihres Bildes ist es mir, als hätte ich Katzenjammer (Legge IV, 313). Leicht wie Fasanendaunen sind ihre Kleider und Gürtel, Han Yü: Weiss wie zerschnittenes Gänsefett sind die Edelsteine ihrer Gürtelgehänge. – Die hohen Chargen der Zivilbeamten verbreiten Glanz um sich. Mêng Chiao: Die siegreichen Militärs haben die Rebellen geschlachtet. Beim Zerschneiden des Brokats wird nicht um den Preis gefeilscht. Han Yü: Hoch bis in die Wolken sind stattliche Häuser errichtet. Alle Gewässer sind voll (Legge IV, 457) von Fischen und Schaltieren. Mêng Chiao: Die weiten Felder sind reich an wohlriechendem Wermut und Haselwurz (Li Sao 14. Stanze), Pfauen und Königsfischer werden hier gekauft und gezüchtet. Han Yü: Man pflanzt die aus der Ferne eingewickelt herbeigebrachten Pisang- und Kokospalmen. Die an Gänseköpfe erinnernden dornigen Euryale-Lilien sind nebeneinander gruppiert, Mêng Chiao: Wohlriechende Orangen von der Grösse von Schwaneneiern liegen aufgeschichtet. In das weite Land galoppierend (zum Kampf mit dem Feinde) mischen sich (hohe Offiziere) unter gute Hirten, Han Yü: Der erlangte Frieden stützt sich auf frühere Verträge. Nach beendetem Kriege werden die einen zu kaiserlichen Garden ernannt, Mêng Chiao: Mit dem Schutze der Grenzen betraut zeigen die anderen ihre Loyalität. Von ihrer militärischen Kleidung wird der glitzernde Panzer abgelegt, Han Yü: An der Hofmütze flattern die bunten Bänder (Legge V, 38/1). Die ihnen für ihre Verdienste verliehenen Titel erstrecken sich auf Angestellte und Diener, Mêng Chiao: Das Abzeichen ihrer Würde (Mützennadel und Gürteltablette) besitzen (die Kinder) schon in den Windeln. Schon die Säuglinge zeigen hervorragende Eigenschaften (Legge IV, 468), Han Yü: Zahllose Nachkommen (Legge IV, 179) weinen mit lautem Geschrei (Legge IV, 306). Der helle Glanz ihrer äusseren Erscheinung durchbricht jede Umhüllung, Mêng Chiao: Das kalte Licht ihrer Augen erinnert an ein frischgeschliffenes Messer (T. of T. I, 199). Die Lehrer in den Schulen unterrichten sie in den Klassikern und Historikern. Han Yü: Die versammelten Verwandten (Liki, ed. Couvreur I, 781) geben Enkeln und Neffen ein Bankett. Glocken ertönen beim Servieren von Ragouts und eingemachten Früchten (Legge IV, 395). Mêng Chiao: Die Trommel wird gerührt bei der Einladung zum Genusse des Opferfleisches. Kaltes Geflügel wird vom Norden herangebracht. Han Yü: Verpackte Delikatessen kommen aus dem äussersten Osten, um hier zubereitet zu werden. Eier, so gross wie Kürbisse, werden gekocht, Mêng Chiao: Fadendünne, wohlriechende Radieschen werden gegessen. Meer und Gebirge helfen einander in der Lieferung von Leckerbissen (für Mund und Magen), Han Yü: Aus den Reichen Chao und Yên (Wen-hsüan 29/6) wird man mit schönen Mädchen versorgt. Ein einziges Lächeln von solchen kann grimmigen Hass verschwinden machen. Mêng Chiao: Durch grosse Geldgeschenke werden Freunde gewonnen. Waren kommen von den Märkten der nördlichen und westlichen Barbaren, Han Yü: Um die Gäste zu rufen, werden Stare verwendet (?). Ruhig wohnt man hier, ohne von Dämonen ausgespäht zu werden. Mêng Chiao: Durch Unterdrückung des früheren willkürlichen Auftretens entkommt man amtlicher Kritik. – Zur Jagdzeit im Herbst ergeht man sich in allgemeiner Ausrottung, Han Yü: Man bedeckt die Erde überall mit Hasen- und Vogelnetzen. Des Federkleides beraubt stürzen Fasan und Wachtel, Mêng Chiao: Dem Blutbad entrinnt nur der Fuchs und der schwarze Hirsch. Mit gebrochenem Bein schleppt ersterer sich hinkend weiter, Han Yü: Vor Wut richten sich die wirren Mähnenhaare des Hirsches auf. Der dahinspringende Hund ist schneller als der auffliegende Vogel, Mêng Chiao: Der Falke mit aufgesperrtem Schnabel ist blutdürstiger als ein hungriger Moskito. Nach Zahl des erlegten Wildes wird die Belohnung bestimmt (Wen-hsüan 34/9), Han Yü: Durch Spaltung des Gehirns wird der letzte Widerstand überwunden. Beim Tode der Raubtiere freuen sich Rind und Pferd. Mêng Chiao: Von den unheilvollen Vögeln bleiben nur Eulen verlassen zurück. Obwohl die Höhlen durchsucht sind, sehen (die Jäger) doch noch zornig drein. Han Yü: Auch nachdem der Pfeil den Bogen verlassen, zittert letzterer noch nach. Wagen auf Wagen sind schon hoch beladen (mit der Jagdbeute). Mêng Chiao: Verstopfte Radfurchen werden frei gemacht und sind doch bald wieder voll. Atemlos beobachtet man das Niederfahren der Lanzen und Schwerter, Han Yü: Ermüdet stösst man gegen unbeachtete Strünke und Wurzeln. Nachdem alles weggefegt ist, ist weit und breit grosse Leere. Mêng Chiao: In die Ferne sprengend durchzieht man üppig gewachsenes Gras (Wen-hsüan 19/6). Gierig verschlingen die Jäger das rohe Fleisch, Han Yü: Hässlich schmatzend kauen sie stinkende Fischgerichte (auf die Beschreibung der Jagd [Vers 213-234] folgt eine solche des Himmelsopfers [Vers 235-250]). – Wenn die Jahreszeit (Chavannes, Mém. hist. III, 639) zur Wintersonnenwende mit ihrer Himmelsopferfeste gelangt ist, Mêng Chiao: Werden von alter Musik die Gesänge des Shun und des Ti K'u zu spielen angeordnet. Auf den flatternden Bannern sind Sonne und Mond abgebildet, Han Yü: Die Zelte werden von hohen Masten getragen. Grosse Edelsteine sind in Haufen als Opfer zur Schau gestellt, Mêng Chiao: Wohlriechende Kräuter sind durcheinander am Boden gebreitet (Li Sao 66 St.) Alles, damit die Gottheit der Erde den Millionen von Menschen Glück bringe. Han Yü: Schwarze Hirse füllt zum Überfliessen die Körbe (Legge V, 47/6). Die verkündete Amnestie reinigt von allen Sünden. Mêng Chiao: Die Ausbreitung der kaiserlichen Macht lässt die Verwendung von Kriegswagen überflüssig erscheinen. Den Opferrauch sieht man in den hohen Himmelsraum steigen. Han Yü: Der kaiserliche Wagen lässt sein rasselndes Dröhnen ertönen. Dies ist von allen Zeremonien die grossartigste, Mêng Chiao: Und sie wird immer (vom Herrscher) benutzt, um die Erhabenheit seines Geistes zu zeigen. In der Fülle seiner Tugend weiss er (Verurteilten) das Leben zu schenken, Han Yü: Seine grossmütige Gnade macht ein Ende dem Verstümmeln und Brandmarken. – Die im Lande Ansässigen (Legge III/99) sind alle einheimische Geschlechter. Mêng Chiao: Unter denen, die das Feld bestellen, finden sich kräftige Bauern von auswärts. Zahlreich sind die von Bergwacholder beschatteten Getreidespeicher (gruben). Han Yü: Der glückbringende Phönix schwingt sich geräuschvoll (Legge IV, 494) auf, nachdem er vom Gemüsegarten genossen. In den ergiebigen Beeten schneidet man Porree und Schalotte. Mêng Chiao: Aus festem Ton macht man Schüsseln und Krüge. Durch reichlich Nahrung wissen (die alten Leute) den Rest ihrer Kräfte zu schonen, Han Yü: Ihren pietätvollen Gedanken (Legge IV, 459) entsprechen die Kinder durch würdiges Opfern im Tempel (Legge IV, 369). Hoch in den Wolken, die die Berge durchbohren, werden die Felsen für Tempelbauten gesprengt (?), Mêng Chiao: Die Reflexe des Mondes in den dortigen Teichen werden durch deren Trockenlegung entfernt (?). Beim Betreten der Tempelstufen glauben wir in einen glänzenden Spiegel zu schauen. Han Yü: Die Almosenschalen der Priester werden wie Morgengongs geschlagen. Die aus Lehm geformten Götzenbilder stehen einander gespensterhaft gegenüber. Mêng Chiao: Die einzelne Eisenglocke lässt geschlagen ihren Schall ertönen. Turteltauben und Tauben zeigen beim Schreien kropfartige Schwellungen. Han Yü: An den Wänden sich schlängelnd vermischen sich Tausenfüssler und Eidechsen. Wenn die Maulbeere schwarz (reif) ist, sind die Seidenwürmer schon alt. Mêng Chiao: Das Gelb des Weizens entlockt den Oriolen harmonischen Gesang. – Schönes Morgenwetter lässt Besucher der Sehenswürdigkeiten erwarten, Han Yü: Weise Freunde kündigen ihre Ankunft drei Tage vorher an (Legge, Iking 191/5, 6). Die in Eile ankommenden Reiter füllen, sich drängend, das Tor, Mêng Chiao: Der Lärm der nach den Landhäusern hastenden Wagen ist übertäubend. Überall sieht man rote Aprikosen wie Brokatstückchen auf den Zweigen (?) Han Yü: Die (in Wasser gekochten) grünlich-weissen Kuchen schwimmen in zahlreichen kompakten Stücken wie Eis herum (?). Auf der Schaukel sitzend sind herrliche Frauen (Wen-hsüan 57/21) zu schauen, Mêng Chiao: Im Gras-Spiel (?) sich messend gewinnt man Perlen und Edelsteine (Legge III/116). Puder und Schweiss lassen die breite Stirn erglänzen, Han Yü: Die goldenen Ohrgehänge hängen herab bis zum Halskollier. Der Geruchssinn geniesst im geheimen die Parfüms der ermüdeten Damen, Mêng Chiao: Das Auge, verstohlen blickend, erfreut sich der koketten weiblichen Blicke. Bei diesem Feste sättigt man sich an der Schönheit der Gesichter, Han Yü: Und nennt diese Gegend die Hauptstadt. Man schreibt viele Gedichte und verschwendet eine Menge Seidenpapier, Mêng Chiao: Um in Liedern für Gitarre und Zither die Festesfreude aufzuzeichnen. – Warum musstest du all dies aus der Ferne betrachten? Han Yü: Ohne Grund hatte man mich nach dem Süden verbannt. Meinem Körper nahe waren Dämonen und Kobolde. Mêng Chiao: Auf deinen Spaziergängen warst du nur von Möven und Reihern begleitet. Mit nichts als übelriechendem Wasser brachtest Du dem Ch'ü Yüan Libationen dar (?) Han Yü: Wegen der mir vom Himmel zugedachten kurzen Lebensfrist beneidete ich vergebens P'êng-tsu (B.D. No. 1641). Das Herz erschrak beim Anblick von Schlangen und Regenwürmern, Mêng Chiao: Von Gestank getroffen stiess ich auf Kröten und Garneelen. Glücklicherweise erlangte ich eine für mich günstige Brise, Han Yü: Verliess meine Verbannung und streife wieder trotz meiner Unwürdigkeit an den Torpfosten (Liki, ed. Couvreur I, 719) des Kaiserhofes vorüber. In meine Privatwohnung zurückgekehrt, verbringe ich einen zeitweiligen Urlaub. Mêng Chiao: Frühmorgens reitest du hinaus nach der Lehranstalt der kaiserlichen Akademie (Kuo-tzu-tien) (zu deren Professor Han Yü ernannt ist), Neue Gedanken werden durch die heitere Gemütsstimmung hervorgerufen, Han Yü: Mit vereintem Glanze leuchten die beiden Edelsteine (Legge IV, 153; Han Yü und Mêng Chiao). Voll Freude betrachten wir, wie eine Schwalbe die andere verfolgt. Mêng Chiao: Mit Genuss sehen wir zu dem Tanz der Libellen. Aus dieser inneren Zufriedenheit (über all das Schöne, was wir sehn) allein schon entsteht viel Fortschritt, Han Yü: Denn die Wünsche des Herzens sind wie ein Feind, den man nicht bekämpfen kann (Legge V, 1825). Jetzt erst weiss ich mich der Lehre des Konfuzius (vgl. Biographie des Yo Kwang, Bücher der Chin-Dynastie Ch. 43 u. Wen-hsüan 40/29) zu erfreuen. Mêng Chiao: Wozu soll ich mich an die Beamtenkarrière eigensinnig binden? Nach beendetem Spaziergang überlassen wir uns unseren poetischen Neigungen. Han Yü: Wie könnten wir uns noch törichterweise an kleinlichem Treiben festklammern? (Legge I, 271, 291).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 197-208. -
Chi pan zhu liang 池畔逐涼: Am Ufer des Weihers suche ich Kühle (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Chi shang xu 池上絮: Die Weidenblüten auf dem Teich (Han Yu 韓愈)
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Ueber dem Teich ist es windstill, während die Sonne untergeht. Nach Ende des Regens fliegen Weidenblüten von selbst (d.h. ohne Wind) umher. Mit ihrer leichten Substanz schweben sie über dem hellen Spiegel. Ganz feucht geworden (sinken sie unter) und können nicht mehr zurückkehren.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 299. -
Chong yun li guan ji zeng zhi 重雲李觀疾贈之: Hochgetürmte Wolken. Meinem kranken Freund Li Kuan gewidmet (Han Yu 韓愈)
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Der Gang des Himmels hat seine Regelmässigkeit verloren, die Yin-kraft (das Dunkel) will die Yang-kraft (das Licht) angreifen. Hochgetürmte Wolken verdecken die helle Sonne, und Hitze verwandelt sich in Kälte. Der gewöhnliche Mann ergeht sich nur in Seufzer und Klagen (Legge III, 580), doch ein Edler (wie Du) sucht kummervoll den Fehler bei sich selbst (Legge IV, 215). Er schränkt Essen und Trinken ein, wie könnte auch (zu solcher Zeit) sein Leib sich gütlich tun? Obwohl dieser Vorsatz sich zu kasteien sehr zu schätzen ist, fürchte ich doch dass dies (für Dich) nicht durch Pflicht geboten ist. Wenn der Arme, der Gemüsesuppe isst, sich schon so kasteit, wie kann erst der fleischessende Reiche sich seiner Speisen erfreuen? Im tiefen Winter stirbt die ganze Vegetation, nur die verborgene Cassia strahlt ihre Düfte aus (d.h. in der Zeit der Not zeigt sich erst der Charakter des Edlen). Ueberdies hat der grosse Kreislauf der Natur zwischen Himmel und Erde seine bestimmten Gesetze (d.h. die Störung in der Natur wird sicher vorübergehen). Ich rate Dir daher, esse und trinke nach Herzenslust; auch der Phönix schwebt hoch über der Welt (und kümmert sich nicht um sie).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 26f. -
Chou bie liu hou shi lang 酬別留後侍郎: Beim Abschied von dem in Ts'ai nach Unterdrückung des Aufstandes als Liu-hou stationierten Ministervizepräsidenten Ma Tsung in Dank für dessen Gedicht (Han Yu 韓愈)
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In der Kunst der literarischen Darstellung erinnerst Du an den bisher unübertrefflichen Ssu-ma Hsiang-ju; In der Strategie kannst Du dem erstklassigen Ch'i Hu (Legge V, 200/11, 12) gleichgestellt werden. Ich kehre jetzt nach Loyang zurück, es schmilzt gerade der Schnee und die Flüsse Chên und Wei (Legge II, 317, IV, 140) wälzen grosse Wassermassen. Die Fahnen Deiner von Westen kommenden Truppen streifen das wolkenlose Firmament.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 269f. -
Chou lan tian cui cheng li zhi yong xue jian ji 酬藍田崔丞立之詠雪見寄: In Antwort auf das mir übersandte Gedicht über den Schnee des Unterdistriktsrichters von Lan-t'ien, Ts'ui Li Chih (Han Yu 韓愈)
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In der Hauptstadt Ch'angan ist einige Fuss hoher Schnee gefallen und die Kälte ist grösser als in gewöhnlichen Jahren. Nirgends mehr ist der Erdboden noch zu sehen, und jene verschwommenen Weiten, ist das etwa der Himmel? Erschrocken sehe ich die eiligen Schneeflocken durcheinander wirbeln, und bin überrascht, wie sich diese unendlichen Mengen zusammenballen. Unvermerkt steigt der Schnee langsam die Stufen der Hallentreppe empor und dürfte bald die Dachsparren brechen. Wenn ich das Haus (zu Fuss) verlasse, fürchte ich den Weg zu verlieren; wenn ich ausreite, bin ich besorgt, bis zum Sattel im Schnee zu versinken. Beim Hören der Morgenglocke erhebe ich mich voll Respekt (um zur Audienz zu gehen); Du in Deinem Amt in den Bergen schläfst trunken in den Morgen hinein. Ich bin gerade dabei, über den tiefen Schnee zu seufzen, während Du seine Schönheit besingst. Ich bin von Deinem krystallhellen Antlitz getrennt; (aber zur Entschädigung) sendest Du mir Deine herrlichen Verse, die wie Wellen dahin fliessen. Wenn ich frühstücke, denke ich an unsere gemeinsamen Mahlzeiten; wenn ich nachts ruhe, erinnere ich mich der Zeit, wo wir unter einer Decke schliefen. Wo immer ich hinblicke, sehe ich alles weiss; nur die Verse Deines herrlichen Gedichtes sind mit schwarzer Tusche geschrieben.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 298. -
Chou ma shi lang ji jiu 酬馬侍郎寄酒: Ich danke dem Ministerialsekretär Ma Tsung für eine Weinsendung (Han Yu 韓愈)
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Für den Krug voll Liebe, den Du mir sandtest, sind diese vier Verse nur ein schwacher Dank. Wenn man bei Ankunft des Herbstes weder Gedichte noch Wein hat, wie könnte man dann den Mondenschein geniessen?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 266. -
Chou pei shi liu gong cao xun fu xi yi tu zhong jian ji 酬裴十六功曹巡府西驛塗中見寄: In Antwort auf ein Gedicht des Kung-ts'ao von Honanfu P'ei Tu, das er bei einer Inspektion der Poststationen westlich von Honanfu auf dem Wege dichtete und mir schickte (Han Yu 韓愈)
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Der Minister Chêng Yü-ch'ing hat seinen Ministerposten (Legge III, 527) verlassen und ist darauf als Gouverneur nach Loyang gekommen, um die Leute des Ostens (Legge IV, 354) zu beleben und zu fördern. Der Censor P'ei Tu wurde wegen Kritik des Kaisers (strafweise) als Kung-ts'ao (vgl. Chavannes, Mém. hist. II, 532) nach Honanfu versetzt. Die Folge davon war, dass in die Regierung der Provinz Honan Ordnung kam, wie man zuvor niemals ähnliches gesehen hat. Das Land wird täglich reicher (Legge I, 266), auf den Wegen finden sich zahlreiche Reiter und Wagen. Bis in eine Entfernung von 300 Meilen westlich von Honanfu folgt ein Rasthaus dem andern wie die Schuppen eines Fisches. Chêng Yü-ch'ing hat Dich (P'ei Tu) ersucht, in dieser Region persönlich eine Inspektionsreise zu unternehmen. Zu dieser Zeit erscheint die Landschaft in den Farben des Herbstes; wie herrlich frisch sehen Berge und Flüsse aus! Der traurige Schrei der Wildgans tönt hell im Ohre, die nächtlichen Nebel zerteilen sich und lassen den hohen Himmel erblicken. P'ei Tu hat mir ein Gedicht über seine Reise geschickt, worin sich erhabene Gedanken in wunderbarer Sprache finden. Es ist wie wenn auf einer goldenen Platte herrliche Edelsteine erglänzten. Seitdem ich hierher gekommen bin, habe ich es auch glücklich getroffen; ich diene einem würdigen Gouverneur (Chêng Yü-ch'ing) und bin Freund eines edlen Mannes (P'ei Tu) (Legge I/297). Mit der Angelrute sitze ich oft stundenlang allein am Ufer des Lo-Flusses, Jene (beiden) Männer mit ihren grossen Talenten strengen sich mächtig an, während ich Unbrauchbarer nur dem Namen nach Beamter bin (d.h. der alten Routine folge). Die Zeit da ich mein Amt aufgeben werde, dürfte nicht mehr ferne sein; langsam will ich noch mitgehen, bis der Frühling zu den Bergen zurückkehrt.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 116f. -
Chou si men lu si xiong yun fu yuan zhang wang qiu zuo 酬司門盧四兄雲夫院長望秋作: In Erwiderung des Gedichtes "Blick auf die Herbstlandschaft" von Lu Yün-fu (Lu Ting, 4ten seines Clanes), Vorstand des Yamêns der Ueberwachung der Stadttore (Han Yu 韓愈)
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Die Stadt Ch'angan ist durch Regen gereinigt und der neue Herbst in Erscheinung getreten. Wohin ich blicke, glänzt es wie ein blanker Spiegel, denn die Staubhülle ist entfernt. Morgens gehe ich auf dem Drachenschwanzweg spazieren und blicke hinüber nach dem Chung-nan-Berge. Hoch in den Himmel ragend erscheinen mir wieder seine dunklen Felsen. – Ich kenne meine Mängel und Unzulänglichkeiten, die nicht gut zu machen sind. Schon lange tue ich hier meine Pflicht als Beamter (Legge IV, 327, 360) und trage den Rock des Kaisers. Wenn ich aus dem Yamên zurückkehre und Musse finde, wandere ich schauend herum. Da fühle ich mich zeitweilig wie ein kräftiges Ross, dem man die doppelte Zäumung abgenommen hat. Lotusblumen bedecken zehn Meilen weit den Mäandersee. Der ungewohnte Anblick von Flüssen und Seen (d.h. des Landes fern von den Städten) erweckt in mir Gedanken ohne Ende. Ich freue mich des Herumwanderns, blicke hinab (in die Täler), bald in die Nähe, bald in die Weite: Ueberall fliesst das Grün der Sophoren und Wasserlinsen zu einem untrennbaren Ganzen zusammen. Wenn ich bis ins hohe Alter hier wohnen würde, wer würde nach mir fragen? Hier auf diesem Fleckchen ebener Erde wäre ich von hohen Bergen umgeben (und würde mich wohl fühlen). – Mein älterer Freund Yün-fu hat ein extravagantes Naturell, Seine Neigungen sind gar weit verschieden von jenen der grossen Menge. Täglich kommt er mich besuchen und will nicht wieder weggehen. Wir sprechen über Gedichte und erörtern Reimprosa, beide ohne aufzuhören. Sein Gedicht "Blick auf die Herbstlandschaft" hat die Menschen schon sehr in Staunen versetzt, Und doch hat er sich in seinen Worten aus Furcht vor Angriffen bescheiden zurückgehalten. Wenn er im Rausch seine wunderbaren Talente gehen liesse, Könnte die Welt die Schärfe seiner Worte nicht vertragen. Ach, mit ihm, dem Aelteren, in starker Freundschaft verbunden, Verwandelt sich mein furchtsames Wesen in Tapferkeit, Gott ist mein Zeuge (d.h. ich spreche die Wahrheit). Ich möchte am liebsten zu Pferde über Graben und Täler dahin sprengen, ohne je Reue zu empfinden. Doch dass ich es nicht tue, um nur mein Gehalt nicht zu verlieren, ist wirklich nichts anderes als Habgier. Ich möchte meinen Amtskollegen mit tiefer Verbeugung Adieu sagen und auf Ehre wie Rum verzichten. Ich möchte in weitem Abstand Tufu und Lit'aipo, von deren lauterer Wahrheit getroffen (Legge III, 66), folgen. – Wenn wir jetzt wo der Vollmond über dem Hause steht, nicht zusammen die Nacht verbringen können, Wie können wir ihn geniessen, wenn er allmählich kleiner wird und nur seine Spitzen (Legge IV, 163, Wen-hsüan 30/10) zeigt?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 126f. -
Chou wang er shi she ren xue zhong jian ji 酬王二十舍人雪中見寄: Antwort auf das mir zugesandte Gedicht "Im Schnee" des Kammerherrn Wang Yai (20. seines Clanes) (Han Yu 韓愈)
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Drei Tage lang konnte meine Heckentüre nicht geöffnet werden. Die Treppenstufen waren verwischt, der Hof gefüllt mit glänzendem Schnee. Heute morgen wurde dieser herrliche Schnee, der wie Edelsteine glänzte (Legge IV, 108), durch Fusstapfen niedergetreten, Weil ein Gedicht (von Dir) aus der kaiserlichen Kabinettskanzlei gekommen war (Pétillon, All. litt. pg. 502).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 249. -
Chu guan fu que zhi jiang zhou ji e yue li da fu 除官赴闕至江州寄鄂岳李大夫: Ich verlasse meinen Posten im Süden und kehre an den Hof im Norden zurück. In Kiukiang angekommen sende ich dieses Gedicht Li Ch'êng, Gouverneur von Wuch'ang (Han Yu 韓愈)
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Um von Kiukiang nach Wuch'ang zu fahren, braucht man bei günstigem Wind nur einen Tag. Da ich aber von meinem alten Freunde keinen Brief (mit Einladung) empfangen habe, habe ich keine Gelegenheit, mit dem Segelboot stromaufwärts nach Wuch'ang zu fahren. Du mein Freund, hast das Ministerium der Zeremonien verlassen, und die Banner Deiner amtlichen Würde (als Gouverneur von Wuch'ang) flattern nun am Ufer des Grossen Stromes. Ich dagegen, der Verbannte, habe jetzt erst Erlaubnis erhalten, mit vernichteter Gesundheit in die Heimat zurückzukehren. Seit unserer Trennung sind schon drei Jahre verflossen, und voll Sehnsucht habe ich stets an Dich in der Ferne gedacht. Obwohl jetzt so nahe, habe ich nichts von Dir gehört. Wie kann ich hoffen, sonst im Leben (wenn man weit von einander getrennt ist) von Dir Kunde zu erhalten? Meine Zähne sind beinahe alle schon ausgefallen; ist Dein Schläfenhaar schon stark weiss geworden? Beide sind wir jetzt schon über fünfzig Jahre alt, und die uns noch beschiedenen Tage dürften leider gezählt sein. – Die Jugend freut sich neuer Freunde (Ch'u tz'u 2/19), im Herbste des Lebens denkt man voll Sehnsucht der alten. Sie erinnern mich an die eigenen Blutsverwandten, mit welchen man wohl auch manchmal Unstimmigkeiten gehabt hat, ist es nicht so? – Ich war früher wirklich sehr thöricht, dass ich Wort und Miene Dir gegenüber nicht mildern konnte. Ich bin ein zweiter Tzu-fan (Legge V, 188/2), der auch von sich gesagt hat, er wisse selbst am besten, wo er gefehlt habe. Du wirst mir sicherlich meine Sünden verzeihen, und auch ich will mich zu bessern trachten (Legge V, 311/11). Wenn Du mich am Abend (Deine Freundschaft) wiederfinden lassest, die ich am Morgen verloren habe (Pétillon, All. litt. pg. 176), dann erwarte ich von Dir, dass auch Du mir Worte der Freundschaft zukommen lassen wirst.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 173f. -
Chu men 出門: Wenn ich mein Haus verlasse (Han Yu 韓愈)
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Ch'angan besitzt unzählige Häuser, doch wenn ich mein Haus verlasse, weiss ich niemanden, zu dem ich gehen könnte. Nicht ich bin es, der wagen würde, die Einsamkeit hochzuschätzen, aber ich kann mich wirklich nicht mehr mit der Welt verstehen. Obwohl die alten Weisen schon gestorben sind, ihre Worte finden sich noch in den Büchern. Wenn man diese Bücher aufschlägt, sie liest und darüber nachdenkt, ist es, als ob man sich mit jenen vor tausend Jahren Gestorbenen verabredet hätte zusammen zu kommen. Jeder, der sein Haus verlässt, hat seinen (bestimmten) Weg, nur mein Weg ist noch nicht eben (d.h. gangbar). Hier (bei den Büchern) will ich einstweilen ein wenig verbleiben, das himmlische Schicksal wird mich sicher nicht betrügen (d.h. ich hoffe auf Erfolg im Leben).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 61. -
Chu nan shi yi yuan shi ba xie lü 初南食貽元十八協律: Als ich zum ersten Mal das Essen des Südens probierte. Dem Kapellmeister Yüan, 18. seines Clans, übermittelt (Han Yu 韓愈)
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Der Molukkenkrebs sieht wirklich wie eine Mitra des Altertums aus. Mit den Augen am Rücken schreitet das Paar einher (das Männchen vom Weibchen getragen). Die Austern, auf einander sitzend, bilden eine grosse Bank; zu grossen Mengen vereinigt, leben sie doch jede für sich. Die Schilffische besitzen einen Schwanz wie Schlangen; Maul und Augen arbeiten nicht zusammen (sind von einander weit entfernt). Das Ko-Amphibium (des Südens) ist unser Frosch; und obwohl mit letzterem identisch, trägt es zu Unrecht einen verschiedenen Namen. Der Tintenfisch und die Steckmuschel scheinen durch ihr eigentümliches Aussehen unter einander zu wetteifern. Ueberdies gibt es noch einige Dutzend anderer Sorten von Tieren, bei deren Anblick man nicht anders kann als sich wundern oder erschrecken. Da ich hierher gekommen bin, um Dämonen und Kobolden zu trotzen (Legge V, 280/14), muss ich natürlich auch die südlichen Speisen kosten. So esse ich sie dann mit Salz und Essig gewürzt, mit Pfeffer und Zitronensaft gekocht (Legge IV, 4). Erst allmählich kommt der unangenehme Geschmack zum Vorschein, und wenn ich beisse und schlucke, bedeckt sich mein Gesicht mit Schweiss und Röte. Nur die Schlange kannte ich schon von früher her und fürchtete ganz gehörig ihres Mundes und ihrer Augen Tücke. Ich öffnete ihren Käfig und liess sie frei; sie schlängelte dahin, wie wenn sie mir noch (wegen ihrer Gefangenschaft) böse wäre. Dass die Leute Dich mir verkauft haben, ist doch nicht meine Schuld; dass ich Dich nicht geschlachtet habe, war das etwa nicht Sympathie von mir? Ich fordere von Dir keine Vergeltung (meiner Güte) durch Darbringung einer wunderbaren Perle (Pétillon, All. litt. pg. 243). Ich werde von Glück sprechen können, wenn Du weder Hass noch Kränkung gegen mich hegst. Einstweilen singe ich dieses Lied; um die Sache der Vergessenheit zu entreissen und um sie gleichzeitig meinen Schicksalsgenossen mitzuteilen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 169f. -
Chu zhu ci shi fei da you ren jian zeng 初著刺史緋答友人見贈: Ich suche eine eigene Wohnung (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Chun xue "Kan xue cheng qing dan" 春雪 "看雪乘清旦": Frühlingsschnee (Han Yu 韓愈)
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Den Schnee zu bewundern benütze ich den frühesten Morgen, ohne Gesellschaft sitze ich allein ihn zu preisen. Die Blume leicht gestreift von den Flocken erhebt sich wieder, der Schnee fällt auf die Erde, und erwärmt schmilzt er sogleich. Er ist zu meinem Erstaunen nicht nur weisser als der Fächer der Sängerin, er wetteifert auch mit den Bewegungen der Tänzerin. Er fällt auf den jungen Bambus und bleibt an dessen engen Knoten liegen, er ruht auf der Weide und gleitet an deren langen Zweigen zur Erde. Der Fasan blickt in den schneeumsäumten Weiher wie in einen Spiegel, das Pferd überschreitet die schneebedeckte Brücke als ob es durch Wolken zöge. Mich freut es den Schnee, der die Stufen bedeckt, zu Ballen zu formen, ich liebe es, den die Bäume überziehenden Schnee herabzuschütteln. Der Schnee gleicht den Wellenkämmen beim Durchqueren des Stromes, gleicht den fliegenden Federn am Morgen der Jagd. Bald fällt er langsam sich drehend zur Erde, bald eilends im Wirbel sich überstürzend. Auf der hohen Stadtmauer erinnert er an ein weisses, herabhängendes Laken; auf dem kalten Waschstein glänzt er weiss, und ist doch nicht Seide, die darauf geklopft wird. Betrübe Dich nicht, wenn diese Schneelandschaft bald vorübergeht, der Mondenschein der Nacht wird uns dafür entschädigen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 241f. -
Chun xue "Pian pian qu hong ji" 春雪 "片片驅鴻急": Frühlingsschnee (Han Yu 韓愈)
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Die Flocken eilen schnell dahin wie fliegende Schwäne; in wildem Durcheinander werden sie vom Winde nach einer Seite getrieben. Fallen sie in den Strom, werden sie wieder zu Wasser; auf den Bäumen erscheinen sie uns allmählich wie Blüten. Die Leute von Yüeh (im Süden) freuen sich, dass die fliegenden Flocken die bösen Miasmen vertreiben; die Tartaren (des Nordens) klagen darüber, dass der Schnee den Sand der Wüste hoch überdeckt. Zusammen mit den Wolken verstopft der Schnee die Oeffnungen der Berghöhlen; er hilft dem Mond den ganzen Horizont zu erhellen. Wenn er abends erscheint, finden die Vögel den Weg zu ihren Nestern nicht; wenn er einem morgens überkömmt, verliert der Wagen die Radspuren der Strasse. Ein starker Schneefall zeigt an, dass das Jahr sehr fruchtbar werden wird; dazu können sich alle Leute gratulieren, nicht etwa nur die Bauern.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 294. -
Chun xue "Xin nian dou wei you fang hua" 春雪 "新年都未有芳華": Frühlingsschnee (Han Yu 韓愈)
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Seit Neujahr sind noch immer keine duftigen Blüten erschienen. Am Anfang des zweiten Monats werden wir durch die ersten Grassprossen überrascht. Der glänzende Schnee verweist dem Frühling, dass er sich so verspätet hat. Daher weht er seine Flocken durch die Bäume des Hofes, als wären es Blüten.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 252. -
Chun xue jian zao mei 春雪間早梅: Frühe Pflaumenblüten zwischen dem Frühlingsschnee (Han Yu 韓愈)
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Pflaumenblüten und Schnee zeigen sich beide zusammen im Frühling, ihre Schönheit ist von einander verschieden. Vom Winde getrieben weiss der Schnee dichter zu fallen (als jene Blüten); die die Zweige bedeckenden Blüten verstehen es an Frische mit dem Schnee zu wetteifern. Wer macht, dass Wohlgeruch die Halle füllt? (Es sind die Pflaumenblüten). Andererseits ist es nur der Schnee, der die Welt rein und staublos zu machen vermag. Der Duft der Blüten bedeutet eine Fülle guter Vorzeichen, der kalte Glanz des Schnees ist imstande den Menschen als Licht zu dienen. In ihrer Herrlichkeit sind die Blüten überall schon aufgeblüht; je öfter der Schnee fällt, desto schöner wird die Landschaft verziert. Wie wäre dies alles nur Einbildung? Weiss man doch dass die Beschreibung beider vollkommen der Wirklichkeit entspricht. Das Glitzern des Schnees verwirrt zuerst das Auge, seine übergrosse Menge bringt plötzlich den Geist aus der Fassung. Die Pflaumenblüten mögen noch nicht mit den herrlichen Blumen des Shih-king (Legge IV, 152) verglichen werden, aber (den Blüten) der Edelsteinbäume (Wen-hsüan 7/5) stehen sie nicht nach. Vorher haben beide (Pflaumenblüten und Schnee) sich verabredet, das neue Jahr willkommen zu heissen, und treten auch in dieser Jahreszeit wieder zusammen auf. Beide möchten für immer ihren Glanz wechselseitig reflektieren; denn in ihrer Kleinheit wagen sie nicht sich allein geltend zu machen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 242. -
Chuo chuo 齪齪: Beschränkten Geistes (Han Yu 韓愈)
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Die Gelehrten der Jetztzeit sind beschränkten Geistes, sie denken allein an das Vermeiden von Hunger und Kälte. Ich sehe nur die unteren Klassen klagen und höre nicht die Würdenträger seufzen (d.h. die Regierung hat kein Mitleid mit dem armen Volke). Das Auftreten des grossen Weisen (Chang Chien-fêng, Gouverneurs von Hsüchou) ist dagegen verschieden; er besitzt einen weiten Horizont und hat keine gewöhnlichen Ansichten. Sein Herz, das nur dem Staate seine Gnade vergelten will, ist rein und glänzend; beim Gedanken an die gegenwärtigen Verhältnisse fliessen seine Tränen in Strömen. (Bei Festlichkeiten) sitzen schöne Mädchen rechts und links von ihm und lassen mit zarten Fingern auf der Gitarre ein trauriges Lied ertönen (Wen-hsüan 18/24). Obwohl man ihm täglich Wein und gute Speisen vorsetzt, ist er von den traurigen Zuständen des Reiches ergriffen und kann sich nicht freuen. – Herbstregen verdunkeln die helle Sonne (d.h. der Kaiser ist von schlechten Ratgebern umgeben), und der Kot ist auch nicht im geringsten trocken geworden (Ch'u tz'u 8/8). Die Dämme des Hwang-ho sind in den östlichen Provinzen (in Hua-chou) durchbrochen, Alte und Schwache werden von den schrecklichen Wogen mitgeschleppt. Diese Schickung des Himmels hat sicher eine Bedeutung; wer könnte aber ihre Ursache feststellen? Ich möchte Dich, o Gouverneur, um eine Empfehlung bitten, um eine Stelle im Censorate ausfüllen zu können. Ich möchte die Wolken auseinander fegen und am Himmelstore laut rufen, (damit man mir öffne), ich möchte meine Brust aufschlitzen und mein (loyales) Herz am Kaiser wie einen Edelstein präsentieren. Gibt es kein Mittel, um zum Fürsten zu gelangen? Mich selbst vorzudrängen ist doch wirklich nicht ausführbar (ich hoffe daher auf Deine Protektion).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 64. -
Ci chang ge 辭唱歌: Höre mit Deinen lasciven Liedern auf (Han Yu 韓愈)
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Wenn Du gezwungen wirst, Lieder zu singen, verstehe ich nicht, warum Du lascive Lieder vorzutragen beginnst. Die trinkende Gesellschaft hat nicht das Aussehen, als ob sie sich an diesen Liedern ergötzte. Glücklicherweise ist die Frau eines Schauspielers anwesend, ihre Taille ist grazil wie ein Weidenzweig. Während Du singst, reicht sie den Wein herum und macht, dass dieser berauscht und betäubt. Ihre Stimme kommt tief aus der Brust hervor und ist imstande die Gäste zu bezaubern. Auch versteht sie es selbst die Geizigen zu veranlassen, ohne Stirnrunzeln Geld ihr zu schenken. Wo gibt es auf der Welt einen erwachsenen, wirklichen Mann, dessen Stimme so weibisch erklingt wie die Deine? Schämst Du Dich denn nicht in Deinem Innern? Bist Du etwa ein kleines Mädchen? Wenn man Dich auffordert , aufrichtige Worte zu äussern, tue es mit lauter Stimme, ohne einzuhalten. Wenn man Dich auffordert, Leid aus alten Zeiten klagend wiederzugeben, verfalle nicht wieder in unterdrücktes Schluchzen. Wie könnte ich Deine Absichten stören wollen, aber solche lasciven Lieder solltest Du uns nicht weiter vorsingen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 297f. -
Ci deng zhou jie 次鄧州界: Ich erreiche die Grenze von Têng-chou (in Honan) (Han Yu 韓愈)
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Von hier nach Ch'aochoufu ist es doppelt so weit, als von hier nach Ch'ang-sha. Voll Sehnsucht denke ich an den Kaiserpalast, wie könnte ich es erst ertragen, noch an meine Heimat zu denken? Mein Herz wundert sich über die Fülle von Kummer, die es überkömmt, als ob nur Feuer darin aufgehäuft werden sollte. Ich fühle als ob meine Augen seit meiner Trennung von Ch'angan trübe geworden sind. Abends fällt Schnee auf das Antlitz des Shangberges, und ich begegne nur wenigen Leuten. Hier an der Grenze von Têng-chou ist mein Wagen durch Frühlingskot festgehalten, und ich sehe die Poststation noch in weiter Ferne. Ich hoffe die kaiserlichen Truppen werden bald wieder das Meer und den heiligen Berg (d.h. Shan-tung) zurückerobern. Und überall mit Donner und Regen neue Sprossen entstehen lassen (d.h. die Entwicklung des Volkes fördern).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 277. -
Ci ri zu ke xi zeng zhang ji 此日足可惜贈張籍: Dieser heutige Tag (der Trennung von dir) ist wirklich zu beklagen. Ein dem Chang Chi gewidmetes Gedicht (Han Yu 韓愈)
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Dieser Tag ist wirklich zu beklagen. Diesen Wein (vor mir) kann ich nicht mehr trinken. Ich stelle ihn weg und muss mit Dir sprechen; so wollen wir noch einen ganzen Tag mit einander verbringen. Ich denke zurück an die Zeit, als ich Dich noch nicht kannte; da kam Mêng Chiao aus dem Süden hierher. Er war stolz darauf, Dich gefunden zu haben, und erzählte, dass Du literarisches Talent besässest. Mein Name war damals verbunden mit dem Yamên des Ministers Tung Chin (dem ich als Subalternbeamter attachiert war); ich wollte (nach Süden) gehen Dich aufzusuchen, konnte aber meinen Posten nicht verlassen. Der Gedanke, Dich nicht sehen zu können, beschäftigte mich, und hundert Pläne durchzogen meine Brust. Damals gerade am ersten Tage des ersten Wintermonats, als die Sonne im Sternbild Fang stand (Liki I, 384), Ritt ich von meinem Amte nach Hause und hörte, dass Du soeben in der Stadt (Hsü-chou) eingetroffen wärest. Ich liess meinen Wagen anspannen, holte Dich ab und brachte Dich in die Mittelhalle meines Hauses. Ich öffnete Dir mein Herz und hörte Deinen Worten zu: was immer Du sagtest, entsprach meinen Erwartungen. – Konfuzius ist schon lange tot, und seine Lehre der Menschlichkeit und Gerechtigkeit ist in Verfall geraten. Hundert verschiedene Schulen sind entstanden, Falsches und Bizarres haben die orthodoxe Lehre in Verwirrung gebracht (Lisao 8. str.). Die alten Leute hielten noch an der Tradition fest, während die Jugend die neuen Lehren als etwas gewöhnliches betrachtet. Weisheit bei der Jugend ist wirklich etwas seltenes, daher ist vollkommene Reinheit der Lehre (Legge, Iking pg. 415/14) schon im Altertum verschwunden. Du erschienst mir wie ein in einem Garten verpflanzter Baum, der bei gesunder Wurzel leicht gross werden kann. Ich hielt Dich daher zurück und liess Dich nicht weiterziehen, ich brachte Dich in eine Wohnung bei der westlichen Stadtmauer. Noch waren nicht viele Jahreszeiten vergangen, da sah ich Dein Talent sich entfalten wie die Fluten von Strömen oder Seen. Alle Leute wiesen lachend auf Dich und meinten, ich wäre nicht verständig, Dich für ein Talent zu halten. Dumme Kinder fürchten eben Donner und Blitz, Fische und Schildkröten erschrecken beim Anblick des Mondes (d.h. die Leute waren zu dumm Dich zu begreifen). Die Provinzbehörden empfahlen Dich für die Erlangung der Doktorwürde, und bei der Prüfung hatte ich Unwürdiger als Prüfer zu fungieren. In prompt geschriebenen Essays beantwortest Du die von mir als Prüfer gestellten Themata, und wie glänzend waren erst die Verse Deiner Gedichte! Der Minister Tung Chin stand in Audienzuniform glückwünschend vor Dir, und die Musiker spielten die Ode "Lu-ming" (Legge IV, 245). Nach Beendigung der Zeremonie und Aufhören der Musik (Liki I, 577) wurdest Du unter Ehrenbezeigung bis in den Hof hinausbegleitet. Kaum warst Du (Legge IV, 293) weggegangen, verbreitete sich ehrfurchtgebietend (Legge IV, 263) Dein grosser Ruf. Ich freute mich darüber und dann war ich wieder traurig: Dein Wissen hat sicherlich einen Erfolg gebucht. Doch anderseits wo findet sich in menschlichen Dingen Beständigkeit, (Diese Unsicherheit des Schicksals) liess mich plötzlich Schmerz empfinden. Denn am gleichen Tage, als ich von Deiner Doktorpromotion (in Ch'angan) hörte, folgte ich dem Leichenzuge des Ministers Tung Chin (auf dem Wege von Pien-chou nach Loyang). Schmerz über den Tod begegnete sich mit Freude über die günstige Nachricht (Deines Erfolges), doch war meine Niedergeschlagenheit mit nichts zu kompensieren. – Die Nacht verbrachte ich westlich von Yen-shih-hsien (Playfair No. 8437) und wälzte mich nur schlaflos auf meinem Lager. Noch in der Nacht hörte ich vom Ausbruch der Revolution in Pien-chou (Playfair No. 3256) und ging voll Unruhe im Zimmer auf und ab. Ich hatte gerade Frau und Kind in Pien-chou zurückgelassen, und es war nun zu spät sie zu holen. Ein Wiedersehen glaubte ich nicht mehr erleben zu sollen und war darauf gefasst, das mir bestimmte Unglück in Empfang zu nehmen. Mein geliebtes Töchterchen hatte die Mutterbrust noch nicht verlassen, und wenn ich an sie dachte, kam sie mir nicht mehr aus dem Sinn. Es war mir plötzlich, als ob sie vor mir stände und mein Ohr ihr Wehklagen hörte. Wie konnte ich auf halbem Wege umkehren? Den ganzen Tag musste ich unablässig (an dieses Unglück) denken. Plötzlich kam aus Osten die Nachricht, dass meine Familie dem drohenden Missgeschick entkommen wäre; Sie wäre auf einem Boot den Pien-fluss hinabgefahren und östlich nach P'êng-ch'êng (Hsü-chou, Playfair No. 3049) geeilt. Den folgenden Morgen kam ich mit der Leiche Tung Chin's nach Lo-yang und kehrte eiligst zurück ohne mich aufzuhalten. Ich nahm die Route (Legge V, 135/3) über Mêng-chin, und mein Weg ging durch Schluchten und über Berge. Als die Sonne unterging, betrat ich das Lagertor (von Ho-yang); meine magere Mähre brach zusammen und konnte sich nicht mehr erheben. Der Gouverneur (Li Yüan) wollte mich für kurze Zeit zurückhalten und lud mich zu einem Gelage ein. In meiner untergeordneten Stellung wagte ich nicht abzulehnen; mein Herz war in wahnsinniger Aufregung. Konnte ich etwa Speise und Trank mit Verständnis geniessen? Und auch die Musik war für mich nichts als ein furchtbarer Lärm. Am frühen Morgen suchte ich das Weite, so schnell wie ein erschrecktes Entchen, das auffliegt. Noch am gleichen Abend kam ich an den Ssu-Fluss (bei Ch'êng-kao-hsien, Playfair No. 6648), wollte übersetzen, traf aber kein Boot an. Erst nach langem Rufen erschien eines, das mich in der Nacht nach Shih-li-hwang brachte. Mitten in der Nacht stiessen wir auf eine Sandbank – solche Untiefen können nicht vermutet werden. Die schrecklichen Wogen stiegen in der Dunkelheit hoch empor, die Sterne scintillierten um die Wette. Die mitgeführten Pferde sprangen wiehernd (im Boote) herum (Legge, Iking pg. 155/6) und die Diener umringten mich weinend. – Am Tage mit den zyklischen Zeichen Chia-wu rasteten wir beim Shih-mên-Tore von Chêng (Legge V, 674/10) und ich spähte am Rande des Wei-Teiches nach den kämpfenden Drachen des Tso-chuan. In südöstlicher Richtung begaben wir uns nach Ch'ên und Hsü (Playfair, N. 528 u. 3032), wo sich die Marschen in ihrer unendlichen Ausdehnung zeigten. Am Rande des Weges war die Vegetation in voller Blüte: Rot und Violett von verschiedener Höhe standen neben einander. Hundert Meilen weit begegneten wir keinem Menschen und hörten nur den Schrei des männlichen Fasans. – Ununterbrochen weiterwandernd erreichten wir erst gegen Ende des zweiten Monats die südliche Grenze von Hsü-chou. Wir sassen ab und marschierten den Damm entlang, dann bestiegen wir wieder das Boot, wo ich meinen älteren Bruder begrüsste. Wer würde glauben, dass meine Familie so furchtbare Gefahren zu überstehen hatte und keinem ihrer hundert Mitglieder etwas zugestossen war? – Chang Chien-fêng (B.D. No. 31), der Minister und Gouverneur von Nan-yang, gab mir Quartier (in Hsü-chou), am Nordufer des Sui-Flusses. In seinen Truhen fand ich Ueberfluss an Kleidern, in den Terrinen viele Provisionen. So schloss ich die Türe und studierte in den Historikern; (die Zeit verging schnell bis zum Herbstbeginn) und ein kühler Wind drang schon durch das Fenster herein. Täglich dachte ich an Dich, dass Du vielleicht zu Besuch kämest. (Da kamst Du endlich) wie wenn Du um meine Gefühle gewusst hättest. Noch war seit unserer Trennung nicht viel Zeit verflossen, und doch hatte ich seither viel Ungemach erfahren. Wenn wir jetzt beim Essen einander gegenüber sassen, wurden wir niemals satt; wenn wir miteinander sprachen, wurde keiner von uns müde zuzuhören. Ununterbrochen sassen wir dreiszig Tage hindurch bis zum frühen Morgen (der fünften Nachtwache) zusammen. Meine wenigen anderen Freunde sind alle in amtlicher Eigenschaft nach Ch'angan gegangen. Mêng Chiao reiste nach Kuei-chi zum Grabe des Ta Yü (B.D. No. 1846), Li Ao ging in die Wellen (d.h. die Gezeiten) des Ch'ien-t'ang-chiang betrachten (Wen-hsüan 34/10). Tausend Meilen (von meinen Freunden entfernt) fühlte ich mich einsam und verlassen, wo könnte ich da Freunden begegnen? Das Wasser des Huai-Flusses fliesst ruhig dahin, die Berge von Chu ragen mächtig empor (beide trennen mich von meinen Freunden). Wenn Du mich jetzt auch verlassen willst, wie kann meine Sehnsucht jemals gestillt werden? – (Doch ich muss denken), der Mann ist nur einmal jung, und das Leben geht schnell wie ein Windstoss vorüber. Du kannst wohl noch eine hohe Würde erreichen und solltest nicht an diesem Dorfe (Legge II, 391) kleben bleiben (d.h. ziehe hinaus in die weite Welt, meine besten Wünsche begleiten Dich).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 29-33. -
Ci shi tou yi ji jiang xi wang shi zhong cheng ge lao 次石頭驛寄江西王十中丞閣老: Bei der Poststation Shih-t'ou eingetroffen sende ich dieses Gedicht dem früheren Censor und jetzigen Gouverneur von Kiangsi Wang Chung-shu, 10ten seines Clanes (Han Yu 韓愈)
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Auf hohem Punkte angelangt, versuche ich nach Deinem Distrikt zurückzuschauen und sehe noch einmal vor mir die Stadt Nan-ch'ang-fu. Ich gedenke voll Dank Deiner Gastfreundschaft und vergiesse Tränen; selbst ein Pferd wiehert, wenn es sich von seinesgleichen trennt. An diesem kalten Wintertage beginnt erst abends die Sonne hervorzukommen, und in der Ferne sehe ich die vom Winde aufgeworfenen Wellen des Stromes sich allmählich glätten. Schweigend sitze ich hier in der Poststation, ohne mit irgendjemandem zu sprechen; Du dürftest die Gefühle verstehen, die mich in diesem Augenblick bewegen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 280. -
Ci tong guan shang du tong xiang gong 次潼關上都統相公: Bei meiner Ankunft in T'ung-kuan sende ich ehrerbietigst dieses Gedicht dem Minister und Generalissimus Han Hung (Han Yu 韓愈)
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Für kurze Zeit hast Du Deine Funktionen als Minister aufgegeben und den Oberbefehl über die Truppen übernommen. Zur Zeit als man den Aufstand unterdrückte, waren alle Truppen Dir unterstellt. Kaiserliche Bevollmächtigte folgen ununterbrochen einander, die Dich drängen in die Hauptstadt als Minister zurückzukehren. Und jedermann erwartet, dass Deine Verdienste und Tüchtigkeit den erhabenen Himmel beeinflussen werden.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 271f. -
Ci tong guan xia 次同冠峽: Bei der T'ung-kuan-Schlucht (Han Yu 韓愈)
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Was für einen herrlichen Morgen haben wir heute! Das Wetter ist klar, die Farben der Natur voll Ueppigkeit. Die welken Blüten (der auf den Felsenhöhen stehenden Bäume) fallen tausend Fuss tief (in die Schlucht), die wandernden Sommerfäden schweben hundert Klafter weit. In der hervorsprudelnden Quelle vereinigen sich die Wasseradern der Felsen, im herabstürzenden Wasserfall schlagen die chaotischen Wellen hoch empor. Bei dieser herrlichen Szenerie habe ich keine Lust, an das Land nördich der Mei-ling-Kette zu denken. Ihr Affen und Vögel störet mich daher nicht in dieser zufriedenen Stimmung.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 237. -
Ci tong guan xian ji zhang shi er ge lao shi jun 次潼關先寄張十二閣老使君: Bei meiner Ankunft in T'ung-kuan schicke ich zuerst dieses Gedicht dem Minister und kaiserlichen Kommissär Chang Chia (Han Yu 韓愈)
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Am Ching-shan-Berg sind wir schon vorüber und der Hua-shan-Berg taucht auf. Die Sonne steigt hinter T'ung-kuan auf und beleuchtet alle Weltgegenden. Lehne es nicht ab, (dem hinter mir gleich eintreffenden Minister) entgegenzugehen, Denn Minister P'ei Tu ist auf seinem Rückwege von Ts'ai-chou nach Ch'angan begriffen, nachdem er im Kampf gegen die Rebellen gesiegt hat.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 271. -
Ci xia shi 次硤石: Ich komme in Hsia-shih an (Han Yu 韓愈)
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Gerade sind wir einige Tage keinem Schnee begegnet; heute Morgen sind wir wieder durch die Berge gewandert. Ich versuche einen hohen Punkt zu gewinnen, um Ausschau zu halten, und erblicke in vagen Umrissen T'ung-kuan in Shensi (Playfair No. 7792).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 271. -
Cong chao zhou liang yi yuan zhou zhang shao zhou duan gong yi shi xiang he yin chou zhi 從潮州量移袁州張韶州端公以詩相賀因酬之: In teilweiser Erlassung meiner Strafe nach Yüan-chou versetzt erhalte ich ein Glückwunschgedicht des kaiserlichen Kommissärs von Shao-chou, Censors Chang, das ich mit folgenden Versen beantworte (Han Yu 韓愈)
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In der Regierungszeit eines erlauchten Herrschers bin ich in weite Fernen verbannt worden, was könnte ich schliesslich noch darüber sagen? (es war eben meine Schuld). Jetzt erhielt ich eine Ermässigung meiner Strafe durch Versetzung nach einem der Hauptstadt nähergelegenen Orte, aber die ganze Strafe wurde mir doch nicht erlassen. Nach Norden blickend frage ich mich, wie könnte ich der nach den nördlichen Grenzen ziehenden Wildgans folgen. Nach Süden verbannt bin ich gerade dem Schicksal, im Bauche der Fische begraben zu werden, entkommen. Im Begriffe Deinen Distrikt zu betreten, werde ich von Dir eingeladen, Dein Gast zu sein. Vorerst hast Du mich mit einem herrlichen Gedichte beschenkt, und danke ich Dir für die Freude, die Du mir damit bereitet hast (Legge I, 157). Für kurze Zeit möchte ich mein Schiff an den Felsen des Kaisers Shun in Shao anbinden, wo dieser einst seine Musik vortrug, Und möchte meine Ehrfurcht bezeugen den Manen jenes Monarchen, nachdem ich meine Kleidung und Mütze zurechtgerichtet habe (d.h. ich möchte auch dem jetzigen Kaiser, einem zweiten Shun, meinen Dank für seine Gnade aussprechen).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 280. -
Cong shi 從仕: In der amtlichen Laufbahn (Han Yu 韓愈)
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Als amtloser Mann hat man nicht genug um zu leben, als Beamter entsprechen die Kräfte nicht den Anforderungen. Beide Lebensweisen schädigen den Charakter, so ist das Herz das ganze Leben hindurch voll Sorge. Gegen Abend kehre ich in meine Privatwohnung zurück und seufze voll Kummer tief auf. Ich möchte dieses Leben unter den Menschen von mir werfen. Von jeher hat es Menschen gegeben, die gleiches dachten wie ich heute.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 156. -
Cui shi liu shao fu she yi yang yi shi ji shu jian tou yin chou san shi yun 崔十六少府攝伊陽以詩及書見投因酬三十韻: Ts'ui, provisorischer Unterbeamter im Distrikt I-yang (Honan), sendet mir einen Brief und ein Gedicht, worauf ich in 30 Reimen antworte (Han Yu 韓愈)
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Als Herr Ts'ui das erste Mal hierher kam, war unsere Bekanntschaft nur ganz oberflächlich. Ich hatte allein gehört, dass der frühere Beamte des Distriktes Fêng-hsien nicht so stolz wäre, wie ich, der gewesene Professor an der kaiserlichen Akademie. Er mietete ein Haus neben meinem, wurde mein Nachbar, und unser Verkehr wurde glücklicherweise durch nichts gestört. Ich wohnte damals auch erst seit kurzen da, und ich wusste, das [sic!] sich leider (im Haushalt) stets Schwierigkeiten ergeben. Hatte ich zu Hause auch nur Gemüse, lud ich ihn ein, mit mir zu essen; war sein Mantel zerrissen, bat ich ihn zu kommen, um ihn in meinem Hause flicken zu lassen. Wenn man sagte, dass nach längerem Aufenthalt es leicht wäre von anderen Leuten Geld zu borgen, So wusste man nicht, dass er viele Kinder hatte und die ganze Familie sich auf sein kleines Gehalt stützte. Gab es doch Zeiten, wo er auf das Frühstück verzichten musste und sich erst spät am Tage Reis verschaffen konnte. Dann hörte ich durch die Mauer freudigen Lärm und die Stimmen (der Kinder) klangen lebhafter als jene von Gänsen und Enten. Der frühere Plan (sich von anderen Leuten Geld zu borgen) hatte sich als undurchführbar erwiesen, und deutlich offenbarte sich hierbei, wer ein wahrer und wer ein falscher Freund war. – Dein Benjamin hat schöne Augen und Brauen; die kurzen Höschen lassen die beiden Schenkel (in der Kälte) entblösst. Mit Büchern in der Hand folgt er seinen älteren Brüdern, die alle das Haar zu zwei Hörnern zusammengebunden tragen. Im Winter essen sie nur frostige Zwiebel, im Herbste erst lernen sie Melonenkerne kennen. Wenn man sie frug, wussten sie nichts von Hunger und schienen gesättigt zu sein, wie wenn sie fettes Fleisch (Legge II, 407) gegessen hätten. – Der Ruf Deiner Tüchtigkeit ist schon dreissig Jahre alt, und schon längst hättest Du Censor sein müssen. Weissköpfig inmitten dem hastigen Streben der Welt hast Du geschwiegen (d.h. niemanden getadelt) und dadurch Verläumdungen vermieden. Der Präfekt Chêng Yü-ch'ing ist seit langem Dein Freund, er hat Dich nun gewählt, um provisorisch das Bezirksamt von I-yang im Bergland zu leiten. Deinem (mir übersandten) Gedichte hast Du witzige Worte hinzugefügt, ähnlich wie Chwangtzu in der Erzählung vom Vogel Rock und der Wachtel (T. of T. I, 167). Zuerst erwähnst Du den sauren Geschmack des Weines (in Deinem neuen Distrikt) und dass Du die Winterkleider noch immer nicht angelegt hättest (Legge V, 340/6, 380/3). Weiter unten sprichst Du von der geringen Zahl der Dir unterstellten Beamten, die aber doch genügen, um Dein Prestige geltend zu machen, Endlich kommst Du auf meinen Genuss von Schweinefleisch und Wildpret zu sprechen; doch scheinen mir diese Worte übertrieben. Drei Jahre hindurch als Lehrer an der kaiserlichen Akademie habe ich mich gewöhnt von Gänsefuss und Spinat zu leben. Und wie würde ich jetzt Fleisch geniessen, da ich am Ufer des Lo-Flusses lebe, wo man Brasse und Rotauge mit Körben und Netzen (aus Weidenzweigen, Legge IV, 241, 271) fängt. Wie könnte ich da jene Leute nachahmen, denen beim Gedanken an den Schlächter das Wasser im Munde zusammenfliesst? Auch hasse ich seit langem jene, die Vögel mit Schnurpfeilen schiessen. – Mit dummen Plänen beschäftige ich mich täglich in nervöser Hast, der Erwerb des Lebensunterhaltes ist für mich so schwierig wie Hacken und Schaufeln. Mein Sohn friert und zeigt sich schlecht vertraut mit Shihking und Shuking, meine Frau wird mager, und nur lose sitzt ihr der Gürtel an der Taille. Als Beamter (in Loyang) habe ich keine weiteren Verpflichtungen, meine Sünde liegt in der Täuschung des Staates (da ich eine Sinekure wahrnehme). Bald werde ich selbst um meine Entlassung wegen Unfähigkeit einkommen, um meine alten Tage als Fischer im Schilf zu beschliessen. – Gegen Ende des Jahres wird die Kälte überwältigend, und Holz wie Stein der Wege wird durch Schnee und Eis glitscherig. Es ist schon schwierig, Dir häufig Kunde zukommen zu lassen, und Dein klares Auge zu erblicken, besteht überhaupt keine Möglichkeit.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 108-110. -
Da dao shi ji shu ji 答道士寄樹雞: Einem taoistischen Priester als Dank für geschenkte Buchenschwämme (Han Yu 韓愈)
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Sie sind weich, saftig, schwärzlichbraun, und bei ihrem Anblick zögere ich noch mit dem Essen. Ich will sie zuerst kochen und dann auf einer Holzschüssel auftragen lassen. Du hast Dich für mich bemüht, selbst nach der Hua-yang-Höhle zu gehen. Um dort dem ungewöhnlichen Drachen das linke Ohr glatt abzuschneiden und mir zu schicken.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 276. -
Da ke shuo 答客說: Darauf antworte ich (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Da lin si tao hua 大林寺桃花: Die Pfirsichblüten im Ta-Lin-Kloster (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Da liu liu zhou shi xia ma 答柳柳州食蝦蟆: Antwort an Liu Tsung-yüan, Präfekten von Liu-chou, auf dessen Frage betreffs des Essens von Fröschen (Han Yu 韓愈)
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Obwohl der Frosch hier im Süden im Wasser lebt (ebenso wie im Norden), hat das Wasser sein Aussehen besonders verändert. Man hat ihm mit Unrecht den Namen Wa-ko gegeben, doch ist er vom wirklichen Frosch nicht verschieden (vgl. dazu das 17. Gedicht). Obwohl seine beiden Beine schön lang sind, ist doch sein Rücken hässlich voll Warzen. Obwohl er angeblich hoch springen kann, scheint er doch nicht sich vom Schlamme trennen zu wollen. Seine Stimme erklingt in Antwort auf die anderer Frösche, und grundlos kommt es zu einem Heidenlärm. Dies war es, was Chou-kung nicht ertragen konnte, weswegen er die Lehre hinterliess, sie (die Frösche) mit Asche zu bestreuen (Biot II, 391). In meiner Verbannung sitze ich voll Kummer am Rande des Meeres, fortwährend möchte ich schlafen ohne wieder aufzuwachen. Es ist aber unmöglich, denn die Frösche haben zu viele Freunde und machen meine Ohren dröhnen durch ihren schrecklichen, raketenartigen Lärm. Sie können direkt die Musik von Flöten und Musiksteinen übertönen und vor allem auch das Studium stören. Obwohl sie von Kou Chien (B.D. No. 982) höflich behandelt wurden, hat man doch niemals von ihrer Dankbarkeit gehört. Im fünften Jahre Yüan-ting (112 vor Chr.) war sogar ein grosser Froschkrieg (den die Geschichte erwähnt), wo niemand siegte und niemand besiegt wurde (Legge V, 341/6). Wenn sie einem nun plötzlich als Speise aufgetragen werden, muss man sich eigentlich schämen, dass sie gefangen genommen wurden. – Zuerst war es mir ganz unmöglich sie hinunterzuschlukken, aber in letzter Zeit geht es schon ein wenig. Stets fürchte ich die Sitten der südlichen Barbaren anzunehmen und den mir angeborenen Geschmacksinstinkt (Legge I, 368) meines Lebens zu verlieren. Du dagegen bist anderer Meinung, Du liebst sie zu verspeisen und betrachtest sie als einen Leckerbissen wie den Uterus einer gezähmten Pantherkatze. Wie Konfuzius bei der Ausübung der Jagd (Legge II, 381) folgst auch Du hier der allgemeinen Sitte. Dadurch dass Du durch das Essen der Frösche Deinen (von den Eltern überkommenen) Leib erhälst, zeigst Du Deine Pietät den Eltern gegenüber (Liki II, 306). Mich dagegen bedrücken leider gar schwere Sorgen (ich werde meinen Körper nicht erhalten können); denn noch habe ich von keiner kaiserlichen Gnade gehört, die mir gestatten würde, die Ruder nach der Heimat zu wenden.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 171f. -
Da meng jiao 答孟郊: Antwort auf Mêng Chiao's Abschiedsgedicht (Han Yu 韓愈)
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Dein ganzes Auftreten ist nicht im Einklang mit der gegenwärtigen Jagd nach Gewinn; Deine literarischen Erzeugnisse sind der himmlischen Kunst abgeguckt. Die anderen Menschen trinken alle Wein und essen Fleisch, Du allein kannst Dich nicht satt essen. Am Beginne des Frühlings sind Deine Gedanken schon gedrückt, am Beginne des Herbstes wird Dein Kummer noch verworrener. Dein Frühstück bereitest Du Dir erst um die Mittagszeit (da Du erst den Reis erbetteln musst), und während der Nacht studierst Du bis zum frühen Morgen. Einstweilen hast Du Dir schon einen Namen erworben (wirst geschätzt wie Hammelfleisch und Fisch), aber Dein Magen ist stets von den Schmerzen des Hungers gepeinigt. Obwohl Du Dein ehrliches Herz (das an jenes der Männer des Altertums erinnert) immer von neuem anspornst, kannst Du die Wege dieser Welt schliesslich doch nicht verändern. Wenn der Schwache sich verteidigt, freut er sich seine Arme zu gebrauchen; wenn der Gewalttätige angreift, pflegt er seine Krallen zu verbergen. Wenn jemand einen andern stürzen sieht, würde er ihm etwa helfen aufzustehen? Er wird noch wild und will ihn beissen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 155f. -
Da xing huang tai hou wan ge san shou 大行皇太后挽歌詞三首: Drei Trauerlieder beim Begräbnis der soeben gestorbenen Kaiserin Chwang-hsien (Han Yu 韓愈)
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Zwölf Jahre lang genossest Du den Ehrentitel einer Kaiserinmutter, dreimal täglich empfingst Du den Glanz des kaiserlichen pietätvollen Besuches. Auf Deinem hohen Throne sitzend gabst Du dem erhabenen Herrscher (Hsien-tsung) Audienz; Deine grosse Tugend umfasste alle Lebewesen (trug sie wie die Erde). Das Kriegszelt innerhalb der Verbotenen Stadt (wo Du Dich aufhieltest) ist nun leer, und die dunkle Halle (Dein Grab, Liki I, 332, Wen-hsüan 58/5) liegt fern im Osten in tiefem Frieden geschlossen vorbereitet. Jetzt im Herbste (während Deines Begräbnisses) ruhen die Flöten und Trommeln, und es rauschen nur die Zypressen auf allen Bergen ringsherum. Bei der Begräbnisprocession werden die Paraphernalien der Freude und der Trauer mitgeführt; Zivil- und Militärbeamte sieht man unter den Leidtragenden. Die Kaiserinmutter wird der Erdgöttin associiert, und neue Opfer für sie eingesetzt; in den Bergen (die gewissermaszen einen natürlichen Grabhügel bilden) wird sie der schon bestehenden Gruft ihres Gemahls übergeben. Auf einem Phönix (vgl. B.D. No. 713) fliegt sie nun dahin, um nimmer zurückzukehren; das mystische Schwert (B.D. No. 1089) verwandelte sich, um sich mit dem anderen zu vereinigen (d.h. die Kaiserinwitwe ist dem Kaiser Shun-tsung im Tode gefolgt und soll nun in gleicher Gruft begraben werden). Du wirst den Palast der Ewigen Freude nicht mehr betreten, und der Kaiser wird nur mehr die den Morgen ankündigenden Glockenschläge hören (ohne darauf der Kaiserinmutter seinen Morgenbesuch zu bringen; der Glockenturm der Kaiserstadt befand sich im Palast der Ewigen Freude, vgl. auch Mêng Hao-jan's gleichnamiges Gedicht). In Eile kommen die Würdenträger von zehntausend Reichen (d.s. die Provinzen) herbei, und hundert Geister geleiten die Tote, um als Garde sie zu schützen. Der Sarg mit den zwei Fächern mit Wolkenbildern (Liki II, 253) steigt auf zur Thronhalle des Herbstes (d.i. zum Berggrab); der Sarg, über den Schleiergewänder gebreitet sind (Liki II, 252), betritt die Gruftkammer. Wolken folgen der als unsterbliche Fee Entschwundenen in die Weite, der Wind gesellt sich verstärkend zum kaiserlichen Wehklagen. Nach dem Begräbnis wird es nur noch vereinzelte Tage geben, an denen der Kaiser den Grabhügel der Kaiserinmutter besucht und dort das Toilettekästchen der Verstorbenen besichtigt (vgl. Geschichte der Kaiserinwitwe Yin, T'ung-chien-kang-mu 9/80, 94).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 264f. -
Da zhang che 答張徹: Antwort auf ein Gedicht des Chang Ch'ê (Han Yu 韓愈)
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Ich bin beschämt durch Deine Gabe und wusste bisher nicht, wie sie zu erwidern. Höre daher jetzt auf das Lied, das ich singen will. Zuerst will ich erzählen, wie wir uns kennen lernten, dann will ich über unsere spätere Trennung sprechen. Der Weg, der dazwischen liegt, erstreckt sich über zehntausend Meilen, und Sonne und Mond waren beinahe zehn Jahre lang unterwegs. Aus der Umgebung von Hsün (in Honan, Playfair No. 3103) floh ich vor den kriegerischen Unruhen, am Ufer des Sui-Flusses (in Hsü-chou) wohnten wir beide Haus an Haus. Unsere Freundschaft war von reinem Glanz wie ein altes Schwert, und auf den Wogen des Lebens trieben wir vereint dahin wie ein Paar Wasserkastanien. Mit Tusche korrigierten wir die alten Historiker, mit Zinnober kommentierten wir die alten Klassiker. Aus der Literatur hoben wir geheime Schätze, unter den Schriftstellern lauschten wir den gewaltigen Stimmen. Am warmen Morgen wandelten wir über taufeuchte Wiesen, am heissen Abend schliefen wir auf luftigem Fensterbrett. In unserer Freundschaft warst Du vertrauensseliger als Lu K'ang (Freund des Yang Hu), und als Dein Lehrer schämte ich mich kein zweiter Kung-sun Ting (Legge V, 461/9) zu sein. Allmählich fanden wir immer mehr Geschmack an einander, und unser Verkehr wurde in der Folge freier und leichter. Beim Suchen des Interessanten (in der Literatur) fanden wir täglich viel neues, im Abwägen des Guten zeigte das Herz sich niemals befriedigt. Ueber ebene Steinbrücken ging unser Weg, wo der funkelnde Glanz des über Sand fliessenden Wassers uns traf. Ueber morsche Bäume steigend pflückten wir Blüten der Wildnis, oder fingen mit der eingetauchten Angelschnur die sich versteckt haltenden Fische. Wenn wir ein Bergkloster besuchten, stiegen wir auf die benachbarten Spitzen (Legge IV, 485), den Rückweg suchend nahmen wir den Abstieg durch die Schlucht des Giessbachs. Längs der Wolken gingen wir durch hochragenden Bambus, und verloren den Weg im dichten Hanf. Als plötzlich eine Ueberschwemmung das Land überflutete, glaubten wir ein neues Meer zu erblicken. Um die Ausbreitung des Wassers zu hindern, wurden während der Nacht die Deiche ausgebessert, aus Furcht vor seinem Eindringen in die Stadt wurden die Tore auch bei Tage nicht geöffnet. - Als ich später das Streitross bestieg (bei Chang Chien-fang als Sekretär in Verwendung stand), trafen wir uns bei Festen der Militärmusik. Bei Gelagen wurde bis zur Bewusstlosigkeit getrunken, zur Jagdzeit ritten wir herrliche Renner (Legge IV, 611). Erst, als Du zur Prüfung abreisen musstest, trennten wir uns; trafen uns aber plötzlich wieder auf demselben Boot, als ich zur Audienz nach der Hauptstadt ging. Da die Zeit drängte, liessen wir die Nacht hindurch rudern (um die nächste Station zu erreichen), vom Mondlicht geniessend verblieben wir im leeren Pavillon. Nach Ablauf der Audienz ritt ich mit Postpferden zurück nach P'êng-ch'êng und verblieb da ruhig, mich emsigen Studien widmend wie einst Ch'ê Yün (B.D. No. 206). Wir hatten uns bei blühenden Pflaumenblüten am Ufer des Pa-Flusses (in Lan t'ien) getrennt, und Du warst erst beim Lichte der Palastfackeln auf dem Li-Berge (von Deinem Rausche) erwacht. Als Du, der Chü-jên der Provinz, die Hauptstadt betratest, brachst Du, der Gast vom Lande, Dir den Flügel (d.h. Du fielst bei der Prüfung durch). Wieder hatte ich Gelegenheit Deinen von der Reise verstaubten Aermel zu ergreifen (Legge IV, 133), und meine verweinten Augen wurden wieder klar. - In Loyang erhielt ich Urlaub, den wir zusammen im Hua-Gebirge (dem westlichen Riesenberge) verbrachten, wo wir die steilsten Wände erstiegen. An die Felsen gelehnt spähten wir nach den Wellen des Meeres, bei Bewegungen der Arme streiften die Aermel beinahe die Sterne des Himmels. Hier ist es wo der Sonnenwagen um die Höhe herum fahren muss und wo der Geist des Westens (Shao-hao), der die Strafen bestimmt, zu herrschen beginnt. Der Fluss zieht sich dahin wie ein langer weisser Gürtel, die Felsen ragen wie hohe schwarze Schwerter empor. Zögernd betritt man die durch Moos glitschigen Stufen, vorsichtig besteigt man die durch den Wind bewegten Leitern. Meinen Uebermut bereuend biss ich mir in den Finger, zur Warnung für andere meisselte ich eine Inschrift in den Felsen. - Als Censor (mit der hohen Mütze) fühlte ich mich unwürdig, diesem hochstehenden Korps als Mitglied anzugehören, vor dem Kaiser knieend schämte ich mich (nicht imstande zu sein), ihm Gut und Böse auseinander zu setzen. Mein kleines Herz strebte nur nach ein wenig Erfolg, meine schwache Kraft konnte sich (aber leider) nicht vernehmbar machen. (So musste ich in die Verbannung gehen). Bei hochgetürmtem Schnee überschritt ich die Shang-Berg-Kette, bei hohen Wellen fuhr ich über den Tung-t'ing-See. Beim Passieren gefährlicher Stellen war es mir, als würde ich in einen Brunnen fallen, und meine Amtstätigkeit (im Süden) liess an Gefangenschaft denken. In jenen wüsten Gegenden fürchtete ich stets von den Barbaren vergiftet zu werden, und im Traume erschien mir die (Laute spielende Nixe) (Ch'u tz'u 5/12) des Hsiang-Flusses. Der Gouverneur wird dort ehrfürchtig respectiert wie Achillea und Schildkröte, und die subalternen Beamten sind zahlreich wie Heuschrecken. Sie füllen die Register mit Schriftzeichen und eilen herbei, wenn die Glocke des Yamêns ertönt. Ich hole meine Befriedigung bei schönen Szenerien, wo sich Auge und Ohr erfreuen kann. Die Bäume mit ihren violetten Blüten sehen wie geschnitzte Verzierungen aus, die Tropfen der grünen Flut fallen mit den Klange von Edelsteinen. Die glänzenden Wellen breiten sich aus wie ein ferner Brokat, die uns umgebenden Berge ragen wie ausgedehnte Wandschirme aus der Erde hervor. Der kummervolle Affe schreit mit markerschütternden Lauten, seltene Blumen berauschen die Seele durch ihren Duft. Im tiefen Dickicht platzen rote Früchte, und aus dem Versteck der jungen Vögel fallen grüne Federn. - (Bei der Thron-Besteigung Shun-tsung's) wird die Amnestie mit Herolden von 500 Meilen täglicher Geschwindigkeit verkündet und erreicht mich nach Ablauf eines Monats. Auf den Palaststufen emporsteigend mische ich mich wieder unter die grosse Schar der Beamten (Legge IV, 585, 615), ich werde zum Lehrer am Kuo-tzu-chien ernannt, um die Jugend zu unterrichten. Für den guten Posten danke ich den Kollegen, die mich gerufen (vgl. Han Yü Gedichte I/25), der volle Krug schämt sich vor dem leeren Becher (Legge IV, 351) (d.h. ich, der eine Stellung gefunden, schäme mich meinen armen Freunden nicht in ähnlicher Weise helfen zu können). Glanz verbreitend wirst Du Dich den Staatsgeschäften widmen (die Gefässe des Ahnentempels behüten, Liki I, 739) und auch Dein Bruder (Legge IV, 251) wird zusammen mit Dir zu hohen Stellungen emporfliegen. Wie ein Fisch willst Du die Rückenflosse abwerfen und zu einem Drachen werden, dessen Glanz wie ein frischgeschliffenes Messer sich vorher schon anzeigt. Nicht nur dass Du Deinesgleichen übertriffst (Liki II, 42), Du bist sicher auch berufen, den Hof zu beeinflussen. Komme nur fleissig zu mir, damit ich von Deiner Unterhaltung geniesse, und fürchte Dich nicht, bei mir in der kalten Halle zu übernachten.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 52-55. -
Da zhang shi yi gong cao 答張十一功曹: Antwort auf das Gedicht des (mit der Feststellung der Verdienste betrauten) Beamten Chang Shu, 11. seines Clanes (Han Yu 韓愈)
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Die Berge sind klar, der Strom durchsichtig, auf dem Grunde des Wassers sieht man den Sand. Dort wo melancholische Affen weinen, sieht man einige Hütten stehen. Verschiedene Sorten hoher Bambus wetteifern unter einander, neben sich zarte Sprossen erscheinen zu lassen. Die Rhododendron-Sträucher öffnen der Reihe nach ihre herrlichen Blüten. Ich habe die grosse Gnade des Herrschers noch nicht vergolten; solange dies nicht geschehen ist, kann ich nicht sagen, dass ich den Platz gefunden habe, wo ich sterben könnte. Möge ich nicht durch Malaria-Dünste an die Grenze des Lebens geführt werden (Tufu 7/26)! Nachdem ich Dein Gedicht zu Ende gesummt habe, sehe ich mir im Spiegel meine beiden Schläfen an. Da bemerke ich plötzlich, dass das Weiss meiner Haare (in der Verbannung) um die Hälfte zugenommen hat.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 237f. -
Dong du yu chun 東都遇春: Wie ich in Loyang den Frühling verbringe (Han Yu 韓愈)
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In jungen Jahren ist wirklich die Lebenskraft wie verrückt und will selbst mit dem Frühling wetteifern. Sooft der 2. und 3. Monat gekommen sind, werfen die Blüten im ganzen Lande der neun Provinzen ihre Reflexe. Strom und Ebene legen morgens frische Farben an, Pfirsich- und Pflaumenbäume zeigen mit dem frühen Tage ihre Schönheit (Wen-hsüan 8/13). Ueberall herumreitend kennt man keine Müdigkeit; man betrinkt sich bis zur Bewusstlosigkeit, wie würde man auch Krankheit vorschützen wollen (um nicht trinken zu müssen)? Man isst und trinkt nach Herzenslust, beim Verfassen schriftstellerischer Erzeugnisse folgt man seiner mächtigen Einbildungskraft. – Seither ist noch gar nicht viel Zeit vergangen und plötzlich zeigt der Spiegel nichts als weisse Haare. Alte Freunde freuen sich mir zu opponieren, und die Jugend findet viel an mir zu tadeln und zu verspotten. Wenn das Innerste sich einmal verändert hat (d.h. wenn man sich alt fühlt), sieht man nur mit Scham die Schönheit der Jahreszeit (des Frühlings). Man lebt in Musse und hat nichts zu tun, man macht sich mit dem Gedanken vertraut, niemanden mehr zu sehen und anzuhören. In tiefer Verborgenheit lebt man, so dass die Leute glauben könnten, man wolle einem Feind entfliehen; man liegt schweigend zu Hause, wie schlafend mit geschlossenen Augen. Morgens sieht die Sonne beim Fenster herein, aber selbst der Vogelgesang weckt mich nicht aus meiner Betäubung. Für meinen Lebensunterhalt versäume ich die richtigen Wege einzuschlagen; es wird mir widerholt (von meinem Diener) berichtet, dass Reis und Salz aufgebraucht sind. Obwohl durch das Sitzen ermüdet, vergesse ich gänzlich aufzustehen, meine Kappe sitzt schief, ich bin aber zu faul sie zurecht zurichten. – Glücklicherweise habe ich in Loyang amtliche Beschäftigung gefunden, wodurch es mir gelungen ist, den Fallen und Gruben meiner Feinde zu entkommen. Meine sonderbare Indolenz hat nur Stolz und Zurückhaltung mit sich gebracht, und aus diesen schlechten Gewohnheiten hat sich ein schlechter Charakter entwickelt. Was vergangen ist, kann ich nicht weiter verfolgen, aber in der Zukunft will ich mich nicht mehr so gehen lassen. Im See von Wei-wang befindet sich ein Boot, mit dem ich so viel wie möglich allein herumfahren will. Die Farbe des Wassers und das Aussehen des Himmels sind dort immer durchsichtig blau. Die Bäume des Ufers breiten weit ihre Kronen aus, die Vorsprünge der Inseln greifen wie Zähne in die Buchten des Landes ein. Ich möchte in meine Heimat zurückkehren, aber leider lässt es sich nicht durchführen; bei meiner hiesigen Beschäftigung habe ich wenigstens diesen verborgenen Ausflugsort gefunden. Was ich anstrebe, ist nicht Ruhm noch Gewinn; der See, auf dem ich mich ergehe, ersetzt mir beides. Auf diese müssige Weise verbringe ich Morgen und Abend, und denke in meiner Einsamkeit nicht an die Grossen der Welt (Legge I, 332). Wie überaus würdig sind doch alle Minister, die den weisen Monarchen unterstützen! Durch ihre Ratschläge weiss er die neun Provinzen zusammenzuhalten und zeigt sein erhabenes Prestige an allen vier Grenzen des Reiches. Die Verpflegung (der Truppen durch das Volk) lässt nichts zu wünschen übrig; wenn sich Verzögerungen oder Unterlassungen ergeben, wird nach militärischem Gesetz vorgegangen. Alle die hundert Beamten in der Umgebung des Hofes erfüllen ihre Pflichten voll Ehrfurcht, Ich allein bin untätig! Und empfange zusammen mit Millionen Untertanen den Segen des Kaisers. Wie ein Vogel im Käfig erwarte ich mein Futter, um mein Leben zu fristen. Ich habe daher dieses Gedicht gemacht und zeige es meinen Freunden, denn wegen meiner Untätigkeit werde ich mich bis an mein Ende schämen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 112-114. -
Dong fang ban ming 東方半明: Der Osten ist zur Hälfte licht (Han Yu 韓愈)
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Der Osten ist zur Hälfte licht, die grossen Sterne sind verschwunden. Allein die Venus begleitet noch den lichtarmen Mond. Ach, Du lichtarmer Mond hege keinen Argwohn gegen sie, Euer beider Glanz, eure Bilder dauern noch ein Weilchen, Dann wird der Mond ein (schwaches) Blinken, die Venus ein (mattes) Glitzern. Der Hahn kräht dreimal: es ist die fünfte Morgenstunde (und Ihr beide müsst verschwinden). (In diesem Gedicht soll die aufsteigende Sonne den neuen Kaiser Hsien-tsung vorstellen. Mond und Venus sind die sich befehdenden Minister Wang Shu-wên und Wei Chih-i, die bei Regierungsantritt Hsien-tsung's in die Verbannung gehen mussten, die grossen Sterne sind Chia T'an und Chêng Hsün-yü, die sich unter der Ministerschaft des Wang Shu-wên aus dem öffentlichen Leben zurückzogen).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 71. -
Dong nan xing yi bai yun ji tong zhou yuan jiu si yu li zhou li shi yi she ren guo zhou cui er shi er shi jun kai zhou wei da yuan wai yu shan shi er bu que du shi si shi yi li er shi zhu jiao yuan wai dou qi xiao shu 東南行一百韻寄通州元九伺御澧州李十一舎人果州崔二十二使君開州韋大員外庾三十二補闕杜十四拾遺李二十助教員外竇七校書: Aufenthalt im Südosten (Der Titel des Gedichts enthält die Widmung des Poeten an seine Freunde Yüan Chên, Li Chien, Ts'ui Hsüan-liang, Wie Ch'u-hou, an einen gewissen Yü und Tu, wo es mir nicht gelungen ist, deren vollständige Namen festzustellen, endlich an Li Shên und Tou Kung, die den Namen beigefügten Zahlen geben den Rang des betreffenden im Clan desselben Namens an) (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Dong ting hu zu feng zeng zhang shi yi shu 洞庭湖阻風贈張十一署: Auf dem Tung-t'ing-See durch widrige Winde zurückgehalten. Dem Chang Shu, elften seines Clanes, gewidmet (Han Yu 韓愈)
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Im zehnten Monat nimmt die Kraft des Yin-Principes zu, und zu keiner Zeit mehr hört das Wehen des Nordwindes auf (Wen-hsüan 29/7). Das Ufer des Sees zieht sich in verschwommene Fernen, wir binden unsere beiden Boote fest. Nebel und Wind kämpfen mit einander in der Dunkelheit, und die erzürnten Wellen schlagen gegen einander. Nirgends hört man Lärm von Hunden oder Hühnern, unsere Provisionen sind zu Ende, wer könnte uns neue besorgen? Unsere Boote sind von einander nur wenige Schritte entfernt, und doch ist ein Zusammenkommen sehr gefährlich, als ob wir durch Berge getrennt wären. Durch erfrischende Konversation könnte man sich sättigen (den Hunger vergessen), aber unsere eitlen Wünsche haben keine Hoffnung erfüllt zu werden. Auf den Booten schreien die Kinder, und man hört nur ihr Wimmern und Klagen vor Hunger. Wenn man nicht hoffnungsvoll auf der Heimreise nach Norden wäre, wie könnte man diese Strapazen und dieses Leid überkommen? Jenseits der Wolken ist die helle Sonne, doch ihre kalten Strahlen sind natürlich noch weit. Wenn ich nur der Sonne befehlen könnte, einen Augenblick hervorzukommen, dann hätte ich sonst keinen anderen Wunsch.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 78f. -
Dong xu wan xie 東墟晚歇: Abends ruhe ich auf dem Hügel östlich von Wie-ts'un (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Dou ji lian ju 鬥雞聯句: Das Kettengedicht vom Hahnenkampf (Han Yu 韓愈, Meng Jiao 孟郊)
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Han Yü: Der grosse Hahn kommt stolzen Schritts daher, Der kleine ist voll Ehrfurcht und Erwartung. Mêng Chiao: Der eine ist hoch aufgerichtet von Kampfesmut geschwellt (Liki I, 722). Des anderen Erstarrung wird durch Waschen neu belebt. Han Yü: Der Stolze brüstet sich gleichsam mit seiner Tapferkeit, Verstohlnen Blickes erspäht der andere die Gefahr. Mêng Chiao: Die Augen beider schiessen aufeinander Blitze, Und ihre Gedanken sind allein mit ihren Waffen beschäftigt. Han Yü: Den Kamm betrachten sie als Helm Und ihren Sporn als Speer. Mêng Chiao: Der Himmel (Legge II, 209) ist mit heiterem, kaltem Wetter günstig, Die Örtlichkeit durch hohe freie Lage zum Kampf geeignet (Legge V, 586/9). Han Yü: Mit gespreizten Federn trotzen sie der Kälte, Voll Zorn schwellen ihre Kehllappen um die Wette an. Mêng Chiao: Die vorgeneigte Brust senkt sich plötzlich, Und wieder aufgerichtet ändern sie die Stellung jeden Augenblick. Han Yü: "Pi-po" erschallt ihr Kampfgekrächz, Und weisse Federn fallen in wirrem Durcheinander. Mêng Chiao: Dann kommt die Pause - denn die Sache ist noch nicht entschieden, Nach kurzer Rast werden die Kräfte verdoppelt eingesetzt. Han Yü: Die Eifersucht verlangt den Kampf auf Leben und Tod, Die Mordlust fordert gegenseitiges Zerfleischen. Mêng Chiao: Das Blut spritzt, und das Gekrächz verstummt, Die Schnäbel sind vor lauter Hunger purpurrot. Han Yü: Einander so gegenüberstehen, wie spannend ist dies! Sich dann plötzlich umzudrehen ist wirklich ein schlauer Kniff. Mêng Chiao: Die gefährlichen Hiebe hätten selbst einen Raufbold wie Li Yang gesättigt, Der wunderbare Hammer hätte selbst einen Herkules wie Chu Hai (B.D. No. 442) ermüdet. – Han Yü: Unser Herz ist von Mitleid ergriffen. Was ist eure Schuld, um sich die Köpfe so übel zuzurichten? Mêng Chiao: Allein nur der Anblick ist von solcher Wirkung, Dass kalter Schweiss uns die Stirne herunterrinnt. Han Yü: Wer den Sieger kennt, zeigt ein freudig erregtes Gesicht, Wer die Niederlage fürchtet, blickt mit Kummer auf seinen Einsatz. Mêng Chiao: Die sich drängenden Zuschauer füllen wie eine Wolke den Weg, Die aufhetzenden Zurufe folgen einander wie die sich überstürzenden Wogen des Meeres. Han Yü: Die tief eingeschlagenen Krallen sind nicht leicht wieder freizubekommen, Die zornsprühenden Augen sind noch immer nicht müde. Mêng Chiao: Durch Bespritzen mit Wasser wird die Kampflust von neuem geweckt, Nochmals wird der Streit aufgenommen und nochmals die Waffen geschärft. (Legge III, 622, T. of T. I, 254). Han Yü: Die Köpfe hängen herab, ganz von Blut überströmt. Die gebrochenen Flügel werden nachgeschleppt wie ein Fetzen Brokat. Mêng Chiao: Doch beide erheben sich wieder, um ihre letzten Kräfte (Legge V, 340/2) einzusetzen. - Bis plötzlich ein schriller Schrei ertönt, gleichsam den Sieg verkündend. Han Yü: Der Sieger ist dankbar für die ihm zuteil werdende Ehrung (aufgenommen zu werden wie einst Mao Sui, B.D. No. 1504). Der Begnadigte schämt sich, dass er bisher so gute Behandlung genossen (dass bei ihm begonnen wurde wie einst bei Kuo Wei, Chavannes, Mém. hist. IV, 144, Ku-wên-yüan-chien 8/43, meine Lexikogr. Beiträge I, 8). Mêng Chiao: Das tapfere Herz hätte gern bis zum Tode gekämpft, Das ritterliche Fleisch empfindet es als Schimpf, dem Küchenchef überliefert zu werden. – Han Yü: Wenn Du dieses Gedicht vom Hahnenkampf liest, Wirst Du sehen, dass auch dieser dürftige Reim Beachtung und Verwendung verdient.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 211-213. -
Du diao si shou 獨釣四首: Allein angelnd (Han Yu 韓愈)
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Die Villa des gräflichen Hauses ist herrlich; ich konnte zufällig Eingang finden und meine Angelschnur auswerfen. Ueber die krummen Bäume windet sich Rottan, dessen Spitzen wie Hörner aussehen; über den unbewegten Weiher breiten sich Wasserkastanien wie kleine Schüsselchen aus. Aus dem Sinken der Feder erkenne ich, dass die Fische schnell anbeissen; weil die Schnur fein ist, weiss ich, dass das Hinaufziehen nicht leicht ist. So fange ich wenigstens einige Fische, um meine Kinder zu erfreuen; ich binde sie mit Ulmenzweigen an meinen Sattel an (und kehre zurück). Ein Fusspfad führt in schiefer Richtung zum Ufer des Sees; dort finden sich Blüten wilder Kräuter. Wenn es viel regnet, zeigen sich auf den Weiden Pilze in Menge; wenn das Wasser im See steigt, sieht man nur wenig Schilfsprossen mehr. Schon zu lange habe ich im Justizministerium gearbeitet und Kriminalfälle bis zum Ueberdrusse untersucht; wenn ich Zeit finde, komme ich hierher um zu angeln. Jetzt herrscht Frieden im Lande und gibt es nicht viel zu tun; zwischen mir und jenen, die in der Zurückgezogenheit eines kleinen Amtes leben (wie einst Laotzu), besteht kein Unterschied. Allein komme ich zum Ufer des südlichen Sees, am Herbstmorgen, wenn das Wetter erfrischend ist. Tau erquickt die Vegetation überall an den Ufern, der Wind hat die Wasserlinsen in die eine Hälfte des Sees getrieben. Vögel lassen sich am Ufer nieder, da sie keine Menschen sehen; Fische kommen beim Geruche der Lockspeise heran. Was ich bedaure ist, dass ich keinen Freund herbeirufen und nicht zusammen mit ihm den mitgebrachten Krug Weines leeren kann. Zur Zeit der Herbstmitte ändert sich die ganze Natur, und die Fische des Baches entfernen sich ohne zurückzukehren. Der Wind vermag die Früchte der Euryale-lilien zu sprengen, der Tau weiss die Wangen der Birnen zu färben. Die fernen Berge erscheinen (klar) in ihren aufgetürmten Massen, die Blumen der kühlen Jahreszeit öffnen sich bald hier bald dort. Mein Freund, mit dem ich eine Zusammenkunft verabredet habe, ist schliesslich nicht erschienen; mit wem kann ich nun nach Sonnenuntergang heimkehren?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 273f. -
Du dong fang shuo za shi 讀東方朔雜事: Als ich verschiedene Erzählungen über Tung-fang So las (Han Yu 韓愈)
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Gewaltig (Legge IV, 309, 627) ragt der Palast der Königin des Westens (B.D. No. 680), unterhalb dessen die zehntausend Unsterblichen hausen. Wenn sie gähnt, wird es zum wehenden Winde; wenn sie sich die Hände wäscht, fällt ein mächtiger Regen. Tung-fang So war damals ein junger Bursche (in ihren Diensten); sie verwöhnte ihn und hemmte nicht durch Verbote und Drohungen seinen Uebermut. Heimlich drang er in den Speicher des Donners und Blitzes ein und wälzte unter mächtigem Lärm den unheimlichen Donnerwagen heraus. Als die Königin des Westens dieses Gepolter hörte, lachte sie, und ihre Garden lachten mit ihr. Sie wusste eben nicht, dass (gerade dadurch) Millionen lebend unter Sand und Schlamm begraben wurden: Denn infolge der Erschütterung stürzten die fünf Riesenberge zusammen, und die acht Pfeiler der Erde schwankten (bei der entstandenen Ueberschwemmung) unruhig hin und her. Da sprach die Königin: "Mein Sohn, Du machst Dich wirklich unbeliebt. Warum treibst Du es denn gar so arg?" Als Tung-fang So dies hörte, war er gar nicht froh und fing sich nackten Leibes einen Drachen (als Reittier) ein (auf dem er über den Himmel ritt). Er blickte frech spähend nach dem Handgriff des nördlichen Scheffels (des Sternbildes vom Grossen Bären) und rieb sich vergnügt die Hände. Da sprach die Schar der Unsterblichen gereizt zur Königin: "Wie kann man einen hundertfachen Verbrecher wie diesen ungestraft lassen! Gerade sahen wir, wie er das (von uns allen verehrte) Sternbild des Grossen Bären ausspähen wollte; ein solcher Unfug kann wirklich nicht verziehen werden. Wenn Du sein Verbrechen und seine Strafe nicht allgemein offenbar machst, werden die Leute ausserhalb sich wirklich aufhalten und laut protestieren". – Die Königin konnte nicht anders als diesen Thronbericht entgegennehmen; ernsten Antlitzes seufzte sie laut auf (Legge, Iking pg. 158/23). Sie neigte das Haupt und genehmigte die im Thronbericht beantragte Strafe (Tung-fang So wurde unter die Menschen verbannt); dann sandte sie ihm (zum Abschied) ein Zaumzeug mit violetten Edelsteinen besetzt. Tung-fang So liess sich aber durch die Strafe nicht warnen: im Besitze des gnädigen Geschenkes wurde er nur umso übermütiger. Er machte sich (unten auf Erden) lustig über den Kaiser Han Wu ti (Liu Ch'ê) und verrichtete am hellen Tage seine Notdurft im Kaiserpalaste. Plötzlich verliess er eines Morgens den Hof, ohne Abschied zu nehmen, erhob sich in die Lüfte und schwang sich auf zum dunklen Firmament.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 187f. -
Du huang fu shi gong an yuan chi shi shu qi hou er shou 讀皇甫湜公安園池詩書其後二首: Nach Lektüre des Gedichtes "Der Teich im Garten des Distriktsyamêns von Kung-an-hsien" von Hwang-fu Shih schreibe ich diese Verse auf die Rückseite (Han Yu 韓愈)
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Bei Chwangtzu (T. of T. II, 120) heisst es, dass Tai Chin-jên die beiden Herrscher Yao und Shun nicht anders betrachtete als eine leichte Brise. Ueber die anderen unbedeutenden Männer, von jenen beiden nach abwärts gerechnet, hätte er überhaupt keine Worte verloren (d.h. er hatte nur ganz Grosses im Auge). Im Klassiker Ch'un-ch'iu ist das königliche Gesetz über die gerechte Behandlung der Menschen enthalten; die schlechten Menschen jener Zeit werden nicht nur getadelt (sondern es werden Lehren für alle Zukunft gegeben). Im Wörterbuch Erh-ya dagegen werden die Namen von Insekten und Fischen erklärt; sein Verfasser ist wohl sicher kein genialer Mann gewesen (dass er sich mit solchen Kleinigkeiten abgab). O Hwang-fu Shih! Du bist jetzt in Deinem Distrikt Kung-an-hsien stark beschäftigt und findest kaum Musse das ganze Jahr hindurch. Du würdigst Dein grosses Wissen herab, dadurch dass Du schlechte Stoffe für Deine Gedichte aufgreifst; wie sollte in Abfall und Unrat Gutes zu finden sein? Wirklich man kann hier weder loben noch tadeln (T. of T. I, 242), sondern nur ein analoges Beispiel zur Beurteilung anführen. Ich besitze einen kleinen Teich, worin Binse und Schilf wächst; Insekten und Fische tauchen auf und schnappen danach, Tag und Nacht gewähren sie sich keine Musze. Erst bin ich ans Ufer getreten, um mir die Sache anzusehen, später blickte ich immer seltener dahin. Das Zuschauen brachte meine Gedanken in Verwirrung, und ich fand es besser nicht weiter zuzusehen (und mich nicht weiter mit solchen Nichtigkeiten abzugeben). Solange ich (vom Staat) gebraucht werden kann, will ich den Menschen Nutzen bringen; einmal verworfen finde ich meine Beschäftigung im Studium des K'ungtzu und Yen Hui. Wie kurz ist doch das menschliche Leben (selbst wenn es hundert Jahre dauert)! Der Weise darf diese Zeit nicht müssig bleiben (und sich nicht mit Kleinigkeiten beschäftigen).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 163f. -
Duan deng qing ge 短燈檠歌: Das Lied vom kurzen Lampenleuchter (Han Yu 韓愈)
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Der acht Fuss lange Kandelaber rühmt sich grundlos seiner Länge. Der kurze Leuchter von zwei Fuss Länge ist (dagegen) bequem und hell. Der gelbe Bambusvorhang, die grünen Gardinen, die rote Türe (der Frauengemächer) sind geschlossen. Die Feuchtigkeit von Wind und Thau dringt (trotzdem) ein, und die herbstliche Halle macht einen kalten Eindruck. Frauen arbeiten an den Kleidern, die sie ihren in der Ferne weilenden Gatten schicken, und ihre Augen sind vom Weinen trübe. Sie kratzen sich den Kopf, ziehen den Lampendocht wiederholt empor und rücken den kurzen Leuchter näher an das Bett. – Der Mann aus dem östlichen Lu, der an der Hochschule seinen konfuzianistischen Studien obliegt, Hat mit zwanzig Jahren die Heimat verlassen und sich nach der Hauptstadt zum Examen begeben. Nächtlicher Weile schreibt er feine Schriftzeichen und reiht Worte an einander in seinen Abhandlungen. Seine Augen sehen verschwommen, sein Kopf ist schneeweiss. In dieser Studienzeit stellt er den kurzen Leuchter vor sich auf den Tisch Und liest bis Tagesanbruch in seinen Büchern; wie könnte er auch schlafengehen? Eines Morgens wird er reich und angesehen und fühlt sich wieder frei und uneingeschränkt. Da ist es ein hoher Kandelaber, der auf seinen Luxus (Perlen und Königsfischerfedern, Wen-hsüan 10/21) strahlt. Ach, die Dinge dieser Welt verhalten sich alle in ähnlicher Weise. Blicke nur einmal in die Ecke des Zimmers, wohin man den kurzen Leuchter geworfen hat.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 156f. -
Dui jiu "wei ji gua zhong xiu bu ming" 對酒“未濟卦中休卜命”: Vor dem Weinbecher (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Feng chou lu ji shi yun fu si xiong qu jiang he hua xing jian ji bing cheng shang qian qi xiong ge lao zhang shi ba zhu jiao 奉酬盧給事雲夫四兄曲江荷花行見寄并呈上錢七兄閣老張十八助教: In Erwiderung des mir übersandten Gedichtes des Censors Lu Yün-fu: "Die Lotosblumen im Mäandersee (bei Ch'angan)"; ehrfurchtsvoll angeboten dem Minister Ch'ien Hui und dem Hilfslehrer (am Kuo-tzu-chien) Chang Chi (Han Yu 韓愈)
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Die tausend Morgen des Mäandersees sind durchsichtig klar wie die Wässer des Herbstes. Und gleichmässig ausgebreitet wie rote Wolken decken Lotusblumen seinen hellen Spiegel. Aus dem Ta-ming-kung-Palaste kehrtest Du (der Censor) nach Hause zurück, Kamst zu Pferde am See vorüber, ohne Dich lange aufhalten zu können. Darauf sandtest Du mir ein Gedicht von 96 Perlen (Zeichen), Von durchbohrender Strahlenkraft jener, die von unter dem Kinn des schlafenden Drachens geraubt wurden. Ich habe jetzt ein gemächliches Amt, kann mich in Musse ergehen Und Deine Frage beantworten, wo so viele Lotusblumen wie im Mäandersee zu finden wären. Ich fahre hinaus auf den K'un-ming-See und setze über den Wolkenbrokat (d.h. die Lotusblumen) seiner Fluten. Ich klopfe mit den Füssen an den Rand des Bootes und lasse das Soochow-Lied des Hsia T'ung (Chin-shu 94) ertönen. Der T'ai-po-Berg ist dreihundert Meilen hoch, Seine schneebedeckten Gipfel werfen ihre Schatten zwischen die Lotusblumen des Sees. Der Yü-Berg (von Lan-t'ien-hsien) erscheint und verschwindet, um nicht wieder aufzutauchen. Verglichen mit diesem See ist der Mäandersee nur ein kleiner Bach und unbewegt wie ein Glas Wasser. - Oft muss ich Deiner (Lu Yün-fu) gedenken, und unbewusst wende ich mehrmals den Kopf nach Dir zurück. Die Pforten des Kaiserpalastes sind Dir jetzt geöffnet Und Du musst Dich jetzt wie ein unsterblicher Beamter des Himmels fühlen. Ist es aber nicht besser als freier Genius auf Phönixen reitend zu lustwandeln und den ganzen Tag hier zusammen mit meinen Freunden zu verbringen?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 183. -
Feng chou tian ping ma shi er pu ye xia ri yan huai jian ji zhi zuo 奉酬天平馬十二僕射暇日言懷見寄之作: In ehrerbietiger Beantwortung des mir übersandten Gedichtes "An einem müssigen Tage äussere ich meine Gedanken" vom Minister Ma Tsung, Kommandanten des T'ien-p'ing-Lagers (in Shantung) (Han Yu 韓愈)
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Nicht nur die Gedichte des Kommandanten des T'ien-p'ing-Lagers, auch seine Amtsführung ist unerreicht. Sein erhabener Oberbefehl beherrscht das Land Hsü-chou, seine hohe Bildung beeinflusst das Reich Lu. Seine Rechtschaffenheit wird von der öffentlichen Meinung hochgeschätzt; durch seine Güte weiss er das Herz seiner Soldaten zu gewinnen. – Am Ende des Jahres erinnert er sich besonders gnädig meiner und sendet mir ein Gedicht, das ich langgezogen vor mir hinsumme, während ich unter dem nördlichen Fenster sitze.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 287f. -
Feng chou zhen wu hu shi er zhang da fu 奉酬振武胡十二丈大夫: In ehrerbietiger Beantwortung eines Gedichtes (des Freundes meines Vaters) S.E. des Militär-Gouverneurs von Chên-wu (Shansi) Hu Chêng (12. seines Clanes) (Han Yu 韓愈)
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Der ganze Hof beneidet Dich wegen der wiederholten Gnadenbeweise, die Du vom Kaiser empfangen. Vor einem halben Jahre hast Du die Beförderung zum Gardekapitän (Legge IV, 558, 618) erhalten. Mit Deinen Bannern kamst Du an Deiner Heimat vorüber und verbliebst dort kurze Zeit, bevor Du weiterzogest. Am Eingang Deines Dorfes stiegst Du von Deinem Wagen und begrüsstest Deine Dorfgenossen. Die herrlichen Becher kreisten in Deiner bergigen Heimat bis zum Morgen. Deine herrlichen Streitrosse sollen jetzt in die Ferne zur Grenze ziehen, wo das Gras in Frühlingsblüte Dich erwartet. Und obwohl ich mich das ganze Leben lang meiner Tapferkeit brüstete, muss ich jetzt über mich selbst lachen. Denn im Gegensatze zu Dir habe ich mich bisher von meinen Büchern nicht getrennt, während meine Schläfenhaare schon weiss geworden sind.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 250f. -
Feng he bing bu zhang shi lang chou yun zhou ma shang shu zhi zhao tu zhong jian ji kai jian zhi ri ma shuai yi zai ling yun zhou zhi zuo 奉和兵部張侍郎酬鄆州馬尚書祗召途中見寄開緘之日馬帥已再領鄆州之作: Ministerialdirektor Ma Tsung (Gouverneur von Yün-chou), durch den Kaiser nach Ch'angan berufen, sendet auf halbem Wege ein Gedicht an den Sekretär im Kriegsministerium Chang Chia; am Tage als dieses Gedicht letzteren erreichte, war Ma Tsung bereits von neuem mit dem Gouverneursposten von Yü-chou betraut. Chang Chia sendet ein Dankgedicht an Ma Tsung und zeigt dasselbe Han Yü, worauf dieser unter Benützung desselben Reimes folgende Verse dichtet (Han Yu 韓愈)
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Als Du (Ma Tsung) gerade auf der Reise nach Ch'angan begriffen warst, um in Audienz zu erscheinen, erhieltst Du den kaiserlichen Erlass, nach Yün-chou zurückzukehren. Von neuem bist Du zum Gouverneur von Yün-chou (Hsü-ch'ü, Legge V, 179/14) ernannt, und wird Dir gleichzeitig der Titel eines Justizministers verliehen. Der warme Wind lässt das im Winter gesäte Getreide (längs Deinem Wege) emporwachsen, der erfrischende Regen veranlasst Dich, die Fahnen Deiner nach Yün-chou zurückkehrenden Truppen einzurollen (damit sie nicht nass werden). Durch Dein schönes Gedicht, das Du gesendet hast und ich fortwährend rezitiere, wird meine Sehnsucht nach Dir gestillt.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 284. -
Feng he du xiang gong tai qing gong ji shi chen cheng shang li xiang gong shi liu yun 奉和杜相公太清宮紀事陳誠上李相公十六韻: Der Minister Tu Yüan-ying hat in Vertretung des Kaisers im T'ai-ch'ing-kung (Tempel des Laotzu) geopfert und in einer poetischen Beschreibung der Opferhandlung seine loyalen Gefühle zum Ausdruck gebracht. Ich dichte unter Benützung desselben Reimes ein Gedicht in 16 Reimen und überreiche es dem Minister Li Fêng-chi (Han Yu 韓愈)
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Dadurch dass Hou-chi Pflug und Egge in Anwendung brachte, begann das Chou-Reich zu blühen; dadurch dass Ta Yü Stelzen und Bergschuhe bei seinen Regulierungsarbeiten gebrauchte, wurde die Hsia-Dynastie gegründet. Wegen ihrer Verdienste müssen wirklich beide verehrt werden; gegenüber der Grösse des Tao (des Laotzu) sind aber ihre Errungenschaften von wenig Bedeutung. Die Majestät des Laotzu ist unendlich gross, und der Zeitraum seiner Nachkommen bis herab zu den Kaisern der T'ang-Dynastie äusserst lange. Um die Pforte seines Tempels zu schützen, sind Lanzen und Speere aufgestellt; an den Wänden sind Drachen und Schlangen in wechselnder Umgebung abgebildet. Zeremonien und Musik in posthumer Verehrung des erhabenen Ahnen sind von grosser Vollkommenheit; Himmel und Erde senden Segen den entfernten Epigonen, die ihm opfern. Die Statuen der vier wahren Philosophen (Chuangtzu, Wêntzu, Liehtzu und Kêngsangtzu) sind zur Seite Laotzu's in einer Reihe aufgestellt, während in gleicher Höhe mit ihm die beiden T'ang-Kaiser (Hsüantsung und Sutsung) stehen. Der zehnte Monat, des Winter's Anfang, ist die Zeit, da der Kaiser im Tempel des Laotzu's Opfer darbringt; in den dunklen Quellen der Erde ist das Yangprinzip noch nicht in Erscheinung getreten. Die Stufen der Halle sind wassergrün wie aneinandergereihte Smaragde; die Kandelaber des Tempelhofes erinnern an blühende Lotusblumen. – Wenn wir die Schönheit dieses Tempels betrachten, vergessen wir jede Ermüdung; während wir unsere Gebete (auf grünem Papier mit roter Schrift) vorlegen, herrscht allgemeines Schweigen. Wenn wir nachts die Glocken erklingen hören, wissen wir dass der Tempel geöffnet wird; wenn das Rühren der Trommeln zu uns dringt, wissen wir dass am Morgen der Gottesdienst beginnt. Bei den Opfern werden unreine Thiere (Liki I, 576) vermieden; das Darbringen kostbaren Weihrauchs ist besonders günstig. Laotzu's Geist lässt Glück in solcher Menge herabkommen, dass es in einem eigenen Buche aufgezeichnet werden kann; er schenkt langes Leben in unbegrenzter Länge. – Der erhabene Minister Tu Yüan-ying ist wie ein hoher Berg, zu dem wir hinaufsehen; seine klaren literarischen Erzeugnisse erinnern an fleckenlose Jade. Durch seine Arbeit als Minister ist sein Ruhm weit verbreitet; bei dieser Opferhandlung in Vertretung des Kaisers ist seine Ehrfurcht besonders gross. Er erglänzt in Reinheit, wie der inmitten des Himmels stehende Mond, er ist von einer Herrlichkeit wie die die auf- und untergehende Sonne umgebenden Wolken. Sein Gedicht ist erhaben, während meine Erwiderung der Schönheit entbehrt; beim Lesen jener Verse sehe ich voll Bewunderung empor, bei Durchsicht meiner vorliegenden Antwort senke ich das Haupt und seufze.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 289f. -
Feng he guo zhou liu ji shi shi jun san tang xin ti er shi yi yong (1): Xin ting 奉和虢州劉給事使君三堂新題二十一詠 (其一): 新亭: Ehrerbietig antworte ich (unter Benützung desselben Reimes) auf die Gedichte des Gouverneurs Liu Po-tsou, die er kürzlich auf die San-t'ang-Besitzung gedichtet hat: 21 Gedichte: Der neue Pavillon (Han Yu 韓愈)
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Inmitten des Sees liegt herrlich der neue Pavillon; täglich bei Sonnenaufgang besuchst Du diesen Platz. Die leichten Wellen erinnern an schwimmende Polster und Matten, im Schatten der (vorspringenden) Dachziegel halten sich Schildkröten und Fische auf.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 254. -
Feng he guo zhou liu ji shi shi jun san tang xin ti er shi yi yong (10): Xi shan 奉和虢州劉給事使君三堂新題二十一詠 (其十): 西山: Ehrerbietig antworte ich (unter Benützung desselben Reimes) auf die Gedichte des Gouverneurs Liu Po-tsou, die er kürzlich auf die San-t'ang-Besitzung gedichtet hat: 21 Gedichte: Der Westberg (Han Yu 韓愈)
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Der Neumond hängt die Nacht erwartend über dem Westberg; die weisse Wolke des Tages bleibt bis Abend dort verweilen. Weil die Wolke den Ausblick nach Westen (Sonnenuntergang) benimmt, sind wir schliesslich zu faul, den Kopf nach Westen zu wenden.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 256. -
Feng he guo zhou liu ji shi shi jun san tang xin ti er shi yi yong (11): Zhu jing 奉和虢州劉給事使君三堂新題二十一詠 (其十一): 竹逕: Ehrerbietig antworte ich (unter Benützung desselben Reimes) auf die Gedichte des Gouverneurs Liu Po-tsou, die er kürzlich auf die San-t'ang-Besitzung gedichtet hat: 21 Gedichte: Der Weg im Bambushain (Han Yu 韓愈)
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Da auf dem Wege kein Staub, braucht er niemals gekehrt zu werden; wenn Vögel erscheinen, lasse nicht zu, dass sie mit der Armbrust geschossen werden. Wenn Du Wind und Mondlicht zur Szenerie hinzufügen willst, musst Du einige hundert Bambusstämme entfernen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 256. -
Feng he guo zhou liu ji shi shi jun san tang xin ti er shi yi yong (12): He chi 奉和虢州劉給事使君三堂新題二十一詠 (其十二): 荷池: Ehrerbietig antworte ich (unter Benützung desselben Reimes) auf die Gedichte des Gouverneurs Liu Po-tsou, die er kürzlich auf die San-t'ang-Besitzung gedichtet hat: 21 Gedichte: Der Lotusteich (Han Yu 韓愈)
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Zur Zeit des stürmischen Regens im Herbste sind die hohen Lotusblumen des Teiches so zahlreich, dass sie das ganze Wasser bedecken. Die Blätter lassen noch nicht die raschelnden Laute ihres Fallens hören, sie sind aber schon längst nicht mehr eingerollt (wie beim ersten Auftreten).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 256. -
Feng he guo zhou liu ji shi shi jun san tang xin ti er shi yi yong (13): Dao qi 奉和虢州劉給事使君三堂新題二十一詠 (其十三): 稻畦: Ehrerbietig antworte ich (unter Benützung desselben Reimes) auf die Gedichte des Gouverneurs Liu Po-tsou, die er kürzlich auf die San-t'ang-Besitzung gedichtet hat: 21 Gedichte: Die Reisfelder (Han Yu 韓愈)
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Die in Quadraten angelegten Reisfelder kann man zählen, das in vielen Zweigen verteilte Wasser kann man nicht verfolgen. Wenn die Fischchen dick erscheinen, weiss man, dass die Reispflanze schon in Blüte steht; wenn der Kranich über die Aehren nicht mehr hervorragt, weiss man, dass das Paddy schon eine beträchtliche Höhe erreicht hat.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 256. -
Feng he guo zhou liu ji shi shi jun san tang xin ti er shi yi yong (14): Liu xiang 奉和虢州劉給事使君三堂新題二十一詠 (其十四): 柳巷: Ehrerbietig antworte ich (unter Benützung desselben Reimes) auf die Gedichte des Gouverneurs Liu Po-tsou, die er kürzlich auf die San-t'ang-Besitzung gedichtet hat: 21 Gedichte: Der Weidenweg (Han Yu 韓愈)
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Auf dem Weidenweg fliegen noch die Samenkronen der Weiden herum. Wie wenig Tage des Frühlings bleiben noch übrig? Ihr kleinen Beamten störet nicht durch eure Rapporte den Gouverneur; er verfasst noch Gedichte, um vom Frühling Abschied zu nehmen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 257. -
Feng he guo zhou liu ji shi shi jun san tang xin ti er shi yi yong (15): Hua yuan 奉和虢州劉給事使君三堂新題二十一詠 (其十五): 花源: Ehrerbietig antworte ich (unter Benützung desselben Reimes) auf die Gedichte des Gouverneurs Liu Po-tsou, die er kürzlich auf die San-t'ang-Besitzung gedichtet hat: 21 Gedichte: Die Blütenquelle (Han Yu 韓愈)
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An dieser Quelle blühen die Blumen zuerst; der Gouverneur dürfte täglich hierher kommen (sie zu besichtigen). Euch roten und violetten Blüten schärfe ich ein, öffnet eure Blüten nicht zur gleichen Zeit (damit der Gouverneur täglich neue sieht).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 257. -
Feng he guo zhou liu ji shi shi jun san tang xin ti er shi yi yong (16): Bei lou 奉和虢州劉給事使君三堂新題二十一詠 (其十六): 北樓: Ehrerbietig antworte ich (unter Benützung desselben Reimes) auf die Gedichte des Gouverneurs Liu Po-tsou, die er kürzlich auf die San-t'ang-Besitzung gedichtet hat: 21 Gedichte: Der nördliche Turm (Han Yu 韓愈)
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Vom Morgen profitierend besteigen wir den Turm des Yamêns und können uns einen ganzen Tag von der herrlichen Aussicht nicht trennen. Der Abend sieht so aus, wie wenn er den Herbst zum Kommen einlüde; ein aus der Ferne kommender Wind begleitet den aufsteigenden Mond.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 257. -
Feng he guo zhou liu ji shi shi jun san tang xin ti er shi yi yong (17): Jing tan 奉和虢州劉給事使君三堂新題二十一詠 (其十七): 鏡潭: Ehrerbietig antworte ich (unter Benützung desselben Reimes) auf die Gedichte des Gouverneurs Liu Po-tsou, die er kürzlich auf die San-t'ang-Besitzung gedichtet hat: 21 Gedichte: Der Spiegelteich (Han Yu 韓愈)
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Dieser Spiegel ist weder geschmolzen noch gegossen, plötzlich stehen wir vor seiner durchsichtigen Fläche. Fische und Krebse brauchen sich (wegen ihrer Kleinheit) nicht zu verbergen; nur Saurier und Drachen würden durch die Transparenz sichtbar werden.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 257. -
Feng he guo zhou liu ji shi shi jun san tang xin ti er shi yi yong (18): Gu yu 奉和虢州劉給事使君三堂新題二十一詠 (其十八): 孤嶼: Ehrerbietig antworte ich (unter Benützung desselben Reimes) auf die Gedichte des Gouverneurs Liu Po-tsou, die er kürzlich auf die San-t'ang-Besitzung gedichtet hat: 21 Gedichte: Die einsame Insel (Han Yu 韓愈)
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Morgens besuchst Du den Süden der einsamen Insel, abends amüsierst Du Dich im Norden der einsamen Insel. Daher kommt es, dass die Vögel der einsamen Insel alle Dich schon als alten Bekannten betrachten.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 257. -
Feng he guo zhou liu ji shi shi jun san tang xin ti er shi yi yong (19): Fang qiao 奉和虢州劉給事使君三堂新題二十一詠 (其十九): 方橋: Ehrerbietig antworte ich (unter Benützung desselben Reimes) auf die Gedichte des Gouverneurs Liu Po-tsou, die er kürzlich auf die San-t'ang-Besitzung gedichtet hat: 21 Gedichte: Die gedeckte Brücke (Han Yu 韓愈)
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Es ist kein Haus und es ist auch kein Schiff; man kann darin wohnen und gleichzeitig auch darübergehen. Wenn Du wissen willst, wie eine gedeckte Brücke aussieht – nun eine gedeckte Brücke ist eben so gebaut wie die hier befindliche.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 257. -
Feng he guo zhou liu ji shi shi jun san tang xin ti er shi yi yong (2): Liu shui 奉和虢州劉給事使君三堂新題二十一詠 (其二): 流水: Ehrerbietig antworte ich (unter Benützung desselben Reimes) auf die Gedichte des Gouverneurs Liu Po-tsou, die er kürzlich auf die San-t'ang-Besitzung gedichtet hat: 21 Gedichte: Das fliessende Wasser (Han Yu 韓愈)
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Wann wird das Fliessen des Wassers aufhören? Vom Frühling bis zum Herbst fliesst es ununterbrochen. Man fragt sich nur, warum der Teich noch nicht voll ist. Wenn der Teich einmal voll ist, wird das Wasser eben wo anders hinfliessen müssen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 254f. -
Feng he guo zhou liu ji shi shi jun san tang xin ti er shi yi yong (20): Ti qiao 奉和虢州劉給事使君三堂新題二十一詠 (其二十): 梯橋: Ehrerbietig antworte ich (unter Benützung desselben Reimes) auf die Gedichte des Gouverneurs Liu Po-tsou, die er kürzlich auf die San-t'ang-Besitzung gedichtet hat: 21 Gedichte: Die Stufenbrücke (Han Yu 韓愈)
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Plötzlich ist es uns wie wenn wir in den Himmel stiegen; anfangs glaubten wir als ob wir auf Lotusblätter träten. Wenn man nicht das Wesen fliegender Genien besitzt, wie könnte man den Mut besitzen, hier hinüberzugehen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 258. -
Feng he guo zhou liu ji shi shi jun san tang xin ti er shi yi yong (21): Yue chi 奉和虢州劉給事使君三堂新題二十一詠 (其二十一): 月池: Ehrerbietig antworte ich (unter Benützung desselben Reimes) auf die Gedichte des Gouverneurs Liu Po-tsou, die er kürzlich auf die San-t'ang-Besitzung gedichtet hat: 21 Gedichte: Der Mondweiher (Han Yu 韓愈)
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Der kalte See erscheint hell unter dem Mondlicht; der Neumond in seiner Krümmung wird von der Oberfläche des Sees widergespiegelt. Wenn die beiden wegen ihrer Schönheit auf einander nicht eifersüchtig sind, werden sie einander beim Leuchten helfen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 258. -
Feng he guo zhou liu ji shi shi jun san tang xin ti er shi yi yong (3): Zhu dong 奉和虢州劉給事使君三堂新題二十一詠 (其三): 竹洞: Ehrerbietig antworte ich (unter Benützung desselben Reimes) auf die Gedichte des Gouverneurs Liu Po-tsou, die er kürzlich auf die San-t'ang-Besitzung gedichtet hat: 21 Gedichte: Die Bambuslaube (Han Yu 韓愈)
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Seit wann besteht diese Bambuslaube? Seitdem Du die Bambus gelichtet hast. Obwohl der Zutritt zu dieser Laube frei ist, sind gewöhnliche Gäste niemals hierher gekommen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 255. -
Feng he guo zhou liu ji shi shi jun san tang xin ti er shi yi yong (4): Yue tai 奉和虢州劉給事使君三堂新題二十一詠 (其四): 月臺: Ehrerbietig antworte ich (unter Benützung desselben Reimes) auf die Gedichte des Gouverneurs Liu Po-tsou, die er kürzlich auf die San-t'ang-Besitzung gedichtet hat: 21 Gedichte: Der Mondsöller (Han Yu 韓愈)
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Im breiten Schatten der Stadtmauer liegt das südliche Absteigequartier, über dem östlichen See hängen viele Dünste (von beiden Orten aus ist der Mond nicht gut zu beobachten). Du musst direkt auf den Söller steigen, dort wirst Du erst den Mond in seiner ganzen Helle am besten bewundern können.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 255. -
Feng he guo zhou liu ji shi shi jun san tang xin ti er shi yi yong (5): Zhu ting 奉和虢州劉給事使君三堂新題二十一詠 (其五): 渚亭: Ehrerbietig antworte ich (unter Benützung desselben Reimes) auf die Gedichte des Gouverneurs Liu Po-tsou, die er kürzlich auf die San-t'ang-Besitzung gedichtet hat: 21 Gedichte: Das Lusthaus auf der Insel (Han Yu 韓愈)
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Seitdem die Leute von der Existenz dieses Ortes wissen, sind ununterbrochen Besucher hier gewesen. Lasse keine Wände zwischen den Säulen des Lusthauses errichten, denn jetzt kann man auf allen Seiten die Lotusblumen des Teiches bewundern.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 255. -
Feng he guo zhou liu ji shi shi jun san tang xin ti er shi yi yong (6): Zhu xi 奉和虢州劉給事使君三堂新題二十一詠 (其六): 竹溪: Ehrerbietig antworte ich (unter Benützung desselben Reimes) auf die Gedichte des Gouverneurs Liu Po-tsou, die er kürzlich auf die San-t'ang-Besitzung gedichtet hat: 21 Gedichte: Der Bach des Bambushains (Han Yu 韓愈)
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Das Wasser des Baches fliesst langsam im Halbdunkel dahin, die langen Bambus des Ufers ragen mächtig empor. Die den Sand durchbohrenden grünen Sprossen sehen glänzend aus, die im Wasser schwimmenden violetten Blattscheiden verbreiten feine Düfte.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 255. -
Feng he guo zhou liu ji shi shi jun san tang xin ti er shi yi yong (7): Bei hu 奉和虢州劉給事使君三堂新題二十一詠 (其七): 北湖: Ehrerbietig antworte ich (unter Benützung desselben Reimes) auf die Gedichte des Gouverneurs Liu Po-tsou, die er kürzlich auf die San-t'ang-Besitzung gedichtet hat: 21 Gedichte: Das nördliche Seeufer (Han Yu 韓愈)
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Ich habe gehört, dass ein über den See ziehendes Ruderboot stets wieder hierher zurückkehren muss. Hier sollte man einen Pavillon errichten, wo das Herz vom Rausch erwacht; ich gedenke dann bestimmt hierher zu kommen, wenn ich trunken bin.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 255. -
Feng he guo zhou liu ji shi shi jun san tang xin ti er shi yi yong (8): Hua dao 奉和虢州劉給事使君三堂新題二十一詠 (其八): 花島: Ehrerbietig antworte ich (unter Benützung desselben Reimes) auf die Gedichte des Gouverneurs Liu Po-tsou, die er kürzlich auf die San-t'ang-Besitzung gedichtet hat: 21 Gedichte: Die Blumeninsel (Han Yu 韓愈)
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Bienen und Schmetterlinge suchen in Menge diese Insel auf; die Düfte der Insel werden noch am Ufer des Sees wahrgenommen. Wenn man wissen will wo diese Insel liegt, braucht man über dem Wasser des Sees nur die Reflexe der roten Lotusblüten zu suchen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 255f. -
Feng he guo zhou liu ji shi shi jun san tang xin ti er shi yi yong (9): Liu xi 奉和虢州劉給事使君三堂新題二十一詠 (其九): 柳溪: Ehrerbietig antworte ich (unter Benützung desselben Reimes) auf die Gedichte des Gouverneurs Liu Po-tsou, die er kürzlich auf die San-t'ang-Besitzung gedichtet hat: 21 Gedichte: Der Weidenbach (Han Yu 韓愈)
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Wer hat diese Weidenbäume gepflanzt? Ueberall erheben sie sich hoch an beiden Ufern. Binde das Bootstau nicht an die Weidenzweige an, denn auf ihnen sitzen Zikaden, deren Rufe Du stören könntest.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 256. -
Feng he guo zhou liu ji shi shi jun san tang xin ti er shi yi yong: xu 奉和虢州劉給事使君三堂新題二十一詠: 序: Ehrerbietig antworte ich (unter Benützung desselben Reimes) auf die Gedichte des Gouverneurs Liu Po-tsou, die er kürzlich auf die San-t'ang-Besitzung gedichtet hat: 21 Gedichte: Einleitung (Han Yu 韓愈)
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Der Palast des Gouverneurs von Kuo-chou (in Honan) mit seinen Teichen und Bambushainen, wo sich überall Lusthäuser, Söller und Inseln befinden, wird "San-t'ang" genannt. Mein Freund der Gouverneur Liu wurde aus seiner Würde als Chi-shih-chung zum Gouverneur von Kuo-chou ernannt; er ist jetzt mehr als ein Jahr in seinem Wirkungskreis; seine Verwaltungsarbeit ist vollendet und die Leute der Provinz leben im Frieden; es heisst, dass in seinem Gebiet keine Schwierigkeiten bestehen. Er hat den Palast noch weiter vergrössert und verschönert und ergeht sich darin mit den jungen Leuten seiner Familie. Um die Schönheit dieses Palastes zu beschreiben, hat er 21 Gedichte verfasst, welche in der Hauptstadt viel gelesen und von den Gelehrten um die Wette beantwortet werden. Da ich mit Liu gut befreundet bin, habe ich ebenfalls diese Gedichte beantwortet.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 254. -
Feng he ku bu lu si xiong cao zhang yuan ri chao hui 奉和庫部盧四兄曹長元日朝回: In ehrerbietiger Erwiderung (unter Benützung desselben Reimes) eines Gedichtes meines älteren Kollegen Lu Ting, Sekretärs im Schatzamt, über seine Rückkehr von der Neujahrsaudienz (Han Yu 韓愈)
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Die kaiserlichen Paraphernalien werden während der Nacht vorbereitet, und die mit Federn geschmückten Banner aufgestellt. Die Frühlingswolken zeigen zuerst den Morgenglanz, und die Hühner lassen ihren Morgenruf ertönen. Aus den goldenen Weihrauchgefässen steigen Düfte auf, die Drachenköpfe der Treppengeländer liegen noch im Dunkeln. Der Klang von Gürtelgehängen (der Minister) nähert sich, und die Fasanenfächer erscheinen hoch im Morgenlichte. Die (in Kriegsausrüstung) gekleideten Garden eilen herbei, um sich rings um den Thron schützend aufzustellen. Die Zivilbeamten ordnen sich in Reihen (westlich vom Throne) gegenüber den im Osten aufgestellten Offizieren. Eine Periode des Friedens (wie diese) zu erleben, ist für uns ein besonderes Glück. Wozu also seufzen, selbst wenn man in einer kleinen Beamtenwürde alt geworden ist?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 251. -
Feng he li xiang gong ti xiao jia lin ting 奉和李相公題蕭家林亭: Ehrfurchtsvoll dichte ich unter Benützung desselben Reimes eine Antwort auf das von Minister Li Fêng-chi an die Wand des Waldpavillons der Hsiao-Familie geschriebene Gedicht (Han Yu 韓愈)
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Du bist ähnlich jenem Shan Chien, der sich als Eigentümer der waldreichen Gärten betrachtete, die er besuchte. Ich bemitleide jene würdigen Männer der Vergangenheit, die sich mit der Anlage ihrer Gärten viel Mühe gaben. Verlassen liegen jetzt die in Felswänden untergebrachten Grotten, geschlossen sind alle Pforten der Gärten. Wenn Du (Li Fêng-chi) auf diesen Pavillon nicht Verse geschrieben hättest, wie wenige Menschen würden wissen, dass dieser Pavillon einst der Hsiao-Familie gehörte.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 289. -
Feng he pei xiang gong dong zheng tu jing nü ji shan xia zuo 奉和裴相公東征途經女几山下作: In ehrerbietiger Antwort auf ein Gedicht des nach Osten ins Feld ziehenden Ministers P'ei Tu, das er dichtete als er am Fuss des Nü-chi-shan-Berges vorüber kam (Han Yu 韓愈)
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Deine Fahnen reflektieren die Morgenstrahlen, einem Chaos von Wolken und roten Dünsten vergleichbar. Die Berge ragen hinein in den reinen Herbsthimmel und funkeln hell wie Schwerter und Lanzen. Ich möchte Dich, o Minister, bitten nach Unterwerfung der Rebellen, Deine Unterbeamten (Legge V, 647/16) hinauf auf die Höhen dieses Berges zu führen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 269. -
Feng he pu ye pei xiang gong gan en yan zhi 奉和僕射裴相公感恩言志: Ehrerbietig verwende ich denselben Reim wie Minister P'ei Tu in seinem Gedichte "Gerührt von der Gnade des Kaisers äussere ich meine Absichten (betreffs meines weiteren Lebens)" (Han Yu 韓愈)
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Nachdem Du sowohl als Beamter wie als Offizier Verdienste erworben hast, bleibst Du in Deiner Musze (als Privatmann) noch immer ein Vorbild für alle Staatsdiener. Jetzt kannst Du nach Herzenslust die Schönheiten Deines Landgutes geniessen; bei herrlicher Musik erfreust Du Dich der friedlichen Zeiten. Du hast alle ehrgeizigen Pläne achtlos von Dir geworfen und verfassest jetzt kleine, sorgfältig gefeilte Gedichte. Es gibt für Deine natürliche Veranlagung nichts was Du nicht könntest; wenn Du nicht dem Fan Li (B.D. No. 540) gleichst, wer sonst?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 288f. -
Feng he qian qi xiong cao chang pen chi suo zhi 奉和錢七兄曹長盆池所植: In ehrerbietiger Beantwortung des Gedichtes des Abteilungschefs Ch'ien Hui auf die in seinem kleinen Teich gepflanzten Gewächse (Han Yu 韓愈)
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Früher schwangen diese Lotus am Ufer des Grossen Stromes und jetzt gedeihen sie hier in Deinem Teich. Hoch erheben sich daneben die langen Blätter von Zizania, wer hat wohl diese wohlriechenden Wurzeln hierher verpflanzt? Vom Thau befeuchtet erscheinen beide Gewächse frischgrün, beim Wehen des Windes streifen sie gegen einander. Sie wollen nicht anderes als die Beachtung ihres Herrn gewinnen, und niemand soll sagen, sie seien in diesem kleinen Teiche entstanden.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 183f. -
Feng he wu xiang gong zhen shu shi yong shi zhai wei tai wei suo yang kong que 奉和武相公鎮蜀時詠使宅韋太尉所養孔雀: Der Staatsminister Wu Yüan-hêng hat zur Zeit seiner Statthalterschaft in Ssu-ch'uan auf den im Yamên des früheren Gouverneurs Wei Kao zurückgelassenen Pfau ein Gedicht verfasst. Unter Benutzung desselben Reimes dichte ich folgende Verse (Han Yu 韓愈)
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Wunderbar bist Du o Pfau, der Freund des Phönix! In welchem Jahre bist Du hierher gekommen, um hier zu verbleiben? In Deinem Unglück hast Du Deinen alten Stolz verloren, von Deiner Heimat getrennt erfüllt Dich ewige Sehnsucht. Dein grüner Schopf steht hoch empor, die Farben Deines Gefieders sind noch immer voll schillernden Glanzes. Gelassen empfängst Du freundliche Behandlung in reichem Masze und bewachst bis zum Tode die Treppenstufen des Yamêns.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 180f. -
Feng huo 烽火: Die Feuersignale (Han Yu 韓愈)
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Ich besteige einen hohen Punkt, um Ausschau zu halten nach den Feuersignalen der Grenze. Wer könnte behaupten, dass der Staub der Grenze schon in Bewegung ist (d.h. dass der Feind sich schon nähert)? Die Kaiserstadt Loyang ist reich und vergnügungslustig. Warum sollten die Menschen auch nicht das Vergnügen suchen? Sage nicht, der Abend sei schon angebrochen, Ich fürchte, ein Wiedersehen dürfte nicht so bald wieder stattfinden (wegen des herannahenden Feindes). Ich wünsche, dass Du Dich mit diesem Gedanken vertraut machst Und erst unter Fackelschein um Mitternacht zurückkehrst. – Soll etwa dieses Lied allein nur mich rühren (oder ist es auch für die anderen bestimmt?) Doch leider sitze ich allein da und Tränen befeuchten mein Gewand.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 62f. -
Feng jiu 逢舊: Ich begegne einem alten Freunde (Bai Juyi 白居易)
–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Feng ling xing 豐陵行: Die Grablegung des Kaisers Shun-tsung im Mausoleum Fêng-ling (Han Yu 韓愈)
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Hundert Meilen weit dehnt sich der Zug der Gardetruppen (mit ihren glänzenden Fahnen). Morgens haben sie die Tore der Residenz verlassen, um ihren Kaiser zu begraben. Zahllose Würdenträger reiten in wirrem Durcheinander vor und hinter dem Sarge ihres Herrschers. Hofbeamte in grosser Menge folgen in ununterbrochener Prozession. – Es ist gerade der Beginn des siebenten Monats, am Herbstanfang. Der Geist des Westens (Shao-hao, Liki I, 373) regiert und vertreibt die Hitze. Ein reinigender Wind weht, und ein feiner Regen besprüht die Wege. Die stolzen Fahnen rollen im Winde zusammen und breiten sich wieder aus. Der Zug überschreitet die Brücke, zieht den Abhang hinunter, Flöten und Trommeln ertönen nur leise. Dann marschiert er hoch hinauf zum Portal des kaiserlichen Mausoleums. Klagelaute erschüttern die Luft, die hundert Sorten Vögel zwitschern (erschreckt). Die finstere Gruft wird bei Tage geschlossen, und nur der Katafalk mit dem Sarg steht darin. – Des neuen Kaisers Herz zeigt seine tiefe, umfassende Pietät. Das Zeremoniell der Grablegung ist bis in die kleinsten Détails ausgearbeitet (es wurde nichts vernachlässigt): Es sind Beamte des Mausoleums ernannt, Garden aufgestellt, und selbst Hofdamen dort einquartiert. Bei Tag und bei Nacht haben sie dem Geiste des toten Kaisers zur Verfügung zu stehen (und ihm Opfer darzubringen), als ob er noch lebend dort weilte. – Ich habe gehört, dass die Lehre von der Behandlung der Toten auf Einfachheit und Reinheit Wert legt; Die alten (darüber bestehenden) Bestimmungen der drei Dynastien finden sich in den Büchern. Grablegung und Tempelopfer dürfen davon nicht abweichen. Ich möchte diesen Rat dem Kaiser geben, aber ich bin dazu nicht berechtigt; ich weiss daher nicht, was ich tun soll.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 89f. -
Feng shi chang shan zao ci tai yuan cheng fu shi wu lang zhong 奉使常山早次太原呈副使吳郎中: Ich begebe mich in amtlicher Mission nach Ch'ang-shan (Chihli); bei der Ankunft in T'ai-yüan-fu dichtete ich folgende Verse, die ich meinem Untergebenen, Vizekommissär und Kammerherrn Wu Tan, zeigte (Han Yu 韓愈)
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Ich höre ganz deutlich die Trommeln der Nachtwächter in den Strassen von T'ai-yüan-fu und erhebe mich früh morgens, wie wenn ich (in Ch'angan) zur Audienz gehen müsste. Lange, lange werde ich noch mit den Postpferden reiten müssen, und erst wenn der Frühling vorüber sein wird, wird die Zeit zur Rückkehr gekommen sein. Ich finde hier nicht das Land des überaus üppigen Getreides, wodurch der Ort berühmt ist (Legge III, 9); dagegen besteht noch immer der Fleiss und die Sparsamkeit der Bewohner, wie sie im Gedicht vom Heimchen (in den Kuo-fêng von T'ang, dem Land von T'ai-yüan-fu, Legge IV, 174) geschildert sind. Wenn man alt wird, ist man oft von seinen Gefühlen überwältigt; und ohne Ursache (Legge II, 269, 331) fliessen dann die Thränen über die Wangen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 285. -
Feng shi zhen zhou xing ci cheng tian xing ying feng chou pei si kong 奉使鎮州行次承天行營奉酬裴司空: Als ich als kaiserlicher Kommissar nach Chên-chou ging, kam ich auf der Reise am Lager des Generalissimus P'ei Tu, Kommandanten von Chêng-t'ien, vorüber, erhielt von ihm ein Gedicht und beantwortete es mit folgenden Versen (Han Yu 韓愈)
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Aus meiner dreijährigen Verbannung am Meere zurückgekehrt (und vom Hofe mit einer neuen Mission beauftragt) Treffe ich Dich in militärischer Uniform hier wieder. Bald singe ich Deine schönen Verse, bald treibe ich mein Pferd an (um rasch vorwärts zu kommen). Es tut mir nur leid dass ich nicht schneller als ein Vogel meinen Bestimmungsort erreichen kann.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 288. -
Fu du shu cheng nan 符讀書城南: Ermahnung meines Sohnes Fu, als er in meiner Villa südlich von Ch'angan studierte (Han Yu 韓愈)
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Um Holz zu bearbeiten, ist ein Tischler oder Wagenmacher nötig (Legge II/480). Um einen Menschen zu einem (tüchtigen) Menschen zu machen, muss man die Lehren des Shih-king und Shuking in sein Inneres verpflanzen. Nur durch eifrige Beschäftigung mit diesen Büchern ist Wissen zu erlangen; bei Faulheit, bleibt sein Inneres leer. – Wenn Du den Nutzen des Unterrichts erfahren willst, so wisse, dass ursprünglich Weiser und Tor einander gleich sind. Dadurch dass letzterer nicht lernen kann, erhalten die eingeschlagenen Wege (der Beiden) verschiedene Richtung. Zwei Familien haben z.B. jede einen Sohn, die als kleine Kinder von gleicher Veranlagung sind. Etwas grösser geworden, spielen sie stets mit einander und unterscheiden sich ebensowenig wie zwei Fische eines Zuges. Erst wenn sie Alter von zwölf oder dreizehn Jahre erreichen, zeigt sich ein geringer Unterschied ihrer Fähigkeiten (der Hörner ihrer Häupter, Han Yü, Gesamm. Werke 32/8). Bis zwanzig ist der Unterschied allmählich grösser geworden, ebenso wie ein reiner Kanal glänzend absticht von der schmutzigen Gosse. Mit dreissig ist ihr Knochengerüst (d.h. ihr Charakter) zur Vollkommenheit gelangt, da ist der eine ein Drache, der andere ein Schwein geworden. Der eine sprengt dahin wie ein wunderbares Pferd (Wen-hsüan 35/8), das sich unmöglich um den anderen, die zurückbleibende Kröte, kümmern kann. Der eine wird ein Läufer vor der Karosse, in dessen durch Peitschenschläge verursachten Wunden Würmer und Maden entstehen. Der andere wird ein Herzog oder ein Minister und wohnt in einem herrlichen Palaste. Frägst Du, warum wohl diese Verschiedenheit besteht, so findet sich die Erklärung darin, dass der eine Unterricht, der andere keinen Unterricht genossen hat. – Gold und Edelsteine sind zwar sehr wertvoll, aber sie sind schwer aufzubewahren, weil sie leicht verausgabt werden. Wissen aber, das einmal in uns aufgespeichert wurde, bleibt, so lange wir leben, seinen Nutzen im Ueberfluss behalten. – Dass einer ein Weiser wird oder es zu nichts bringt, hängt nicht vom Wohlstand der Eltern (Legge IV, 340) ab. Hast Du etwa nicht gesehen, dass ein Herzog oder Minister hervorkam aus einer Familie von Bauern? Hast Du etwa nicht gesehen, dass die Nachkommen höchster Würdenträger Kälte und Hunger litten und nicht einmal auf einem Esel ausreiten konnten? Die Fähigkeit, schreiben (schriftstellern) zu können, ist sicher von höchstem Werte, und die Lehren der Klassiker bilden dazu die Grundlage (Legge, Iking pg. 110/9). Die Wasserlachen der Strasse (Legge V, 11/6) haben keine Quellen (Legge II/324, 325), morgens sind sie noch voll und abends schon trocken (d.h. Leute ohne klassische Bildung versagen gar bald). Wenn die Menschen die Geschichte des Altertums und der Jetztzeit nicht kennen, sind sie nur Thiere in Kleidern. Wenn solche Menschen bei ihrem Handeln in Ungerechtigkeiten (Iking, Legge pg. 391/5) verfallen (weil sie die Lehre des Konfuzius nicht kennen), wie können sie hoffen, einen guten Namen zu erwerben? – Jetzt ist Herbst, die Regenzeit zu Ende und der Himmel wieder klar, von neuem dringt die Kälte in das offene Land. Da kann man sich zeitweilig nahe ans Lampenlicht setzen und Rollen sowie Bücher aufschlagen und wieder zumachen (d.h. studieren). Denke ich etwa nicht Tag und Nacht an Dich? Und muss ich nicht fürchten, dass Du Zeit (Legge IV, 40, 44) verlierst? Liebe zu Dir und die Pflicht, Dich zu unterrichten, kämpfen mit einander (in mir), und ich dichte diese Verse, um den Lässigen zu ermahnen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 158f. -
Fu jiang ling tu zhong ji zeng wang er shi bu que li shi yi shi yi li er shi liu han lin san xue shi 赴江陵途中寄贈王二十補闕李十一拾遺李二十六員外翰林三學士: Auf dem Wege nach Chiang-ling. Dem Censor (pu-ch'üeh) Wang Yai, dem Censor (shih-i) Li Chien und dem Ministerialsekretär (Yüan-wai-lang) Li Ch'êng (welche alle drei Mitglieder des Hanlin-yüan sind) übersendet (Han Yu 韓愈)
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Einst wurde ich, der in Ungnade gefallene Beamte (Legge II, 457) verbannt und habe mit blutigen Tränen meine Vergangenheit nach begangenen Fehlern durchforscht. Die Sache bleibt verschwommen und ich kann nichts sicheres darüber in Erfahrung bringen; ich bin daher deprimiert wie Konfuzius, als er auf einem Floss in das Meer hinausfahren wollte (Legge I, 174). Mancher vermutet, dass meine Throneingabe an der Verbannung Schuld trägt; sollte denn wirklich jene Throneingabe die Ursache sein? In jenem Jahre herrschte Dürre in (der Umgebung) der Hauptstadt und die Felder brachten nur wenig Ernte ein. Der Kaiser hatte Mitleid mit dem hungrigen Volke und erliess zur Hälfte die Kriegssteuern. Die Behörden waren besorgt wegen der ungedeckten Ausgaben (Chavannes III, 542) und hörten nicht auf, das Volk durch Eintreibung von Steuern zu bedrücken. Wenn schon die Reichen meinten, es wäre zu arg, dann sind die Armen sicherlich schon zu Bettlern (Vagabunden) geworden. Mir wurde erzählt, dass auf dem Lande die Säuglinge in Gräben und Kanäle geworfen wurden. Für einen Knaben wollte man ein Scheffel Korn eintauschen, doch die Getreideverkäufer lehnten es ab, diesen Preis anzunehmen. Damals ging ich oft durch die Strassen, wo sich die Hungernden drängten. Mit eigenen Augen sah ich an der Wegseite Leichen liegen; ich hielt mein Pferd an und weinte lange. Als ich nach Hause kam, konnte ich nichts essen und kam mir vor wie ein Fisch am Angelhaken. Damals war ich gerade zum Censor ernannt und glaubte, es wäre nun die Zeit zum Reden gekommen. Ich reichte meinen Thronbericht beim Tor der Kabinettskanzlei ein, wie konnte ich als loyaler Staatsdiener dabei an mich selbst denken? Am Beginne des Schriftstückes setzte ich die Leiden des Volkes auseinander (und sagte), man dürfe ihm nicht das Essen wegnehmen. Weiter unten erörterte ich, dass die kaiserliche Domäne gewissermassen das Fundament des Reiches wäre und deren Bewohner daher gut behandelt werden müssten. Der viele Schnee liesse für das folgende Jahr eine reiche Ernte erwarten und durch kaiserliche Gnade könnte man Brot und Seide erhoffen. Der Kaiser war bei Lektüre dieses Berichtes von Mitleid gerührt, der Minister für öffentliche Arbeiten (Tu Yu, B.D. No. 2070) seufzte ergriffen (Legge IV, 179). Er versprach sofort Maszregeln zu ergreifen, statt dessen wurde ich aber nach Yen-chou (Playfair No. 1332) verbannt. Meine Kollegen im Amte waren alle hervorragende Männer und besonders gut war ich mit Liu Tsung-yüan und Liu Yü-hsi (B.D. No. 1361 u. 1379). Manchmal glaube ich, dass durch diese beiden meine Worte ausgeplaudert und meinen Feinden hinterbracht wurden. Von den beiden hätte ich solches nicht erwartet (Legge V, 31/18, 32/4), übrigens ist mein Verdacht noch nicht zur Sicherheit geworden. – Der kaiserliche Herold brachte den Verbannungsbefehl an mein Haus und erklärte, ich müsste sofort abreisen ohne weiteres Zögern. Meine arme Schwester lag auf ihrem Krankenlager und ich wusste deutlich, dass es ein Abschied auf Leben und Tod würde. Weinend ersuchte ich sie von mir Abschied zu nehmen, hundertmal bat ich sie, aber sie nickte nicht einmal mit dem Kopfe (Legge V, 519/7). Die entkräftete Gattin mit dem Kindchen im Arme trat hinaus vor die Tür und sagte mir Lebewohl, ohne sich vor den fremden Leuten zu schämen. Mit Ueberwindung vermied ich es zurückzuschauen und eilte unaufhaltsam weiter in der Richtung von Lien-chou (wozu Distrikt Yang-shan gehörte). Morgens war ich noch ein himmelstrebender Gelehrter, abends schon ein weisshaariger Verbannter. Ueber den Shang-Berg war im 3. Wintermonat der Weg für Wagen wegen Vereisung beinahe unmöglich. Auf den durch den Frühlingswind angefachten hohen Wogen des Tung-t'ing-Sees hob und senkte sich fürchterlich mein einsames Boot. Ich überschritt die südliche Bergkette, erreichte meinen Standplatz und präsentierte mich demütig den dortigen Behörden (dem Gouverneur von Lien-chou). Wozu sollte ich noch von meiner Depression sprechen? Mich meiner Arbeit widmend ergaben sich neue Schwierigkeiten. In dieser fernen Gegend verstiess ich gegen die fremden Sitten, und Beamte wie Volk machten auf mich den Eindruck von Affen. Die Leute sind voll Bosheit und zeigen sich leicht verletzt, ihre Sprache ist ein wirres Zwitschern. Am hellichten Tage unter dem Vordach des Hauses heulen zankende Eulen. Schlangen gibt es, die aussehen als hätten sie zwei Köpfe, und überall fliegen Scharen giftiger Insekten herum. Im tiefen Winter nimmt man manchmal den Fächer wieder auf, im vollen Sommer kommt es vor, dass man einen doppelten Pelz tragen muss. Wenn sich ein Taifun erhebt, dann ist es besonders schrecklich, und werden Berge und Hügel unter furchtbarem Getöse durch einander gerüttelt. Donnerschläge helfen dem zuckenden Blitz, und sind alle Phänomene schwer mit den heimatlichen zu vergleichen. Epidemien tauchen plötzlich aus der Verborgenheit auf, und von zehn Kranken wird nicht einer wieder gesund. Auf blossen Verdacht hin wird gleich Gift gegeben, wie ich bei Gerichtsverhandlungen mit Kummer konstatierte. – Vor kurzem hatte ich das Glück amnestiert (d.h. nach Chiang-ling versetzt) zu werden, worüber ich mich tief im Herzen freute, bald aber wieder traurig wurde. Denn offenbar war ich stets noch (als Verbannter) gebunden und konnte noch immer nicht zur Arbeit auf den Feldern der Heimat zurückkehren. Diese Präfektur von Chiang-ling ist voll aufstrebender Kraft und Grösse, und die Bewohner stützen sich stolz auf ihre Waffen. Hastig laufen die Polizeibeamten herum, wo könnte da mein schüchternes Auftreten (T. of T. I/321) Verwendung finden? Mein ganzes Leben lang schätzte ich Menschlichkeit und Gerechtigkeit, und von jeher waren Konfuzius und Chou-kung meine Vorbilder. Früh schon wusste ich, dass der Richter (der Strafen erteilt wie Kao-yao, B.D. No. 965) nicht eingereiht wird unter den drei höchsten Ministern (Legge III, 595) (d.h. nicht geschätzt wird). Wie erst wenn ich selbst die Gefängnisse (Legge IV, 335) untersuchen und durch Stockschläge die Schuld von Uebeltätern feststellen muss! Ich weiss im Vorhinein, dass ich mein Prestige verlieren würde, und fürchte dann selbst in ein Netz von Intriguen zu fallen (Liki I, 349). – Der Hsiang-Fluss (bei Kiukiang) ist klar und reissend, eine kühle Brise weht hier täglich in gleicher Weise. Warum sollte ich an die Heimreise denken (Wen-hsüan 27/2, 57/16)? So bleibe ich noch weiter unentschlossen in der Fremde verweilen (Wen-hsüan 32/20). – Gestern kam ein Bote aus der Residenz mit der Nachricht, dass der neue Kaiser (Hsien-tsung) die Regierung übernommen habe. Voll heiligen Zornes habe er ein klares Edikt erlassen, worin die Hauptschuldigen (Wang Pi und Wang Shu-wên) mit Verbannung gestraft werden, wie einst Kung-kung und Huan-tou (Legge III, 39). Ferner hörte ich, dass Minister wie T'ai-Tien und Hung Yao (des Wen-wang, Legge III, 481) in ihrer neuen Würde weise Ratschläge vorbringen. Der Beamtenkorps ist wieder voll Ernst und Strenge, und die Gürtelgehänge klingen wieder harmonisch zusammen. Man hofft auf eine Fortsetzung der glänzenden Periode Chêng-kuan (627-650 n. Chr.), und die Gouverneure der Grenzprovinzen wissen nichts mehr vom Kampf mit äusseren Feinden. Ihr drei Würdigen (Wang Yai, Li Chien und Li Ch'êng des Gedichttitels) seid in das Gefolge des Kaisers gewählt und übertreffet bei weitem Mei Shêng (B.D. No. 1022) und Tsou Yang (Pétillon pg. 27, 243). Eure weisen Massnahmen helfen dem Kaiser bei seiner schöpferischen Tätigkeit, und euer herrlicher Stil lässt seine Absichten glänzend hervortreten. Einträchtigen Geistes helft Ihr dem ernsten Weisen (Legge III, 584, IV, 334, V, 232/7), und eure Regierungsmethoden sind leicht durchzuführen (Legge IV, 544). – Ein Vers der kleinen Oden (Legge IV, 246) besingt die Hirsche, die würzige Kräuter fressend freudig einander zurufen (d.h. Kollegen helfen einander). Diese hinterlassene Ode liegt weit zurück und wird nicht befolgt; erinnert Ihr euch etwa noch des alten Schlafkameraden? Infolge meiner Enttäuschung bin ich schon früh gealtert, und die Zeit vor mir dürfte kurz sein wie das Leben einer Eintagsfliege (Legge IV, 220). Erst seitdem mir die Zähne auszufallen begannen (d.h. seitdem ich Misserfolg gehabt habe), habe ich gelernt, die Zunge milder zu bewegen. Seitdem auch meine Nase durch Krankheit verstopft ist, bin ich allmählich imstande, Wohlgeruch und Gestank (Legge V, 139/17) für dasselbe zu halten (d.h. ich bin nicht mehr so kritisch wie früher). Schon dachte ich gar sehr daran, mich aus dem amtlichen Leben zurückzuziehen und den Rest meiner Tage unter Fichten und Katalpen zuzubringen. Wie könnte aber dieser phantastische Wunsch in Erfüllung gehen? Ich sehe nur wie die Jahre mich unablässig bedrängen. Ch'êng T'ang von Yin hatte Mitleid mit den Tieren (seiner Jagdgründe), entfernte die Fangnetze auf drei Seiten und nahm sich die Spinne zum Vorbild (Pétillon pg. 312) (auch mein Herrscher wird mir gnädig sein). Lei Huan (B.D. No. 1089) grub das herrliche Schwert aus und dessen zwischen den Sternbildern Tou und Niu sichtbarer Geist der Kränkung (über Nichtverwendung) verschwand (d.h. ich hoffe auf eure Protection). Diese Methode (des Lei Huan, dem Tüchtigen zu helfen) verdient sicher Beachtung, und ich frage, wessen Hilfe kann ich erbitten, wie Chang Liang die Essstäbchen des Han Kao-tsu (Pétillon pg. 297)? Ich würde Euch Freunden von ganzem Herzen dankbar sein, denn die glänzende Mondperle (d.h. eure Protection) (Wen-hsüan 39/12) würde nicht einem Unwürdigen geschenkt werden.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 21-26. -
Gan chun san shou (1) "Ou zuo teng shu xia" 感春三首 (其一) "偶坐藤樹下": Ergriffen vom Frühlingsende, 3 Gedichte "Zufällig sitze ich unter dem Baum" (Han Yu 韓愈)
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Zufällig sitze ich unter dem Baum mit den Lianen in der letzten Dekade des letzten Frühlingsmonats. Die Lianen gewähren schon schützenden Schatten, und es fallen noch immer Blüten ohne Unterbrechung. Dunkelgrün sind die grossen neuen Blätter; es rascheln beim Abfallen die späten Blüten, die jetzt verdorrt sind. Der blaue Himmel dehnt sich in unendlicher Höhe, zwei Schmetterlinge fliegen flatternd herum. Die Jahreszeit (Frühlingsende) kann gerade kein anderes Bild bieten, und das Herz ist natürlich ohne Ursache betrübt.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 181. -
Gan chun san shou (2) "Huang huang wu jing hua" 感春三首 (其二) "黃黃蕪菁花": Ergriffen vom Frühlingsende, 3 Gedichte "Ueberall erblickt man die gelben Blüten der Brassica" (Han Yu 韓愈)
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Ueberall erblickt man die gelben Blüten der Brassica, Pfirsich- und Pflaumenblüten haben schon ihre Zeit gehabt (und sind nicht mehr zu sehen). Ein wilder Wind schüttelt die morsche Ulme, und ihre Blätter werden durch alle Straßen gewirbelt (Ch'u tz'u 3/11, Wen-hsüan 59/11). Wenn selbst der Frühling beim Uebergang in den Sommer so veränderlich ist, wie kannst Du verlangen, dass Dein Gesicht beständig jung bleiben soll? Wer einen fliegenden Wagen führen könnte, dem möchte ich folgen zu den Inseln der Unsterblichen jenseits des Weltmeeres.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 181. -
Gan chun san shou (3) "Chen you bai hua lin" 感春三首 (其三) "晨遊百花林": Ergriffen vom Frühlingsende, 3 Gedichte "Morgens ergehe ich mich im Walde der hundert Sorten von Blüten" (Han Yu 韓愈)
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Morgens ergehe ich mich im Walde der hundert Sorten von Blüten, wo sich rote mit weissen in Menge zusammenfinden. Die Weidenzweige sind schwach und schlank und hängen hundert Fuss tief von den Bäumen herab. – Die Leute, die mit mir zusammen hierher gekommen sind, gehören zu den höchsten Würdenträgern des Reiches (an violetter Schärpe hängt ein goldenes Siegel). Herrliche Sängerknaben singen Lieder für uns, und ihre melancholischen Stimmen übertönen Harfen- und Flötenspiel. Reizende Mädchen tanzen auf Matten, und ihre glänzenden Augen verwunden mich wie Schwerter und Lanzen. Mein Herz erinnert sich der Freunde vergangener Zeiten, von denen keiner bei diesem Feste anwesend ist. Die Toten sind schon lange in unendlicher Entfernung, die Lebenden sind leider von uns getrennt. In der Jugend darf man sich wirklich freuen; einmal altgeworden ist man wirklich auch zu gar nichts zu gebrauchen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 181. -
Gan chun si shou (1) "Wo suo si xi zai he suo" 感春四首 (其一) "我所思兮在何所": Unter dem Eindrucke des Frühlings "Worauf sind meine Gedanken gerichtet" (Han Yu 韓愈)
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Worauf sind meine Gedanken gerichtet? (Wen-hsüan 29/12). Ich habe Sehnsucht nach entfernten Gegenden, wo ich mir eine Wohnung errichten möchte (Legge IV, 486). Ich möchte nach allen Weltgegenden wandern. Doch tausend Flüsse und Berge hindern mich daran. Der Frühlingswind braust durch den Garten und verschiedene Blüten öffnen sich. Die Morgensonne beleuchtet die Häuser, und die hundert Sorten von Vögeln beginnen zu zwitschern. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass ich schon drei Becher getrunken habe und bereits bezecht bin. Was kann ich aber tun gegen den langen Kummer des ganzen Lebens?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 81. -
Gan chun si shou (2) "Huang tian ping fen cheng si shi" 感春四首 (其二) "皇天平分成四時": Unter dem Eindrucke des Frühlings "Der Himmel hat die vier Jahreszeiten gleich verteilt" (Han Yu 韓愈)
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Der Himmel hat die vier Jahreszeiten gleich verteilt (Ch'u tz'u 8/4). Das Wilde der Frühlingslüfte kann man wirklich bedauern. Mannigfaltige Blüten bilden eine Zierde der Wälder, Kräuter bedecken den Boden. Während wir unter der hellen Sonne sitzen, erschüttert der Frühlingswind die Säulen des Himmels. Die Bienen summen, die Vögel singen, aber sie können nicht lange verweilen. Denn tausend rote Blumenblätter werden vom Winde davon getragen. Ist dieser Frühlingswind etwa nicht ärger als der Herbstreif trotz dessen Grausamkeit, Der nur die alten Blätter vernichtet, was niemand bedauert? - Deswegen müssen wir sofort Wein kaufen und trinken. Und nicht zögern die Welt ausserhalb uns zu verwerfen. Jetzt beginnen wir Lit'aipo und Tufu zu lieben, die keine beengenden Schranken kannten. Und im Zustande eines langen Rausches glänzende Poesien in Menge dichteten. Ch'ü Yüan mit seinem Lisao und seinen andern (24) Gedichten wollte nichts vom Wein wissen. Wie schade ist dies, da er doch herrliche Verse verfasste! (Da er nicht trank) ist er nicht zur höchsten Vollkommenheit gelangt, war dies nicht töricht? - Glücklicherweise leben wir jetzt unter einem Herrscher, dessen tiefe Einsicht an die Weisheit der Yao und Shun erinnert (Legge III, 41). Des Kaisers Regierung (Behandlung aller Lebewesen) geschieht, wie es sein muss. Am frühen Morgen verlasse ich daher ruhig das Haus, um Abends zurückzukehren. Trunken besteige ich das Pferd und kümmere mich nicht darum, ob man weiss, wer ich bin.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 81f. -
Gan chun si shou (3) "Chao qi yi ma chu" 感春四首 (其三) "朝騎一馬出": Unter dem Eindrucke des Frühlings "Morgens reite ich allein hinaus" (Han Yu 韓愈)
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Morgens reite ich allein hinaus und Nachts schlafe ich allein. Die Dichter und Historiker will ich allmählich von mir werfen, mein ganzes Wesen ist schon seit langem indolent geworden. Die Mütze sitzt mir schief infolge bedauerlichen Haarausfalles, meine Sprache ist nicht verständlich, weil leider mir nur wenige Zähne geblieben sind. Ich werde untreu der ehrgeizigen Richtung meines ganzen Lebens; wohlan denn, was kann ich auch dagegen tun?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 82. -
Gan chun si shou (4) "Wo hen bu ru jiang tou ren" 感春四首 (其四) "我恨不如江頭人": Unter dem Eindrucke des Frühlings "Ich bedaure, dass ich nicht wie ein Fischer am Ufer des Stromes" (Han Yu 韓愈)
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Ich bedaure, dass ich nicht wie ein Fischer am Ufer des Stromes Das lange Netz quer über den Strom werfen kann, um die Fische mit ihren rötlichen Schuppen zu fangen; Oder dass ich nicht wie ein Jäger auf wildem Seeufer leben und Wildgänse und Enten schiessen kann, Um durch deren Verkauf imstande zu sein die Steuern zu bezahlen, damit die Beamten nicht böse werden. Und dann nach der Rückkehr (vom Fischfang oder Jagd) möchte ich mich lachend erfreuen zusammen mit Frau und Kind. Da ich Kleidung und Essen selbst mühsam verdiene, wie könnte ich da mich meiner Armut schämen? Jetzt aber lese ich zwecklos in meinen Historikern, Und all' dieses Wissen hat keinen andern Erfolg, als meinen Geist zu ermüden. Es ist ebenso unnütz, wie wenn man einer gezeichneten Schlange noch Füße dazu malte. Das Haar meiner Schläfen wird schneeweiss, während ich im Staube der Welt dahinhaste. Von diesem eingebildeten Kummer möchte ich mich befreien, aber ich verstricke mich nur noch tiefer darin. Und da meine Neigungen von jenen der grossen Menge verschieden sind, wer würde sich mit mir anfreunden wollen? – Mit mehreren Bechern Weines suche ich mich aufzuheitern; aber selbst wenn ich zeitweilig trunken werde, Die tausend Sorgen kommen in all' ihrer Deutlichkeit wieder von neuem, sobald ich nüchtern werde. Meine Lebensfrist ist noch nicht zu Ende, und das Sterben bleibt mir noch versagt. Lasst mich daher nur immer wieder Wein kaufen, der mich alt werden lässt.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 82f. -
Gan chun wu shou 感春五首: Vom Frühling angeregt (fünf Gedichte) (Han Yu 韓愈)
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Die hohen Blüten der Magnolien öffnen sich zuerst. Heute ist es (in diesem Jahr) das erste Mal, dass ich im Freien unter dem blauen Himmel sitzen kann Nachdem ich mein Weib (Liki, ed. Couvreur I, 94) gerufen habe, die helltönende Gitarre zu spielen (Legge III, 87), Beauftrage ich ausserdem mein Kind, klaren Wein herumzureichen. Als die kräftigen Männer zu Kriegsdiensten ausgehoben wurden, hat man mich dazu nicht gewählt. Wegen meiner Wildheit wurde mir keine Gelegenheit gegeben, an den Beratungen des Hofes teilzunehmen. Jetzt nähere ich mich dem Tode (bin schon alt) und werde nur zu unwichtiger Arbeit verwendet. So bleibt mir noch Zeit Gedichte zu machen und die erhabene Regierung in Gesängen zu preisen (Legge III, 90). Seit wann ist der den Frühling bringende Ostwind nach Loyang gekommen? Zu den (hochgehenden) Wogen der Flüsse, zu den (blühenden) Weiden des Ufers ist der Frühling in seinem ganzen Glanz zurückgekehrt. Nur der Kaiserpalast öffnet sich nicht wieder, nachdem er einmal bei Uebersiedlung des Hofes nach Ch'angan geschlossen wurde. Und trotz der neun grossen Strassen herrscht in Loyang kein Verkehr mehr. Während ich nach der Himmelsfurt-Brücke reite, kommt die Morgensonne hervor. Die Türme des Kaiserpalastes erglänzen rot und weiss und zeigen sich gerade in ihren gewaltigen Dimensionen. Mein einsamer Gesang wird von mir wiederholt unterbrochen, doch ich finde niemanden, der mit mir einstimmen möchte. Mein Kummer ist von keiner grossen Bedeutung, wer könnte ihn aber verscheuchen? Die Frühlingsfelder könnten gepflügt werden, die Zeit drängt schon dazu. Die kaiserlichen Truppen sind zur Unterdrückung der Rebellion nach Norden gezogen, wann werden sie endlich zurückkommen? Die Kriegswagen müssen doch zum Heutransport freigegeben werden und (auch sonst) beim Ackerbau helfen. Die Kavalleriepferde werden bald Hunger leiden, wer denkt wohl daran? Der frühere General von Ts'ai-chou (Wu Shao-ch'êng) ist gestorben und dessen Bruder hat seine Vollmacht übernommen. Der Kammerherr P'ei Tu (B.D. No. 1632) und die beiden Censoren Mêng Chien und K'ung K'uei sind einer nach dem andern von Ch'angan nach Loyang versetzt worden. Die Regierung fühlt noch nicht, dass sie Unterlassungssünden begangen hat. Will sie nicht vielleicht jenem Vers des Shihking (Legge IV, 351) Aufmerksamkeit schenken, worin es heisst: wenn der Becher leer ist, muss der Krug sich schämen (d.h. wenn das Volk in Not ist, muss die Regierung sich schämen). Früher bin ich einmal dem Gouverneur von Honan Tu Chien nach Ch'angan gefolgt, der bei Hof seine Aufwartung machte und dann wieder nach Loyang zurückkehrte. Wie sehr erfreute ich mich an seinen heiteren Reden, wovon sein Mund überströmte. Der Präfekt K'ung K'an nahm Abschied von mir und erreichte gerade noch Lin-ju (da starb er). Tu Chien's würdevolle Erscheinung hat den Staub dieser Welt verlassen. Und nur eine Nacht trennte mich vom Tode K'ung K'an's. Warum muss eine Todesbotschaft der anderen folgen? Gott wohnt gar weit, und Geister wie Dämonen sind bösartig. (Unter solchen Umständen) ist es wirklich schwierig, sein Leben zu bewahren. Die Knospen der Magnolien sind plötzlich alle aufgeblüht. Gerade wenn sie in vollster Blüte stehen und dem Verwelken nahe sind, müssen wir sie am öftesten besichtigen. In aller Früh sind die Blüten voll Glanz und wetteifern mit den rötlichen Strahlen der Sonne. Abends verlieren sie ihr Licht und sehen aus wie Rauch und Staub. Ueber diesen Glanz am Morgen und dieses Verbleichen am Abend kann man schon seufzen; Umsomehr muss man aber seufzen, wenn der ganze Boden mit abgefallenen Blüten bedeckt ist. Die frischen Blüten bewillkommen und von den verwelkten Abschied nehmen erweckt in mit aussergewöhnliche Gefühle. Will denn niemand meinen Blüten Aufmerksamkeit schenken und bei ihnen ein wenig verweilen?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 114-116. -
Gan fa luo 感髮落: Überrascht von starkem Haarausfall (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Gan gu zhang pu she zhu ji 感故張僕射諸妓: Mich erbarmt das Schicksal der Kurtisanen des verstorbenen Ministers Chang Chien-feng (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Gan huai shi yi shou 感懷詩一首: Betrübnis über den gegenwärtigen Zustand des Reiches (Du Mu 杜牧)
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T'ang Kao-tsu und Tang T'ai-tsung (B.D. No. 1239 und 1196) erschienen gerade zur Zeit [der grossen Unruhen am Ende] der Sui-Dynastie; sie zogen ihre Schwerter, um den Willen des Himmels zur Ausführung zu bringen. Durch Errichtung ihrer Dynastie halfen sie dem grossen Volke für unzählige Generationen und brachten China, das Land der drei Kaiser (Fu Hsi, Shên Nung, Sui Jên), zur weiteren Vervollkommnung. Der als Heiliger Mann bekannte Kao-tsu wurde gefolgt durch den göttergleichen T'ai-tsung; und dessen wunderbare Regierung entwickelte sich wieder durch seine zivilisatorische Tätigkeit (nicht etwa durch Waffengewalt). Seine unermessliche Gnade wurde allen Menschen zuteil und drang wie feuriger Wein bis in das Knochenmark ein. – Plötzlich fuhr ein unheilverkündender Komet durch die Sternbilder Ch'i und Wei (denen auf Erden die Länder Yen und Yu entsprachen); und die Rebellion (des Anlushan) erhob sich in Chi-mên (Fan-yang in Chihli). Die Horden der Barbaren (des Anlushan) töteten die kaiserlichen Krieger, deren Leichen die Strassen von Hsien-yang (Ch'angan) füllten. – Kaiser Su-tsung feuerte die Helden des Reiches an, und mit Leichtigkeit gelang es ihm, die Hindernisse hinwegzuräumen, die sich der Dynastie in ihrem weiteren Aufstiege entgegenstellten. Doch das weite Gebiet von Hopei und Honan verblieb noch in den Hände der Rebellen; die Unruhen glimmten weiter (wie Feuer unter der Asche) und wurden niemals ganz unterdrückt. Als Geburtsplatz tapferer Männer galten von jeher die Distrikte Ch'i, Ts'ai, Yen, Chao und Wei (deren Gouverneure von nun an den Kaisern viel zu schaffen machten). Diese fünf Länder hatten zusammen einen Umfang von etwa tausend Meilen, und ihre Gouverneure suchten durch wechselseitige Ehen eine Familie zu bilden. Die Tochter eines aufständischen Gouverneurs heiratete den Enkel eines anderen Rebellen; der westliche Nachbar begab sich in das Ostreich, um dort eine Frau für seinen Sohn zu suchen. In kritsichen Augenblicken halfen diese Statthalter einander wie Hand und Fuss und harmonierten unter einander wie die Töne eines Accords. Sie verkündeten ihre eigenen Gesetze und suchten sich das Zeremoniell des Kaiserhofes anzumassen. Auf den Balustraden ihrer Treppen gab es (wie im Kaiserpalast) Drachen, die sich mit ihren Hörnern bekämpften; auf ihren Palastwänden waren Ungeheuer abgebildet, deren Schwänze in einander verschlungen waren. In den Datierungen ihrer Kundmachungen unterdrückten sie die Angabe der kaiserlichen Regierungsperiode, der Verteilung von Geschenken verwandten sie dieselbe Phraseologie wie der Kaiser. Beim Anlegen eines Wallgrabens suchten sie die Dimensionen zu übertreffen, die das Prärogative des Kaisers waren; die Umfassungsmauer (ihre Städte) wurde zu ungewöhnlicher Höhe aufgeführt. Sie schworen sich, ihre festen Plätze nur ihren Kindern und Enkelkindern (so klein sie auch wären) zu übergeben und sie erst dann aufzugeben (d.h. dem Kaiser zurückzugeben), wenn die Linie ihrer Nachkommen ausgestorben wäre. – Früher stützten sich die Ahnentempel der Dynastie auf die Hilfe der Götter und die ganze Welt sandte dem Kaiserhofe Tribut. Warum hat in den letzten siebenzig Jahren die Dynastie (unter kaltem Schweissausbruch und gerötetem Antlitz) so viel Schmach erdulden müssen? Generäle wie Han Hsin und P'êng Yüeh (zur Zeit des Han Kao-tsu) sind (unter T'ang T'ai-tsung) alle schon Dämonen geworden. Und die Soldaten (die Klauen und Zähne des Kaisers, Legge IV, 298), die früher beim Auszug ins Feld zu sterben entschlossen waren, waren zwar immer noch zahlreich, benahmen sich aber wie spielende Kinder. Verschiedene Kaiser (hinter einander) konnten nur täglich tief aufseufzen; denn sie wussten nicht, wen sie mit der Unterdrückung der Aufstände ausserhalb der Residenz hätten betrauen können. Die an den Grenzen in Menge stationierten Truppen zitterten, so oft sie den Feind abwehren sollten. In Eile wurden Steuern eingehoben, um für die Verpflegung der Soldaten verwendet zu werden; hohe Abgaben dienten zum Ankauf unheilvoller Waffen. Dabei wurde das allgemein gültige Recht vergewaltigt und suchte man überdies aus den jeweiligen Bedürfnissen der Zeit zu profitieren. In die Beamtenschaft drangen allmählich unberechtigte Elemente ein und die Maschen des Gesetzes wurden immer weiter und weiter. Die Barbaren des Ostens und des Nordens wurden täglich mächtiger, während das schwarzhaarige Volk immer mehr im Elend versank. Ruhe und Frieden schienen sich immer weiter zu entfernen, und das Land erschöpfte sich durch fortwährende Kontributionen zu den militärischen Ausgaben (Chavannes, Mém. hist. III, 549). Bis schliesslich am Ende der Regierungsperiode Chêng-yüan die Verschwendung der Regierung und der Beamten eine ungeahnte Höhe erreichte. – Auf die furchtbaren Unruhen folgte endlich wieder Frieden unter der Regierungsperiode Yüan-ho eines erhabenen Monarchen (Hsien-tsung). Dieser erhabene Monarch der Yuan-ho-Periode stand in seiner Weisheit über Ch'êng T'ang und Chou Wu-wang. Er liess den Palast mit Schilf decken und verwendete alte Throneingaben, um die Löcher seines Mosquitonetzes zu verdecken. Aus den Reihen seiner Soldaten entnahm er einen tapferen Mann (Kao Ch'ung-wên); im Traume wurde ihm (wie einst dem Wu Ting, Chavannes Mém. hist. I, 195) ein hervorrangender Minister (P'ei Tu.B.D. No. 1632) angewiesen. Er verstand es Wolken zu sammeln und den Donner zu handhaben; in einem Augenblick war der Aufstand in Honan unterdrückt. Und am Anfang der Ch'ang-ch'ing-Periode des Kaisers Mu-tsung unterwarfen sich schliesslich auch die aufrührerischen Provinzen Yen und Chao. Ihre Bewohner führten Frauen und Söhne mit sich und wetteiferten am Kaiserhofe die Stirne gegen den Grund zu schlagen. Da trösteten die alten Leute im Reiche ihre Nachkommen und sagten: Euer Leben hat jetzt wieder Aussichten (d.h. Ihr braucht keine Soldaten zu werden). – (Doch blieben die Verhältnisse unbefriedigend); es war wie wenn beim Essen eine Gräte im Schlunde stecken bleibt oder beim Heben einer Last die Kraft versagt. Der Kaiser sass in seinem Feldlager, hatte aber keine tüchtigen Soldaten zu seiner Verfügung; so kam es dass selbst Walfische durch die weiten Netzmaschen des Gesetzes schlüpften (es entstand ein neuer Aufstand in Ts'ang-chou, Chihli). Von neuem bleichten Knochen auf dem Sande ausserhalb der Mauer von Chi-chou, und Blut färbte die hohen Wellen des Hu-t'o-Flusses. Es hiess immer, ein Kaiser brauche seine Soldaten nur erscheinen zu lassen, ohne dass wirklich gekämpft würde; wie hätte aber jetzt der Kaiser gegen jene Rebellen erfolgreich vorgehen können? An einem Tage werden fünf Gouverneure (zur Bekämpfung des Aufstandes) ernannt, aber sie ergreifen wie Vögel die Flucht. Die verlorenen Provinzen zurückzuerobern ist jetzt so schwer wie das Erklimmen des Himmels; sie zu verlieren war leicht wie das Umdrehen der Hand. Und die ganze Gegend zu beiden Seiten des T'ai-hang-Gebirges ist wieder im Besitz der Aufständischen, die wie Dornengestrüpp und Unkraut sich allenthalben ausbreiten. Ich, ein einfacher Mann aus Shensi, schwöre, die Rebellen zerstückeln und von ihrer Fleichsuppe einen Kelch trinken zu wollen. Ich möchte mich genau darüber äussern, wie man des Aufstandes Herr werden könnte, aber wer würde wohl auf mich hören? Wie gewaltig gross ist doch unser Land, wie herrlich erglänzen darauf Sonne und Mond! Wohlan denn, lasst uns mit Energie Verwaltung und Heerwesen reformieren, dann kann das mächtige Reich wieder zum Frieden zurückgeführt werden. Warum muss doch in den Provinzen stets gekämpft werden, wie einst in der Hsia-Dynastie mit den Yu-hu und San-miao (Legge III, 153)? Früher gab es doch auch eine Menge Feudalfürsten über Gebiete von siebenzig bis hundert Meilen Umfang; haben diese etwa stets mit einander gestritten? So oft ich an diese Zustände denke, möchte ich mir einen Rausch antrinken und fürchte nur, aus diesem Rausch wieder zu erwachen. Nicht reden zu dürfen beschämt mein patriotisches Herz, und eine Eingabe an den Thron würde unbeantwortet bleiben. So habe ich nun diese Verse gedichtet, um meiner Betrübnis Ausdruck zu geben; und ich will sie verbrennen, damit Chia I (B.D. No. 321, auf dessen Rat einst auch nicht gehört wurde) im Jenseits davon Kenntnis nehme und mit mir sympathisiere.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 348-351. -
Gou lou shan 岣嶁山: Der Chü-lü-Berg (Han Yu 韓愈)
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Auf der höchsten Spitze des Chü-lü-Berges soll sich der Stein mit der Inschrift des himmlischen Yü (B.D. No. 1846) befinden. Die im goldenen Stein eingelegten Zeichen (aus grünlichem Nephrit) wären in merkwürdigen Formen geschrieben. Sie sollen aussehen, wie sich krümmende Kaulquappen oder wie gespreizt herabhängende Zwiebelblätter (Wen-hsüan 6/8). Oder wie fliegende und ruhende Phönixe oder wie kämpfende Drachen (Tufu 16/14). Das Monument ist voll mysteriöser Wichtigkeit, die Spuren sind verborgen, und selbst Dämonen können es nicht erspähen. Allein ein Bonze soll hinaufgestiegen und es zufällig gefunden haben. - Ich kam stöhnend hierher und meine Tränen flossen in Strömen (Wen-hsüan 23/26): Denn überall und immer wieder suchte ich nach dem Platze, wo sich das Monument befindet. Aber ich sah nur das dichte Laub des Waldes und hörte nur den klagenden Schrei der Affen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 76f. -
Gu feng 古風: Nach altem Muster (Han Yu 韓愈)
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Warum sollten wir uns heute nicht freuen? Ist doch glücklicherweise (endlich) die Zeit gekommen, wo man keine Waffen mehr braucht (d.h. wo wieder Frieden herrscht). Sage nicht, dass das Reich schon kleiner geworden sei (Legge IV, 567); man kann noch immer darin ganz gut leben. Wenn die Steuern jener Provinz drückend sind, dann kannst Du anderswohin gehen und Dich um jene Provinz nicht weiter kümmern. Wenn aber die Frohndienste dieser Provinz auch schwer sind, wohin kann ich dann noch gehen (T. of T. I, 167)? Wenn ein Distrikt überschwemmt ist, kann man davon laufen und ihm ausweichen. Wenn aber das ganze Reich überflutet ist, wie (Legge IV, 183, 422) kann man da entrinnen? So will ich meine Kleidung verschönern und mein Essen und Trinken schmackhaft machen. Ich denke nicht an die Zeit, die noch vor mir liegt. Wenn ich nur an diesem einen Tag mich freuen kann!–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 59. -
Gu feng "Da che yang fei chen" 古風 “大車揚飛塵”: Die grossen Wagen (Li Bai 李白)
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in: Donath, Andreas. Chinesische Gedichte aus drei Jahrtausenden, Fischer Bücherei. Frankfurt a. M.: Fischer Verlag, 1965. p. 38. -
Gu feng "Huang he zou dong ming" 古風 “黃河走東溟“: Der Huangho (Li Bai 李白)
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in: Donath, Andreas. Chinesische Gedichte aus drei Jahrtausenden, Fischer Bücherei. Frankfurt a. M.: Fischer Verlag, 1965. p. 39. -
Gu yi 古意: Antike Idee (Han Yu 韓愈)
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Der Lotus des Edelsteinteiches am Gipfel des T'ai-hwa-Berges Hat riesige Blüten, und Wurzeln so gross wie Schiffe, Die kälter als Schnee und Reif, süsser als Honig sind. Das Essen eines kleinen Wurzelstückchens bessert schweres chronisches Leiden. – Ich möchte sie suchen gehen und fürchte nicht die Entfernung. Aber die grünen Wände zeigen keinen Weg, und schwer ist es empor zu klimmen. O, könnte ich eine lange Leiter bekommen, um oben die Samen zu pflücken, Die ich unten im Lande der 7 Seen (von Ch'u) säen will, auf dass Stämmchen neben Stämmchen wachse.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 73. -
Guang xuan shang ren pin jian guo 廣宣上人頻見過: Der buddhistische Priester Kwang Hsüan kommt mich wiederholt besuchen (Han Yu 韓愈)
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Dreihundertsechzig Tage lang (d.h. das ganze Jahr hindurch) habe ich nichts als ununterbrochene Mühen und Sorgen; Wenn ich nicht Sturm und Regen in Kauf nehmen muss, so ist es Staub und Sand. Schon lange schäme ich mich ein Beamter des Hofes zu sein, ohne etwas zu leisten, Und kann nicht anders als verlegen sein über die wiederholten Besuche des ehrwürdigen Priesters (der mich für bedeutend hält). Das ganze Jahr habe ich seine Lehre gehört, doch ohne Erfolg. Den ganzen Tag versucht er Gedichte zu machen und kann nicht so bald mich verlassen. An kalten Tagen (am Ende des Jahres) glaube ich sind die Besucher seines alten Klosters nur wenige, Und es sammeln sich allein braune Blätter in zahlreichen Haufen vor seinen Fenstern.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 265f. -
Gui peng cheng 歸彭城: Rückkehr nach P'êng-ch'êng (Han Yu 韓愈)
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Im grossen Reiche sind (infolge von Unruhen) die Waffen neuerdings in Bewegung, wann wird endlich eine Zeit erhabenen Friedens anbrechen? Was für Männer sind es, die dem Kaiser mit ihrem Rate (Legge IV, 511) helfen? Ich fürchte, dass vielleicht ihre Ratschläge unbrauchbar sind. Im vorletzten Jahre herrschte in der Provinz Shensi Dürre und in den Dörfern (auf dem Lande) gab es gar viele, die Hungers starben. Im vorigen Jahre kam es in den östlichen Districten (Chêng und Hwa, Playfair No. 556 u. 2372) zu einer Ueberschwemmung, und das blühende Volk wurde zu treibenden Leichen. Der erhabene Himmel sendet nicht wegen nichts solche Plagen; Glück und Unglück haben beide ihre tiefen Gründe. Ich möchte daher eine kurze Eingabe dem Throne einreichen, leider sehe ich (als kleiner Beamter) keine Möglichkeit, sie dem Kaiser direkt zu unterbreiten. Ich möchte meine Leber (als Sitz des Rechtsgefühles) zerschneiden, um damit Papier zu machen; ich möchte mein Blut verspritzen, um damit zu schreiben. Am Anfange dieser Eingabe würde ich von Herrschern wie Yao und Shun (Legge II, 212) sprechen, am Schlusse von der Ernennung von Ministern ähnlich dem K'uei und Lung (Legge III, 47, 49). Die Worte sollten so viel wie möglich von ergreifender Kraft sein, der Stil allen überflüssigen Aufputz (Wen-hsüan 17/9) vermeiden. Bei erster Durchsicht habe ich mich schon über mich selbst gewundert, bei nochmaliger Lektüre stiegen starke Zweifel in mir auf. Obwohl es heisst, dass Kresse ganz schmackhaft sei, sie dem Kaiser anzubieten, würde doch sicher nur Dummheit und Eigensinn verraten. Ich habe daher die Eingabe in meinem Innern (Knochenmark) aufbewahrt und bin nur umsonst stolz auf meine Loyalität. – Vor kurzem traf ich in der Hauptstadt ein und fuhr wiederholt zusammen mit hohen Beamten. Unter ihnen fanden sich viele hervorragende, ungewöhnliche Männer, deren politisches Urteil tadellos war. Sie behandelten mich mit ausgesuchter Höflichkeit, doch wollten sie ihre Reserve nicht aufgeben. Die Worte kamen mir schon auf die Zunge, aber ich wagte nicht mit der Sprache herauszurücken: bescheiden (Legge II, 472) wartete ich auf meine Gelegenheit (doch vergebens). Wie ich dann inmitten von Kriegsvolk nach P'êng-ch'êng zurückkehrte, sah ich mich (wiederholt) erschreckt um, wie ein verlassener (aus dem Käfig entflohener) Vogel (Wen-hsüan 22/9, 34/4). Tagelang war ich beinahe stumm und fühlte mich fortwährend wie betrogen (denn ich wollte raten und helfen, aber die Würdenträger redeten an mir vorüber). Wenn ich nun Musse finde, steige ich zu Pferde und besuche ohne Ziel die leeren unermesslichen Marschen. Oder ich trinke mir, wo ich Wein finde, (aus Verzweiflung) einen Rausch an. Jetzt weisst Du wohl, in welcher geistigen Verfassung ich bin.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 34f. -
Guo hong gou 過鴻溝: Beim Ueberschreiten des Hung-kou-Kanales (Han Yu 韓愈)
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Als der Drachen (d.i. Han Kao-tsu) müde, der Tiger (d.i. Hsiang Yü) erschöpft war, teilten sie unter sich das Land der grossen Ströme (das Land westlich vom Kanal sollte Han, östlich vom Kanal sollte Ch'u gehören). So wäre das Leben von Hunderttausenden des üppig gedeihenden Volkes erhalten geblieben. Wer riet dem Herrscher (Han Kao-tsu) an, plötzlich mit seiner Reiterei umzukehren (und einen neuen Angriff auf Hsang Yü zu unternehmen)? Es war wirklich wie ein Wurf (im Würfelspiel), wobei der Einsatz das ganze Reich war (vgl. Lit'aipo XI, 11).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 268. -
Guo nan yang 過南陽: Ich komme auf meiner Reise ins Exil an Nan-yang-hsien (Honan) vorbei (Han Yu 韓愈)
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Ausserhalb der Vorstadttore von Nan-yang steht zwischen Maulbeerbäumen herrlich grün der Weizen (T. of T. II, 134). Ich (der Wanderer) bin noch nicht am Ziel meiner Reise angelangt, und auch die Turteltaube des Frühlings hat ihr Lied noch nicht beendigt. Die Berge von Ch'in und Shang (Shensi) sind schon weit hinter mir, Seen und Meer liegen in ihrer Grösse noch vor mir. Wie kann ich dieses Leben voll Jammer ertragen? Ich kann doch nicht den Rest meiner Jahre in diesem Kummer verbringen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 165. -
Guo shi xing jiang kou gan huai 過始興江口感懷: Bei der Ankunft im Hafen von Shih-hsing-hsien werde ich von Erinnerungen überwältigt (Han Yu 韓愈)
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Ich erinnere mich, dass ich als kleines Kind meinem älteren Vetter (Legge IV, 346) in die Verbannung hierher nach dem Süden gefolgt bin. Jetzt komme ich aus dem Süden (aus Ch'ao-chou) als einziger Ueberbliebener von damals. Und obwohl die ganze Familie mir gegenwärtig gefolgt ist, Findet sich niemand darunter, mit dem ich über die frühere Zeiten sprechen könnte.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 279. -
Guo xiang cheng 過襄城: Ankunft in Hsiang-ch'êng (Han Yu 韓愈)
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Nachdem wir Yên-ch'êng verlassen haben, kommen wir nach Hsiang-ch'êng. Der Ying-Fluss und der Sung-Berg machen meine Augen glänzen. Schon habe ich mich 300 Meilen weit von Ts'u-chou (wo der Aufstand war) entfernt Und meine Familie braucht mir nicht mehr weit entgegenzugehen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 270. -
Hai shui 海水: Das Wasser des Meeres (Han Yu 韓愈)
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Das Wasser des Meeres ist von unendlicher Ausdehnung, im Têng-Wald wachsen unendlich viele Bäume. Wenn aber einmal das Meer durch Wogen, der Têng-Wald durch Wind bewegt wird, dann wird die Lage von Fischen und Vögeln kritisch. Das Meer ist stets reich an hohen Wellen, der Têng-Wald wird stets von furchtbaren Windstössen durchbraust. Gäbe es dann etwa dort keine Fische und Vögel? Man muss eben zwischen Gross und Klein einen Unterschied machen (die kleinen Wesen verbergen sich). Im Meere lebt der die Schiffe verschlingende Walfisch, im Têng-Wald befindet sich der Vogel Rock, dessen Flügel den Himmel wie Wolken überdecken (T. of T. I, 164). Wenn ihre Schuppen oder ihre Flügel nicht gross wären, könnten sie die Kraft der Wogen oder des Windes nicht ertragen. Ich dagegen bin wie ein kleiner Fisch, dessen Schuppen noch nicht zollang sind; ich bin wie ein kleiner Vogel, dessen Flügel kaum einen Fuss überspannen. Wenn ich mich auf einem Baum niederlasse, gewährt mir derselbe mehr als hinreichend Schatten und Schutz; wenn ich in einem Bächlein lebe, habe ich Wasser im Ueberflusse. Ich möchte daher das Meerwasser verlassen und meine Schuppen in einem reinen, kühlen Weiher baden. Ich möchte den Têng-Wald verlassen und meine Schwingen auf einem reichbeblätterten Aste putzen. Das Meer will nicht mir seine Grösse versagen, der Têng-Wald will nicht mir seine Zweige missgönnen. Wind und Wogen sind ja auch eine gewöhnliche Sache, aber meine Schuppen sind klein, meine Flügel beschränkt, daher bin ich von Natur aus wenig geeignet für jene Orte. Meine Schuppen werden aber mit jedem Tage grösser, meine Flügel werden mit jedem Tage länger. Wind und Wogen besitzen dann nichts mehr, das mich hindern würde. So werde auch ich einmal wie ein Walfisch oder wie ein Vogel Rock herumschweifen können.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 291f. -
Han bei 韓碑: Die von Han Yü verfasste Inschrift (Li Shangyin 李商隱)
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Der Kaiser (Hsien-tsung) der Regierungsperiode Yüan-ho (806-820 n. Chr.) war von wunderbarer militärischer Tatkraft. Was für eine Art Mann war er? Eine Verbindung von Hsüan Yüan und Fu Hsi (B.D. No. 79 u. 585). Er schwor, er wolle die Schmach seiner Vorgänger rächen. Er thronte als Herrscher im kaiserlichen Palaste und empfing die (Tribut bringenden) Barbaren aus allen vier Weltgegenden. – Westlich vom Huai-Fluss waren seit 50 Jahren schon Unruhen. Der grosse Wolf erzeugte einen Tiger und der Tiger wieder einen Bären (d. h. die Aufständischen wurden immer zahlreicher und gefährlicher). Es waren nicht nur Bergpässe und Flussübergänge, die sie besetzt hielten, sondern sie beherrschten das offene Land. Lange Lanzen und scharfe Speere wurden von ihnen unaufhörlich geschwungen. Der Kaiser wurde (zu jener Zeit) unterstützt durch einen weisen Minister, der P'ei Tu (B.D. No. 1632) hiess. Die Rebellen trachteten ihm nach dem Leben, verwundeten ihn, doch durch göttliche Hilfe blieb er erhalten. Am Gürtel hing ihm das Siegel des Staatsministers, und überdies wurde ihm die Würde eines Generalissimus verliehen. (Bei seiner Ausreise nach Huaihsi) bewegten sich im kalten Winde die Fahnen der kaiserlichen Leibgarde, die ihn begleiteten. - Li Su, Han Kung-wu, Li Tao-ku, Li Wên-t'ung waren seine Unterbefehlshaber. Beamte des Ministeriums der Zeremonien folgten ihm als Sekretäre. Der Generalstabschef (Han Yü) war ein weiser und kühner Stratege. Die Truppen, 140, 000 Mann stark, waren wie Tiger und Leoparden. – Sie drangenin Ts'ai ein, banden den Führer der Aufständischen (Wu Yüan-chi) und sandten ihn nach der Hauptstadt in den Ahnentempel der Dynastie. Das Verdienst war unermesslich gross, die kaiserliche Gnade (dementsprechend) auch unbegrenzt. Der Kaiser sprach: "Deine Verdienste, o P'ei Tu, stehen an erster Stelle. Dein Gehilfe Han Yü muss eine Beschreibung davon verfassen." – Han Yü verbeugte sich ehrfurchtsvoll und war von grosser Freude erfüllt. "Wie kann ich (elender Untertan) eine würdige Inschrift für den Kaiser verfassen? Von alters her war dies Aufgabe jener, die den Zeitgenossen als grosse Stilisten galten. Sollte mit dieser Sache nicht die Hanlin-Akademie betraut werden? Doch von jeher ist es Pflicht, die auferlegte Arbeit selbst zu verrichten" (Legge I, 230, 4). Nachdem Han Yü gesprochen, nickte der Kaiser mehrmals beifällig mit dem Haupte. Han Yü kehrte nach Hause zurück, bereitete sich wie zu einem Opfer vor und liess sich in seiner kleinen Schreibstube nieder. Tief tauchte er den grossen Pinsel ein, von dem sich die Tusche reichlich ergoss. Sätze aus dem Shuking flocht er in seine Arbeit Und nahm sich zum Modell die Oden Ch'ing-miao und Shêng-min des Shihking (Legge IV, 569 u. 465). - In einem originellen aussergewöhnlichen Stile verfasste er seinen Entwurf und kopierte ihn auf Papier. Früh morgens eilte er an die Thronesstufen und überreichte das Schriftstück nach wiederholter Verbeugung. Die Eingabe an den Thron lautete: "Ich, Han Yü, unterbreite dies, meines Todes gewärtig. Ich habe die Verdienste Seiner Majestät (nicht seiner Feldherrn) besungen, um sie auf einem Gedenkstein eingraben zu lassen." – Der Gedenkstein war drei Klafter hoch, die Zeichen faustgross. Getragen wurde er von einer wunderbaren Schildkröte, und Drachen schlangen sich ringsherum. Die Sätze waren eigentümlich, die Worte wuchtig, und nur wenige verstanden sie. (Darum) wurde Han Yü beim Kaiser verleumdet und als parteiisch hingestellt. Mit einem hundert Fuss langen Tau wurde der Gedenkstein niedergerissen Und mit grobem Sand die Inschrift weggelöscht. Aber Han Yü's Worte waren von lebendiger, ursprünglicher Kraft Und hatten sich schon vorher in der Erinnerung der Menschen verankert. - Auch die Wanne des Ch'êng T'ang (Legge I, 2361) und der Dreifuss des K'ung hatten ihre Inschriften. Jene Geräte sind zwar jetzt nicht mehr vorhanden, ihr Text besteht aber noch. – Ach, eines erlauchten Herrschers und weisen Ministers Gemeinsamer Ruhm hätte in dieser Inschrift der Nachwelt verkündet werden sollen. Da Han Yüs Worte der Nachwelt nicht gezeigt werden können, Wie könnte der Ruhm des Kaisers jenem der drei Herrscher und fünf Fürsten als gleichwertig verglichen werden? Unzählige Male möchte ich jene Inschrift abschreiben und unzählige Male sie laut lesen, Bis mir Schaum vor dem Munde steht und meine Rechte Schwielen bedecken. Ich möchte diese Inschrift den in kostbaren Truhen verwahrten Berichten der 72 Geschlechter (vgl. Chavannes III, 423) über ihre Opferhandlungen anreihen Als Gegenstand der Verehrung und als Grundlage der Regierung.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 363 - 365.
Mit Erläuterungen S. 365 - 367. -
Han shi ri chu you 寒食日出遊: Am Tage des Han-shih Festes (zwei Tage vor Ch'ing-ming oder Allerseelen) gehe ich spazieren (in Erwiderung auf neun Gedichte des kranken Kollegen Chang Shu) (Han Yu 韓愈)
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Als die ersten Pflaumenknospen sich öffneten, warst Du gerade krank. Und als ich Dich besuchen kam, waren die Blüten besonders üppig. Westlich von der Stadtmauer von Chiang-ling ritt ich traurig nach Hause Und war überwältigt von den schneeweissen Reflexen der tausend blühenden Bäume. Seit dem letzten Male sehe ich jetzt wieder neue Pfirsich- und Birnenblüten. Beide wetteifern mit einander in roten und weissen Farben. Schade, (dass deine Krankheit) uns hindert, diese Schönheiten zusammen zu geniessen. Ich kann nur Deinen Brief (mit den auf weisser Seide geschriebenen Gedichten) lesen und Deine neun Gedichte vor mich hinsummen. Ueberall fallen die alten Blüten schon in den Staub und Schlamm Und können an Schönheit mit jenen neu erblühten nicht verglichen werden. Die Blüten des Wu-t'ung Baumes, die sich am spätesten öffnen (Liki I, 346), sind jetzt schon überall zu sehen. Wenn Du Dich nicht überwindest und aufstehst, die Zeit wird schwerlich nochmals kommen. Von den Bergen von Shensi (Ch'angan) weit getrennt gewesen zu sein (wie wir in der Verbannung), hatte seine bestimmten Gründe. Jetzt, wenige Schritte von den herrlichen Blumen entfernt zu sein und sie nicht sehen zu können, daraus erkenne ich Dein Geschick. Ich erinnere mich an die Zeit, als ich mit Dir zusammen verbannt wurde. In der Nacht fuhren wir über den Tung-t'ing-See und blickten nach dem Sternbild des nördlichen Scheffels. Wer hätte gedacht, dass wir lebendig aus dem Süden (nach Chiang-ling) zurückkehren und ein und denselben Aufenthaltsort zugewiesen erhalten würden. Mit dem Aermel wischen wir unsere Tränen trocken und sind mitten im Unglück glücklich. Jeder von uns sagt, dass wir beide im Leben und Tode einander begleiten (zusammengehören). Wir schätzen nur (Wen-hsüan 31/22) wahre Freundschaft und nicht Formalitäten. – Ich bedaure, dass Du wieder als Beamter nach dem unwirtlichen Süden berufen bist. Der Weg dorthin führt durch das Thor der Dämonen (ein Pass in Kuangsi), traurig und öde (von dem es sprichwörtlich heisst, dass von zehn Verbannten nur neun von dort lebend zurückkehren). Die drei höchsten Würdenträger des Reiches wissen Deine Tüchtigkeit zu schätzen (sind Deine Gönner), Warum empfehlen sie Dich nicht bei Seiner Majestät dem Kaiser? Deine Tasche ist leer, Deine Provisionen aufgezehrt, wer könnte Dir helfen? Ich esse jetzt alle 2 Tage einmal (Liki II, 606) (und kann Dir nicht helfen). Es ist klar, dass dieser Jammer unsere Gesundheit (T. of T. II, 61) beeinträchtigt. Wie könnte man die Kraft finden, der göttlichen Veranlagung gerecht zu werden? Wenn man dem Kranich die beiden Flügel abschneidet, wie jämmerlich schreit er! Bindet man dem Pferde die vier Beine zusammen, kann es seine Kraft nicht zeigen. Heute morgens, am Fenste Han-shih, gehe ich auf das Land hinaus. Die grünen Weiden stehen längs des Ufers, und Schilf wächst ihnen zur Seite. Beim alten Hause des Sung Yü (B.D. No. 1841) ist kein Mensch zu sehen. Leichte Wellen von ungleicher Grösse zeigen sich, weil Fische die spiegelglatte Oberfläche bewegen. Ich seufze über meine unglückliche Lage und die vielen Sünden (meiner früheren amtlichen Laufbahn). Jetzt ist mir besonders viel Freiheit gegeben infolge der Nachsicht der hiesigen Behörden. Und wenn es zum trinken kommt, ärgere ich mich nicht, wenn der Becher tief ist. Wenn ich Gedichte mache, vertraue ich noch immer der Kraft meines Pinsels. Es wird Mondenschein sein, betrübe Dich daher nicht über das Verbot, Feuer anzuzünden. ––
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 83f.
Please note that the short preface to the poem is not included in this translation. -
Han shi wo bing 寒食臥病: Am Tage des Han-shih-Festes liege ich krank darnieder (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Han shi zhi gui yu yu 寒食直歸遇雨: Am Feste Han-shih kehre ich bei Regen vom Dienste im Kaiserpalaste zurück (Han Yu 韓愈)
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Das Fest Han-shih habe ich diensttuend im Kaiserpalaste verbracht, die schönen Vergnügungen des Frühlings konnte ich nicht mitmachen. Während des schönen Wetters war ich tagelang im Dienst, jetzt während es den ganzen Vormittag regnet, kehre ich nach Hause zurück. Ich sah nichts von den Spielen mit dem roten Ball; wozu soll ich noch sprechen von der fliegenden Schaukel? Nur das vom Kaiser geschenkte Feuer brachte ich vom Hofe nach Hause; gegen Sonnenaufgang muss ich von neuem die Hofuniform anlegen, um in den Palast zu eilen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 251. -
He cui she ren yong yue er shi yun 和崔舍人詠月二十韻: Unter Benutzung des Reimes des Gedichtes "Preislied des Mondes" vom Kammerherrn Ts'ui Ch'ün dichte ich folgende Verse in zwanzig Reimen (Han Yu 韓愈)
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Der runde Herbstmond tritt heute Nacht aus dem Ostmeer hervor. Der untergehenden Sonne gegenüber geht er auf, wie wenn er von ihrer Kraft noch borgen wollte; er steigt das Firmament empor und verbreitet allmählich sein wunderbares Licht. Obwohl noch nicht hoch, strahlen seine Emanationen in die Weite, auf halbem Wege wird seine einsame Gestalt deutlich umgrenzt. Voll Glanz bewegt er sich in seiner Bahn, langsam überschreitet er den dunklen Himmel. Die Milchstrasse erscheint lichtdurchtränkt, wie wenn alle Nebel verschwunden wären, die einzelnen Sternbilder treten hervor, wie wenn Leuchtkäfer über den Himmel verteilt wären. Das überreiche Licht des Mondes ergiesst sich überallhin, die vereinzelten Bilder der Naturobjekte erscheinen scharf umrissen. Am Ufer des Sees stehend sehen wir des Mondes Reflex im Wasser, unter dem Vordach (hervorschauend) verfolgen wir seinen Lauf quer über den Himmel. Die blühenden Bäume werden in ihrer verschiedenen Grösse sichtbar, die Vögel der Hügel lassen ihre Stimmen abwechselnd ertönen. Durchs Fenster dringt sein Licht ein und späht er nach den schweigenden Menschen, auf den Waschstein scheinend befreundet er sich mit den dort waschenden Frauen. Einsam sitzend beobachten wir sein allmähliches Eindringen in das Haus, in Musse Verse summend freuen wir uns, wenn sein Licht den ganzen Hof erfüllt. Seine schiefen Strahlen treffen die Mauer und wir glauben weisse Seide zu sehen; auf dem Sande erscheinen seine zerstreuten Reflexe wie Sterne. Klar und rein ist sein Weg zwischen den Wolken, kalt und öde liegt der Pavillon am Ufer des Flusses. Sein helles Licht erlaubt uns den im Monde sitzenden, nach allen Seiten herumschauenden Hasen (Ch'u tz'u 3/5) zu erkennen; seine durchdringenden Strahlen gestatten die im Flusse wandernden Wasserlinsen zu zählen. – Die fernen Berge, vom Mond beschienen, sehen aus wie grünliches Eis; die Dünste der Wälder erscheinen unter seinem Licht wie eine dunkle Decke. Wenn er die Ecke der Gartenmauer überschreitet, erschrecken wir über die schiefe Stellung des im Mond befindlichen Cassia-Baumes; wenn er die Mitte des Himmels erreicht, glauben wir dass seine radförmige Scheibe sich nicht mehr bewegt (zur Ruhe gekommen ist). Gerade beim Gedanken an ihn, dichten wir schöne Verse; während wir sein Licht geniessen, leeren wir die braunen Weinkrüge. Wo immer der Distriktsturm bestiegen wird, um den Mond zu betrachten, hört man um diese Zeit Flötenspiel. – Dein Amt im rechten Palastflügel hängt mit der kaiserlichen Thronhalle zusammen; zahlreiche Tore hindern den Eintritt in die verbotene Stadt. Auf dem windumbrausten Söller kannst Du das weite Mondlicht geniessen; auf den schneeweissen Stufen schreitest Du einher unter freiem Himmel. Ich dagegen, der Lehrer am Kuo-tzu-chien, bin allein und habe keine Möglichkeit, die mit abnehmendem Monde fallenden Blätter der Ming-chia-pflanze aufzuheben (d.h. ich lebe ferne vom kaiserlichen Hofe).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 246f. -
He gui gong bu song seng yue 和歸工部送僧約: Mit Benutzung des Reimes im Gedichte des Arbeitsministers Kuei Têng beim Abschied vom buddhistischen Priester Yo (Han Yu 韓愈)
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Wenn wir früher wüssten, dass wir alle uns nur selbst zu Gefangenen machen, Würden wir ohne Studium weiter vegetieren bis ins hohe Alter. Obwohl Du schon Deine Familie verlassen hast (Priester geworden bist), bist Du doch voll beunruhigender Sorgen. Welcher Mensch könnte doch vor dem Tode schon Ruhe erlangen?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 243. -
He hou xie lü yong sun 和侯協律詠筍: In Antwort auf das Gedicht "Preis der Bambussprossen" des kaiserlichen Musikmeisters Hou Hsi (Han Yu 韓愈)
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Der Pavillon des Bambushaines wird von den Leuten nicht besucht; die neuen Bambussprossen bedecken die Fläche vor seinen Fenstern. Gerade hervorgesprossen waren sie wirklich sehenswert; obwohl ursprünglich viele, bemerkte ich noch keine Ueberladung. Sie bildeten Reihen gleich Dienern und Mägden, sie standen im Kreise wie Söhne und Enkel. Zum Messen ihrer Länge nahm man stets den Zollstab zur Hand; war man wegen Austrocknung besorgt, goss man häufig Wasser über sie aus. Ihnen gegenüber dichtend vergass man Essen und Trinken; während man vor ihnen sass, verwandelte sich Morgen in Abend. – Jetzt vom Regen durchtränkt ist der Boden hier feucht geblieben, und die starke Sonnenhitze schafft eine gleichmässig warme Temperatur. Von der Saison begünstigt wachsen sie nun üppig (T. of T. I, 200); stolz auf ihre Kraft wollen sie emporschnellen. Sieht man ihre Hörnerspitzen, sucht man vergebens nach Rind oder Widder; sieht man ihre gefleckte Haut, denkt man an Tiger und Panther. Dicht gedrängt wachsend liessen sie früher zwischen sich noch Zwischenräume; doch jetzt breiten sie sich plötzlich grenzenlos aus. Wer kann mit den Zählstäbchen sie zählen, wer kann den Grund ihrer grossen Menge erfassen? Kreuz und quer ergreifen sie offen Besitz vom Boden, aneinandergereiht verbinden sich insgeheim ihre Wurzeln. Wenn sie besonders wild sind, durchbohren sie oft die Mauer; durch ihre vereinigte Stärke werfen sie beinahe die Hecke um (Legge, Iking pg. 130/11, 23). Sie dringen in die Tiefe wie wenn sie verfolgt sich verbergen wollten; und dehnen sich in die Weite, als ob sie jemandem nacheilen wollten. Jetzt erst überrascht mich, dass sie dem Menschen den Weg versperren, und ich erschrecke noch mehr, weil sie in das Arzneikräuterbeet eingedrungen sind. Denn bei diesen kleinen Sprossen weiss man im Vorhinein, dass auch sie allmählich gross werden; Himmel und Erde zeigen eben keine Parteilichkeit. Schon dringen sie in die hohen Stufen (der Treppe) ein und wachsen nicht nur über die niedrige Mauer hinaus. Der Bambus fürchtet weder Fliesen noch Steine; er scheint zu trachten, alle duftenden Kräuter (Wen-hsüan 30/19) zu verdecken. Einstweilen bedaure ich nur, dass so viele Sprossen schon bedeutende Höhe erreicht haben; wie sollte ich wissen, wie hoch sie noch später emporwachsen werden? Zwischen Kurzen und Langen mache ich durchaus keinen Unterschied; ob sie alt oder jung sind, wer würde sich darum kümmern? Aber ich liebe es nicht, dass aussen die Blattscheiden dichtgedrängt sind und dass im Innern so viele Glieder und Knoten (Liki II, 40) sind. – Jetzt muss ich aber meine Schritte zurücklenken und einige kleine Sprossen abschneiden, um sie beim Mahle als Zuspeise zu gebrauchen. In ihrer grossen Ueppigkeit scheinen sie den ganzen Boden zu besetzen, und in ihrer Menge wetteifern sie die Türe zu versperren. Ihre Spitzen sind wie Speere und Lanzen, die in Menge emporstehen; ihre Köpfe sind wie Schlangenhäupter, die sich aufrichten. Meine empfindsame Frau frägt sich ab, welche Sprossen als Speise wohl am besten zu gebrauchen wären; während das unverständige Kind sie alle abgeschnitten wissen will. – Du, o Hou, hast mich mit einem Gedichte zu trösten versucht, und Deine Verse haben mich beim Lesen in Staunen versetzt. Du wolltest, dass ich darauf eine Antwort dichte, und trachtete ich, mit meinem geringen Talent das Möglichste zu tun; so sass ich den ganzen Tag Verse dichtend und habe endlich bei Sonnenuntergang (Ch'u tz'u 16/36) dies zustandegebracht.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 266-268. -
He jiang ting 合江亭: Der Pavillon beim Zusammenfluss der Flüsse Chêng und Hsiang (in Hêng-chou, Hunan). Dem Gouverneur Tsou gewidmet (Han Yu 韓愈)
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Der rote Pavillon lehnt sich an das Ufer des Hsiang-Flusses, mit dem sich östlich der Chêngfluss vereinigt. Von hier aus betrachte ich lange die weite Landschaft, deren reines Grün sicher nicht zu verachten ist (Legge V, 222/17, Tufu 7/16). – Ich denke an die Zeit seiner Erbauung, als der Gouverneur dieser Gegend (Ch'i Ying) wirklich ein würdiger Helfer seines Herrschers war. Er rodete den Wald, versetzte den früher hier stehenden Tempel, kaufte das Land und verschwendete sein Vermögen (auf diesen Pavillon). Die Balken erfreuen durch ihre Stärke, der Bau ist schön und nicht überladen. Als jener Mann (Ch'i Ying) später starb, verfiel dieses Gebäude. Warum kamst Du, Yü-wên Hsüan, hierher so spät? Erst lange nach Ch'i Ying stelltest Du dessen erhabenes Werk wieder her (d.h. repariertest Du den Pavillon). Du pflanztest neun Felder voll Orchideen (Lisao 14. str.) und setztest mehr als zehntausend Bambusstämmchen. Mit langem Stricke kann man jetzt (aus dem von Dir angelegten Brunnen) klares Wasser schöpfen, auf stillem Bergpfad überschreitet man des Bodens Auf und Nieder. In der Nacht lauscht man nach dem Lärm der Wogen, am Morgen ruht man mit hohen Bäumen vor sich. Anfangs war es wie wenn Du (Yü-wên Hsüan) wenig Neigung zu Deiner Amtstätigkeit hättest, zum Schluss aber war Deine im Distrikt geleistete Arbeit die beste. Des Menschen Leben ist wirklich von kurzer Dauer (d.h. Du starbest bald), was hilft es aber, sich über die Vergangenheit zu grämen? Traurig fliessen die folgenden Jahre dahin; der tüchtige Verstorbene wurde durch einen schlechten Nachfolger (Yüan Ch'êng) ersetzt. Wer hätte da noch vom (Pavillon und) schönen Scenerien gesprochen? Nur der schlechte Ruf (jenes Nachfolgers) verbreitete sich täglich mehr und mehr. Da beantragte der Obercensor Yang P'ing (vgl. folgendes Gedicht) seine Entlassung wegen Unfähigkeit, und der Kaiser gab dem Gesuche Folge aus Mitleid mit dem ausgehungerten Volke. – Als Du, Herr Tsou, hier eintrafst, da herrschte allseitige Freude unter der Landbevölkerung. Hier zurückgehalten erfreutest Du Dich der herrlichen Gegend und ermahntest eifrig die Faulen. Als ich hierher kam, fegtest Du für mich die staubigen Stufen rein, und bestelltest Musik, um Deine Gäste trunken zu machen. Im letzten Monat des Herbstes seufze ich über die gleichmässige Verteilung der Jahreszeiten (Ch'u tz'u 8/4), und bedaure dass der Neumond noch nicht rund ist. Ich möchte Deinen Namen auf eine Steinplatte hoch in den Felsen schreiben, um ihn nicht durch Staub und Schmutz besudeln zu lassen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 45f. -
He li si xun guo lian chang gong 和李司勳過連昌宮: In Antwort auf Li Chêng-fêng's Gedicht: "Der Lien-ch'ang-Palast" (Han Yu 韓愈)
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Zu beiden Seiten des Weges stehen einige wenige Huai-Bäume, deren alte Wurzeln hervortreten. Der Palast mit seinem hohen Giebel und gewaltigen Balken drückt auf die Hochebene. Vor dem Palaste kommen alte Leute mich fragen, Der wievielte Nachfolger des Kaisers Ming-hwang-ti der K'ai-yüan-Periode der jetzige Kaiser sei.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 271. -
He li xiang gong she shi nan jiao lan wu xing huai cheng yi er zhi jiu 和李相公攝事南郊覽物興懷呈一二知舊: In Antwort auf ein Gedicht des Li Fêng-chi, als dieser beim grossen Opfer für Himmel und Erde in Vertretung des Kaisers amtierte und durch Betrachtung der Natur ergriffen war. Einigen alten Freunden überreicht (Han Yu 韓愈)
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Glänzend zeigt sich bei Sonnenaufgang das Chiao-Sternbild, einzeln glitzern am Morgen die kalten Thautropfen. Flussläufe und Felder erscheinen in durchsichtiger Klarheit, Wolken und Sonne wandern wie gewöhnlich über das Firmament. Der grosse Staatsmann (Li Fêng-chi) begibt sich voll Würde zur Opferhandlung, auf reingefegter Strasse lenkt er sein Pferd mit dem herrlichen Zaumzeug. Der runde Altar (für das Himmelsopfer) erhebt sich hoch und flach; ihm gegenüber liegt das gewaltige Wahrzeichen des Südberges. Die Bäume in den Dörfern sind teils gelb teils grün, auf den Feldern steht die überreiche Ernte. Beim Blick auf diese Landschaft denkt er voll Sehnsucht an das zurückgezogene Leben in den Bergen und Tälern; er seufzt laut auf, erschöpft von den Strapazen des Stadtlebens (Legge V, 586/9). Sind jene Beamten, die an Stellung und Reichtum hängen (T. of T. II, 114), etwa nicht weit entfernt von unserem Li Fêng-chi? Wenn Du Humanität walten lassest, ist die Stellung der Dynastie gesichert; wenn Du in Ruhe vorgehst, sind die Waffen überflüssig. Fürchte Dich nicht vor den Mühen, die der Empfang von Besuchern mit sich bringt (Chavannes, Mém. hist. IV, 93; d.h. suche die Besten an Dich zu ziehen); dann kannst Du das Lied vom zeitgemässen Wind und Regen singen (die für die Ernte und den inneren Frieden von Wichtigkeit sind). Kaiser und Weiser treffen sich selten; jetzt hast Du Gelegenheit, Deine Tüchtigkeit vor aller Welt ins rechte Licht zu setzen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 192f. -
He nan ling she chi tai 河南令舍池臺: Der Söller am Weiher des Amtshauses des Präfekten von Honan (Han Yu 韓愈)
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Der mit fliessendem Wasser gespeiste Weiher ist gerade nur fünf bis sechs Klafter im Durchmesser. Der Söller (an seinem Ufer) ist nicht höher gebaut als sieben bis acht Fuss. Ich wollte die Terrasse höher machen als die Hecke des Gartens Und andererseits den Wellen nicht gestatten, sich hoch zu erheben. Obwohl die ganze Anlage klug erdacht ist, ist doch kein Grund vorhanden damit zu prahlen. Denn die Aussicht vom Söller geht nicht weit, was sehr zu bedauern ist. Und obwohl ich stets den Yamên-Dienern befehle, weit entfernt von diesem Ruheplatz vorüberzuhasten, So sind doch schon Frösche und Kröten erschienen, um den Lärm zu vergrössern.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 128. -
He pei pu ye xiang gong jia shan shi yi yun 和裴僕射相公假山十一韻: In Erwiderung des Gedichtes des Ministers P'ei Tu (Herzogs von Chin-kuo) auf den künstlichen Berg seines Gartens (in 11 Reimen) (Han Yu 韓愈)
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Du, o Herzog, liebst wirklich die Berge, Du blickst auf sie von Morgen bis Abend. Du kränkst Dich allein darüber, die Berge nur vor Augen zu haben und sie nicht auch betreten zu können. Du gabst wiederholt Leuten in den Bergen den Auftrag, Dir Steine aus den Felsschluchten mitzubringen. Wenn sie kamen und Deine Wünsche erfüllten, kehrten sie sicher mit Deinen Geschenken (Gold und Seide) wieder in die Berge zurück. Vor Deinen Fenstern wurden eines Tages diese Steine aufgehäuft und dann nach Massgabe ihres Aussehens im Garten verteilt. Es gibt jetzt dort Höhlen wie von Geistern vertieft, und Felswände wie vom Himmel gespalten. Den ganzen Tag sitzt Du nun zwischen diesen Felswänden und Höhlen und gibst Gastmähler mit Musik Deinen Freunden und Verwandten. Wer würde glauben, dass die Ruheplätze eines Hêng- oder Huo-Berges (Wen-hsüan 26/29) jetzt so nahe den Häusern von Prinzen und Grafen wären? Der später zum Minister erhobene Fu Yüeh (B.D. No. 604) war erst ein niedriger Maurer, der in einer Felswildnis arbeitete (Legge III, 251); der im reissenden Po-hsi angelnde T'ai-kung (B.D. No. 1862) war ein Fischer. Du aber wandelst hier über Deinen künstlichen Berg, nachdem Du Dir bereits hohe Verdienste erworben hast; und keinerlei Staatsgeschäfte stören Dich mehr. Du freust Dich der Weisheit unseres jetzigen Herrschers und kannst daher von hier aus (Legge IV, 299) voll Stolz auf die Leute der Gegenwart wie der Vergangenheit blicken.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 193. -
He pu ye xiang gong chao hui jian ji 和僕射相公朝迴見寄: Unter Benützung desselben Reimes wie das mir gesandte Gedicht des Ministers P'ei Tu über seine Rückkehr vom Hofe dichte ich die folgenden Verse (Han Yu 韓愈)
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Nach langen, mühevollen Jahren im Dienste des Kaisers findest Du jetzt erst für kurze Zeit Musze. Arbeit und Sorge sind nun beide geringer geworden, und die Liebe zur Dichtkunst und zum Wein kehrt wieder zu Dir zurück. Du lassest Deine Gedanken jenseits der kummervollen Tätigkeit eines Ministers schweifen und hast Dich aus den Kämpfen des Lebens (Legge V, 443/5) zurückgezogen. Im Herbste auf dem Söller stehend geniessest Du das klare Wetter, und hast gerade eine gute Gelegenheit, die vor Dir liegenden Berge zu betrachten.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 289. -
He shui bu zhang yuan wai xuan zheng ya ci bai guan ying tao shi 和水部張員外宣政衙賜百官櫻桃詩: Unter Benützung desselben Reimes übernehme ich das Thema des Gedichtes des Chang Chi, das den Titel trägt: "Den in der Hsüan-chêng-Thronhalle versammelten Beamten schenkt der Kaiser Kirschen" (Han Yu 韓愈)
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Schon in der Handynastie wurden vor dem Ming-kuang-Palaste Kirschbäume gepflanzt. Andererseits erwähnt Kaiser Shên-nung (B.D. No. 1695) in seinem Werke Pên-ts'ao der wohltätigen Wirkung der Kirschen auf die Verdauung. Beides kann aber nicht verglichen werden mit der Gnade des jetzigen Kaisers, der dem versammelten Hofe Kirschen schenkt. Alle (Beamten) sehen, wie dieses Geschenk vom Himmel (d.i. vom Kaiser) ausgeht. Wohlgeruch folgt den grünen Körben, welche gerade hereingebracht werden, Und hell funkeln die Farben der Kirschen, während sie in einem fortlaufenden Strome auf Silberplatten ausgegossen werden (Liki, ed. Couvreur I, 39; Tufu, ed. Chang Chin 8/25). Nach dem Genusse weiss ich für mich selbst, dass ich diese Gnade nicht werde vergelten können. Unter kaltem Schweissausbruch kann ich mich nur schämen und ehrfurchtsvoll zur kaiserlichen Palastpforte emporblicken.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 286f. -
He wu xiang gong zao chun wen ying 和武相公早春聞鶯: In Antwort auf ein Gedicht des Ministers Wu Yüan-hêng : Im ersten Frühling höre ich die Oriole singen (Han Yu 韓愈)
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Als Du (die Oriole) hierher in die Stadt Chin-ch'êng geflogen bist, Wer hat Dich so viele Arten Lieder gelehrt? Wenn der Frühlingswind weht und die Bäume rot erblühen, schreckst Du (durch Deinen Gesang) die Menschen auf aus ihrem Schlafe, Als wärest Du eifersüchtig auf einen Sängerknaben, der schöne Lieder singt.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 263f. -
He xi ba shi er yun 和席八十二韻: Unter Benützung desselben Reimes beantworte ich das Gedicht des Hsi K'uei, 8. seines Clanes (Han Yu 韓愈)
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Ueber dem roten Kaiserpalast zeigt sich morgens die Milchstrasse noch helle (Wen-hsüan 26/9), der Ostwind bringt den Frühling in den rechten Palastflügel. Dein Amt und Dein Ruf sind beide ausgezeichnet, Deine Gedanken sind ebenso frisch wie die Blüten (an diesem Frühlingsmorgen). Die wie eine Stickerei gewundenen Wege des Palastgartens laden zu einem Morgenspaziergang ein; wiederholt hast Du hier vor Dienstantritt die Nacht unter einer Seidendecke verbracht. Die gewaltigen Palasttore öffnen sich für Sonne und Mond (so hoch sehen sie aus), die mächtigen Türme nähern sich den Sternen. In den Höfen sind die Gräser, die dort vor der Winterkälte gewachsen sind, verändert (d.h. spriessen von neuem); der Himmel hat nach heiteren Tagen durch Regen den Staub aufgelöst. Das schnelle Rauschen der Wasserkanäle hört man im ganzen Parke, die Pracht der blühenden Weiden beschwert überall in gleicher Weise die Mauer. – Die Pläne, die Du hier für die kaiserlichen Erlässe entwirfst (Legge III, 540, 613; Liki, ed. Couvreur, II, 518) sind bedeutend; Du bist bestrebt den Verdiensten jener Männer, deren Portraits im Kaiserpalaste aufgehängt sind, ganz nahe zu folgen. Die duftenden Blüten des Parkes befördern die Schönheit Deines Styles, der Glanz des Palastes beeinflusst in günstiger Weise Deinen Körper und Geist. Bei den Palaststufen stehend betrachtest Du die roten Päonien (Wen-hsüan 30/13), beim Umwandern des Teiches besingst Du die weissen Blüten der Wasserkastanien. Voll neuer Eindrücke gedenkst Du Deines Mitzechers (Han Yü) und wirst in der Zeit, die Dir von den Geschäften übrig bleibt, zum Dichter. – Wenn ein Schilfrohr an einem blühenden Baum lehnt (d.h. wenn ich Dein Gedicht beantworten soll), kann es nur schwer seine Nutzlosigkeit verbergen; unter die echten Flötenspieler (d.h. Dichter) bin ich schon lange ohne Berechtigung eingereiht. Ich schäme mich daher, dass ich nutzlos als Beamter alt werde und mich noch immer nicht in die Freiheit des Stromes oder Meeres zurückgezogen habe.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 262f. -
He yu bu lu si chou han lin qian qi chi teng zhang ge 和虞部盧四酬翰林錢七赤藤杖歌: Ich dichte diese Verse unter Benützung desselben Reimes wie Lu Ting's Dankgedicht auf das Lied vom roten Rottanstock des Hanlin-Akademikers Ch'ien Hui (Han Yu 韓愈)
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Aus rotem Rottan einen Wandelstock verfertigen – das hat die Welt bisher noch nicht gesehen. Der Ministerialsekretär Ch'ien Hui hat ihn zuerst aus Tien-ch'ih (Yünnan) mitgebracht. Dort hatte der König von Tien seinen Palast für den bei ihm als Gast weilenden chinesischen Gesandten reinfegen lassen. Knieend überreichte er jenen Stock als Geschenk, grüsste ehrfurchtsvoll immer wieder und redete unverständliche Sprache. Gestützt auf diesen Stock überschritt der Gesandte die Seilbrücken (Yünnan's) und vermied dadurch einen Sturz. Das Leben des Gesandten fand immer wieder in kritischen Augenblicken seine Stütze in diesem Stock. Mit ihm wanderte er durch hundert Reiche, und niemand wusste, woher dieser Stock kam. Fürsten und Untertanen kamen zusammen, um den Stock zu besichtigen, und wollten sogar bei der Abreise des Gesandten dessen Fahnen folgen (d.h. konnten sich am Stock nicht sattsehen). Allgemein behauptete man, dass der Geist des Tien-Sees den Stock aus dem Wasser dargereicht hätte. Es wäre ein unter Bluterguss ausgerissenes Barthaar eines roten Drachens. Andere sagten, er wäre die von Hsi-ho (dem Lenker des Sonnenwagens) gebrauchte Feuerpeitsche. Als Hsi-ho im äussersten Westen Nachts ankam, sei er in Schlaf gefallen und hätte die Peitsche vergessen. – In vielen Umhüllungen verpackt wurde dieser Stock aufgehoben und von Ch'ien Hui mit eigener Unterschrift versehen. Da er sich mit diesem sehr wertvollen Gegenstand nicht weiter vor den Barbaren brüsten wollte, Gab er ihn nach der Rückkehr als Geschenk an einen Kollegen (nämlich Lu Ting). Der vom Stock ausgehende Glanz ist so gewaltig, dass die Hand zögert, die ihn ergreifen will. Wenn der Besitzer in der leeren Halle bei Tage schläft, lehnt der Stock gegen Tür oder Fenster. Der Blitz (durch die Reflexe aufmerksam geworden) glaubt Drachen zu sehen und schlägt in die Wand. Lu Ting aus dem erhabenen Ministerium für Jagd und Fischerei und Ch'ien Hui aus dem abgeschiedenen Hanlinyüan Sangen beide Lieder auf diesen Stock, wie wenn auf Ocarina und Bambusflöte ein Duett gespielt würde. Die herrlichen Worte und schönen Verse jener kann ich nicht fortsetzen; Dass ich jenes Gedicht von Lu Ting erhalten habe, ist auch schon genug für mich, um mich kleinen Beamten zu trösten (darüber dass ich jenes Geschenk nicht erhalten habe).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 107f. -
He yuan jiu yu lü er tong su hua jiu gan zeng 和元九與呂二同宿話舊感贈: Ich dichte diese Verse beim Lesen eines Gedichtes von Yüan Chên, das dieser unserem Freunde Lü Erl (zweiten seines Clanes) widmete, als beide zusammen übernachteten und über vergangene Zeiten sprachen (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
He zhang shi ba mi shu de pei si kong ma 賀張十八祕書得裴司空馬: Ich beglückwünsche den Sekretär der Kabinetskanzlei, Chang Chi, 18. seines Clanes, als ihm der Arbeitsminister P'ei Tu ein Pferd schenkte (Han Yu 韓愈)
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Minister P'ei Tu schickt Dir aus der Ferne ein Pferd, dessen Aufziehung und Schulung gerade vollendet ist. Des Pferdes Haarfarbe erinnert an Pfirsichblüten, seine Augen sind hell wie ein Spiegel. Früher wenn die Sonne unterging, sind wir oft zusammen ausgeritten und haben dabei Gespräche geführt. Im kommenden Frühlingswinde beabsichtige ich wieder mit Dir zusammen auszureiten. Du wirst Deinen Pferdeknechten stets Auftrag geben, für Hunger und Durst des neuen Pferdes Sorge zu tragen. Du musst es wie einen tüchtigen Freund betrachten und seinen Charakter studieren. In kurzer Zeit kommt P'ei Tu zurück, dann kannst Du ihm Deinen Dank aussprechen. Du brauchst also nicht in ermüdendem Ritt seinen beiden Fahnen zu folgen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 283. -
He zhi shui er shou ji zi zhi lao cheng 河之水二首寄子侄老成: Das Wasser des Stromes. Zwei Gedichte gewidmet meinem Neffen Han Lao-ch'êng (Han Yu 韓愈)
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Das Wasser des Stromes eilt in die Ferne. Ich kann leider nicht wie dieses nach Osten fluten. Am Gestade des Ostmeeres habe ich einen alleinstehenden Neffen, Seit drei Jahren habe ich ihn nicht mehr gesehen, dies verursacht mir Kummer. Die Tage und Nächte kommen und gehen, Seit drei Jahren habe ich Dich nicht mehr gesehen; obwohl noch nicht alt, bin ich dadurch an den Schläfen frühzeitig grau geworden. Das Wasser des Stromes eilt in die Ferne. Ich kann leider ihm nicht nach Osten folgen. Am Ufer des Meeres habe ich einen alleinstehenden Neffen, Seit drei Jahren habe ich ihn nicht mehr gesehen, dies verursacht mir Herzeleid. Ich pflückte Farne im Gebirge (Legge IV, 23), ich angelte Fische aus tiefem Wasser (Legge IV, 36). Ich brach nach der Hauptstadt auf; aber als ich noch nicht weit war, kehrte ich wieder um.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 65. -
Hong teng zhang "Nan zhao hong teng zhang" 紅藤杖 "南詔紅藤杖": Der rote Rottanstock (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Hu hu 忽忽: Ach wie traurig! (Han Yu 韓愈)
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Ach wie traurig! Ich kenne die Freuden des Lebens noch nicht. Ich möchte dieser Welt entrinnen und sehe keine Möglichkeit dazu. Wie könnten lange Schwungfedern und grosse Flügel wie Wolken aus meinem Körper hervorwachsen? Vom Winde getragen möchte ich hinausstürmen aus den vier Weltgegenden und den wehenden Staub hinter mir zurücklassen. Des Lebens Freuden oder des Todes Leiden, beides möchte ich von mir werfen. Recht oder Unrecht, Erfolg oder Misserfolg will ich gerne den gewöhnlichen Menschen überlassen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 67. -
Hua fei hua 花非花: Sie ist eine Blüte und doch keine Blüte (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 325f. -
Hua shan nü 華山女: Das Mädchen von Hwa-shan (Han Yu 韓愈)
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Rechts und links in der Strasse werden buddhistische Sutren gepredigt. Glockenläute und Trompetenschall stört die Ruhe der Wohnungen. Es wird viel gefaselt von Höllenstrafe und Seligkeit, um die Menschen anzulocken und einzuschüchtern. Die Zuhörer sind dicht gedrängt wie Wasserlinsen auf einem Teiche. Auch die taoistischen Bonzen in ihren gelben Gewändern erklären ihre Lehre, Aber unter ihrer Kanzel finden sich nur wenige Leute, wie Sterne am Himmel bei Tagesanbruch. – Die Familie des Mädchens von Hwa-shan bekannte sich zur taoistischen Lehre. Das Mädchen will andere Doktrinen vertreiben und eine Unsterbliche werden. Sie putzt sich schön heraus, schminkt ihr Gesicht, setzt Mütze und Schleier auf. So erscheint sie mit weissem Hals, roten Wangen und langen, dunklen Augenbrauen, Dann steigt sie hinauf auf den Predigtstuhl und beginnt die wahren Geheimnisse der taoistischen Lehre zu erklären. Sie gestattet nicht, dass die Tore des Tempels geöffnet werden. Ich weiss nicht, wer trotzdem die Leute insgeheim verständigt hat. Plötzlich entsteht eine gewaltige Bewegung wie Donnergepolter. Das Zuströmen der Menschen lässt glauben, dass alle übrigen Tempel leergefegt und nicht mehr besucht wären, Herrliche Reiter versperren die Strassen, und Wagen folgt auf Wagen. Der Tempel ist bald ganz voll, viele Besucher müssen draussen sitzen bleiben. Die zu spät Gekommenen finden keinen Platz mehr und keine Möglichkeit zuzuhören. Frauen legen ihre Haarnadeln, Braceletten, Gürtelgeschmeide ab (und schenken sie dem Mädchen), Gold und Edelsteine bilden Berge von hellem Glanz. Hofdamen übermitteln den Auftrag der Kaiserin und laden sie in den Kaiser-Palast ein. Die Kaiserin will die Bekanntschaft der Predigerin machen. Selbst der Kaiser nickt gnädig ihr zu und gestattet ihr endlich sich zurückzuziehen. Auf herrlichem Wagen (Drachen und Kranichen) reitet sie aus dem Himmelspalaste heraus. Junge Leute reicher Familien, die sich sicherlich für das Tao nicht interessieren, Kommen herbei und wandeln ohne Ermüdung hundertmal um den Tempel herum. Die bis in die Wolken ragenden Gebäude des Tempels machen die Sache noch mystischer. Da haust das Mädchen hinter dichten grünen Vorhängen und tief versteckt hinter goldenen Wandschirmen. Der Zugang zu den Regionen der Unsterblichen ist für gewöhnliche Menschen nicht leicht zu finden. Vergeblich suchen die jungen Leute Boten, um ihre Absichten dem Mädchen mitzuteilen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 162f. -
Hui he lian ju 會合聯句: Das Kettengedicht von der Wiedervereinigung (Han Yu 韓愈, Meng Jiao 孟郊, Zhang Che 張徹, Zhang Ji 張籍)
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Chang Chi: Als wir uns trennten, sprachen wir von der Hoffnungslosigkeit des Wiedersehens, jetzt bei unserer Wiedervereinigung sind unsere Gefühle umso tiefer. Han Yü: Meine Krankheit vermehrt die kindliche Liebe zu meinen Freunden, doch mein Alter raubt mir den Mut der Jugend (zum Dichten). Mêng Chiao: Aber ich weiss dass Dein energisches Herz noch nicht gestorben ist; Deine dichterische Inspiration erhebt sich (wie früher) zu einsamer Höhe. Chang Ch'ê: Unser Kummer (wegen der langen Trennung) verschwindet jetzt schneller als ein abgeschossener Pfeil; unsere Freude taucht auf, wie ein emporsprudelnder Quell. Chang Chi: Deine kritischen Worte enthalten viel Neues (Legge I, 241); Du öffnest Dein Inneres ohne die Zurückhaltung früherer Zeit. Han Yü: Wenn ich an das durchgemachte Leid zurückdenke, muss ich jetzt eifrig versuchen, mich zu bessern; ich bereue den Leichtsinn, womit ich Fehler begangen habe, und will nicht von neuem in solche verfallen. Mêng Chiao: In Deinen Gedichten über das Land Pa werden wilde Felsen erwähnt, in Deiner Beschreibung des Landes Ch'u sprichst Du von hohen Wellen. Chang Ch'ê: Als Du Deinen Verbannungsort zu Pferde verliessest, ärgerten sich die Tiger und Panther; als Dein Schiff abfuhr, sind die Drachen und Saurier erschrocken. Han Yü: Der stürmische Walfisch (jener Gegenden) erhebt sich oft allein aus Wogen, der einsam lebende Riesenaffe mischt sich auch unter andere Tiere. Chang Chi: Die von giftigen Dünsten durchtränkten Kleider haben stets einen ranzigen Geruch; die von den Bewohnern des Südens gebrauchten Geräte sind sehr oft für uns ungeeignet. Han Yü: Als ich das Moos vom gefleckten Bambus entfernte, sah ich mit Kummer die aus Tränen (der beiden Witwen des Shun) entstandenen Flecken; dreieckige Reiskuchen wurden von mir den Manen des im Milo ertrunkenen Ch'ü Yüan geopfert. Mêng Chiao: Plötzlich erhieltst Du aus der Ferne die kaiserliche Erlaubnis zur Rückkehr (nach Ch'angan); Du bist zurückgekehrt und erfreust Dich wieder der kaiserlichen Gunst. Han Yü: Ich habe die unheimlichen Scheusale in ihren Höhlen (im Süden) zurückgelassen und beobachte wieder in der Residenz die erhabene Regierungskunst (Legge III, 316). Chang Chi: Erst vor kurzem bist Du in der Hauptstadt eingetroffen und die Gedanken an die unangenehme Zeit Deiner Verbannung verfolgen Dich noch. Han Yü: Vor meinen alten Freunden brüste ich mich meiner (im Exil vertieften) Kenntnis des Shihking und Shuking und erhalte von Euch neue Geschenke von Speisen und Getränken. Mêng Chiao: Deine herrlichen Worte verraten Klarheit und Energie; Deine schmerzhafte Krankheit (Legge IV, 315) hat sich gebessert und die frühere Schwellung (des Halses) ist zurückgegangen (T. of T. I, 174, 252). Han Yü: Sommerwolken bedecken gerade den hohen Himmel, und der Neumond hat sich hinter ihnen versteckt. Mêng Chiao: Wir hören schweigend auf die Melodie vom weissen Schnee, während zarte Mädchenhände uns Thee servieren. Han Yü: Leuchtkäferchen erinnern an unruhig flackerndes Kerzenlicht, feine Töne verraten uns die versteckten Grillen. Mêng Chiao: Was ist es nur, das der alte Dichter noch am Herzen hat? Die Schwellung der Gliedmaszen, die Du Dir am Yangtzu zugezogen hast, ist noch vorhanden. Han Yü: Meine Heimat ist ursprünglich am Ku-ch'êng-Berg (in Honan), wo der Ch'ên-Fluss entspringt; dort besitze ich Land zwischen Ch'êng-kao und Kung (Chavannes, Mém. hist. II, 97). Dorthin möchte ich mich in Erinnerung an den Einsiedler Yên Tsun (B.D. No. 2476) zurückziehen: als hoher Beamter muss ich mich meiner Nutzlosigkeit schämen (Ch'u tz'u 16/23). Chang Chi: Am Wege zur Audienz sprengst Du hoch zu Ross dahin; Du flössest jedermann Respekt ein und alle hören voll Furcht (Wen-hsüan 18/19) Dein Kommen. Wenn Du von Deiner Rückkehr in die Heimat sprichst, wo Du Dich in verborgenen Quellen baden willst, wer sollte dann an Deiner Stelle (für den Hof) das Unkraut ausjäten (d.h. die schlechten Beamten wegschicken)? Mêng Chiao: Deine Uniform ist reich an blau und grün, die Ornamente Deines Zaumzeuges glänzen von Edelsteinen. Die Feinde des Staates sind noch nicht ausgerottet, und meine Absicht wäre es, die Distrikte Chiung und Lung von Rebellen zu säubern. Han Yü: Deine (Mêng Chiao's) Talente sind wirklich ungewöhnlich, und die öffentliche Meinung beschäftigt sich gerade lebhaft mit Dir. Deine Maximen zeigen grosse literarische Schönheit; Du hast Dein Amt aufgegeben (T. of T. I, 201) und stehst nun frei ohne Fesseln da (Chouli, ed. Biot II, 367). Unser Freund Chang Chi hat tiefe Bildung erworben; er ist wie eine immergrüne Fichte auf hoher Bergspitze (Legge IV, 322). Die charaktervolle Strenge (seiner literarischen Arbeit) erinnert an die Töne geschlagener Glocken, ihre wundervolle Feinheit an den endlosen Seidenfaden eines einzelnen Cocons. Mêng Chiao: Womit könnte ich (Legge IV, 58) verglichen werden? Wie könnte eine lahme Schildkröte noch tanzen? Ich bin wie ein loser Stein, der von einem hohen Berge herabgefallen ist, wie eine Flaumfeder, die auf ihrer Wanderschaft an einem Neste hängen geblieben ist. Han Yü: Die Drachenfahnen flattern über den kaiserlichen Garden, himmlische Musik konzentriert sich auf den Wegen der Verbotenen Stadt. Warum schlafet Ihr, meine Freunde, so friedlich, während die Palasttrommeln laut erdröhnen und den Beginn der Morgenaudienz ankündigen?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 209-211. -
Ji cui er shi liu li zhi 寄崔二十六立之: Dem Ts'ui Li-chih, 26. seines Clanes, übersandt (Han Yu 韓愈)
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Beim (überzähligen) Unterdistriksrichter von Lan-t'ien-hsien sind Gemüt und Auftreten beide ungewöhnlich. In früheren Jahren wetteiferte er mit anderen (bei den Prüfungen), Gedichte und poetische Beschreibungen zu verfassen, ohne den Einfluss seiner Freunde in Anspruch zu nehmen. Er stieg (in Ch'angan) von seinem Reitesel herab und betrat das Thor des Kaiserpalastes (bei der Doktoratsprüfung); die Leute rechts und links stoben erschreckt auseinander. Stolz nahm er Platz auf der Prüfungsmatte; es war wie wenn man im tiefen Walde plötzlich einen einzelnen Bären erblickt. Seine schriftliche Abhandlung kam so leicht zustande wie das Ausgiessen von Wasser; er verfasste sie, als ob er dazu durchaus keine Gedankenarbeit nötig gehabt hätte. Die anderen Prüflinge neigten alle ihr Haupt (vor Scham) und wagten selbst nicht nach rechts oder links zu schauen. (Nach Beendigung seiner Arbeit) stieg er die Stufen empor und verbeugte sich vor dem Prüfungskommissar, Vicepräsidenten Liu T'ai-chên; dann kehrte er nach Hause zurück, bevor noch die Sonne sich nach Westen geneigt hatte. Seine schönen Verse erklangen im Munde von allen, wie hätten die Prüfer gewagt darin Fehler zu finden? In zwei auf einander folgenden Jahren hatte er alle zum Doktorat notwendigen Prüfungen bestanden, so leicht wie wenn er ein unter seinem Kinn wachsendes Barthaar ausgerissen hätte. Im Kopfumdrehen hätte er auf geradem Wege ohne weitere Hemmungen die Stellung eines Ministers erreichen können. Wozu daher noch von seiner Ernennung zum Sekretär der kaiserlichen Kabinettskanzlei sprechen, wo ihm der blendende Glanz der Hofgewänder zuteil wurde. Wenn Knaben seinen Namen preisen hören, wünschen sie selbst Gleiches erlangen zu können. Seine Kollegen sind eifersüchtig und gekränkt; sie keuchen, als hätten sie auf einer Bambusflöte gespielt. Alte Frauen wollen ihre Töchter ihm verheiraten und versichern, dass vom Gelde nicht gesprochen werden soll. Alte Männer erwägen nicht den Unterschied in der Begabung und behandeln monatelang ihre Kinder mit der Rute (weil sie nicht so klug sind wie Ts'ui Li-chih). Voll Lärm wollen die Menschen alle ihm folgen und sich ihm anhängen, und darunter ist niemand, der es mit ihm (in Tüchtigkeit) aufnehmen könnte. – Doch von jeher kann der Gang der menschlichen Angelegenheiten in seinem Auf und Ab nicht vorher gewusst werden. Wo ist das Vöglein im Neste, das imstande wäre mit grossen Flügeln ausgerüstet bis an den fernen Horizont zu fliegen? Du warst wie ein Füllen oder ein Reh, dem man Zähne und Krallen gab oder dem man das Fell des wilden Tigers borgte. Dein Kopf trug gleichsam einen Zaum, der Dich hinderte, Dein Fuss war wie mit einem Strick gebunden. Da fielst Du in den Schlamm (wurdest Deines Amtes entsetzt), wer hätte da noch weiter Deinen Anweisungen Folge geleistet? Und da Du einer neuerlichen Prüfung durch das Ministerium des Innern unterworfen werden solltest, konnte man wissen, dass Dir das Glück nicht hold sein würde. Als Hofbeamter degradiert zu werden, war vielleicht das Dir auferlegte Schicksal. – So lebtest Du dann wie ein Fremdling in der Hauptstadt; innerhalb von zehn Tagen wurde nur einmal gekocht. Du sahst Dich gezwungen nach dem Lande der südlichen Barbaren zu gehen; von Deiner Frau und Familie, mit der Du gehaust, musstest Du Dich trennen. Erst als Du vor kurzem am Ufer des Han-Flusses eingetroffen bist, hat Deine Verlassenheit aufgehört (dadurch dass Deine Familie sich wieder mit Dir vereinigte). Auf dem Kleiderstock hängen wieder neue Kleider, und in den Tellern findet sich überreiche Speise. Wenn man wirklich an Essen und Kleidung keine Not mehr leidet, dann verfällt auch aller Unterschied zwischen Hoch und Niedrig. – Du zeigst Mitleid mit mir, der ich auch ein Freund des Altertums (und seiner Prinzipien) bin; denn auch meine amtliche Karriere ist voll von Gefahren und Schwierigkeiten. Allwöchentlich schickst Du mir einen Brief, das ganze Jahr hindurch ohne Unterschied. Woher kommt der Reichtum an Gedanken in Deinen neuen Gedichten; sie erinnern an Fahnen, die im Winde lustig hin und herflattern. Was ferner die übrigen Leistungen Deines Pinsels betrifft, so teilt er gleichsam die Wogen und lässt die (am Grunde des Meeres) liegenden Drachen erkennen. Aus ihren Augen schiessen Blitze, ihre Hörner und Mähnen ragen staar empor. Gerade jetzt bin ich verstimmt wegen der traurigen Jahreszeit; aber selbst wenn ich die Blüten des Frühlings vor mir hätte, könnte ich sie selbst nicht beschreiben. Dein Gedicht ist gekommen, und ich antworte darauf mit einem anderen; aber seufzend muss ich mich schämen wegen der darin gemachten Fehler. – Auch sandtest Du mir hundert Fuss farbigen Seidenstoff; aus dem tiefen Rot erkenne ich den Unterschied zwischen Deinem Reichtum und meiner Armut. Dieses Geschenk ist besonders geeignet, Deine Gefühle zum Ausdruck zu bringen; die verschiedenen Farbschattierungen machen auf mich einen gewaltigen Eindruck. Ich breite die Seide aus und lege sie wieder zur Seite; ich sitze gerade beim Essen, und Tränen fallen auf meinen Löffel. Alle meine Freundschaften werden immer kühler oder durch den Tod gelöst; die noch Lebenden verfolgen selbstsüchtige Zwecke und geben mich auf. Bist Du allein vielleicht irregeleitet, dass Du mein Freund geblieben bist und Deine Anhänglichkeit immer noch stärker wird? – Ich erhebe den Kopf und sehe vor mir die Bäume des Hofes entlaubt; ein wilder Wirbelsturm hüllt die fröstelnde Sonne ein. Weit getrennt sind wir von einander durch Berge und Gewässer; wie könnten wir doch wieder zusammenkommen und gleichsam ein Duett anstimmen auf Ocarina und Flöte (vgl. Han Yü IV, 20)? Seit unserer Trennung sind zehn Jahre vergangen, ich erinnere mich noch, dass eines Deiner Pferde lichtbraun, das andere tiefschwarz war. Dein ältestes Mädchen muss schon im heiratsfähigen Alter sein; wer wird Dir helfen, ihr die Ausstattung zu kaufen? Deine Söhne sind alle prächtige Burschen und können beinahe schon die Tradition Deiner Familie fortsetzen. Dein Eifer im Schriftstellern ist stets noch vorhanden, und in Deinen Aufsätzen finden sich immer wieder hervorragende Stellen (wie Fahnen). Wenn Dein Inneres bedrückt und Deine Miene betrübt ist, kannst Du wieder nach dem Weinbecher greifen (um Dich aufzuheitern). Ich dagegen, obwohl ich noch nicht siebenzig Jahre (Legge V, 152/6) alt bin, habe bereits einen kahlen Kopf und meine Knochen sind morsch. Die neunzehn Zähne, die ich noch besitze, wackeln alle in gefährlichster Weise. Vor meinen Augen schweben schwarze Schleier, und beim Betrachten der Dinge ist es mir, wie wenn sich ein feiner Flaum (Wen-hsüan 12/7) dazwischen schöbe. Einladungen zu Festen lehne ich dankend ab; mein Reitsattel ist aufgehoben, weil ich nicht mehr reite. Unablässig sitze ich an meinem Schreibtisch, wie ein Vogel auf der Leimrute. Ueberdies habe ich mir von meinem Lehrer sagen lassen, ich möge mich nicht durch die Reize der Aussenwelt zu Falle bringen lassen. Ein elternloses Ferkel schläft auf dem Misthaufen und denkt nicht daran, Opfertier im kaiserlichen Ahnentempel zu werden (ebenso wenig denke ich an Ruhm). Betrachte ich doch nur die Menschen einer Zeitperiode; wie wenige von ihnen treten hervor und haben einen Erfolg zu verzeichnen! Mehr als die Hälfte stirbt noch in jungen Jahren (mit schwarzem Haar) und die Würmer der Tiefe benagen ihre verfallenen Gebeine. Und jene die sich eines Erfolges erfreuen, haben denselben noch nicht genügend genossen, und schon widerhallt Himmel und Erde von kleinlicher Kritik und Tadel. Wenn wir ihren leeren Ruhm betrachten und damit ihren wahren Gewinn vergleichen, wie könnte ersterer den letzteren nur einigermaszen ersetzen? Ein Edler schämt sich dieses Strebens nach leerem Ruhm; und wenn er Besoldung empfängt, denkt er nach, ob er seinen Posten ausfüllt. Die Gnade des Staates zu empfangen, ohne dafür etwas leisten zu können, kommt der barmherzigen Versorgung eines Buckligen gleich (der nicht arbeiten kann). Schon lange will ich daher meine Entlassung nehmen, um zu verhindern, dass die Leute mich ärgerlich ansehen. Und überdies (abgesehen von meiner Unfähigkeit) bin ich krank, soll ich da etwa nicht an die Erhaltung meines wertvollen Körpers denken? Wenn ich vor meinem Tode den Dienst nicht verlassen kann, muss ich mich wirklich in meinem Innern vor den Göttern schämen. Meine alte Heimat liegt bei Loyang, dort steht ein schilfgedecktes Haus hinter einer Dornenhecke. Ich denke unentwegt an meine Rückkehr, aber die Flüsse Pa und Wei sind jetzt im Frühjahr infolge des Schmelzens des Schnees geschwollen. Solange ich lebe, will ich mein Feld beackern, im Tode will ich auf meinem Berge begraben sein. Mit meinen literarischen Arbeiten will ich nur die Lehre des Konfuzius weiterverbreiten, und erwarte nicht, dass mein Name in der Geschichte fortleben wird (Wen-hsüan 52/7). Du gehörst sicherlich zu meinen Anhängern; einem neuen gnädigen Erlass zufolge wurdest Du von Deinen Banden befreit (d.h. Du hast Deine Stellung aufgeben dürfen). Lasst uns daher an den Ufern der Flüsse I und Lo hin- und herwandern, ich werde auf Dich warten und einstweilen die Netze (für den Fischfang) festlegen. – Ich besitze ein Paar Trinkbecher, deren Silber aus den Minen von Shu-shih (Ssu-ch'uan) stammt. Vergoldet sind die darauf ciselierten Figuren, und ist diese Schnitzarbeit schöner als jene des Kung-ch'ui (T. of T. I, 286). So vermochte der Künstler den tausend Meilen langen Walfisch winzig klein abzubilden wie eine Heuschrecke (Legge IV, 11) Und stellte ferner (diesen Walfisch) im Kampfe mit dem hellen Monde dar, gegen den er sich aus der unendlichen Meeresflut erhebt. Weiters sind darauf verkleinert zu sehen Blüten und Blätter wilder Gräser, doch kann man Kraut und Unkraut (Lisao 35. str.) von einander nicht unterscheiden. Sie sind unzertrennlich mit einander verflochten und sehen aus wie die die Stadtmauer krönende Brustwehr. In den vier Ecken des Bildes stehen Eibischbäume, deren emporragende Blüten in üppiger Schönheit (Legge IV, 91) prangen. – Der Walfisch ist mit Dir selbst zu vergleichen, der Du Dein Element verlassen hast und in hundert Schwierigkeiten geraten bist. Der Mond ist mit der Ethik des Konfuzius zu vergleichen, welche Du unablässig in ihrer Ganzheit zu erreichen strebst. Die (verschiedene) Vegetation will nichts anderes besagen als dass Himmel und Erde gegenüber Hässlichem und Schönem unparteiisch sind. Ich möchte, dass Du (den einen dieser Becher) stets gebrauchtest und ihn immer (ob Du nun auf der Reise bist oder daheim) bei Dir trägst, wie die Pfrieme (zum Auflösen von Knoten) und den Bohrer (zum Feuermachen, vgl. Liki I, 621). An einem künftigen Tage hoffe ich dann meinen Becher dem Deinigen gegenüber zu erheben, und so werden dann die beiden Becher gleichsam wieder zu einem Paare vereinigt werden.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 145-149. -
Ji huang fu shi 寄皇甫湜: Dem Hwang-fu Shih übersandt (Han Yu 韓愈)
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An meine Türe wird gepocht und ich erwache aus dem Mittagsschlummer; auf meine Frage meldet sich ein kleiner Beamter des Chien-tê-Distrikts (in Chekiang). Er überbringt mir einen Brief, auf dessen Adresse ich die Schriftzüge meines Freundes Hwang-fu Shih erkenne. Ich breche den Brief auf und lege ihn (nach Durchsicht) aufs Bett; Tränen überfliessen mein Gesicht (beim Gedanken an unsere lange Trennung). Verwirrt kehre ich zu meinem Polster zurück (und schlafe wieder ein); in meiner Sehnsucht träume ich von einem Zusammentreffen. – Ach, wie schade, dass ich keine Zauberkraft besitze und nicht zwei Flügel erlangen kann, um zu Dir zu fliegen!–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 142. -
Ji jiang nan xiong di 寄江南兄弟: Ich sende diese Verse an meine Brüder in Kiangnan (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Ji lu tong 寄盧仝: Dem Lu T'ung übersendet (Han Yu 韓愈)
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Meister Yü Ch'uan (vgl. 4tes Gedicht), mein Freund, lebt in Loyang In einigen wenigen Kammern eines verfallenen Hauses. Ein Sklave mit langem Bart und ohne Kopftuch Und eine alte blossfüssige, zahnlose Magd sind seine Bedienung. Mit Fleiss ernährt er seine grosse Familie von über zehn Köpfen, Obenan seine Mutter und dann seine Frau und Kinder. Schon als junger Mann hasste er den Verkehr mit den Menschen, Verschloss die Türe, ging nicht aus und trieb es so volle zwölf Jahre. Es kam so weit, dass ein benachbarter Priester ihm erbettelten Reis als Speise brachte. Ich Unwürdiger war damals Distriktsvorsteher; musste ich mich nicht als solcher seiner Armut schämen? Was mir von meinem Gehalt nach Bestreitung amtlicher und privater Ausgaben übrig blieb, Liess ich ihm oft zukommen, um ihn damit bei seinen religiösen Pflichten ein wenig zu unterstützen. Ich ermahnte ihn beim Gouverneur von Loyang und beim Präfekten von Honan Besuch zu machen. Doch kaum hatte er diese Worte gehört, so verschloss er seine Ohren (Legge V, 736/2). Der Einsiedler (Shih Hung) von den Bergen nördlich des Lo-Flusses hat im Felde Ruhm erworben, Im Vorjahre trat er in die Armee als Stabsoffizier ein (vgl. Han Yü, 4. Buch, 32tes Gedicht). Der Einsiedler (Wên Tsao) von den Bergen südlich des Lo-Flusses folgte ihm nach, Reitpferde und Dienerschaft füllen jetzt sein Heimatsdorf. Der Einsiedler (Li P'o) vom Shao-shih-Berge verlangte für Aufgeben seiner Unabhängigkeit einen hohen Preis. Zweimal schon wollte man ihn als Censor anstellen, er nahm aber den Ruf nicht an. Alle diese Männer kritisieren scharf die Zustände des Zeitalters, Und da sie Talent besassen, entkamen sie nicht der kaiserlichen Kommandierung. Was unserem Meister Lu T'ung bevorsteht, kann man noch gar nicht ermessen. Aber er macht die Gesetze zu seiner Richtschnur (und will ausnahmsweise Begünstigung nicht annehmen). Die drei Kommentare zum Ch'un-ch'iu liegen verlassen auf hohem Bücherbrett, Er bleibt am Ch'un-ch'iu selbst (dem von Konfuzius hinterlassenen Klassiker, vgl. Asia Major, 1926, pg. 586) festhalten und untersucht es vom Anfang zum Ende. Vor Jahren machte er ein Gedicht, worin er mit den Worten "gleich" und "ungleich" jonglierte. Seine seltsamen Worte erschreckten die Menge, die ihn (seither) ohne Aufhören verläumdet. Vor kurzem sagte er selbst, er wolle (von nun an) den ebenen, am leichtesten gangbaren Weg suchen, Wie wenn er auf einem herrlichen Renner in die freien Lüfte aufsteigen möchte. Vergangenes Jahr wurde ihm ein Sohn geboren, er nannte ihn T'ien-ting (Vermehrung der Bevölkerung, vgl. Pétillon, All. litt. pg. 263). Seine Idee ist es, ihn zum Frommen des Staates Landmann werden zu lassen (Legge IV, 377). Im grossen Reiche innerhalb der vier Meere sind doch zahllose Menschen, Gibt es darunter etwa keine Bauern, die selbst die Hand an den Pflug legen? O Meister, Du besitzest Fähigkeiten, die schliesslich sicher in weitgehender Weise Verwendung finden werden; Doch wenn Dir nicht gleich die Ministerwürde gegeben wird, dann willst Du, glaube ich, nicht Beamter werden. Wenn Du nicht in den Reihen der Mächtigsten Aufnahme findest, Dann hoffst Du durch Verfassen von Werken und vorbildliches Leben auch berühmt zu werden, Sodass Deine Nachkommen bis in's zehnte Geschlecht nachsichtige Beurteilungen erführen (Legge V, 488/13). Wer könnte auch behaupten, dass Dein Vermächtnis (Legge IV, 463) an die Epigonen nicht gut fundiert wäre? Von jeher weiss ich, dass Deine Pietät und Loyalität aus göttlicher Veranlagung stammt, Und man darf Dich nicht mit jenen vergleichen, die dem Staat nicht dienen, weil sie sich rein erhalten wollen (Legge I, 336). - Gestern Abends kam Dein langbärtiger Diener zu mir, um eine Klage vorzubringen: "Schlechte Buben aus der Nachbarschaft trieben es über die Maszen arg. Sie ritten stets auf dem Giebel ihres Hauses und spähten nach unten (in sein Haus), Sodass alle Insassen erschrocken über Hals und Kopf geflüchtet wären. Sich auf Verwandtschaft mit den Behörden berufend hätten die Buben die Polizei getäuscht; Er glaube nicht, dass blosse Verordnungen (Legge III, 531) dem Uebel abhelfen könnten". Der Meister hat schon lange Schimpf erfahren, doch hat er bisher nichts gesagt. Wenn er jetzt plötzlich klagen kommt, muss wirklich ein guter Grund zur Klage vorhanden sein. Ach, nun bin ich Distriktsrichter von Fêng-hsien Und wenn ich jetzt von meiner Macht keinen Gebrauch mache, worauf warte ich dann noch? Sofort beauftrage ich den Polizeikommissar, die Schergen zu rufen, Sie mögen jenes Gesindel ergreifen und ihre Leichen auf dem Marktplatz zur Schau stellen. Da sandte der Meister aufs neue seinen langbärtigen Diener (und liess sagen:) "Er könne sich über eine so strenge Bestrafung nicht freuen, Ueberdies sei jetzt Frühling, die Zeit des Wachsens und Gedeihens, Weswegen man in den Städten (Liki I, 381) nicht zu strenge regieren dürfe". Vor Dir, o Meister, habe ich wirklich Respekt, Und Deiner Einsicht komme ich auch im entferntesten nicht nahe. Wenn ich aber die Leute laufen lasse, wessen Fehler ist es dann? Ich will nicht denselben Fehler wie jener Richter begehen und nur den Diener des Schuldigen bestrafen, wie es uns im Tsochuan (Legge V, 418/16) erzählt wird. Ich kaufe also ein Lamm und Wein, und will mich auf diese Weise wegen meiner Unfähigkeit entschuldigen (Legge V, 521/3). Zufällig ist gerade Vollmond, dessen Glanz die Pfirsich- und Pflaumenbäume verschönert. Wenn Du, o Meister, die Absicht hast, meiner Einladung Folge zu leisten und zu kommen, Sende mir wieder den langbärtigen Diener mit einem Brief als Antwort (Wen-hsüan 27/16).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 123-126. -
Ji meng 記夢: Der Traum (Han Yu 韓愈)
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In der Nacht träumte ich, dass ein Beamter der Geister mit mir sprach. Ausführlich und anmutig war seine Rede, alles hatte Hand und Fuss. Von Prinzipien und Richtungslinien floss sein Mund über, Ein ganzer Tag verging damit wie in einem Augenblick. Ich lauschte seinen Worten und hatte noch nicht genug, Da verliess er uns plötzlich und ging quer über den Abhang des Berges. Ich mit zwei Freunden eilte ihm nach. Jener, der voranging, bewegte sich fest und unverzagt, Und auch ich schritt sicher über gefährliche Stellen, Wie wenn der Fuss unbewusst erstarkend das Stolpern verlernt hätte. Vornübergebeugt blickte ich aus meiner Höhe hinab in das Dunkel von Schluchten. Mein Stock stiess gegen eine Jadetafel und helle erklang's. Ein Beamter der Geister bemerkte mich, sein Gesicht heiterte sich auf und er lachte. Mir gegenüber stand ein kräftiger, nicht mehr junger Mann. Ein Steinhügel, sanft abfallend, lud uns zum Ruhen ein. So stützte ich das Kinn mit der Hand und den Ellenbogen auf den Grund. Mächtige Paläste mit hohen Türmen ragten vor mir hoch in die Lüfte, Und der Himmelswind blies sanft über mich hinweg. Da recitierte der kräftige, nicht mehr junge Mann einen Vers von sieben Worten. Sechs Charaktere waren gewöhnliche Sprache, einer aber schwierig. Mit den Fingern nahm ich eine (mir angebotene) Prise von Ambrosia (Edelsteinpulver), Und während ich sie kosten wollte, frug ich ihn wegen jenes schwierigen Zeichens. Da war der zweite Vers wie vor dem Munde des Dämons abgeschnitten. Ein giftiger Blick schoss aus seinem Auge, und sein Gesicht zeigte keine Freude. Da wusste ich, dass mein Unsterblicher nicht zu den Weisen gehörte, Dass er vielmehr einer war, der Fehler beschönigt, sich auf Dummheit stützt und durchaus verehrt werden wollte. Wenn die Menschen mich hätten biegen können, wäre ich in der Welt schon vorwärts gekommen; wie könnte ich erst Dir, o Dämon, folgen und bei Dir im Geisterberg hausen (wenn auch Du die Wahrheit nicht hören kannst und meine Kritik übel aufnimmst).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 184. -
Ji sui zhou zhou yuan wai 寄隨州周員外: Dem Ministerialsekretär Chou Chün-ch'ao, Gouverneur von Sui-chou, übersendet (Han Yu 韓愈)
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Unsere früheren Freunde Lu Ch'ang-yüan, Mêng Shu-tu, Ch'iu Ying und Yang-ning sind alle schon lange tot. Und wer ist von ihren Zeitgenossen jetzt noch am Leben? (Nur wir beide). Nach unserer Trennung sollst Du, wie ich erfahren habe, das Wissen vom Lebenselixir erlangt haben. Ich bitte Dich daher mir eine kleine Dosis zu schenken, um damit meinem kranken Körper zu helfen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 282. -
Ji wei zhi 寄微之: Ich sende diese Verse an Yüan Chên (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Jian jian yin 簡簡吟: Das Lied von der kleinen Chien-chian (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Jian shi 薦士: Preis des Gelehrten (Han Yü empfiehlt seinen Freund Mêng Chiao dem Gouverneur von Honan Chêng Yü-ch'ing) (Han Yu 韓愈)
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Die dreihundert Gedichte des Shihking (der Chou-Dynastie) enthalten in schöner, erhebender Sprache Belehrung und Warnung und können dem Shuking verglichen werden. Nachdem sie einmal durch Konfuzius revidiert worden sind, wie könnte ich wagen sie zu kritisieren? Die fünffüssigen Verse stammen aus der Han-Zeit, Su Wu und Li Ling (B.D. No. 1792 und 1171) haben zuerst den neuen Namen gebraucht (Chavannes IV, 257). (In der Zeit des Kwang-wu-ti) sind sie in der östlichen Hauptstadt Loyang allmählich sehr in Mode gekommen, die hundert verschiedenen poetischen Formen (die nun entstanden) verhalten sich zum Shihking wie Nebenflüsse (Wen-hsüan 5/3). In der Chien-an-Periode (196-220 n. Chr.) gab es sieben grosse Dichter (D.B. No. 777), die in hervorragender Weise die Dichtkunst veränderten. Im weiteren Verlaufe gelangen wir zur Chin- und Sung-Dynastie, wo die Gestaltung der Ideen zunehmende Degeneration zeigt. Unter den (wahren) Dichtern jener Zeit wollen wir Pao Chao und Hsieh Ling-yün (B.D. No. 1619 und 739) nennen, deren Vergleiche und Allegorien besonders schön und tief waren. Was die folgenden Dynastien Ch'i, Liang, Ch'ên und Sui betrifft, so sind deren poetische Leistungen wohl alle dem Zirpen von Zikaden zu vergleichen. Der Frühling der Poesie wird nach (duftenden) Blumen und Kräutern durchsucht, und die Anlehnung an die Vorgänger (Liki II, 63) wird leider oft zum Plagiat. Unter der jetzigen Dynastie endlich hat die Literatur einen grossen Aufschwung genommen, und unter den ersten, die sich stolz erheben (Legge V, 853/7), ist Ch'ên Tzu-ang (B.D. No. 258). Da erscheinen plötzlich Li T'ai-po und Tu Fu, welche die ganze Natur sich unterwarfen. Die Epigonen, die ihre Kunst fortsetzten, fanden auch alle noch verborgene Schönheiten. Unter diesen ist Mêng Chiao einer der besten. Sein gottbegnadetes Talent ist wirklich voll stolzer Kraft. Seine tiefe Einsicht durchdringt Altertum und Neuzeit, seine Originalität verfolgt tiefliegende Feinheiten. Stets weiss er kräftige Worte unterzubringen und zeigt in der glatten Komposition eine Stärke, die Ao (Legge I, 277) in Schatten stellt. In der Darstellung des Zarten liebt er anmutige Wendungen; wenn in wilder Erregung, überwältigt er wie die Wassermassen des Meeres. Seine herrlichen Ausdrücke erinnern an himmlische Blumen, seine Kunst der Stegreifproduktion ist grösser als die Promptheit des Echo. Seine Lebensführung folgt den hergebrachten Regeln; sich mit kleiner Stellung zufriedengebend schämt er sich den Ministern zu schmeicheln (Legge I, 159). Mêngtzu (Legge II, 306) unterschied gut und böse, je nachdem die Pupille der Menschen klar oder getrübt ist. Mêng Chiao's Auge ist besonders helle und weiss beruhigenden Einfluss auf die stürmischen Streber auszuüben. Als armer Gelehrter wurde er zum Sekretär des Districtsrichters von Li-yang ernannt. War er mit seinen fünfzig Jahren für diesen Posten nicht schon zu alt? (Liki I, 9). Mit Eifer (Legge III, 76) kommt er seinen Pflichten als Sohn nach (Liki I/625) und trotzt schon seit langem Kummer und Sorgen. Unter dem grossen Publikum wer ist da, der ihn wirklich kennen würde? Kritiker wetteifern nur ihn zu tadeln und zu verspotten. Der Kaiser sucht gerade jetzt übersehene, in Zurückgezogenheit lebende Männer (Legge II, 207) und täglich werden hervorragende Charaktere (Legge IV, 377) zu Beamten ernannt und verwendet. Der Hof (Ahnentempel der Dynastie) besitzt nun einen weisen Minister (Chêng Yü-ch'ing), der die Tüchtigen liebt und sie in gerechter Weise zu fördern und zu schützen sucht. Ueberdies ist Mêng Chiao bei Kuei Têng und Chang Chien-fêng günstig bekannt, welche beide wiederholt mitleidig sich seiner annahmen. Wenn sie ihre Empfehlungen an den Kaiser richten wollten, wäre (das Erlangen einer guten Stelle) so leicht, wie wenn ein starker Pfeil die Seide von Lu durchbohrt. Warum bleibt ein Erfolg so lange aus? Jetzt will Mêng Chiao (nicht länger warten und) nach Hause zurückkehren. Der Herbst naht heran, wo ein eisiger Wind die herrliche Aster vernichtet und wo man am fröhlichen Feste (des 9. des 9. Monats) die vom Winde entrissene Mütze verfolgt (Pétillon pg. 115). Wenn ich denke, dass er jetzt entschlossen ist sich von mir zu trennen, werde ich von der herbstlichen Natur ergriffen und es wächst noch weiter meine Freundschaft für ihn. Im Shihking wird von jenen kleinen Wassergentianen (Legge IV, 3) erzählt, dass sie von der Umgebung des Fürsten unermüdlich gepflückt wurden (umsomehr muss der tüchtige Mêng Chiao gewählt werden). Das Reich des Herrschers von Lu war besonders klein, doch hat es verstanden die wertvollen Dreifüsse von Kao (Legge V, 37) in seinem Ahnentempel aufzunehmen (umsomehr muss das grosse T'ang-Reich sich des Mêng-Chiao annehmen). Gerade jetzt in der Zeit, da man zwischen Alabaster und Jade wählt (Liki II, 697), warum will man ein Jadezepter verwerfen? – Voll Unruhe sind meine Gedanken, und mein Herz ist bewegt wie eine Fahne im Winde. Leider habe ich jetzt keine Möglichkeit, dem Kaiser persönlich die Sache vorzutragen, aber Tag und Nacht bittet mein Herz Dich, ihm helfen zu wollen. Die Flügel des Kranichs sind nicht mit der Geburt schon gegeben, ihre Entwicklung hängt von der Brütung und Fütterung ab. Euch mächtigen Herren, die ihr Zutritt zum Kaiser habt, (wie Wasser zum Meere), kann der Entschluss nicht schwer werden: ein bisschen Erde kann leicht transportiert werden. Wenn man nicht ohne Unterlass die Guten heranzieht, wird man später vergebens Reue empfinden. Wenn man jemanden vom Hungertode retten will, ist das Zubereiten der acht Leckerbissen nicht so gut, wie ein Korb (einfacher) Lebensmittel. Tadle mich nicht (Legge III, 359) wegen dieses kleinen Gedichtes, Du von den Geistern gesegneter erhabener Weiser! (Legge IV, 446).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 55-58. -
Jiang gui zeng meng dong ye fang shu ke 將歸贈孟東野房蜀客: Ich will in die Heimat zurückkehren. Meinen Freunden Mêng Tung-yeh und Fang Shu-k'o gewidmet (Han Yu 韓愈)
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Mir ist der Eintritt in den Kaiserpalast versperrt, jene die Einfluss und Geld besitzen, helfen einander, um vorwärts zu kommen. Ich frage Euch, die Ihr dem Studium obliegt, warum seid Ihr eigentlich in die Residenz gekommen? Ueberrascht hebt Ihr den Kopf und könnt mir nicht antworten. Ich schliesse die Augen, um selbst ein wenig nachzudenken. In einem Nu sind sechzehn Jahre vergangen, und jeden Morgen leide ich Hunger und Kälte. Die amtliche Karrière ist wirklich voll Enttäuschungen, und meine Haare sind infolge dessen grau geworden. Der Ying-Fluss ist klar und einsam, der Ch'i-Berg ist leicht zu ersteigen. Jetzt muss ich endlich dorthin (in meine Heimat) zurückkehren, ich kenne kein Bedauern mehr und bin fest entschlossen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 155. -
Jiang han da meng jiao 江漢答孟郊: Die Flüsse Yang-tzu-chiang und Han. Antwort (auf ein Gedicht) des Mêng Chiao (Han Yu 韓愈)
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Obwohl es heisst, dass die Flüsse Chiang und Han breit sind, so ist es doch nicht schwierig sie in einem Boote zu überqueren. Die Wüste Gobi ist wirklich nicht leicht zu durchreisen, doch auf Pferdesrücken kann man stets hin und zurück kommen. Wenn der kalte Südwestwind hohe Wellen zu Eis werden lässt, kann ein Fuchspelz die Kälte wehren. Statt die ganze Nacht im dunklen Zimmer zu sitzen, zündet man die farbige Kerze an, deren Licht weithin ausstrahlt. Wenn man nur imstande ist, Ehrlichkeit und Wahrheit in Anwendung zu bringen, dann kann man auch mitten unter den Barbaren ruhig leben (Legge I, 295, 221). Ach, wir beide (Du und ich) haben stets diese Gedanken im Innern gehegt. Warum beschenktest Du mich wieder mit einem Gedichte (dieses Inhalts)? Offenbar damit wir unsere enge Freundschaft (die auf Ehrlichkeit und Wahrheit beruht) niemals vergessen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 27. -
Jiang zhi shao zhou xian ji zhang duan gong shi jun jie tu jing 將至韶州先寄張端公使君借圖經: Im Begriffe nach Shao-chou zurückzukehren, schicke ich zuvor dieses Gedicht dem kaiserlichen Kommissär, Censor Chang, und bitte ihn darin um ein geographisches Werk mit Landkarten (Han Yu 韓愈)
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Ich habe schon lange von der Schönheit der Landschaft von Ch'ü-chiang-hsien gehört. Ich fürchte die Namen ihrer schönen Punkte nicht zu kennen, und sich zu erkundigen ist doppelt schwierig. Ich möchte Dich daher bitten mir ein geographisches Werk mit Karten zu leihen, womit ich dann die Grenzen Deines Distriktes betreten werde. Sobald ich jene schönen Punkte erreiche, kann ich dann in jenem Werke mit Leichtigkeit nachschlagen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 278f. -
Jiao er shi 驕兒詩: Mein geliebtes Söhnchen (Li Shangyin 李商隱)
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Mein geliebtes Söhnchen Kun-shih ist von anmutiger Schöhnheit, die nicht ihresgleichen hat. Als er kaum ein Jahr alt noch in gestrickten Windeln lag, wusste er doch schon die Schriftzeichen für sechs und sieben. Mit vier Jahren nannte er bereits seinen Namen und Zunamen, und seine Augen kümmerten sich nicht um Birnen oder Kastanien (wie der Dichter T'ao Yüan-ming von seinen dummen Kindern erzählt). Meine Freunde fanden Gefallen daran den Kleinen zu beobachten und meinten, er sei ein junger Phönix (vom Berg der roten Grotte). Unter einer früheren Dynastie (Chin) hätte man besonderes Gewicht auf schönes Äusseres gegeben, da wäre er sicher als einer der ersten geehrt worden. Und wenn er kein Phönix sei, so gehöre er den unsterblichen Genien an; und wenn letzteres nicht der Fall sei, so habe er das Wesen einer Schwalbe oder eines Kranichs. Wie konnten doch die Freunde mein Kind so loben? Vielleicht wollten sie damit nur mich alten, verfallenen Mann trösten. - In den milden Monaten des grünenden Frühlings spielte mein Knabe mit befreundeten Neffen und Nichten. Bald liefen sie zusammen um die Halle herum, bald dangen sie in den Wald hinein; dabei machten sie einen Lärm, wie wenn kochendes Wasser auf metallenem Dreifuss überläuft. Wenn vornehme Besucher an meine Pforte klopften, bat er mich hastig, ob er nicht zuerst hinausgehen dürfe (sie zu empfangen). Und wenn der Gast ihn frug, was er wolle, so behielt er seine Absicht für sich und sagte nicht die Wahrheit. Dann kehrte er zu mir zurück, das Äussere des Gastes nachahmend; stiess die Türe auf, in der Hand die Amtsinsignien seines Vaters. - Manchmal färbte er sein Gesicht schwarz und nannte sich dann den schwarzen Chang Fei (B.D. No. 51), manchmal begann er scherzweise zu stottern wie Têng Ai (B.D. No. 1903); Er bewegte seine Arme wie ein kühner Falke seine Flügel oder rannte dahin wie ein wildes Ross. Oder er schnitt sich einen grünen Bambusstock ab und ritt darauf rücksichtslos herum. Plötzlich ähmte er den Herrn Major (aus einem Theaterstücke) nach und rief mit verstellter Stimme seinen alten Burschen Ts'ang-hu. Dann wieder machte er neben der Lampe mit dem Seidenschirm sein Kotow und erwies so der Buddahstatue seine abendliche Verehrung; Oder er entfernte nach der Decke schauend mit der Peitsche das dortige Spinnengewebe; oder e trank, sich über den Opfertisch beugend, vom dortstehenden Blütenhonig. Er suchte in Leichtigkeit mit den Schmetterlingen zu wetteifern und wollte in Schnelligkeit hinter den fliegenden Weidenkätzchen nicht zurückbleiben. Begegnete er seiner älteren Schwester an der Treppe, gleich prüfte er sie im Zählen der zyklischen Zeichen der Kalendertage, wobei sie den Kürzeren zog. Eigensinnig bestand er darauf, mit ihr in ihr Zimmer zu gehen, um dort mit ihren Toilettegegenständen spielen zu können, und wenn ihm sein Wille nicht getan wurde, riss er den Metallknopf der versperrten Türe ab. Wenn die Schwester ihn umfasste, warf er sich hin und her; sein ernstlicher Zorn war nicht zu bändigen. Gekrümmten Leibes zog er mit aller Kraft am Fenstervorhang oder sich räuspernd spuckte er auf den lackierten Guitarrenkasten. Manchmal sah er seinem Vater zu, wie dieser schöne Schriftzüge kopierte, und stand dann steif daneben ohne seine Knie zu bewegen. Sah er alten Brokat, so bat er, ihm davon ein Gewand machen zu lassen; selbst den Jadestab im Innern der Bücherrollen begehrte er. Er bat den Papa, auf bunten, viereckigen Papierstücken die Zeichen "Glücklicher Frühling" zu schreiben, die dann am Tage des Frühlingsbeginnes überall aufgeklebt werden sollten. Dazu brachte er sein schief zusammengerolltes Pisangblatt als Papier und überreichte emporhaltend als Pinsel einen Magnolienstengel. - Ich dein Vater habe früher gerne in Büchern studiert und mich gar sehr bemüht, eigene literarische Erzeugnisse hervorzubringen. Abgehärmt sehe ich aus und nähere mich dem vierzigsten Lebensjahre; obwohl ganz mager, fürchte ich Flöhe und Läuse (d. h. die beissende Kritik der Welt). Du musst also vorsichtig sein und ja nicht Deinen Vater nachzuahmen such; wenn Du studierst, trachte nicht danach als erster oder zweiter die Prüfung zu bestehen. Jang Chü (B.D. No. 919) verstand nichts als Strategie, Chang Liang (B.D. No. 88) war nur tüchtig in der Taktik (der Wissenschaft des Huang Shih Kung, B.D. No. 866). Und doch sind sie Lehrer von Kaisern geworden und besassen sonst nicht das geringste, dessen sie sich hätten rühmen können. Kriegskunst ist jetzt umso wichtiger, als im Westen und Norden die Barbaren gerade besonders frech geworden sind. Bisher hat der Hof sich noch nicht entschliessen können, sie auszurotten oder zu begnadigen, und scheint sie gewissermaszen erhalten zu wollen wie ein chronischer Übel. Du mein Sohn musst daher schnell gross werden und dann wie einst General Pan Ch'ao (B.D. No. 1598) in die Tigerhöhle dringen, um das Junge zu stehlen. Dann wirst Du zum Grafen eines Gebietes von zehntasend Seelen ernannt werden und brauchst nicht etwa einem bestimmten Klassiker Dein lebenslanges Studium zu widmen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 353-355. -
Jie zai dong sheng xing 嗟哉董生行: Die Geschichte "Ach, unser armer Tung" (Han Yu 韓愈)
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Der Huai-Fluss kommt aus dem T'ung-po-Berge hervor. Und strömt gar weit nach Osten. Nach tausend Meilen fliesst er noch immer ununterbrochen weiter. Der Fei-Fluss entspringt neben dem Huai-Fluss. Er bringt es nicht auf tausend Meilen, Sondern ergiesst sich schon nach hundert Meilen in den Huai-Fluss. – Unter den Distrikten, welche zu Shou-chou gehören, befindet sich auch An-fêng-hsien. Dort lebte in der Periode Chêng-yüan (785-805 n. Chr.) der T'angdynastie unser Freund Tung Shao-nan. In zurückgezogener Rechtschaffenheit lebte er dort. Der Gouverneur konnte ihn nicht (dem Kaiser) empfehlen (da er ihn nicht kannte). So kam es, dass der Himmelssohn von seinem Rufe nichts vernahm. Weder Rang noch Gehalt erreichte sein Haus. Ausserhalb der Türe gab es nur Büttel und Schergen, Die täglich kamen, um Steuern einzutreiben und obendrein Geld abzupressen. Ach, unser Freund Tung ging morgens das Feld bestellen, Abends kehrte er zurück, um in den Büchern der alten Weisen zu lesen. Den ganzen Tag fand er keine Ruhe. Entweder ging er in die Berge um Brennholz zu sammeln, Oder an den Fluss um zu fischen. Dann ging er in die Küche, um gute Speisen (für seine Eltern) zuzubereiten. Dann begab er sich zu seinen Eltern, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Die Eltern hatten keine Sorgen, Frau und Kind hatten keinen Grund um zu seufzen. Ach, unser armer Tung war pietätvoll (gegen die Eltern) und liebevoll (gegen Frau und Kind). Die Menschen wussten nichts von seiner Rechtschaffenheit, Nur Gott im Himmel wusste es. Und Gott gab ihm Glück und Segen ohne Ende. – Im Hause war eine Hündin, die Futter für ihre Jungen suchen ging. Da kamen die Hühner und wollten die kleinen Hunde füttern. Sie riefen sie (wie Küchlein) und pickten Würmer und Ameisen aus dem Boden des Hofes, Um sie den Hündchen zum Fressen zu geben; doch diese wollten keine Würmer fressen und liessen klägliche Laute ertönen. Voll Unruhe liefen die Hühner herum und wollten gar lange die Hündchen nicht verlassen. Mit ihren Flügeln suchten sie sie zu beschützen und warteten bis die Hündin zurückgekommen war. (Diese Geschichte soll zeigen, dass Tung durch seine Tugend selbst die Tiere seines Hofes beeinflusste.) – Ach, unser armer Tung, wer hätte ihm in seiner Tugend gleich kommen können? Heutzutage streiten sich Gatte und Gattin, Und Brüder werden zu Feinden. Die Leute der Jetztzeit geniessen Gehalt vom Kaiser und lassen (trotzdem) die Eltern darben. Warum ist doch deren Herz anders als jenes unseres Tung? Ach, unser armer Tung findet niemanden, der mit ihm verglichen werden könnte.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 61f. -
Jie zhi 結之: Nach dem Tode meiner Freundin das Facit ziehen (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Jin gong po ze hui chong bai dai si yi shi shi mu zhong bin ke yu feng he 晉公破賊回重拜台司以詩示幕中賓客愈奉和: Bei der Rückkehr P'ei Tu's von seinem siegreichen Kampf gegen die Rebellen wird er neuerdings zum Ministerpräsidenten ernannt; er verfasst ein Gedicht und zeigt es den Offizieren seines Hauptquartiers. Han Yü antwortet auf dieses Gedicht mit folgenden Versen (Han Yu 韓愈)
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Dein im Süden siegreiches Heer befindet sich gerade auf der Rückkehr östlich vom T'ai-hua-shan. Ein kaiserlicher Erlass ist nächtlicher Weile eingetroffen und belohnt Deine aussergewöhnlichen Verdienste. Als Generalissimus hast Du früher schon eine Stellung eingenommen, die höher war als jene der drei höchsten Minister. Jetzt erhälst Du als Ministerpräsident den neuen Rang eines Herzogs vom Reiche Chin. Deine Unterbeamten wollen jetzt zusammen mit Dir in die Hauptstadt zurückkehren, um wieder in den Reihen der Unsterblichen (bei den kaiserlichen Audienzen) zu stehen. Deine wackeren Offiziere sehnen sich sich zurück in den Kaiserpalast, wo sie früher als Garden in Verwendung standen. Ich schäme mich schon lange meiner militärischen Stellung, da ich keine Befähigung dazu besitze. Wenn ich nur einen unwichtigen Beamtenposten erhalten könnte, dann würde ich darin schon eine äusserst gerechte Belohnung erblicken.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 272f. -
Jing ni si shi yun 井泥四十韻: Der Brunnenschlamm (Gedicht in vierzig Reimen) (Li Shangyin 李商隱)
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Im nordwestlichen Teil des Dorfes I-jên bei Loyang befindet sich ein hohes Gebäude . Gestern hat der Hausherr dort westlich von der Haupthalle einen Brunnen graben lassen. Einige Arbeiter brachten Erde und Schlamm des Schachtes auf Wagen weg. Obwohl sie schon mehrere Fuss tief auf Wasser stiessen, erreichten die herausgeholten und aufgehäuften Massen die Höhe der im Hof stehenden Bäume. Wenn in Zukunft der Brunnen vollständig ausgemauert sein wird, wird man mit der gewonnenen Erde einen erhöhten Weg anlegen können, Der mit seinen Windungen dem Rand des Waldes folgend bald zum Vorschein kommt bald verschwindet und überdies noch rings um den Weiher herumführt. Dieser Schlamm hat den Boden des Brunnens verlassen undempfängt nun von oben die befruchtende Feuchtigkeit des Regens und des Taus. Dieser Schlamm hat von den Wasseradern der Tiefe Abschied genommen und dann der Brunnenöffnung Lebewohl gesagt. Er hat diese plötzliche Erhöhung nicht erwartet, die verglichen mit früher für ihn eine grosse Verbesserung bedeutet. – Ich war auf einer Reise begriffen und kam langsam von Westen (Ch'ang-an) her nach diesem Dorf. Eines Tages stieg ich hier vom Pferde; es war gerade Frühling und überall grünte üppig das duftende Gras. Ringsherum standen viele herrliche Bäume; wenn die Sonne auf- und unterging, zeigten die Wolken prächtige Reflexe. Abends bedeckten abgefallene Blüten den ganzen Boden, Vögel sangen versteckt im Gebüsch. Als eine Epheulaube mich zum Sitzen einlud, konnte ich da auch aus einem verzierten Holzbecher Wein trinken. Hier wartete ich auf das Aufsteigen des einsamen Mondes, wie wenn ich ein schönes Mädchen eingeladen hätte zu kommen. Hier dachte ich mit Kummer über die die Natur beherrschenden Gesetze nach; niemals zuvor im Leben war ich so traurig. Bei all' den vielen Menschen dieser unendlichen Welt ist es durchaus nicht sicher, ob sie nicht auch einmal reich und angesehen werden (ähnlich wie der Brunnenschlamm eines Tages aus dem Dunkel des Schates ans Sonnenlicht gebracht wurde). Kaiser Yao konnte seinen Thron dem braven Shun übergeben; er zweifelte nicht an dessen Tüchtigkeit, obwohl Shun's Vater schlecht war. Ta Yü wurde schliesslich Shun's Nachfolger, obwohl sein Vater Nun des Kaisers Beifall nicht gefunden hatte. Kaiser Ch'in Shih-huang Vereinigte das ganze Reich unter seinem Szepter, und doch war er nur der uneheliche Sohn des Lü Pu-wei. Han Kao-tsu wurde mit grösster Leichtigkeit Kaiser und sagte von sich selbst, dass er ursprünglich ein amtsloser Privatmann war. Ts'ao Pi empfing als Herrscher von Wei das Reichssiegel der Han-Dynastie (wurde Kaiser Wei Wenn-ti), aber sein Ahne war der Adoptivsohn eines Eunuchen. Als die BArbaren mit langen Lanzen über China herfielen, hinderte nichts, dass aus den fünf Tatarenstämmen Kaiser hervorgingen. Und nicht nur bei Kaisern war es so, auch für Minister gilt das Gleiche. I Yin half dem Herrscher Ch'êng T'ang bei der Gründung der Shang-Dynastie, aber er besass keinen Vater (wurde in einem hohlen Maulbeerbaum geboren). Der alte Angler Lü Wang vom P'an-Fluss wurde ohne Schwierigkeit Berater des Herzogs Wên von Chou. Ein Hundeschlächter (Fan K'uai) und ein Seidenhändler (Kuan Ying) tauchten plötzlich auf und wussten das Han-Reich aus den Trümmernvon Ch'in zu errichten. Herzog Liu Fa, Sohn des Han-Kaisers Ching-ti wurde als Erster mit Ch'ang-sha belehnt, obwohl er nicht der Sohn der kaiserlichen Nebenfrau Ch'êng, sondern einer Kammerzofe war. Han Wu-ti fragte bei einem Besuche bei seiner Schwester, Prinzessin Tou, nach ihrem Gatten "dem Hausherrn"; und doch war dieser der Sohn eines Perlenverkäufers. In Wu-ch'ang gab es einst einen Mann, der im Alter und Elend ein Weib wurde und noch geheiratet wurde. Die Seele eines Königs von Ssu-ch'uan verwandelte sich in einen Kuckuck, der jetzt noch in den dortigen Wäldern klagt. Die Hühner des Liu An leckten vom Lebenselixier ihres Herrn und verschwanden als Unsterbliche in den Wolken. – Der Schöpfer lässt die Wesen in mannigfaltiger Veränderung erscheinen und man kann unmöglich alles nach einer logischen Norm beurteilen. Ich blicke im Luftraum umher und frage, wer ist (und wo befindet sich) dieser Schöpfer. Ich fürchte, nach vielen Generationen der Zukunft, werden seine Umgestaltungen noch extravaganter werden. Dem wilden Tiger werden vielleicht Flügel gegeben und obendrein noch Hörner dazu. Der Phönix wird nicht mehr fünffärbige Buntheit zeigen; zusammen mit Hühnern wird er ruhig auf der Leitersprosse sitzen. Ich möchte, dass Gott zusammen mit mir überall umherflöge (und mir den Grund all' dieser Umgestaltungen erklärte). Leider kümmern sich die treibenden (den Himmel verhüllenden) Wolken nicht um mich; wie könnte ich da wohl zum Firmament aufsteigen? Ich bin daher voller Trauer; Mitternacht ist schon vorüber und es bleibt mir nichts anderes übrig als dieses Lied Brunnenschlamm zu singen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 361-363. -
Jing xi dong ting ji zheng shao fu e 涇溪東亭寄鄭少府諤: Der Ostpavillon am Djing-hsi-Fluss (Li Bai 李白)
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Dem Distriktrichter Dscheng O übersandt. Ich bin zum Ostpavillon gewandert, habe dich aber nicht getroffen. Ich schritt über den Sand zusammen mit einer Schar weißer Reiher. Und während ich dahinschritt, flogen sie nach allen Richtungen weg. Es war, wie wenn Schneeflocken auf die Dünste meiner grünen Berge fielen. Wenn ich die Neigung fühle, nach dem Djing-hsi Fluß zu wandern, scheue ich keine Entfernung, obwohl beim Lung-men-Berge die wirbelnden Wellen sich funkelnd wie Tigeraugen drängen. Wenn die Rhododendron-Blüte sich öffnet, ist der Frühling schon vorbei. Um nun zurückzukehren und im Fluß zu angeln, ist es zu spät.–
in: Donath, Andreas. Chinesische Gedichte aus drei Jahrtausenden, Fischer Bücherei. Frankfurt a. M.: Fischer Verlag, 1965. p. 40. -
Jiu zhong liu shang xiang yang li xiang gong 酒中留上襄陽李相公: Trunken lasse ich dieses Gedicht beim Abschied vom Minister Li Fêng-chi, Gouverneur von Hsiang-yang, zurück (Han Yu 韓愈)
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Ich (der Schlamm im trüben Wasser) und Du (der Staub auf reiner Strasse, Wen-hsüan 23/15). Haben (trotz unserer Verschiedenheit) doch früher zusammen in der Kabinetskanzlei des Kaisers an der Abfassung kaiserlicher Erlässe gearbeitet. Meine sehnsüchtig Deine Nachrichten erwartenden Augen sind seit langem überrascht, dass der briefliche Verkehr abgebrochen wurde. Obwohl jetzt meine Ohren schon heiss sind (ich schon trunken bin), warum sollte ich wiederholt mir angebotene Becher zurückweisen? (Habe ich Dich doch wiedergesehen!) Die weissen Kerzen sind noch nicht herabgebrannt, und durch das Fenster dämmert der Morgen. Die halbtrunkene Dirne, die goldene Nadel im Haar, vermehrt durch ihre Anwesenheit unter den Gästen die Freuden des Frühlings. – Ich weiss dass Du sehr bald in die Hauptstadt als Minister zurückkehrst; Dann dürftest Du wohl mir ein unwichtiges Amt verschaffen können, damit ich meinen kranken Körper darin pflegen kann.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 282. -
Jun zi fa tian yun 君子法天運: Der Edle nimmt die Bewegung des Himmels (die sich immer gleich bleibt) zur Richtschnur (Han Yu 韓愈)
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Der Edle nimmt die Bewegung des Himmels zur Richtschnur, und weiss die vier Jahreszeiten voraus zu bestimmen. Der gewöhnliche Mann nimmt vorlieb mit dem, was er gerade trifft, und kann sich nicht früher auf warm und kalt vorbereiten. Gutes und Böses (Vorteil und Nachteil) hat seinen beständigen Charakter; es anzunehmen oder zu verwerfen hängt dagegen vom menschlichen Willen ab (Liki I, 2). Wie könnte ich mein Herz veranlassen, zur Klarheit zu gelangen und alle Sorgen und Zweifel (betreffs meines Verhaltens in Glück und Unglück) zu verscheuchen?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 33f. -
Ke you shuo 客有說: Ein Gast erzählt (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Ku han 苦寒: Jammer über die Kälte (Han Yu 韓愈)
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Die vier Jahreszeiten sind alle gleichmässig verteilt (Han Yü 2/13, 3/26), die Kraft einer Jahreszeit (Liki, ed. Couvreur II, 77) kann nicht gleichzeitig in einer anderen herrschen. Die strenge Kälte raubt dem Frühling seine Regelmässigkeit, der Wintergott zeigt keine Zurückhaltung (in seiner Gier). Der Frühlingsgott entspannt seine Netze (d.h. annulliert seine Masznahmen), er fürchtet aber zu fliehen und bleibt bescheiden zurück. So geschieht es, dass unten bei den tiefen Erdquellen die spitzen und gekrümmten Keime vorzeitig sterben. Die Vegetation kommt nicht mehr zum Vorschein (gedeiht nicht), und die hundert Speisen verlieren ihre Würze (Bitter und Süss). Ein unheilvoller Sturm durchbraust die ganze Welt, seine Kälte ist ärger als Schneiden und Stechen. Obwohl Sonne und Mond als so erhaben gelten, können sie die (in ihnen lebenden) Sonnenkrähe und Mondkröte nicht am Leben erhalten. Wenn Hsi-ho den Sonnenwagen hervorlenkt, sieht er sich ängstlich nach allen Seiten um. Der Sonnengott Yen-ti mit seinem Geist Chu-jung suchen durch Hauchen Wärme zu verbreiten, können sich aber selbst nicht erwärmen. – In dieser Zeit wie kann erst ich der Gnade des Frühlings teilhaftig werden? Meine Haut ist wie zu einem Schuppenpanzer erstarrt, und meine Kleider sind steif und kalt wie Messer und Sichel. Wegen der Kälte nimmt die Nase keinen Geruch mehr wahr; da das Blut zu Eis erstarrt ist, können die (steifen) Finger nichts mehr fassen. Schwerer Wein wird siedendheiss den Schlund hinabgegossen, die Mundwinkel schmerzen wie wenn man eine Kandare trüge. Ich möchte Löffel und Esstäbchen ergreifen um zu essen, aber die Finger in ihrer Steifheit stossen dagegen, wie wenn sie eine Reihe von Wahrsagestäbchen wären. Selbst ganz nahe dem Ofen fühle ich keine Wärme, und wiederholt habe ich schon neue Scheite auf das lodernde Feuer gelegt. Ein Versuch, die Hände in heisses Wasser zu tauchen (Legge I/314) ist von keinem Nutzen, wozu noch erwähnen dicke Seide oder wattierte Kleidung? Tiger und Panther erstarren in ihren Höhlen, gehörnte und hornlose Drachen sterben in ihrer Zurückgezogenheit. Der Sommerplanet Mars (Chavannes, Mém. hist. III, 364) entgleist in seiner Bahn, die sechs Drachen der Sonne (Legge, Iking pg. 213/12) verlieren durch das Eis ihre Barthaare. Im weiten Umkreis der Berge Mang und T'ang (Chavannes II, 332) werden die dort lebenden Tiere, wie ich fürchte, alle sterben. In den Fenstern zwitschern die Sperlinge und wissen nichts von ihrer Kleinheit. Sie heben ihr Köpfchen und schreien gegen Himmel: "Wenn wir schon bald sterben müssen, Möchten wir lieber von der Armbrustkugel getroffen werden, denn dann werden wir noch die Wärme der Zubereitung verspüren." Aber wenn selbst der Phönix nicht erhalten bleibt, so kommt Ihr Sperlinge ja gar nicht mehr in Betracht. Was die übrigen törichten Tiere betrifft, so werden sie alle sterben, wer sollte sich ihrer auch gnädig annehmen wollen? Ich, der Mensch, der zu den intelligentesten Wesen (Legge III, 283) gerechnet wird, kann Euch Vögeln trotzdem keinen Schutz angedeihen lassen. Ich klage und seufze, und mein Inneres kann sich nicht beruhigen. Mitten in der Nacht lehne ich gedankenvoll an der Wand und mächtig strömen meine Tränen. – O Gott! habe Erbarmen mit uns Schuldlosen, lasse Deine Blicke auf uns ruhen! Entferne die (den Ausblick störenden) Hängeschnüre Deiner Mütze, nehme die Watte aus Deinen Ohren und wähle zu Deiner Umgebung Männer wie Fu Yüeh (Legge III, 260). Fördere und verwende immer nur die Würdigen und Tüchtigen und entferne jene Hochmütigen und Schmeichler. Lasse einen lebenspendenden Sturm wehen, der die todbringenden Kräfte verjagt, befreie uns aus unserer Not wie durch das Aufziehen eines Vorhangs. Lasse die Eiszapfen alle zu Boden fallen und die Morgensonne unter das Dach der Veranda eindringen. Lasse Schnee und Eis plötzlich schmelzen und die Adern der Erde anschwellen und fruchtbringend werden. Denke nicht nur an die Schönheit der Orchideen, sondern sei auch gnädig gegenüber den gewöhnlichen Kräutern (Beifuss und Riedgras). Ich möchte wieder neben den von der Sonne beschienenen Knospen wandeln und mich an ihrem Glanze erfreuen, ich möchte wieder unter den vom Frühlingswinde bewegten Zweigen sitzen und meine Gewänder anfächeln lassen (Wen-hsüan 16/9, Ch'u tz'u 16/3). O Gott! wenn Du dies vermagst, will ich selbst wenn ich sterben sollte, damit zufrieden sein.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 105-107. -
Ku han ge 苦寒歌: Das Lied über die bittere Kälte (Han Yu 韓愈)
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Abends singe ich ein Lied über die bittere Kälte, und kann selbst um Mitternacht mit dem Singen nicht aufhören. Gibt es etwa nicht den freundlichen Frühling? Aber die Jahreszeiten müssen der Reihe nach abwechseln (jetzt ist Winter und der Frühling noch nicht gekommen). Warum lasst Ihr (reichen Leute) uns nicht dicke Mäntel und schmackhaftes Essen zukommen, um würdige Männer am Leben zu erhalten? Wir mit unserer eiskalten Nahrung und dünnen Kleidung werden selbst von den Göttern bemitleidet. Wir verstopfen Fenster und Türen (um uns gegen die Kälte zu schützen) und hüten uns das Haus zu verlassen. Erst im folgenden Jahre können wir wieder warmen Wind und Sonnenstrahlen erhoffen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 293. -
Ku shu 枯樹: Der verdorrte Baum (Han Yu 韓愈)
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Der alte Baum hat weder Zweige noch Blätter, Wind und Reif können ihm nichts mehr anhaben. Der Stamm hat eine grosse Höhlung, die ein Mensch passieren kann; die Rinde ist abgestreift und die Ameisen dringen immer weiter vor. Ephemere Pilze sind es nur, die auf ihm gedeihen; kein Vogel lässt sich abends auf ihn nieder. Er kann noch verwendet werden, um mit dem Bohrer Feuer aus ihm zu erzeugen (Legge I/327); noch will er nicht nur ausgehöhlt (und nutzlos) dastehen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 274. -
Ku wei zhi er shou (2) "Wen zhang zhuo luo sheng wu di" 哭微之二首(其二)“文章桌犖生無敵”: Klage um den Dichter Yüan Chên (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Ku yang bing bu ning lu hao zhou can 哭楊兵部凝陸歙州參: Klage über den Tod des Sekretärs des Kriegsministeriums Yang Ning und des Präfekten Lu Shên von Hsi-chou (Anhui) (Han Yu 韓愈)
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Die Menschen hoffen alle auf ein Leben von 70 Jahren, warum starben jene gerade nach Ablauf der Hälfte dieser Zeit? Wiederholt weine ich, ihr Freund, heisse Tränen, und es ist nur natürlich, dass mir weisse Haare in Menge gewachsen sind. Wenn ich morgens aufstehe, weswegen bin ich von Rührung überwältigt? Und noch lange sitze ich (bewegungslos) da von Tränen überströmt (Legge IV, 213). Die Besprechung der Literatur und die gewöhnliche Konversation (die ich mit jenen gepflogen) ist jetzt für immer vorüber, was kann ich unter diesen Umständen machen?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 105. -
Lao fu 老夫: Alter alter Mann (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Li hua er shou 李花二首: Die Pflaumenblüten (zwei Gedichte) (Han Yu 韓愈)
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Am frühen Morgen betrete ich den westlichen Garten; da sehe ich einige Birnblüten wie von Stolz geschwellt. Und an ihrer Seite eine einzige Pflaumenblüte, das Antlitz traurig wie wenn sie seufzen wollte. Um den Grund befragt, will sie ihn nicht nennen. Hundert Male gehe ich allein um sie herum, bis es Abend wird. Da erinnere ich mich plötzlich, dass ich früher an diesem Baum (achtlos) vorüber gegangen bin, Gerade zu der Zeit, als sich der erste Duft zu bilden begann. Kann ich dafür, dass ich unter dem Einfluss von Wein von ihm keine Notiz nahm Und die schönen Aeste voll der weissen Blüten nicht sah? Jetzt vergiesse ich Deinetwegen einen Strom von Tränen (Liki I, 115). Denn es ist unmöglich, den Sonnenwagen wieder zur Umkehr zu veranlassen. Der Ostwind fängt zu wehen an, ohne aber Dein trauriges Antlitz aufzuheitern. Wirre Dünste erheben sich während der Nacht, um Dich zu bedrängen. Später im Sommer werden auf eisgekühlter Platte die smaragdgrünen Pflaumen in ihrer herrlichen Mürbe aufgetragen, Ich schicke sie aber weg und esse sie nicht (Wen-hsüan 15/3), denn ich schäme mich vor ihren Blüten (die ich früher nicht beachtet habe). Im Frühling wetteifern Himmel und Erde in Schönheit und Pracht; Dieser Kampf ist besonders heftig in den Gärten von Loyang. Wer hat auf ebener Erde diese tausende Schneehaufen aufgeschüttet? Wer hat diese durch die Luft fliegenden Blüten ausgeschnitten? Wenn bei Tage das rötliche Licht der glänzenden Sonne scheint, ist die Schönheit der jungen Blüten nicht so vollkommen. Wenn der helle Mond zeitweilig hinter Wolken verschwindet, dann treten sie alle besonders prächtig hervor. – In der Nacht führte ich Chang Ch'ê zum Besuche unseres gemeinsamen Freundes Lu T'ung (B.D. No. 1437). Es war wie wenn wir zusammen auf einer Wolke zum Palaste des Himmelsköniges zögen (Yü-hwang ist hier eine Anspielung auf Lu T'ung's Zunamen Yü-ch'uan-tzu). Ringsherum standen schlanke Mädchen in Reihen (die Pflaumenbäume), die uns ihre wohlriechende Schönheit präsentierten, Alle unterschiedslos in weissen Röcken mit weiszseidenem Kopftuch. Ihre glänzende, gleichsam frisch gewaschene Ausstattung boten sie uns an; Doch ich will sie jetzt nicht loben und preisen. Ihre reine, kalte Schönheit drang mir tief in das Innere und liess meine Seele erwachen: Meines Lebens Gedanken können von nun an nicht anders als gut sein.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 121f. -
Li hua xia zeng liu shi ming 梨花下贈劉師命: Unter Birnblüten. Dem Liu Shih-ming angeboten (Han Yu 韓愈)
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In Loyang ausserhalb der Stadtmauer zur Zeit des Allerseelenfestes, Nachdem alle anderen Blüten gefallen sind, öffnen sich erst die Birnblüten. Heute treffen wir einander am Ufer des durch seine Dünste gefährlichen Südmeeres, Und sind beide erstaunt, im ersten Monat die Birnblüten überall in grösster Ueppigkeit blühen zu sehen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 243. -
Li hua zeng zhang shi yi shu 李花贈張十一署: Die Pflaumenblüten. Dem Chang Shu, elften seines Clanes, gewidmet (Han Yu 韓愈)
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Am Ende des 2. Monats, im Westen der Stadtmauer von Chiang-ling Sieht man unter den Blüten keine Pfirsichblüten, sondern nur Pflaumenblüten. Der Wind kost (streichelt) sie, der Regen wäscht sie, so dass der Schnee sich eines Vergleiches schämt. Die überwältigende Blütenfülle erinnert an Wellen, die fern von jedem Ufer den Luftraum peitschen. – Weisst Du wohl, wie die Blüten dieses Ortes aussehen? Die weissen Blüten senden ihr Licht gegen den Himmel, und selbst die Nacht wird hell. Ueberall lassen die Hühner ihren Weckruf erschallen, und die Beamten erheben sich (von ihrem Lager), Wie wenn die Sonne früher als sonst vom Meeresgrunde aufgestiegen wäre. Und wenn dann endlich die rote Scheibe wirklich ihre Strahlen aussendet und die dunklen Nebel sich zerstreuen, Da kann man verwirrt und geblendet so viel Licht nicht ertragen: Der Glanz der tausend Bäume verschmilzt wie zu einer (weissen) Masse. – Ich denke zurück an die Zeit, da ich als Jüngling mich Wanderungen und Festen hingab, Habe ich da etwa beim Anblick solcher Blüten den Becher jemals zur Seite gestellt? Seitdem ich aber verbannt wurde, haben sich meine Sorgen gehäuft. Wenn ich jetzt zu einem Fest gehen soll, denke ich noch vor der Ankunft an die Rückkehr. Und jetzt bin ich erst vierzig und finde an Festen schon kein Vergnügen mehr. Was später sein wird, wenn ich älter geworden bin, darüber braucht man gar nicht mehr zu sprechen. Mit Ueberwindung ergreife ich den Becher und trinke allein, bis ich trunken bin. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass diese herrlichen Blüten achtlos in den braunen Staub fallen (und will daher ihre Schönheit geniessen, solange sie blühen).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 79f. -
Li jian 利劍: Das scharfe Schwert (Han Yu 韓愈)
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Das scharfe Schwert glänzt gar mächtig; Wenn ich es anlege, macht es mein Herz ohne Falsch (ich teile mich in seinen Glanz). Mein Freund weiss, dass ich ohne Gefährten bin, Darum gab er mir das Schwert zum Geschenk, gewissermassen als guten Freund. Mein Herz ist durchsichtig wie Eis, mein Schwert funkelt wie Schnee. Doch da ich damit die Verläumder (die Feinde ehrlicher Regierung) nicht erstechen kann, Ist mein Herz wie energielos, die Spitze meines Schwertes wie gebrochen. – Ich möchte mit dem Schwert die Wolken spalten, um den blauen Himmel zu erblicken. Aber leider wir beide, Schwert und ich, werden bis zu unserm Ende (bis wir zu den Quellen der Unterwelt zurückkehren) nicht verwendet.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 63. -
Li yuan wai ji zhi bi 李員外寄紙筆: Der Ministerialsekretär Li Po-k'ang sendet mir Papier und Pinsel (Han Yu 韓愈)
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Du schickst mir diesen Pinsel, nachdem Du ihn wie einst Chang Chih am Rande eines Teiches ausprobiert hast (B.D. No. 32, Pétillon, All. litt. pg. 352); das Papier kommt aus dem überreichen Vorrat eines, der die kaiserlichen Erlässe konzipiert. Der aus Hasenhaaren verfertigte Pinsel ist spitziger als eine Nadel, das Seidenpapier ist weisser als Schnee. Wundere Dich nicht, dass ich Dir so herzlich dafür danke: ich, ein anderer Yü Ch'ing (B.D. No. 2515), schreibe gerade ein Werk (und kann Pinsel und Papier gut gebrauchen).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 237. -
Liang guo hui kang gong zhu wan ge er shou 梁國惠康公主挽歌二首: Zwei Klagegedichte beim Begräbnis der Prinzessin Hui-k'ang von Liang (ältesten Tochter von Kaiser Hsien-tsung) (Han Yu 韓愈)
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Durch Verleihung eines posthumen Ehrentitels (Hui-k'ang) ist ihr herrlicher Ruhm in weite Fernen verbreitet; nach dem Tode wurde ihr ein grosses Reich (Liang) als neues Lehen verliehen. Als älteste Tochter des Kaisers war sie im Palaste hoch geehrt, ihr Gemahl gehörte einer Familie von Ministern an. Nachts als noch die Milchstrasse funkelte, ging sie ins Jenseits ein; es war anfangs Frühling, als gerade die Sterculia-Bäume zur Hälfte erblüht waren. Es war nicht die von der Prinzessin bei ihren Ausflügen gebrauchte, mit Fasanfedern geschmückte Karosse, sondern der mit Drachen verzierte Leichenwagen, der diesmal den Staub der Palastwege drückte. Sie war wie die flötenblasende Prinzessin Nung-yü (B.D. No. 713), Tochter des Herzogs Mu von Ch'in, die auf einem Phönix in den Himmel fuhr; sie ist eine Unsterbliche geworden, ähnlich wie die gitarrespielende Nixe des Hsiangflusses (Ch'u tz'u 5/12). In Uebereinstimmung mit einem Traum gebar sie einen Sohn, der einer duftenden Orchidee glich (Legge V, 292/11); sie wollte wie einst Ch'ang O (B.D. No. 140) nach dem Monde fliehen, aber ihr Glanz war schliesslich verdunkelt und sie starb. Die Familie ihres Gemahls führt die Seele der Verstorbenen vom Grabe zurück in ihr eigenes Haus; die Hofbeamten kehren nach Ende der Bestattung in ihre Wohnungen zurück. Von jetzt an werden die Gräser im Palastgarten der Prinzessin nicht wieder für sie Wohlgeruch verbreiten.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 245. -
Liu "Wei you qiao bian fu mian xiang" 柳 “為有橋邊拂面香”: Die Weide (Li Shangyin 李商隱)
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Obwohl die Weide bei der Brücke uns ihren herrlichen Duft entgegen weht, Würde sie doch niemals wagen, auf ihre Blütezeit stolz zu sein. Die prächtigen Bäume vor dem kaiserlichen Harem dagegen geniessen die Gunst des Herrschers Und wollen nicht glauben, dass auch ihre jugendliche Schönheit einmal durch tiefes Leid getroffen werden könnte.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 373. -
Liu sheng shi 劉生詩: Das Gedicht "Der Herr Liu" (Han Yu 韓愈)
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Sein Zuname ist Shih-ming, sein Familienname Liu. Von Jugend auf war er verschieden von den anderen (Legge IV, 283), hervorragend und aussergewöhnlich. Er verliess seine Familie, als ob er sie vergessen hätte (Legge IV, 350), und ging auf weite Wanderung. Im Osten durcheilte er Liang und Sung (Honan) und kam auch nach Yang-chou (Kiangsu). Dann überschritt er den Grossen Strom und begab sich nach dem äussersten Osten (Kueichi). Hohe Wellen schlagen dort gegen den Himmel, verborgen liegt die Höhle des grossen Yü (Giles, B.D. No. 1846). Ein Mädchen von Yüeh (Chêkiang) lachte ihn ein einziges Mal an, und er verblieb daselbst volle drei Jahre. Dann zog er nach Süden über die mächtige, querlagernde Mei-ling-Bergkette und betrat Yên-chou (Playfair No. 1332). Lange Walfische streifen dort das Firmament, und die Wellen erscheinen wie schwimmende Berge. Seltsame Wesen entsenden schädliche Strahlen (Han Yü II, 19), und es finden sich Drachen in Menge. Bergkobolde (oder Pygmäen-Stämme) führen ein lärmendes Dasein, und Riesenaffen wandern herum. Giftige Miasmen beeinträchtigen den Leib, und gelber Schweiss fliesst in Strömen. Frägt man, warum Herr Liu (trotzdem) von dort nicht zurückkehren wollte, so hatte dies seine guten Gründe. Herrlicher Wein floss dort wie Wasser, fette Rinder wurden gebraten. Schöne Sängerinnen und graziöse Tänzerinnen verbreiteten unaufhörlichen Glanz. Mit tausend Taels kann ihre Gunst nicht erkauft werden. Aber Herr Liu traf mit ihnen zusammen und schon kam es zu engen Verbindungen. So vergingen wie in einem Nu zehn Jahre. Früher war er bartlos, und jetzt hat er schon weisse Haare bekommen. Ueberall in den fünf Distrikten (südlich der Mei-ling-Kette) zog er herum, doch fand er nirgends einen würdigen Gouverneur, der ihn verwendet hätte. Er sehnte sich zurück nach seiner zehntausend Meilen weiten Heimat, doch er schämte sich nach Hause zurückzukehren. Im ganz entlegenen Orte Yang-shan (wo ich verbannt war) leben nur Affen. Da kam eines Tages Herr Liu mit der Angelrute in der Hand von weit her mich zu besuchen. - Ich setzte ihm alles klar auseinander über die Kultur vergangener Zeiten (Lisao Str. 20). Ich jätete gewissermaszen das Unkraut, köpfte die Disteln und machte ihn geeignet zu gediegener Arbeit. Seitdem er hierher gekommen ist, hat der Sternenhimmel gerade eine Umdrehung vollendet (Liki I, 407). Im Studium der Literatur hat er grosse Fortschritte gemacht und gleichsam seine Scheunen gefüllt. Der Wagen ist flink, der Kutscher tüchtig und die Kraft des Pferdes hervorragend. Wohlan, Du kennt nun den Weg, gehe ihn nur weiter, ohne einzuhalten. Und hole Dir den Rang eines Generals oder Ministers, um später Gutes und Schlechtes (das Dir widerfahren ist) zu vergelten.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 87f. -
Long yi 龍移: Der Umzug der Drachen (Han Yu 韓愈)
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Der Himmel ist dunkel, die Erde schwarz, da zieht das Drachenpaar um. Unter ununterbrochenem Blitz und Donner folgt das Weibchen dem Männchen (Chavannes, Mém. hist. I, 168). Der hundert Klafter tiefe Schlund (in der Ebene) trocknet aus und wird zu fester Erde. Ach über die beklagenswerten Fische und Schildkröten, die hier verdorrt sind! (Dieses Gedicht bezieht sich vielleicht auf Einsiedler, die die Welt verlassen und sich in die Berge zurückziehen).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 68. -
Lu bang hou 路傍堠: Die Meilensteine am Rande des Weges (auf der Reise ins Exil) (Han Yu 韓愈)
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Unbeweglich stehen die Meilensteine am Rande des Weges, bald ein Paar (bei zehn Meilen), bald wieder ein einzelner (bei fünf Meilen). Sie empfangen mich bei meiner Reise über die Ch'in-Pässe und geben mir das Geleite bis in die Marschen von Ch'u. Tausende trennen mich noch von den hohen Bergen (die die Pässe umgeben), zehntausende scheiden mich von den in weiter Ferne liegenden Sümpfen. – Mein Fürst widmet sich mit Eifer den Regierungsgeschäften, sein Licht wetteifert mit Sonne und Mond. Glücklicherweise hat er mit meiner Dummheit Mitleid gehabt (und mich begnadigt); so hoffe ich dass man mir auch meine Vergehen verzeihen (und mich zurückrufen) wird. Wann werde ich von Euch Meilensteinen, die Ihr da längs des Weges hoch emporragt, auf meiner Heimreise empfangen und begleitet werden?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 164. -
Lu hun shan huo he huang fu shi yong qi yun 陸渾山火和皇甫湜用其韻: In Erwiderung auf ein Gedicht des Hwang-fu Shih (vgl. Ch'üan T'ang Shih VI/4) über den Waldbrand auf dem Lu-hun-Berge; mit Benützung desselben Reimes (Han Yu 韓愈)
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Hwang-fu wirkte als stellvertretender Beamte im alten Lu-hun (Honan, Legge V, 293). Damals war gerade düsterer Winter, in den Marschen war das Wasser ausgetrocknet. (Wegen des Wassermangels) wollten die Berge wie verrückt, die Täler wie erpicht einander verschlingen. Der Wind hörte in seinem Zorne nicht zu wehen auf, wie furchtbar war seine Kraft (Ch'u tz'u 17/12)! Durch die beständige Reibung der Bäume unter einander brach aus den Wäldern Feuer hervor, das diese selbst verzehrte. Mitten in der Nacht entstand ein Lärm, der die Menschen erschreckte, weil sie dessen Ursache nicht kannten. Himmel und Erde erzitterten, als wollten sie zusammenstürzen. Rote Flammen schlugen bis zu den äussersten Grenzen des Aethers (Wen-hsüan 1/25) empor. In allen vier Weltgegenden brannten die hohen Berge ringsherum. Die Berggeister wurden geröstet und die Dämonen weichgekocht, weil sie keine Möglichkeit fanden zu fliehen. Sonne, Mond und Sterne sind verdunkelt (wie wenn sie herabgestürzt wären) und kommen nicht mehr zum Vorschein. Tiger, Bären, Stachelschweine bis zu den Affen herunter, Wasserdrachen, Saurier, Reptilien, Fische und Schildkröten, Raben, Eulen, Habichte, Falken, Rebhühner, Wildgänse und Waldhühner, Werden versengt, gebraten, geröstet, geschmort, wer könnte durch Flucht sich auch retten? Der Geist des Feuers Chu-jung (Legge V, 729/12, 16) erbittet sich von Gott Urlaub, erscheint hier und gibt seinen Leuten, hoch und niedrig, ein Fest. Er arrangiert seine roten Edelsteine (Wen-hsüan 7/18) und legt seine Blumengärten an. Ueberall sieht man rote Hibiscusblüten und frische Knospen in überwältigender Menge (d.s. die Flammen). Tausend und abertausend Glocken und Trommeln ertönen und lassen das Ohr erdröhnen (d.i. der Lärm der Zerstörung). Hinein vermischen sich schrille, zischende Töne von Bambusflöten und Okarinen (d.i. das Knistern des Feuers). Rote Flaggen, Banner und Wimpel flattern im Winde, Die Feuerbeamten und Glutoffiziere tragen rote Mützen und Hosen. Wie rot lackiert ist ihre Haut bis hinab, wo der Rücken unanständig zu werden beginnt. Mit eingefallener Brust und hervorgewölbtem Bauch ziehen sie an den Deichseln des Wagens des Feuergeistes. Gesicht und Schenkel sind rot, an den Seiten tragen sie zwei Köcher aus Leopardenfell. Wagen und Stränge sind rot, und die Räder sehen aus wie die Sonnenscheibe. Verzierungen und Baldachin (des Wagens) zeigen eine Röte von verwirrender Grellheit. Rot sind die Festzelte, in denen rote Fleischstücke aufgetischt sind. In einem Meer von Blut erhebt der Wind Wellen, das Fleisch bildet hohe Berge. Die weiten, öden Täler sind für sie wie Gefässe aus rotem Kristall, Die fünf Riesenberge wie Holz- und Thonvasen, die vier Meere wie Weinbecher. Im frohen Zusammensein wird Becher auf Becher lachend geleert (d.h. die Feuersbrunst breitet sich immer weiter aus). Der Donnergott spaltet die Berge und es kehren sich die Wasser der Meere um. Seine Zähne bewegen sich knirschend, und die Zunge stellt sich dem Gaumen entgegen. Blitze schiessen aus seinen roten, weitaufgerissenen Augen. Kaiser Chuan-hsü und der Wassergeist Hsüan-ming (Legge V, 729/12) geben ihre Würde als Schutzgötter des ersten Wintermonats (Liki, ed. Couvreur I, 391) auf und entweichen nach den mysteriösen Wurzeln der Erde (wo sich die Wasser sammeln). Sie lassen Pferde und Wagen im Stich und fliehen vor ihren Enkeln (da Wasser Holz hervorbringt und Holz Feuer erzeugt, kann das Feuer als der Enkel des Wassers angesehen werden). Mit geschrumpftem Leib und zurückgehaltenem Athem krümmen sich ihre Glieder zusammen. Herrscher und Diener (Chuan-hsü und Hsüan-ming) lieben einander umso inniger (in ihrem Unglück). Sie befehlen dem schwarzen (hornlosen) Drachen sich auf der Brandstätte zu erkundigen, wobei diesem das Haupt versengt wird. Das Himmelstor ist gar weit entfernt und er kann sich dort nicht anklammern. Er erscheint daher Gott im Traume und will mit blutüberströmtem Gesichte seine Sache vorbringen. Als er furchtsam in den Himmelspalast eindringen will, wird er vom Torhüter zurückgewiesen. Gott gibt ihm (im Traume) die neun Ströme, um damit die Tränen seines Gesichtes zu waschen, Und ruft die Zauberin Yang, um seine Seele (die sich vor Entsetzen vom Körper beinahe getrennt hat) zurückzurufen. Darauf befiehlt ihm Gott sich zu nähern und fragt ihn nach dem erlittenen Unrecht; (und Gott entscheidet im Traume:) "Im Winter gibt es von jeher viele Feuersbrünste. Wenn ich diese nicht weiter gestatte, nehme ich dem Feuer die Nahrung weg. Feuer und Wasser ergänzen einander wie Mann und Frau (Legge V, 624/12), und seit langen Generationen ist diese Ehe schon festgesetzt. Wenn sie plötzlich eines Tages Feinde werden, wie steht es dann mit der Nachkommenschaft? Die kalte Jahreszeit wird bald vorüber sein, warte daher ein wenig im Verborgenen. Siehe, wenn dann im Frühling die Pfirsiche zu blühen beginnen, dann wird der Einfluss des Feuers abnehmen und Du kannst wieder hervorkommen. Wenn dann der 7. und 8. Monat gekommen sein wird, kannst Du mühelos Vergeltung üben. Dann will ich fünf Drachen und neun Riesenfische Dir zu Hilfe schicken; Sie werden jenen Distrikt überschwemmen und jene Feuerdämonen in die Gefangenschaft nach dem K'un-lun-Berge schleppen." – Ein solches Gedicht hat Hwang-fu verfasst, um seine Schläfrigkeit zu vertreiben. Seine stolzen Worte gingen über die Wahrheit hinaus, und nachdem er mir das Gedicht gezeigt hatte, verbrannte er es wieder. Er forderte mich auf mit Benützung desselben Reimes sein Gedicht zu erweitern, und so ist ein noch eigenartigeres entstanden. Und selbst wenn ich jetzt darüber Reue empfände, ich könnte nichts mehr daran ändern, weil meine Verse nicht mehr zurückgezogen werden können (Legge IV, 514).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 100-102. -
Lu lang zhong yun fu ji shi song pan gu zi shi liang zhang ge yi he zhi 盧郎中雲夫寄示送盤谷子詩兩章歌以和之: Der Kammerherr Lu Yün-fu schickt mir zur Einsicht seine beiden Gedichte "Dem Li Yüan (aus dem P'an-ku-Tale) zum Geleite"; ich dichte darauf ein Lied unter Benützung derselben Reime (Han Yu 韓愈)
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Einst ging ich zum Besuch des Li Yüan ins P'an-ku-Tal (südlich vom T'ai-hang-Berg) Und sah zum ersten Male die hohen Felsen und steilen Wände, die sich dort um die Wette erheben. Damals war Schönwetter nach Regen und der T'ien-ching-Fluss war übervoll. Wer nahm das lange Schwert und lehnte es an den T'ai-hang-Berg? (damit ist der Wasserfall gemeint) Ein gewaltiger Wind blies zerstäubend in diesen Wasserfall und liess ihn ausserhalb des Himmels (d.h. in grosser Entfernung) niederstürzen. Der Sprühregen fiel bei hellem Sonnenschein bis auf Loyang herab. Oestlich drang ich nach Yen-ch'uan (in der Nähe des P'an-ku-Tales) vor und ass dort in der weiten Wildnis. Man hatte mir einen ganzen Korb Sprossen vom Baumfarren (zum Essen) mitgegeben. Der Pferdekopffluss ist so tief, dass er nicht durchwatet werden kann (Legge IV, 53). Ich lieh daher einen Wagen aus, um durchzufahren, doch das Wasser drang in den Wagenkasten ein. (Dann miethete ich ein Boot) und ruderte durch die grünen Fluten über dem ebenen Sand nach dem Dorfe Fang-k'ou. Wildgänse und Enten flogen auf und flüchteten in die Trauerweiden des Ufers. Ich verfolgte den Weg so weit es ging, besichtigte alles gründlich und erging mich nach Herzenslust. In dieser Weltabgeschiedenheit verlief die Zeit ohne Hast. – Seit meiner Rückkehr bedrängen mich von neuem die Sorgen, die niemandem nützen. Diese Sorgen lassen natürlich meinen Plan, jenes Tal wieder zu besuchen, ins Ungewisse versinken. Ich schliesse in Ch'angan meine Türe, während es drei Tage lang schneit. Ich schiebe die Bücher zurück, werfe den Pinsel weg und singe von Gefühlen überwältigt ein Lied. An meiner Seite ist (leider) kein wackerer Mann, den ich veranlassen könnte, in meinen Gesang einzustimmen. Ich denke weit zurück an den alten Lu Yün-fu, dessen Gedichte so extravagant sind. (Jetzt kommt Dein Brief), ich öffne den Bindfaden und sehe plötzlich wieder Gedichte von Dir, betitelt "Dem Li Yüan zum Geleite bei seiner Rückkehr ins P'an-ku-Tal". Die Schriftzeichen treten stolz aus dem Papier hervor, Und ich erfahre aus ihnen, dass Graf Li (Li Yüan) sich durchaus nicht an die Kälte stösst Und auch jetzt gerade im Winter sich allein in die hohen Berge (Legge IV, 8) zurückgezogen hat. – Ich bin jetzt noch unentschlossen (ob ich nicht auch in die Berge gehen soll); wann werde ich mich entscheiden? Zehn Jahre lang arbeite ich einfältig der Routine folgend in den Reihen der Hofbeamten. Meine Familie will die amtlichen Einkünfte geniessen, und ich kann (dem Staate) gar nichts als Gegenleistung dafür bieten. Ich verhalte mich nicht anders als Spatzen oder Mäuse, die in den Getreidemagazinen stehlen. Bald werde ich mein Bestallungsdekret dem Minister zurückgeben Und will mit meiner Rückkehr zu Ackerbau und Seidenzucht nicht warten, bis man mich wegen Unfähigkeit anzeigt.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 141f. -
Luo chi 落齒: Die ausfallenden Zähne (Han Yu 韓愈)
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Im letzten Jahre verlor ich einen Schneidezahn, in diesem Jahre einen Backenzahn. Plötzlich fallen jetzt sechs bis sieben Zähne aus, und die Sache scheint wirklich damit noch nicht zu Ende zu sein. Die übriggebliebenen wackeln insgesamt, und erst nachdem alle ausgefallen, dürfte Ruhe eintreten. Ich erinnere mich, dass – als der erste Zahn ausfiel – ich nur mit Scham an die Entstellung durch die Lücke dachte. Als aber zwei bis drei ausgefallen waren, da beklagte ich meinen Verfall und herannahenden Tod. Jedesmal wenn nun ein Zahn auszufallen droht, bin ich stets voll Befürchtungen und hoffe noch immer, dass er nicht ausfallen wird. Die Lücken hindern mich am Essen, das Wackeln fürchte ich beim Spülen des Mundes. Wenn endlich sie durch Ausfallen mich verlassen, habe ich das Gefühl, wie wenn ein Berg zusammenstürzen würde. – Jetzt bin ich mit dem Ausfallen der Zähne schon vertraut geworden, und sehe im Ausfallen nichts ungewöhnliches mehr. Ueber zwanzig sind übrig geblieben, und ich weiss dass auch sie der Reihe nach ausfallen werden. Wenn regelmässig jedes Jahr einer ausfällt, kann es gerade noch zwei Jahrzehnte dauern. Wenn sie dann einmal alle ausgefallen sind, besteht zwischen Aufeinmal-ausfallen und allmählichem Ausfallen kein Unterschied mehr. Die Menschen sagen, dass wenn einmal die Zähne alle ausgefallen sind, das Leben naturgemäss auch bald zu Ende geht. Ich sage dagegen, das Leben hat seine bestimmte Grenze (T. of T. I, 198), und Alte und Junge müssen beide zu ihrer Zeit sterben. Die Menschen sagen, die Zahnlücken lassen meine Umgebung beim Anblick erschrecken. Ich sage dagegen, es heisst schon bei Chwangtzu (T. of T. II, 27), dass alles seine zwei Seiten habe: der unbrauchbare Baum wird nicht gefällt, die Gans, die nicht gackern kann, wird geschlachtet. Für jene, die durch Zahnmangel undeutlich sprechen, ist das Schweigen sicher von Vorteil; und wenn man nicht kauen kann, dann sind weichgekochte Speisen auch gut. – Unter Singen entstand dieses Gedicht, und ich nahm es und zeigte es Frau und Kindern.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 104f. -
Luo ye song chen yu 落葉送陳羽: Das fallende Blatt. Meinem Freunde Ch'ên Yü zum Abschied (Han Yu 韓愈)
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Das fallende Blatt kommt nicht wieder zur Ruhe, der getrennte Pappus (Samenkrone) kehrt nicht mehr zur Pflanze zurück. Im Winde wirbelnd werden sie schliesslich einander fremd, wenn der Zufall (Legge IV, 147, 180) nicht will, dass sie zeitweilig wieder einander nahe kommen. – Voll Sorge (Legge IV, 39, 212, 263) sind unsere Gespräche in tiefer Nacht, während kaltes Mondlicht von weither uns überstrahlt. Wer würde glauben, dass wir beide bei dieser Trennung in jungen Tagen heisse Tränen vergiessen, die unser Gewand durchfeuchten?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 34. -
Ma yan gu 馬厭穀: Das Pferd sättigt sich mit Korn (Han Yu 韓愈)
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Das Pferd (der Reichen) sättigt sich mit Korn, der (arme) Gelehrte bekommt nicht einmal genug an Spreu. Die Mauer (im Zimmer der Reichen) wird mit Stickereien bedeckt, der Gelehrte hat nicht einmal ein grobes Hemd zum Anziehen. Solange es jenen Reichen gut geht, kümmern sie sich nicht um uns. Wenn sie eines Tages ins Unglück kommen, wie steht es dann mit ihnen? Ach über jene niedrig denkenden Egoisten! (Legge I, 325).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 60. -
Ma-wei er shou (2) "Hai wai tu wen geng jiu zhou" 馬嵬二首(其二)“海外徒聞更九州”: Ma-Wei (Li Shangyin 李商隱)
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Was nützt es dem Kaiser, zu hören, dass jenseits der Meere noch eine andere Welt besteht, wo sich jetzt seine geliebte Yang Kuei-fei aufhalten soll: Dieses ihr Leben ist für immer zu Ende und unbestimmt ein Wiedersehen im nächsten. Trostlos traurig ist für ihn diese Nacht nach ihrem Tode, wo nur der Trommelwirbel der Lagerwachen ertönt Und der Kaiser nicht mehr wie früher zusammen mit ihr die Rufe der Palastgarden hört. – Hier in Ma-wei da rebellieren die Truppen und erfüllte sich das Schicksal der schönen Frau. Lachte doch einst noch der Rinderhirt (der Milchstrasse) über das kaiserliche Gelübde der 7. Nacht des 7. Mondes (wonach der Kaiser und Yang Kuei-fei in aller Ewigkeit ein Paar bleiben wollten). Wie kommt es doch, dass du, ein Kaiser, der beinahe 50 Jahre regierte, Nicht gleiches Glück geniessen konntest wie einst Lu mit seiner Mo-chou?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 372f. -
Meng dong ye shi zi 孟東野失子: Als Mêng Chiao seine Söhne verlor (Han Yu 韓愈)
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Einleitung. Mêng Chiao ist hintereinander Vater dreier Söhne geworden und hat sie jedesmal innerhalb weniger Tage wieder verloren. Da beinahe schon ein Greis, fürchtet er keine Nachkommenschaft mehr zu bekommen und ist deswegen betrübt. Sein Freund Han Yü aus Ch'ang-li ist besorgt, dass unter diesem Schmerz seine Gesundheit leiden könnte; er lässt daher (in vorliegendem Gedicht) Gott seinen Willen aussprechen, um Mêng Chiao zu belehren. "Dass man die Söhne verloren hat, wem kann man die Schuld geben? Ich will dem Himmel dort oben die Schuld geben. Du (der Himmel) bist der Herrscher über die Menschen hienieden. Warum ist Deine Gunst und Ungunst (Dein Geben und Nehmen) so ungleich verteilt? Was hat jener Mensch mit Dir für Beziehungen, dass Du ihm viel Nachkommenschaft und dieser langes Leben gibst? Was hat dieser Mensch gesündigt, dass seine Kinder nur eine Woche gelebt haben?" So hörte man Mêng Chiao ununterbrochen Gott anklagen; seine Tränen fielen zur Erde und drangen tief bis zum Grundwasser ein. Der Geist der Erde wurde dadurch betrübt; in Verlegenheit (was zu tun) war er lange verstimmt. Dann rief er die grosse, wunderkräftige Schildkröte; sie musste auf einer Wolke reitend and Himmelstor klopfen. Dort frug sie Gott, den Herrscher über die Menschen hienieden, warum seine Gunst und Ungunst ungleich verteilt seien. Und Gott sprach: "Himmel, Erde und Menschen kümmern sich von jeher nicht um einander. Ich habe Sonne und Mond geschaffen, ich habe Planeten und Sterne befestigt. Wenn Sonne und Mond einander verspeisen oder die Sterne in ihrem Laufe stürzen, Ich gebe ihnen keine Schuld, weil ich weiss, dass sie nichts dafür können. Denn jedes der Naturobjekte hat sein eigenes Schicksal, wer könnte sie auch dazu veranlassen (sich so aufzuführen)? Ob einer Kinder hat oder keine, ob dies für ihn Glück oder Unglück bedeutet, kann man im Vorhinein nicht ergründen. Wer wollte für jedes einzelne Ei im Bauche des Fisches besorgt sein? Die Wespe zeugt überhaupt keine KInder, der ganze Stamm bleibt zeitlebens ledig (vgl. Pétillon, All. litt. pg. 384). Die junge Eule frisst die eigene Mutter; erst nach dem Tode der Mutter fühlen die Kinder sich wohl. Wenn die Schlangen Junge kriegen, macht das Gift der Jungen den Bauch der Mutter bersten. Selbst wenn ein Sohn ein guter Sohn genannt wird, kann er nimmer die Liebe und Mühen der Eltern vergelten. Von einem schlechten Sohn braucht man gar nicht zu sprechen, er erinnert an junge Eulen und Vipern. Hat man daher Söhne, freue man sich einstweilen nicht über sie; hat man aber keine, dann ist schon gar kein Grund vorhanden zu klagen. Die begabtesten Söhne braucht man nicht zu belehren, die würdigen hören auf Ratschläge und ändern sich; Die dummen aber (die in der Mehrzahl sind) werden beim Hören von Ermahnungen argwöhnisch und können trotz Belehrung nicht verbesser werden (Mêng Chiao darf daher nicht klagen, denn weise Kinder sind selten)". Die wunderkräftige Schildkröte nahm ehrfurchtsvoll diese Worte Gottes entgegen und berichtete darüber noch am selben Tage dem Erdgeist. Der Erdgeist hiess die wunderkräftige Schildkröte alles jenem (den Tod seiner Söhne beweinenden) Manne mitteilen. Da träumte einmal Nachts Mêng Chiao von einem Wesen in schwarzer Kleidung und Kopftuch. Es trat plötzlich in sein Haus und wiederholte dreimal die obigen Worte Gottes. Mêng Chiao dankte voll Demut dem schwarzen Wesen, hörte zu klagen auf und war wieder voll frischen Mutes.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 98-100. -
Meng hu xing 猛虎行: Die Erzählung vom wilden Tiger (Han Yu 韓愈)
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Obwohl der wilde Tiger bösartig ist, hat er auch seine Freunde und Genossen. Mit ihnen lebt er rudelweise in den tiefen Tälern, die anderen Tiere fürchten seinen Ruf und ziehen sich vor ihm zurück. Er selbst frisst den alten, braunen Bär, und seine Jungen nähren sich von jungen Panthern. Wer sich Bären und Panther als Futter wählt, kümmert sich natürlich nicht um Hasen und Füchse. Mitten am Tage ruht er im Tale, und seine Augen flössen auf hundert Schritt Entfernung Respekt ein. Er brüstet sich selbst, dass niemand ihm entgegenzutreten wagt; dabei ist sein Temperament voll Tücke und Bosheit. Morgens tötet er im Zorne eines seiner Jungen, Abends wieder verspeist er seine Lieblingsfrau. Da fliehen seine Freunde und Genossen nach allen Seiten, und der wilde Tiger sitzt wieder ganz allein. Füchse necken ihn am Eingang seiner Höhle, Rabe und Elster rufen ihm spottende Worte zu. Er kommt heraus, um sie zu vertreiben und flugs macht sich der Affe breit in seiner Höhle; da weiss der Tiger dann nicht mehr, wohin er sich wenden soll. Wer würde noch behaupten, der wilde Tiger ist bösartig, beginnt er doch jetzt, mitten am Wege vor Kummer zu heulen. Der Panther kommt und beisst ihm in den Schwanz, der Bär erscheint und schlägt ihm ins Gesicht. Der wilde Tiger stirbt, weil niemand ihm helfen will. Wie steht es erst um Euch, Schwache und Unbedeutende? Freundschaft muss nämlich auf Vertrauen gegründet sein, Verwandtschaft muss sich auf Liebe stützen. Wenn Verwandte und Freunde Dir nicht vertrauen, wer anders sollte Dir dann noch Glauben schenken?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 175f. -
Meng sheng shi 孟生詩: Herr Mêng (Han Yu 韓愈)
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Herr Mêng ist ein Gelehrter, der die Freiheit des Grossen Stromes und des Meeres liebt; sein Aussehen ist altmodisch, und altmodisch ist sein Herz. Stets liest er alte Literatur, und man möchte sagen, dass das Altertum für ihn die Jetztzeit bedeutet. Er hat dreihundert Gedichte verfasst, die unbewusst die Musik des Kaisers Yao befassen (T. of T. II/218; die Sammlung der Gedichte Mêng Chiao's trägt danach auch den Namen Hsien-ch'ih-chi). Auf einem Esel reitend kam er nach Ch'angan und wollte das Volk leiten wie einst Kaiser Shun mit seinem Lautenliede. Er kannte nicht den Palast des Herrschers, dessen neun Pforten für ihn voll geheimnisvoller Mysterien waren. Jedes Tor wird von hundert Soldaten bewacht, ohne Pass kann man keinen Einlass erhoffen. Licht und Glanz funkelt dort in blitzenden Reflexen, flatternde Fahnen und ragende Lanzen sind überall in Menge zu sehen. Zuerst zögert er, dann wich er plötzlich zurück; denn er war so verblüfft, dass er den Anblick nicht länger ertragen konnte. Er hob den Kopf und sah die helle Sonne (den Kaiserpalast); Tränen entströmten seinen Augen und befeuchteten sein Gewand. Darauf besuchte er die hohen Würdenträger, bald diesen bald jenen, und wollte nirgends seinen Kopf (mit der schönen Haarnadel) senken. Ich glaube, er gehörte nicht zu einer Familie von Beamten, und bei seinen Antworten ergaben sich Unstimmigkeiten. Wie ein vom Winde getriebener Pappus oder eine von den Wogen getragene Wasserlinse irrte er umher; Tage und Monate vergingen, er wurde nur älter (ohne einen Erfolg zu erzielen). Warum war er auch nach Ch'angan zur Doktoratsprüfung gekommen? War doch dieser Weg wegen seiner Veranlagung nur um so schwieriger für ihn (d.h. er fiel durch). Ein aussergewöhnlicher Charakter scheut sich unter der Menge zu leben, eine einzelne wohlriechende Blume kann nur schwer in den Wald verpflanzt werden. Wer liebt das reservierte Wesen der Fichte oder der Cassia? Dagegen ist der Schatten von Pfirsich- und Pflaumenbäumen von allen begehrt. Morgens beklagte er die Blätter, die vom Baume fielen (er sah darin ein Symbol seiner eigenen Lage); abends war er gerührt, wenn er einen Vogel nach seinem Neste zurückfliegen sah (während er selbst in die Heimat nicht zurückkehren konnte). Als er bemerkte, dass ich viel Sympathie für ihn hatte, besuchte er mich oft in meiner verfallenen Hütte. In stillen Nächten sassen wir wortlos einander gegenüber, weisshaarig horchte ich auf seine traurigen Lieder. Er sang die Verse vom Pflücken der Orchideen (Wen-hsüan 19/16), wobei Gedanken an die Heimat (Kiangsu) in ihm aufstiegen; er blickte voll Sehnsucht in die verschwommene Fernen nach Südosten. Denn von Ch'in (Shensi) nach Wu (Kiangsu) ist der Weg weit und schwierig; in beiden Ländern herrscht maszloser Reichtum (und Kenntnisse werden nicht geschätzt). Ich hob den Namen des Gouverneurs Chang Chien-fêng von Hsü-chou hervor, der das Altertum liebte und im ganzen Reiche verehrt werde. Ebenso wie der Phönix nur Bambusfrüchte geniesst, versammeln sich hervorragende Männer in seinem Hause; und der Duft seiner Tugend wird von den Geistern geschätzt (Legge III, 539). Wenn man wissen will, wie klein die gewöhnlichen Berge sind, muss man schon auf die Spitze des T'ai-shan steigen. Wenn man erkennen will, wie enge alle Flüsse sind, muss man wohl über die Tiefen des Weltmeeres fahren (d.h. bei Chang Chien-fêng wirst Du erst den Unterschied zwischen ihm und anderen Würdenträgern in Erfahrung bringen). Mögest Du auf meine Worte hören und sie als Rat von mir annehmen. Nachdem Du Chang Chien-fêng kennen gelernt hast, denke wieder daran hieher zurückzukommen; bleibe nicht zu lange dort verweilen. Pien Ho (B.D. No. 1650) versuchte seinen Edelstein dreimal Herrschern anzubieten (und hatte erst das letzte Mal Erfolg). So hoffe ich auch von Dir, dass Du dann im Herbst Deinen Doktorgrad erreichen wirst (Wen-hsüan 30/6).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 152-154. -
Ming yan 鳴雁: Die schreiende Wildgans (Han Yu 韓愈)
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Melancholisch ertönt der Schrei der fliegenden Wildgans (Legge IV, 293). Am Ende des Herbstes fliegt sie nach Süden, um im Frühjahr wieder nach Norden zurückzukehren. Sie flieht die Kälte und sucht die Wärme auf; sie weiss, wo sie bleiben kann und was ihr angemessen ist. Der Himmel ist weit, die Erde ausgedehnt, doch die Orte, wo sie ruhen kann, sind nur wenige. Wind und Reif sind schneidend scharf, und Reis und Hirse (Futter) nur wenig zu finden. Die Flügelfedern sind beschädigt, der Leib abgemagert. Hin und her fliegt sie, stets nach den Genossen Ausschau haltend, die sie verlassen haben. Kläglich schreiend möchte sie sich niederlassen, aber es sind nicht die ihr bekannten Inseln. Ueber den weiten Gewässern von Chiang-nan (ihrer Heimat) schweben zahlreiche Morgenwolken. Das Gras ist hoch, der Sand ist weich, und nirgends sind Netze gespannt. Langsam fliegt sie und ruhig lässt sie sich nieder, wo sympathische Stimmen (ihrer Genossen) sie begrüssen. Frei von Sorgen und voll Dankbarkeit für den Ruheplatz, denkt sie ihrer Natur nach an nichts anderes. Was würdest Du, mein Freund, dazu sagen, wenn wir uns einmal mit dem Winde (zum Besuch der Heimat) aufschwingen könnten?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 68. -
Mu fu rong 木芙蓉: Der Mandeleibisch (Han Yu 韓愈)
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Die gerade geöffnete Blüte sitzt auf dem mit kaltem Thau bedecktem Strauch und ist röter als die rote Lotusblume im Wasser. Wie sollten sie einander wegen ihrer schönen Farbe mit Eifersucht betrachten? Ist doch der gleiche Name (fu-jung), ihnen beiden nur zufällig von den Menschen gegeben. Du willst die einen pflücken gehen am Ufer des Stromes (Wen-hsüan 29/4), aber der Herbst ist dafür schon zu spät; Du möchtest die anderen vom Strauche holen (Ch'u tz'u 2/9), aber Du findest sie im alten Tempel nicht mehr vor. Ich hoffe, dass Du so bald wie möglich hierherkommst, um sie zu besichtigen, und nicht wartest bis der Wind sie abgeschlagen hat.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 244. -
Mu xing he ti shang 暮行河堤上: Abends gehe ich auf dem Damm des Flusses spazieren (Han Yu 韓愈)
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Abends wandere ich über den Damm des Flusses und sehe weit und breit niemanden. Dürres Gras geht am Horizonte in gelbe Wolken über; bei diesem Anblick bewegen traurige Gedanken meinen Geist. In der Nacht kehre ich zum einsamen Boot zurück, um darin zu schlafen, doch ich wälze mich nur schlaflos bis zum Morgen herum. Welcher von allen meinen Plänen (dem Lande zu helfen) ist schliesslich erfolgreich gewesen? Ach über die Welt und mein armes Ich!–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 26. -
Mu yu 沐浴: Als ich badete (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Na liang lian ju 納涼聯句: Wir ergötzen uns an der Kühle des Hauses (Han Yu 韓愈, Meng Jiao 孟郊)
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Han Yü: Von Zeit zu Zeit pfeifen wir, um einer aus der Ferne kommenden Brise teilhaftig zu werden; allmählich nähern wir uns dem Herbstanfang. Das Element Metall (des Herbstes, Liki I, 374) ist noch schwach, und die Kraft des Herbstes erst im Werden; der letzte Sommermonat ist dafür umso schwüler. Versengend ergiessen sich die Sonnenstrahlen, und steil erheben sich die hohen Wolken. Mêng Chiao: Der rote Blitz erschreckt durch seine schlängelnden Bewegungen, kompakte fleischfarbene Dünste ragen empor wie gewaltige Berge. Wenn man die Bäume des Waldes betrachtet, fürchtet man dass sie in Flammen aufgehen; hält man das Ohr über den Brunnen, erinnert man sich an sein Rauschen von früher (das jetzt aufgehört hat). Nach dem Firmamente blickend ist man besorgt, dass die Eintracht zwischen Himmel und Erde verloren gegangen ist (Legge, Iking pg. 281/3); denn unzeitgemäss bilden sich Hagelschlossen. Die am Wege verdursten (wie einst Kuafu, dessen Stock sich in den Wald von Têng verwandelte, Chavannes, Mém. hist. III, 218) sind gar viele; doch gewöhnlicher ist es (Liki I, 559), dass man zum Flussufer eilt, um seinen Durst zu stillen. Wer erbarmt sich jener, die auf ihrer Wanderung vom Sonnenstich getroffen werden (T. of T. II, 115)? Wie würde man sich freuen, wenn man durch Musik einen kühlen Wind einzuladen imstande wäre! Oder ganz plötzlich einen strömenden Regen erhielte! Man würde glauben junge Phönixe singen zu hören. Wenn dieser herrliche Wunsch nicht bald in Erfüllung geht, wird das Herz in seinen Hoffnungen grausam enttäuscht sein. Wir setzen uns tausendmal auf den kühlen Treppenstufen nieder; immer von neuem umfassen wir den kalten Schwertgriff. Das irritierte Gemüth wird dadurch wieder beruhigt, die erhabenen Gedanken kehren in ihrer alten Grösse zurück. Han Yü: Die Drachen tauchen im Wasser unter, als ob noch mehr als ihre Schuppen versengt wären; die Rinder keuchen, wie wenn nicht nur ihre Hörner verbrannt wären. Die Zikade zirpt in ihrer Bedrängnis, bis ihre Stimme umschlägt, der Rabe kann infolge der Hitze, obwohl hungrig, nicht essen. Bei Tage erscheinen zahlreiche Fliegen auf dem Speisetisch, in der Nacht saugen Mosquitos Blut aus dem Fleisch. Selbst das feine Dolichos-Gewebe wird nicht mehr vertragen und schliesslich abgelegt; man wird müde, den langen Fächer zu bewegen, und nimmt ihn doch wieder auf. Glücklicherweise habe ich hier einen herrlichen Freund (Mêng Chiao) gefunden und sitze nun mit ihm im Schatten des bunten Vordaches. Eine glänzende Matte liegt ausgebreitet, worauf wir wässerige Zuckermelonen waschen. Das grosse Haus ist geräumig und hält die Kühle beisammen; auf den Wänden finden sich alte Gemälde mit eigentümlich verschossenen Farben. Die Kälte lässt glauben, dass man in den äussersten Norden gelangt wäre; die Weisse der Wände erinnert an Jade. Ich habe die weiten Räume reinfegen lassen, um eine frische Brise einzuladen; ich habe kaltes Wasser aus dem Brunnen geschöpft und darin wohlriechenden Reis eingeweicht. Im Körbchen vor uns liegen köstliche Früchte, die im Walde gepflückt wurden, auf den Speiseplatten werden uns Vogeleier serviert. In meiner öden Halle freue ich mich, Dich zurückhalten zu können, wegen der dürftigen Speisen schäme ich mich meiner Unzulänglichkeit. Mêng Chiao: Mit Eifer weisst Du mich zu ermahnen, vom Gebotenen zu geniessen, und auch die Bedienung zeigt grosse Geschäftigkeit. Sie offenbart ihre Kraft im Schleifen der frostigen Messerklingen, während wir (beim Essen) die kalten Speerspitzen um die Wette erglänzen lassen. Da kommt plötzlich eine leichte Brise und weht geräuschvoll über den Rasen; sie wurde von Deiner dichterischen Inspiration schon vorausgefühlt. Vom Herbst getroffen klagst Du über Dein verändertes Aussehen; geschickt im Dichten ungewöhnlicher Gedichte zeigst Du jetzt eine neue Kunst (das Kettengedicht). Wer würde sagen, ich wäre ein von Freunden verlassener Greis? Ich will vielmehr mit Eifer noch etwas von ihnen dazulernen. Auf einer wackligen Veranda wage ich nicht zu sitzen, ein schwankender Tisch, auf den man sich stützt, läuft Gefahr umzustürzen (d.h. ich will von der Beamtenlaufbahn nichts wissen). Der Weg zu den himmlischen Höhen (der Freiheit) ist nicht leicht zu erreichen, das Bein des gelben Kranichs ist noch gefesselt (d.h. Du, Han Yü, bist noch Beamter). Du kannst noch nicht vom Quellwasser (der Wildnis) trinken, Du bist jetzt noch gehindert, inmitten wohlriechender Blumen zu singen. Han Yü: Von Dir wurde ich einst getrennt, als ich vom Unglück verfolgt in die Verbannung geschickt wurde. Mein aufrichtiges Vorgehen wurde durchkreuzt durch Winkelzüge von Intriganten, meine naiven Pläne wurden durch geschickte Verläumdung vereitelt. (Auf meiner Reise nach Süden) kam ich am dampfenden Tung-t'ing-See mit seinen unheilvollen Dünsten vorüber, über heisse Steine ging mein Weg durch wildes Geröll. Das Hungergefühl des Diabetes zeigt sich im Sommer umso ärger, der Durst bei Fieberhitzen trat im Herbste noch häufiger hervor. (In meiner Verbannung) hatte ich keine Gelegenheit, Dein Antlitz zu sehen, oder Deine Hand zu ergreifen. Jetzt bade ich mich wieder in neuer kaiserlicher Gnade und hoffe die erhabene Schlichtheit (des Altertums) zurückkehren zu sehen. In der Gelehrtenschule des Kuo-tzu-chien ergehe ich mich nun nach Herzenslust und kann die Werke der Weisen mit voller Befriedigung eingehend studieren. Furchtlos (Legge I, 276) und ohne Zaudern arbeite ich weiter, offene Worte gebrauchend und erkünsteltes Lachen vermeidend. Zu Wagen und zu Pferd können wir jetzt zusammen ausfahren und ausreiten und freuen uns zusammen herrlichen Wein zu schlürfen. Ich würde es nur beklagen, wie Gras oder Binse (Legge V, 369/19) verworfen zu werden, wage aber nicht daran zu denken, eine wichtige Stellung am Hofe zu erhalten. Was denkst Du zu dieser Auffassung? Denn stets hoffe ich von Dir mit Rat unterstützt zu werden.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 213-215. -
Nan nei chao he gui cheng tong guan 南內朝賀歸呈同官: Ich kehre von der Audienz im Nan-nei-kung-Palaste zurück. Ein meinen Kollegen überreichtes Gedicht (Han Yu 韓愈)
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Dünne Wolken verdecken die Herbstsonne, ein leichter Regen hat (auf den Wegen) keinen Kot bereitet. Nach beendeter Gratulationscour im südlichen Kaiserpalaste kehre ich (und die anderen) am kühlen Morgen fröstelnd zurück. In den zwölf Strassen mit den grünen Sophoren verteilen sich eilig Reiter und Wagen (der Audienzgänger). – Ich bin nur ein beschränkter Büchergelehrter, stehe allein und habe nichts dem Staate zu bieten, Dreimal im Amte degradiert, habe ich die amtliche Laufbahn noch immer nicht verlassen und es in der Hierarchie zum Range eines Ministers gebracht. Habe ich allein etwa den Glanz dieser Uniform, die Edelsteine am Gürtel, die Mützennadel aus Rhinoceroshorn erhalten? Auch meine Frau wurde in den Adelstand erhoben und ihr Name findet sich innerhalb der hohen Tore des Kaiserpalastes verzeichnet. – Meine Bildung ist geringer als jene meiner Mitmenschen, und meine Lebensführung ist auch nicht die geregeltste (T. of T. I, 215). Frägt man mich nach den Angelegenheiten des Hofes, so weiss ich so ziemlich von nichts. Und gar erst in den Tiefen der Literatur, habe ich da etwa schon die ersten Grundlagen (T. of T. I, 252) erforscht? Die Gnade des Fürsten mir gegenüber ist in ihrer Grösse nur mit dem T'ai-shan-Berge zu vergleichen, und ich sehe auch nicht die kleinste Möglichkeit sie zu vergelten. Meine Amtspflichten sind von geringem Umfang, und ich tue auch nichts, um mich weiter auszubilden. Der Kaiserhof versammelt weise Männer wie Pfauen und Phönixe, wozu hat er unter den gewöhnlichen Wasservögeln (Legge IV, 479) eine Auswahl getroffen und mich berufen? Man pflanzt Fichten und Zypressen, aber dazwischen doch nicht Artemisia und Chenopodium! Die sympathische Jugend (Legge IV, 158) weiss sich im besten Lichte zu zeigen und sich Freunde zu machen; wie lange wird es noch dauern und ich, Alleinstehender, werde zurückgedrängt werden. Von jenen Tieren, die vor Gier nach Nahrung die Sicherheit ihres Körpers vergessen, entkommen nur wenige dem Salz und Gewürz der Zubereitung (d.h. auch mich nutzlosen Beamten, der sich nur vollfrisst, wird das Schicksal erreichen). Richterliche Beamte warten schon viele Jahre, um ihre scharfgeschliffenen Waffen gegen mich zu gebrauchen. Sie werden meine Sünden und Unterlassungen benützen, um selbst höher emporzusteigen. Zur Erhaltung meines Lebens will ich nach Kwan-tung (meine Heimat) zurückkehren und glaube auf diese Weise, nicht bis zum Tode den unrichtigen Weg gegangen zu sein.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 185f. -
Nan shan shi 南山詩: Der Südberg (Han Yu 韓愈)
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Ich habe gehört, dass die Gegend im Süden der Hauptstadt ein Garten zahlreicher Berge ist. Im Osten und Westen reicht die Kette bis an die beiden Meere, und ist eine vollständige Untersuchung der grossen und kleinen Berge nur schwer durchzuführen. Das Shan-hai-ching und andere geographische Werke sind vage und nicht leicht zu erklären. Ich habe daher meine eigenen Ideen gesammelt und versucht vom Wichtigsten eine Beschreibung zu geben (Liki I, 320), doch sah ich bald, dass wenn ich von einem Berg sprechen wollte, tausend andere mir entschlüpften. So wollte ich meine Absicht schon aufgeben, aber wirklich es ging nicht, weswegen ich nun in groben Umrissen erzählen will, was ich gesehen habe. Oft bin ich auf einen hohen Hügel gestiegen, um Ausschau nach dem Nan-shan zu halten, und alle die vielen Berge vereinigten sich in meinem Auge. Bei klarem Wetter traten die Spitzen und Kanten deutlich hervor und zeigten sich die feineren Kontouren wie die Zeichnung einer Stickerei. Die Dünste waren in fortwährender chaotischer Bewegung begriffen, und es kam plötzlich vor, dass man bis tief ins Innere der Bergtäler blicken konnte. Von selbst ohne Zutun des Windes bewegten sich diese Dünste, deren Feuchtigkeit üppige Vegetation hervorbringt. Manchmal bildeten die horizontalen Wolken eine dichte Schichte, über der die zahlreichen Berghöhlen wie Punkte erschienen. Die Umrisse der Berge sahen am Firmamente wie langgeschweifte Augenbrauen aus (Wen-hsüan 19/13), deren tiefdunkle Farben soeben erst aufgetragen sind. Wie einsame Pfeiler ragten die steilen Schroffen (Wen-hsüan 55/13, Tufu 3/2) empor und erinnerten an den Schnabel des aus den Fluten des Meeres auftauchenden Vogels Rock. – Im Frühling lässt die Sonne die schlammigen Terrains (Legge IV, 164) ihre Feuchtigkeit verlieren und bringt hell leuchtend (Legge IV, 646) alle Schönheit zum Vorschein. Die Felslandschaft trotz ihrer Wildheit erscheint milde wie getränkt von herrlichem Wein (Liki I, 358). Durch die Hitze des Sommers wächst die ganze Vegetation üppig empor und der Schatten der Bäume nimmt an Dunkel zu. Täglich entsteigen den Bergen Dünste wie Geister, und die Wolken wetteifern alle möglichen Formationen anzunehmen. Der Herbstreif schwelgt in grausamer Zerstörung der Natur, und nackt ragen dann die Berge in ihrer dürren Magerkeit empor. In ungleichen Lagen erscheinen sie aufgetürmt und heben sich in ihrer wilden Grösse über die Landschaft. Selbst bei Anbruch des Winters mit seinem Mangel an Licht, verstehen Schnee und Eis die Szenerie zu verschönern. Die (nach dem Schneefall) hervorkommende Sonne bescheint die steilen Felsen, und ihre meilenlangen Strahlen dringen nach allen Richtungen vor. Licht und Dunkel wechseln unaufhörlich mit einander ab, in jedem Augenblick ändert sich die Witterung und die Aussicht. – Im Südwesten erhebt sich mächtig der T'aiposhan, und in Kühnheit kann kein anderer Berg mit ihm verglichen werden (Legge V, 632/1). Dadurch dass er die Hauptstadt beschützt, ist er mit dem Schicksal der Dynastie verknüpft; denn nur ein Teil der Gebirgsmasse liegt im Südwesten. Ein anderer überschreitet auf seiner Wanderschaft diesen Erdsektor und dringt vorlaut nach Nordosten vor. Die Luft auf dem T'aiposhan ist bitter kalt, denn dort wehen die Winde mit verhältnismässig grossem Ungestüm. Ein roter Fleck der höchsten Spitze zeigt die eben aufgehende Morgensonne an, während Regen und Schnee noch in wildem Durcheinander fallen. – Im Norden des T'aiposhan und T'ai-yeh-ch'ih liegt der K'un-ming-see, den ich mir gerade bei schönem Wetter anschauen ging. Ich verlor mich ganz in seinem fortwährenden Anblick, und mein liegendes Bild wurde in den klaren Fluten des Sees festgehalten. Kleine Wellen bewegten die Wasserfläche, und meine Kontouren verzerrten sich zu flink hüpfenden Affen. Erschreckt schrie ich laut auf in der Meinung, dass ich in Stücke zerrissen wäre, und freute mich beim Aufrichten, dass die Wellen mich nicht verschlungen hatten. – Weiterschreitend suchte ich den Weg nach Tuling, Staub verdeckte die hässliche Pi-yüan-Ebene. Auf mühsamem Wege stieg ich die Anhöhen hinauf und erlangte da erst eine weite Aussicht. Weiter verfolgte ich meinen Weg so weit es möglich war, doch hörten Berge und Täler nicht auf durcheinander zu laufen. Zornig möchte ich das Gebirge in zwei Hälften spalten, denn es umfasst mich immer wieder und ich kam ihm nicht gut werden. Ich wünschte dass der grosse Flussgeist zusammen mit den beiden Söhnen des K'ua E aus der Ferne hierherkämen, um ihre Kräfte zu zeigen (Legge IV, 57; V, 340/2). Noch verstehe ich nicht die der Schöpfung dieser Berge zugrundeliegende Idee, doch liegt vielleicht in ihren Wällen ein überirdischer Schutz. Selbst wenn jene Geister imstande wären, diese Berge zu versetzen, würden sie doch durch das Getöse von Donner und Blitz zurückgeschreckt werden. – Immer wieder verliert Hand und Fuss beim Hinaufsteigen ihren Halt, doch endlich gelange ich erschöpft (Wen-hsüan 12/7) zum Rande eines Wasserbeckens (Legge, Iking pg. 166/1). Wie betäubt versuche ich den Kopf zu heben und bin beunruhigt (Ch'u tz'u 8/16) beim Anblick der mich auf allen Seiten einschliessenden Berge. Der Ernst des Eindruckes lässt alle Heiterkeit verschwinden; die vor mir liegende neue Szenerie verwischt alle früher gesehenen. Als Beamter habe ich leider nur wenig Musze zur Verfügung; selbst wenn ich wollte, könnte ich daher nicht weiter vordringen. Das Ufer entlang gehend blicke ich in das Wasser des Beckens (T'an-ku-ch'iu), das in seiner unergründlichen Tiefe den Drachen beherbergt (Liki I, 524). Fische und Frösche könnte man gebückt mit den Händen packen, wie würde man aber dies wagen und so dem wunderbaren Untier das Futter rauben. Wenn von den Aesten der Uferbäume die Blätter fallen, kommen die Vögel erschreckt herbeigeflogen, um sie aufzufangen (und eine Verunreinigung des Sees zu verhindern). Dann fliegen sie mit den Blättern im Schnabel rings um den See herum, werfen die Blätter weg und eilen zum Nest zurück, um die Jungen zu füttern. – Ich mache mich auf den Rückweg und blicke nach allen Seiten herum: die Baumstümpfe (die ich hier früher gesehen) sind wieder stattlich gewachsen und voll üppiger Blätter. Ach, es ist wirklich wunderbar, wie diese ragenden Stämme sich verändern können! Als ich im vorletzten Jahre in die Verbannung gehen musste, kam ich zufällig als beobachtender Wanderer hier vorüber. Damals betrat ich das Gebirge von Lan-t'ien-hsien aus und sah nach rechts und links, bis mich der Nacken schmerzte. Es war trübes Wetter und es fiel viel Schnee, der meine verweinten Augen beinahe blind werden liess. Der steile Weg war in seiner ganzen Länge mit Eis bedeckt, so dass er wie ein Wasserfall aussah. Mein langes Gewand aufnehmend stieg ich langsam empor und stiess das vor mir gehende Pferd; ich glitt oft aus, sank zurück und fiel zu Boden. Wie betäubt vergass ich in die Ferne zu schauen, und was ich sah war gerade nur meine nächste Umgebung. Die Tannen und Bambus rauschten im Winde, als ob sie dem Schilf und der Artemisia (der Ebene) grollten: der Glanz des Schnees erinnerte an das Funkeln zahlreicher Helme und Panzer. Ich dachte an nichts mehr als an die ebene Strasse und wollte die Gefahren des Weges hinter mir haben, ähnlich wie man die Gesellschaft übelriechender Menschen flieht. – Diesmal dagegen hatte ich schönes Wetter getroffen und freute mich, dass meine Wünsche von früher (die Bergszenerie zu sehen) in Erfüllung gingen. Hoch stieg ich empor bis zur Spitze des Nan-shan, wo Fledermäuse und fliegende Eichhörnchen hin- und herhuschten. Was vor und unter mir lag öffnete sich weit, und die Runzeln und Falten des Berglands schufen die mannigfaltigsten Formationen. [Die folgenden Verse sind wegen ihres fünfzigmal wiederholten huo (oder) in der chinesischen Literatur berühmt geworden; Wen-hsüan 17/5 dürfte hier als Vorbild gedient haben]. Bald erschienen sie verbunden wie ein Gefolge, bald eng sich drängend wie einander bekämpfend, Oder ruhig hingelagert wie unterworfen, oder emporfahrend wie ein erschrecktes Vögelchen, Oder zerstreut wie die Scherben zerbrochener Dachziegel, oder zusammenlaufend wie die Speichen eines Rades, Oder schwebend wie ein dahinziehendes Schiff, oder voll Feuer wie gallopierende Pferde, Oder abgewendet wie hasserfüllt, oder zugeneigt wie sich unterstützend, Oder in wirrem Durcheinander wie hervorkommende Bambussprossen, oder hochragend wie eine Moxa (über der umliegenden Haut), Oder in verschiedenen Gruppierungen wie Gegenstände einer Zeichnung, oder gewunden wie die Striche der Siegelschrift, Oder arrangiert wie Sternbilder, oder in dichten Massen wie ruhende Wolken, Oder dahineilend wie Wellen, oder zerteilt wie die Schollen eines gepflügten Feldes, Oder wie wackere Männer à la Mêng Pên und Hsia Yü (B.D. No. 1525 u. 684), die beim Ringkampf um den Einsatz kämpfen, Und von denen der Sieger seine Ueberlegenheit zur Schau trägt, während der Besiegte stumpf dasitzt, als ob er nicht sprechen könnte; Oder vornehm wie ein Herrscher, der junge Leute des Volkes an seinen Hof zieht, Und obwohl herablassend, sich doch mit ihnen nicht weiter einlässt, und obwohl sie fernhaltend, sich doch nicht mit ihnen streitet; Oder wie die Gerichte auf einem Speisetisch, die durcheinander aufgestellt sind, Oder wie ein Begräbnisplatz, wo Gräber die Särge umschliessen, Oder übereinandergetürmt wie Teller und Trinkgefässe, oder emporgehalten wie Präsentierplatten, Oder auf dem Rücken liegend wie sich sonnende Schildkröten, oder zusammengekauert wie schlafende Tiere, Oder zusammengerollt wie der sich verbergende Drache, oder die Flügel spreizend wie herabstürzende Geier, Oder in gleicher Reihe wie Freunde, oder einander folgend wie Schwägerinnen, Oder umherlaufend wie Vagabunden, oder zurückschauend wie angehaltene Gäste, Oder trotzig wild wie erbitterte Feinde, oder heimlich verborgen wie sexueller Verkehr, Oder von strenger Würde wie eine hohe Zeremonienmütze, oder gestülpt wie die Aermel einer Tänzerin, Oder unbeweglich wie eine Schlachtordnung, oder enger werdend wie die Einkreisung bei der Jagd; Bald nach Osten ausgestreckt, bald nach Norden hingelagert, Oder wie des Feuer's Flamme und Rauch, oder wie lang angehaltener Dampf beim Dunsten des Reises. Bald in ununterbrochener Reihe, bald wie abgebrochen und nicht wieder aufgenommen (Legge, Iking pg. 166/7); Bald diagonal an nichts sich lehnend, bald wie ein Bogen in Ruhe und entspannt (Liki II, 191), Bald rund wie eine Glatze, bald mit emporstehenden Spitzen wie gesammeltes Feuerholz (Legge IV, 442). Bald zerrissen wie die Sprünge einer gerösteten Schildkrötenschale (Legge V, 443/16), bald zerteilt wie die Orakelsprüche des Iking. Bald vorne (oben) quer wie das 23. Hexagramm, bald hinten (unten) durchschnitten wie das 44.; In langem Zuge trennen die Berge sich plötzlich, um sich wieder zu schliessen, oder sondern sich wie abgeschnitten (Legge, Iking pg. 152/19), um sich wieder zu treffen. Bald erinnern sie in ihrer schiefen Richtung an die gegen Wasserlinsen stossenden Fischmäuler, bald erscheinen sie einsam wie der an den Sternbildern vorüberwandernde Mond. Bald stehen sie in reicher Entfaltung (Wen-hsüan 16/9) empor wie Mauern, bald ragen sie wie die Firstbalken der Kornspeicher und Marställe; Von ungleicher Höhe sind sie wie Schwerter und Lanzen, und glänzen wie mit herrlichen Steinen besetzt (Legge IV, 92); Bald sind sie üppig gegliedert wie platzende Blumenknospen, bald zeigen sie Abstürze wie die Dachtraufe des Regenwassers; Bald dehnen sie sich weit und wirken friedlich, bald sind sie massig aufstrebend und erscheinen arrogant. Bald treten sie überragend hervor, um sich wieder zu verlaufen, bald liegen sie so plump da, als ob sie, selbst erschreckt, sich nicht rühren würden. – O Du Nan-shan, gewaltig erhebst Du Dich zwischen Himmel und Erde mit Deinem Aufbau, der an das Zellgewebe der Haut erinnert. Wer hat wohl Dich geschaffen und wer hat durch Ueberwindung aller Schwierigkeiten dabei geholfen? (Legge IV, 55, 57, Wen-hsüan 18/5). Ein solches Werk ist, obwohl natürlich, doch überaus kunstvoll und war nur möglich dadurch dass mit Anspannung aller Kräfte Erschöpfung überwunden wurde. Hat Er etwa dazu selbst Beil und Axt gebraucht oder bediente Er sich nur Weisungen an Geister? Von jener Zeit des ersten Chaos haben wir schliesslich keine Kunde, doch ist die Leistung so ungemein gross, dass sie nicht vergolten werden kann. Einst hörte ich von einem Beamten des Opferdienstes, dass der Geist des Nan-shan bei den Opfern (Legge IV, 371) herabstiege und deren Duft geniesse. In sorgfältiger Sprache (Legge I, 181) habe ich nun dieses Loblied verfasst, um auf diese Weise dem erhabenen Geiste meinen Dank abzustatten.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 10-15. -
Nan shan you gao shu xing zeng li zong min 南山有高樹行贈李宗閔: Die Erzählung vom hohen Baume auf dem Südberg. Dem Li Tsung-min gewidmet (Han Yu 韓愈)
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Auf dem Südberg steht ein hoher Baum, wie üppig sind seine Blüten und Blätter! Oben befindet sich das Nest des Phönix, und ein Phönix sitzt brütend darin. Ringsherum sind viele lange Aeste, auf denen sich andere Vögel niedergelassen haben. Von ihnen nimmt die braune Wildgans einen hohen Platz ein, die anderen Vögel sitzen tiefer unten. Da kam – ich weiss nicht von welchem Berge – ein Vogel mit glänzendem Gefieder herangeflogen. Flatternd suchte er einen Platz, um sich zu setzen, wobei er wirklich das Staunen aller anderen Vögel erregte. Von oben wurde ihm die Gnade des Phönix zuteil, und er hoffte natürlich, dass diese Gnade für immer währen würde. Unter den anderen Vögeln befreundet er sich nur mit der braunen Wildgans und verbirgt vor ihr auch seine geheimsten Gedanken nicht. Tief unten sieht er die Menge der anderen Vögel und denkt sich, was kann ich schliesslich mit Euch beginnen. – Er weiss nichts vom Jäger mit der Armbrust, der schweigend im Herzen böse Absichten hegt. Mitten zwischen Blättern und Aesten wirst Du von seiner Armbrustkugel getroffen, Dein Flügel sinkt plötzlich verwundet herab. Jemand behauptet, Du hättest Dein Unglück der Wildgans zu verdanken, doch was hat sie damit zu tun? Sei vorsichtig und verdächtige auch nicht die anderen Vögel, die es gar nicht wert sind verdächtigt zu werden. Niemand erzählt dem Phönix Dein Unglück, wie sollte er da auch von der Dir widerfahrenen Unbill etwas wissen? Die braune Wildgans freut sich Deines Verschwindens und brüstet sich stolz ihres schönen Gefieders. Alle anderen Vögel, auf die Du früher herabgesehen hast, kritisieren jetzt Deine Fehler. Hast Du etwa keine Freunde? Aber obwohl sie einen Schnabel haben, wollen sie ihn jetzt (aus Furcht) nicht öffnen. Du fielst ins hohe Gras, wann dürftest Du wohl wieder auffliegen können? Dein alter Freund in den Bergen bemitleidet Dich; mitten in der Nacht denkt er Deiner mit Kummer. Der Weg von dort bis in die Berge ist gar weit, und seine Flügeln kurz; er kann leider Dir bei Deiner Rückkehr nicht behilflich sein.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 174f. -
Nan xi shi fan san shou 南溪始泛三首: Erste Fahrt auf dem südlichen Flusse, drei Gedichte (Han Yu 韓愈)
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Unter dem Südberge rudere ich mein Boot, ich fahre flussaufwärts ohne zurückkehren zu wollen. Die Schönheit der Landschaft nimmt allmählich mit der Fahrt zu, wer kann beurteilen, wie weit wir schon gekommen sind. Im tiefen Schatten fahre ich längs waldiger Ufer, in Windungen erreicht mein Boot den queren Damm. Die plumpen Steine lassen sich gerne durch das (landende) Boot glattschleifen, die bösartigen Wogen bedauern, dass das Boot ans Ufer gezogen wird. Am abgelegenen Ufer fange ich von Zeit zu Zeit einige Fische, auf der flachen Sandbank nehme ich darauf mein Mahl ein. In Tropfen fällt vom Winde getrieben der abendliche Regen, klein erscheint die schiefe Sichel des Neumondes. – Ich fürchte, mir sind nicht viele weitere Jahre beschieden, ich bedaure nur, dass die Tage der Ruhe (des Urlaubs) für mich so spät gekommen sind, Es ist natürlich die Krankheit, die mir diese Gedanken eingibt, und nicht der Wunsch, den hohen Ruhm eines Eremiten zu erwerben. Obwohl der Südfluss mit klaren, schnellen Fluten dahinfliesst, sieht man doch kein Ruder- oder Segelboot. Die Bergbauern sehen mit Erstaunen mein Boot, sie folgen mir (am Ufer) und lassen das Boot nicht aus den Augen. Nicht allein die Kinder und Jungens sind es, die mich begleiten, auch manchmal die Weissköpfe, die sich auf ihre Stöcke stützen. Sie geben mir Melonen in Körben mit und fordern mich auf hier zu bleiben. Ich sage ihnen, ich habe wegen Krankheit Urlaub genommen und fühle mich hier schon viel besser. Glücklicherweise habe ich mehr Gehalt als ich brauche und kann mir davon auf den Feldern im Westen ein Haus bauen. Ich möchte die Scheunen voll mit Reis und Korn haben, dann hätte ich morgens und abends keine Sorge mehr (wegen der Mahlzeiten). Weiter stromaufwärts habe ich auch keinen besonders besseren Platz gefunden, hierher zurückgekommen gefällt es mir auch ganz gut. Ich fürchte nur, den Dorfgenossen viel Mühe zu verursachen, dadurch dass ich ihre Hilfe oft nötig haben werde. Ich möchte zusammen mit ihnen ihre religiösen Feste feiern und im Frühjahr und Herbst Hühner oder Schweine opfern und ihnen dann ein Mahl geben. Meine Beine wurden schwach und ich konnte nicht mehr gehen, daher musste ich den kaiserlichen Hof verlassen. Aber mein hagerer Körper kann durch eine Sänfte getragen werden, denn wie könnte ich schöne Landschaften nicht sehen wollen? Gerade hier am Fusse des Südberges gibt es, wie ich schon lange gehört habe, herrliche Gewässer und Felsen. Ich habe nun mein Boot hierher gesteuert und finde tatsächlich die Fluten des Flusses ebenso klar wie schnell. Auf den Wogen zu fahren traue ich mich noch nicht, aber an seichten Stellen kann ich gerade noch mit der Stange das Boot vorwärtsstossen. Ein Reiher erhebt sich, wie wenn er mir den Weg zeigen wollte, er fliegt fortwährend vor mir in einer Entfernung von einigen zehn Schritten. Am Rande der Sandbank stehen vereinzelte Weiden, in Gruppen krönen Fichten die Felsen. Bevor ich nach Hause komme, dauert es noch die ganze Nacht; wer würde sagen, dass es nicht ein ermüdender Ausflug war?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 195f. -
Nu ji 駑驥: Die Schindmähre und der Renner (seinem Freunde Ou-yang Chan gewidmet) (Han Yu 韓愈)
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Die Schindmähre (Ch'u tz'u 8/8) ist wirklich in bedrängter Lage (Wen-hsüan 28/22). Warum gibt es gar soviele Leute, die sie kaufen wollen? Ihre Kraft ist bescheiden und sie wird ohne Zweifel den Käufer entschädigen (d.h. er wird dabei seine Rechnung finden). Wenn sie durstig ist, trinkt sie einen Scheffel Wasser, und wenn hungrig, frisst sie ein Bündel Gras. Auf der grossen Strasse wiehert sie, wie wenn sie Ungestüm im Ueberfluss hätte. – Der Renner (dagegen) stammt aus entfernten Gegenden, er ist stolz darauf, allein ohne Seinesgleichen da zu stehen. Er wird durch das Markttor hereingezogen und getrieben, doch die Vorübergehenden bleiben seinetwegen nicht stehen. Frägt man nach seinem Preise, so wird ein Haufen Gold verlangt, so hoch wie der Sung-Berg (bei Loyang). Frägt man, wie er laufen kann, so heisst es, er betrachte die neun Provinzen als eine geringe Entfernung. Wenn hungrig, frässe er nur das baumartige Korn des K'un-lun; wenn durstig, tränke er nur das Wasser süsser Quellen (im K'un-lun, vgl. Liki I, 356). Frägt man, wer ihn lenken könne, so heisst es, in unserer Zeit könne man vergebens nach einem tüchtigen Reiter suchen. Nur der einstige König Mu-wang (B.D. No. 1559) fuhr mit einem solchen Renner bis in die fernsten Gegenden. (Als man ihn einspannen wollte), hielt Wang Liang ihn beim Zügel, und Tsao Fu (B.D. No. 2196 u. 1992) nahm die Deichsel unter den Arm (Legge V, 31/2). Weil (der Verkäufer) von Gegenden jenseits China (vom K'un-lun) spricht, werden die Leute abgeschreckt und mutlos. – Die Schindmähre spricht zum Renner: "Wenn Du vor Hunger stirbst, dann schäme ich mich für Dich. Wer was kann, muss verwendet werden; wer Tüchtigkeit besitzt, muss aufgenommen werden. Wer dürfte sagen, dass Zeit und Schicksal (uns den Erfolg bringen)? Erfolg und Misserfolg hängen von uns allein ab". Der Renner wagt nichts zu erwidern; voll Scham senkt er nur den Kopf. Die Menschen verachten den Renner und ziehen alle die Schindmähre vor. Ach, ich allein bin anderer Meinung und muss darüber seufzen, dass Talent und Schicksal nicht in Uebereinstimmung gebracht werden können. Ich sende Dir, gleichgestimmtem Gemüth, diese Verse und erwarte, dass Du sie für mich mit lauter Stimme singen wirst.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 59f.
RA: Ich nehme an, dass "Remer" in "Nur der einstige König Mu-wang fuhr mit einem solchen Remer" ein Tippfehler für "Renner" ist. Soll ich das korrigieren? -
Pei du shi yu you xiang xi liang si du su you ti yi shou yin xian yang chang shi 陪杜侍御遊湘西兩寺獨宿有題一首因獻楊常侍: Zusammen mit dem Censor Tu besuche ich die beiden Klöster westlich von Hsiang-Flusse. Allein in der Nacht schreibe ich dieses Gedicht und schicke es dem Präfekten von T'an-chou, Yang P'ing (Han Yu 韓愈)
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Die Umgebung von Ch'ang-sha ist auf tausend Meilen weit eben, und die schönen Szenerien finden sich erst in den gefährlichen Bergen. Und gerade dort, wo der Strom breit ist, erheben sie sich plötzlich und durchaus nicht allmählich. Im tiefen Walde glitzert's hoch oben wie Edelsteine (Wen-hsüan 5/6, 11/7), auf den dunklen Bergen zeigen sich gleichsam Nephritszepter (Legge III, 554). Wo der Weg aufhört, öffnen sich Terrassen und Hallen vor uns, die der glänzenden und würdigen Verehrung Buddhas dienen. Gespaltene Bambusrohre leiten Quellwasser herbei, offene Veranden sind unter Felsvorsprünge hineingebaut. Um diese Zeit ist gerade Herbstende, und die Hitze ist noch nicht ganz verschwunden. In einer alle Rangordnung vergessenden Schar sind wir gekommen, und wir ruhen ermüdet aus ohne uns viel an Formen zu kehren. Wir freuen uns über die geräumige Kühle des Gastzimmers, wo schöne Lagerstätten mit reinen Matten versehen sind. Von dem in der Schlucht wachsenden Gemüse wird Kresse und Stabwurz zubereitet, von den Wasserfrüchten werden Kastanien und Euryaleknollen gespalten. (So ein Vergnügen) habe ich schon seit langem angestrebt und kann nur sagen, dass ich unverdient in diese hohe Gesellschaft gekommen bin. Glücklicherweise finden meine Freunde Wagen und Pferd zur Rückkehr, und ich übernachte allein (im Kloster) ohne das Tor zu schliessen. Die Klostergebäude auf dem Berge ragen schwarz in den mondlosen Himmel hinein, die Feuer der Fischer glänzen wie scintillierende Sterne. Brausend weht der Nachtwind, und Tannen und Wachholder werden durcheinander geschüttelt. Ich glaube mich noch auf den Wellen des Hsiang-Flusses zu schaukeln, und wie im Traume wird das Angstgefühl zum Alpdrücken. - Wieder beruhigt denke ich an den Selbstmord des Ch'ü Yüan und erinnere mich an die weit zurückliegende Verbannung des Chia I (B.D. No. 321). Ich denke an Tzu-chiao und Ssu-ma Tzu-lan (Lisao str. 80 u. 81), die eifersüchtig auf Chü Yüan waren, und an Chou Po (Chiang-hou, B.D. No. 422) und Kuan Ying (Pétillon pg. 318), die beide den Chia I verläumdeten. Was ist es was mich plötzlich traurig werden lässt, so dass unwillkürlich Tränen über meine Wangen strömen? Zum Aufflug fehlen mir die Flügel, denn auch meine Fehler sind leider durch Kritik vergrössert worden. Du, Yang P'ing, als Träger der mit Zobelpelz verbrämten und mit einer Agraffe geschmückten Mütze, bist jetzt Gouverneur (dieses wichtigen Postens) von Ch'angsha, und Deine Leitung und Einfluss erinnern an jene des Chou-kung und Shao-kung (Wen-hsüan 59/20). Wie freigiebig ist Deine Behandlung der Würdigen, während Du für Dich selbst nichts ausgeben willst. Du bist wie ein wichtiger Balken im mächtigen Gebäude des Staates, du bist wie ein Ruder, das für das auf dem grossen Strome fahrende Boot gerade geschnitzt wird. Die Arbeit für den Staat lässt Dir nur wenig Musse, daher findest Du auch stets nur wenig Zeit um an Ausflügen und Picknicks teilzunehmen. Stets auf Wanderschaft schäme ich mich hier lange zu verweilen und kann nur seufzen über das schnelle Dahineilen der Zeit (ohne etwas zu leisten). Mein ganzes Leben lang war ich immer getroffen (durch ungerechte Behandlung wie sie Ch'ü Yüan und Chia I erfahren), und mein schwacher Pinsel hat hier die Gelegenheit zum Schreiben (zum wiederholten Eintauchen) gefunden. Während ich mich schlaflos auf meinem Lager wälze, schreien draussen die Affen der Berge; und mein Lämpchen brennt bis zum Morgen mit matter Flamme.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 46f. -
Pen chi wu shou 盆池五首: Der Teich in der Wasserschüssel (5 Gedichte) (Han Yu 韓愈)
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Obwohl schon ein alter Mann, bin ich wirklich noch wie ein kleines Kind. Ich habe eine Schüssel in die Erde versenkt, Wasser geschöpft und einen kleinen Teich angelegt. Die ganze Nacht hindurch rufen die grünen Frösche bis zum Morgen, Aehnlich wie einst als ich in Fang-k'ou (Han Yü's Gedichte V, 21) Fische angelte. Sage nicht, es ginge nicht einen kleinen Teich anzulegen. Die Wurzelsprossen der Lotus habe ich kürzlich gepflanzt und schon erscheinen sie in gleicher Höhe. Wenn es in den nächsten Tagen regnet, vergiss nicht zu kommen. Und anzuhören, wie die Regentropfen klatschend auf die Blätter fallen. Am frühen Morgen reinigt sich das Wasser der irdenen Schüssel von selbst. Es wimmelt darin von kleinen Insekten, deren Namen ich nicht kenne. Plötzlich sind sie verschwunden ohne eine Spur zu hinterlassen, Und man sieht nur kleine Fischchen in einer Reihe daherschwimmen. Wie kann diese kleine, seichte tönerne Schüssel einen Teich abgeben? Und doch in der Nacht kommen die grünen Frösche, als ob sie in ihrem Instinkt wüssten, dass hier ein Teich angelegt ist. Wenn ich euch gestatte im Dunkeln mit euren Freunden hier zu erscheinen, Braucht ihr keinen Lärm zu machen und euch wegen der Weibchen zu streiten. Der glänzende Teich spiegelt den Himmel wieder und beide erscheinen blau. Ich giesse noch einige Krüge Wasser nach, und schon ist der Wasserspiegel in gleicher Höhe mit dem Ufer. Warte nur ein wenig, bis es tiefe Nacht wird und kein Mond mehr scheint, Und zähle dann, wie viele Sterne sich im Wasser spiegeln werden.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 253. -
Peng li hu zhong wang lu shan 彭蠡湖中望廬山: Mitten auf dem P'eng-li-See blicke ich gegen den Lu-Berg (Meng Haoran 孟浩然)
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Am nächtlichen Firmamente erscheint ein Hof um den Mond; daraus schliessen die Schiffer auf kommenden Wind. Sie hissen die Segel und warten auf den Anbruch des Tages inmitten der unendlichen Fläche des ruhigen Sees. Und während wir so dahintreiben, taucht plötzlich der Lu-Berg auf, dessen imposante Lage den Distrikt von Kiu-kiang beherrscht. Seine dunkle Masse zeigt eine Aufhellung der Spitze, gewaltig ragt sie in den Morgenhimmel hinein. Neben dem Weihrauchkessel-Pik erhebt sich gerade die Sonne, und der Sprühregen des dortigen Wasserfalls zeigt einen Regenbogen. – Schon lange wollte ich dem Beispiel des Shang Tzu-p'ing (B.D. No. 689) folgen und mich von der Welt zurückziehen; und jetzt beim Anblicke des Lu-Berges erinnere ich mich umso lebhafter des Bonzen Hui-yüan (B.D. No. 882), der dort als Eremit gelebt hat. Seit meiner Ankunft hier bin ich durch Geschäfte behindert, meine Wünsche zur Ausführung zu bringen, und habe noch keine Musse, meinem kleinen Ich dauernde Ruhe zu gönnen. Fast zur Hälfte habe ich das Land zwischen dem Huai-Fluss im Norden und dem Meere im Süden durchwandert; ein ganzes Jahr (mit seinem Wechsel der Sternbilder und atmosphärischen Erscheinungen) ist beinahe vorübergegangen, seitdem ich die Heimat verlassen habe. Ich möchte die Einsiedler, die auf jenen Schroffen des Lu-Berges hausen, wissen lassen, dass ich nach Vollbringung meiner Aufgabe sie bald aufsuchen und bei ihnen bleiben werde.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 314. -
Qi bu zhi 期不至: Ich warte auf einen Freund, der sich nicht an die Verabredung hält (Bai Juyi 白居易)
–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Qi shan xia er shou 岐山下二首: Am Fusse des Ch'i-Berges (Han Yu 韓愈)
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Wer sagt, ich besässe Ohren und hörte nicht das Singen des Phönix (wenn er erschiene)? Lasst uns (Wen-hsüan 21/15) am Fusse des Ch'i-Berges wandeln (um nach dem Phönix zu lauschen); dort fliegt jedoch gegen Abend nur die Wildgans der Grenze erschreckt herum. Auf dem Tan-hsüeh-Berge sass einst ein Vogel von fünffarbigem Gefieder; dieser Vogel wurde Phönix genannt. Als vor alters die Herrscher der Chou-Dynastie hervorragende Tüchtigkeit besassen, da sang dieser Vogel auf hohem Hügel (Legge IV, 494). Die harmonischen Töne folgten dem günstigen Winde und wurden bis in weite Ferne getragen. Für jene, die diese Töne hörten, was bedeuteten sie? Sie wussten nur, dass die Sitten der Zeit hochstehend waren. Seitdem Tan, Herzog von Chou, gestorben ist (B.D. No. 418, Chavannes I, 223), haben tausend Jahre den Glanz des Phönix nicht mehr gesehen. Unser jetziger Herrscher widmet sich mit aller Energie der Regierung; lasst uns hoffen (Wen-hsüan 30/6), dass Du, o Phönix, auch jetzt eines Tages herbeifliegen wirst.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 28. -
Qian nüe gui 譴瘧鬼: Ich richte Worte des Tadels an den Malaria-Dämon (Han Yu 韓愈)
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Aufgelöst hat sich der Geist des Wasserkaisers Chuan-hsü, untergegangen ist er, ohne irgend einen Glanz zu hinterlassen. Warum bist Du, sein pietätloser Sohn, noch als Malaria-Dämon in gefürchtete Erscheinung getreten? Die Zeit des Herbstes benützend lässt Du Fieber entstehen, sodass alle alten Leute Dir fluchen. Du suchst Deine Nahrung inmitten von Erbrochenem und Entleertem und kennst nicht das Widrige von Schmutz und Gestank. Die Aerzte wenden hundert giftige Arzneien (gegen die Malaria) an und lassen den Patienten sie unaufhörlich riechen und schlucken. Jene die mit Moxa heilen, gebrauchen Beifusspflanze zum Kauterisieren, und ihr Vorgehen ist so grausam wie das Einkreisen des Wildes durch Feuer bei der Jagd. Die Exorcisten gebrauchen virulente Sprache, und ihre Zungen bewegen sich mit blitzartiger Geschwindigkeit. Die mit Zauberformeln arbeiten, verfassen schriftliche Talismane, die verworrene, mit roter und schwarzer Tinte geschriebene Schriftzüge aufweisen. Ach ich bedaure Deine Vorfahren, wie mächtig ist doch Deine Familie gewesen! Dein Ahne war Hwang-ti, Dein Vater war Chuan-hsü, Du bist der letzte Spross eines früher glanzreichen Geschlechtes. Und weil Du Deine Lebensführung nicht bessern konntest, bist Du so tief gesunken wie wenige. Entehrst Du dadurch etwa nicht Deine grossen Vorfahren (Legge IV, 564)? Schämst Du Dich denn nicht, dass Du den Rückweg zum Grossen Strome nicht zu finden weisst? Klar strömt das Wasser des Grossen Stromes; kehre doch dahin zurück, um das Herz Deiner dort weilenden Gattin zu erfreuen. Die durchsichtigen Wellen mögen Dir zu Gewändern werden, die weissen Steine zur Schwelle Deiner Behausung. Dort wirst Du den Glanz des Mondscheins trinken und in der Hand die Lotusflagge schwingen. Opfert man Dir, dann steige herab auf den Ruf der Neun Gesänge (Ch'u tz'u 2), trinke die wohlriechenden Libationen und iss die schmackhaften Früchte (Legge IV, 55). Diese gutgemeinten Verse widme ich Dir; verlasse uns und sei nicht ungehorsam meinen Worten.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 188f. -
Qian xing lian ju 遣興聯句: Wir überlassen uns unserer Inspiration. Kettengedicht des Mêng Chiao und Han Yü (Han Yu 韓愈, Meng Jiao 孟郊)
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Mein Herz ist hell wie der Mond und scheint in die Mitte Deines Hofes (o Han Yü). Auch wenn das Mondlicht zeitweilig nicht zu sehen ist, kann ich Dich (o Mêng Chiao) niemals vergessen. Ich fürchte stets, das unsere Freundschaft (fest wie Metall oder Stein) auseinandergerissen wird und uns nur sehnsuchtsvolle Gedanken bleiben. Unser Leben wird nicht hundert Jahre dauern, und nach allen Himmelsrichtungen öffnen sich Wege, die uns von einander trennen. In jeder dieser Himmelsrichtungen herrschen verschiedene Sitten, und diesen Sitten uns anzuschliessen ist nicht das, was wir wollen. Ein müdes Pferd ist zufrieden mit dem ihm vorgesetzten Futter (Legge IV, 388), ein freier Vogel kümmert sich nicht um das ihm angebotene Korn. In gefährlichen Zeiten möchte ich allein den Tod suchen wie einst Ch'ü Yüan; wenn Ethik im Reiche triumphiert, möchte ich zusammen mit Dir auffliegen. Ich habe schon lange in schweigender Zurückgezogenheit gelebt, und erst in Deiner Gesellschaft fühlte ich Sympathie entstehen (vgl. Han Yü's Gedichte 5/27). Wenn die Absichten eines Mannes von Sympathie geleitet sind, können sie leuchten wie die Spitzen von Schwertern. Chü Po-yü (Legge I, 296, B.D. No. 501) und Ning Wu-tzu (Legge I, 180) verstanden es, zur rechten Zeit ein Amt anzunehmen und es zurückzulegen; Konfuzius und Yên Hui wussten, wann sie hervortreten und wann sie sich verbergen mussten. Jetzt ist wirklich ein guter Freund in meiner Nähe: er ist wie eine am Gürtel getragene Orchidee, die stets ihren Duft behält. Wenn ich nicht Dich als Zuhörer hätte, wer würde mich als Freund zu schätzen wissen?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 300. -
Qin cao shi shou (1): Jiang gui cao 琴操十首 (其一): 將歸操: Zehn Lautenlieder. Das Lied: Ich will zurückkehren (Han Yu 韓愈)
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Konfuzius hat es gedichtet als er auf dem Wege nach Chao von der Ermordung des Ming-tu hörte (Chavannes, Mém. hist. V, 351). Ach, das Herbstwasser, wie tief und dunkel sind seine Farben (Legge IV, 303)! Ich möchte es überschreiten, sehe aber keine Möglichkeit dazu. Wenn ich es an den seichten Stellen durchwate, werden Steine meine Füsse verletzen. Wenn ich die tiefen Stellen zum Uebergang benutze, werden Drachen in mein Boot dringen. Wenn ich hinübersetze und es bereuen muss, wem kann ich dann die Schuld geben? Ach, ich will zurückkehren, ich will zurückkehren! Da muss ich nicht mit Steinen kämpfen. Da muss ich nicht den Drachen als Futter dienen. ––
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 6. -
Qin cao shi shou (10): Can xing cao 琴操十首 (其十): 殘形操: Zehn Lautenlieder. Das Lied von der verstümmelten Erscheinung (Han Yu 韓愈)
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Tsêng Shên (B.D. No. 2022) hat dieses Lied gedichtet, als er im Traum einen kopflosen Fuchs sah. Ach, es war ein Tier wie ein Fuchs, im Traume sah ich es. Sein Körper war deutlich sichtbar, nur den Kopf konnte ich nicht sehen. Ist diese Erscheinung ein günstiges oder ungünstiges Vorzeichen? Nach dem Erwachen sass ich auf und dachte darüber nach. Ach, die Seherin Hsien (des Lisao, str. 71) ist zum Himmel gefahren, welcher Wissende könnte mir jetzt jene Erscheinung erklären?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 10. -
Qin cao shi shou (2): Yi lan cao 琴操十首 (其二): 猗蘭操: Zehn Lautenlieder. Das Lied von der üppig wachsenden Orchidee (Han Yu 韓愈)
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Konfuzius hat es gedichtet, als er von Wei nach Lu zurückkehrte, enttäuscht darüber dass er keine Zeitperiode getroffen hat, die ihn verwenden konnte. Ueppig wächst die Orchidee (Legge IV, 91, Wen-hsüan 1/17) und verbreitet weithin ihren Duft. Wenn ich sie nicht pflücke und an meinen Gürtel stecke, wie enttäuschend ist dies für sie! Wenn ich heute nach Lu zurückkehre, warum geschieht dies, (weil niemand mich zu würdigen weiss). Ich bin in allen Himmelsgegenden herumgereist, Tage und Jahre lang. Schnee und Reif sind jetzt im Uebermasse vorhanden (Liki I, 250) und Hirtentäschchen (Legge IV, 56) und Korn wachsen doch üppig. Wenn Ihr (Lehnsfürsten) euch meiner nicht erbarmt, Dann will auch ich euch nicht mehr begegnen. Die Ueppigkeit von Hirtentäschchen und Korn ist die Kraft dieser Gewächse (die dem Winter zu trotzen vermögen). Die Enttäuschung und Kränkung des Edlen (darüber dass er keine Verwendung findet) ist seine Stärke und lässt ihn an seinen Principien festhalten. ––
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 6f. -
Qin cao shi shou (3): Gui shan cao 琴操十首 (其三): 龜山操: Zehn Lautenlieder. Das Lied vom Berge Kuei-shan (Han Yu 韓愈)
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Konfuzius hat es mit dem Blick auf den Kuei-shan gedichtet, als Chi Huan-tzu (B.D. No. 291) die ihm vom Ch'i-Staate geschenkten Sängerinnen aufnahm und auf Konfuzius' Vorstellungen nicht hörte (Chavannes V, 329). O über die Dünste des Kuei-shan, die sich nicht zu Wolken und Regen verdichten können! O über die Baumstümpfe des Kuei-shan, die für Balken und Pfeiler (beim Hausbau) nicht zu gebrauchen sind! O über die Grösse des Kuei-shan, der das Land Lu nun meinen Blicken entzieht. Ich weiss dass das Reich Lu zusammenbrechen wird, und niemand wird darüber mehr betrübt sein als ich. Wenn daher Chou-kung's Geist noch lebt (B.D. No. 418), ach dann muss er mich zurückkehren lassen, um dem Herrscher von Lu zu helfen. ––
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 7. -
Qin cao shi shou (4): Yue shang cao 琴操十首 (其四): 越裳操: Zehn Lautenlieder. Das Lied vom Lande Yüeh-shang (Han Yu 韓愈)
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Chou-kung hat es gedichtet, als die Gesandten von Yüeh-shang weisse Fasane überbrachten. Regen wird durch den Himmel gespendet und dadurch die ganze Natur befruchtet. Was habe ich (Chou-kung) dagegen zu machen mit der gegenwärtigen Blüte des Reiches? (sie ist alleiniger Verdienst meiner Vorfahren). Seit den ersten Zeiten der Chou-Dynastie haben sich meine Ahnen abgemüht und geplagt. Sie haben dadurch einen Besitz an Land erworben, den sie mir, dem Nachkommen, zur Nutzniessung hinterliessen. Meine Ahnen sind nun im Himmel und die Welt liegt unter ihnen. Es ist ihr grosses Prestige, zu dem wir jetzt aufblicken, wer würde es wagen jemanden darüber zu täuschen? Wer vor seiner eigenen Türe das Unkraut nicht jätet, wird auch ein fernes Feld nicht bestellen können. Die grosse Welt innerhalb der vier Meere ist jetzt ein Ganzes und die Leute von Yüeh-shang sind meine Untertanen geworden. ––
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 7f. -
Qin cao shi shou (5): Ju you cao 琴操十首 (其五): 拘幽操: Zehn Lautenlieder. Das Lied vom Gefängnis (Han Yu 韓愈)
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Wên-wang dichtete es, als er in Yo-li gefangen sass (Chavannes I, 202, 218). O über das Dunkel vor meinen Augen, sie sind wie erstarrt, wie blind. O über die Stille in meinen Ohren, sie horchen, aber hören keine Laute. Morgens geht die Sonne auf, nachts sehe ich weder Mond noch Sterne. O über diese Ungewissheit des Schicksals, werde ich sterben oder noch leben? Ach, meine Schuld muss mit dem Tode bestraft werden, der himmlische Herrscher (d.i. Chou Hsin, B.D. No. 414) weiss es in seiner Weisheit und Einsicht. ––
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 8. -
Qin cao shi shou (6): Qi shan cao 琴操十首 (其六): 岐山操: Zehn Lautenlieder. Das Lied vom Ch'i-shan-Berge (Han Yu 韓愈)
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Chou-kung dichtete es für T'ai-wang (Legge IV, 453, 622; II, 163). Mein Haus im Lande Pin habe ich von meinem Ahnen überkommen. Ich habe von ihm die Nachfolge erhalten (Legge III, 199), würde ich es wagen, den Besitz nicht in gleicher Weise festzuhalten? Jetzt kommen die nördlichen Barbaren und wollen mir mein Land wegnehmen. Das Volk kämpft für mich und opfert ohne mein Zutun sein Leben für mich. Jener Ch'i-shan-Berg bildet ein Hindernis (für die Feinde), dorthin will ich gehen als nach meinem letzten Zufluchtsort. Folget mir nicht nach und kümmert euch nicht um mein Leid! ––
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 8. -
Qin cao shi shou (7): Lü shuang cao 琴操十首 (其七): 履霜操: Zehn Lautenlieder. Das Lied vom Weg über Schnee und Eis (Han Yu 韓愈)
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In seiner Betrübnis gedichtet von Po Ch'i, dem Sohne des Yin-chi-fu (B.D. No. 2485), der schuldlos von der Stiefmutter verleumdet und darauf vom Vater verstossen wurde (vgl. China Review II, 50). – O Vater, Dein Sohn friert. O Mutter, Dein Sohn hungert. Wenn Dein Sohn schuldig ist, musst Du ihn züchtigen. Warum aber ihn verstossen? Dein Sohn lebt nun mitten in der Wildnis, dort hält er sich auf, dort verbringt er seine Nächte. Ringsherum hört er keines Menschen Laut, mit wem könnte er sprechen (und sich gegen die Verleumdungen verteidigen)? Und wenn er friert, wie kann er sich kleiden? Und wenn er hungert, wie kann er sich sättigen? Er wandert dahin durch die Wildnis und sein Fuss tritt auf Schnee und Eis. Die Mutter ist es, die die Kinder gebiert, und sie ist es welche sie liebt. Wenn aber ein Kind, wie ich allein, keine liebende Mutter mehr hat, wie sollte ein solches Kind nicht betrübt sein? ––
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 8f. -
Qin cao shi shou (8): Zhi chao fei cao 琴操十首 (其八): 雉朝飛操: Zehn Lautenlieder. Das Lied vom Fasan, der morgens auffliegt (Han Yu 韓愈)
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Gedichtet von Mu-tu-tzu, der, mit 70 Jahren noch unverheiratet, vom Anblick der in Paaren fliegenden Fasanen ergriffen war. Der Fasan fliegt auf im Lichte der Morgensonne. Es ist eine Schar Weibchen und ein einziges Männchen, und dieses zeigt grosses Selbstbewusstsein. Ob es nach Osten oder Westen zieht, ob es essen oder fliegen will, Die Weibchen fliegen und essen mit ihm und rufen girrend einander zu (Tufu I/20). Ach, ich, obwohl ein Mensch und kein Vogel, habe es bisher nicht so gut getroffen wie jener Fasan mit seinen Hühnern. Ich bin siebzig Jahre alt geworden und habe weder Frau noch Geliebte. ––
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 9. -
Qin cao shi shou (9): Bie hu cao 琴操十首 (其九): 別鵠操: Zehn Lautenlieder. Das Lied vom scheidenden Gänserich (Han Yu 韓愈)
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Shang-ling Mu-tzu, der nach fünfjähriger kinderloser Ehe auf Wunsch der Eltern eine andere Frau heiraten sollte, dichtete dieses Lied, als er mitten in der Nacht das Schluchzen seiner Frau hörte. Der Gänserich kommt mit Zweigen im Schnabel angeflogen, das Weibchen kehrt mit Lehm zum Neste zurück. Trotz vollendetem Nestbau werden keine Junge gezogen, der grossen Bestimmung zufolge müssen dann die kinderlosen Eltern von einander scheiden. Der grosse Strom und der Han-Fluss sind unter den Gewässern gar mächtig, während die Wildgans nur ein kleiner Vogel ist. In diesem weiten Stromland werden sie sich daher wohl nicht mehr begegnen; aber einstweilen mögen sie noch ein wenig um die Bäume herumfliegen und einander folgen. (Wen-hsüan 29/8). -–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 9f. -
Qing qing shui zhong pu san shou 青青水中蒲三首: Grün ist der Schilf im Wasser (3 Gedichte) (Han Yu 韓愈)
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Grün ist der Schilf im Wasser, darunter lebt ein Paar Fische. Wenn Du (mein Mann) an die Grenze (gegen den Feind) ziehst, mit wem kann ich dann verbleiben? (d.h. ich bin schlechter daran als die Fische) Grün ist der Schilf im Wasser und bleibt stets im Wasser. Ich lasse euch Wasserlinsen, die ihr zusammen dahinschwimmt, wissen, dass ich (verlassene Frau) euch leider nicht gleiche (d.h. bin wie der Schilf). Grün ist der Schilf im Wasser, und seine kurzen Blätter kommen nicht über die Wasserfläche hervor. Die Frau darf nicht das Haus verlassen, wenn ihr Mann zehntausend Meilen weit ist (d.h. ich bin wie ein Schilfblatt, das unter Wasser bleibt).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 98. -
Qiu huai 秋懷: Herbstgedanken (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Qiu huai shi shi yi shou 秋懷詩十一首: Herbstgedanken (Han Yu 韓愈)
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Vor dem Fenster stehen zwei schmucke Bäume, ihre Blätter glänzen üppig grün (Legge IV, 377). Wenn aber der Herbstwind sie streift, hört das Rascheln der fallenden Blätter nicht mehr auf. Während die kleine Lampe mein einsames Bett erhellt, dringt dieses Geräusch in der Nacht von allen Seiten in mein Ohr. Kummervolle Gedanken tauchen grundlos auf und seufzend richte ich mich im Bette auf. Wenn es Morgen wird und ich mein Antlitz (im Spiegel) betrachte, sieht es ganz anders als früher aus. Hsi-ho treibt den Sonnenwagen so schnell, dass wir uns (auf unsere rasch entfliehende Jugend) nicht verlassen können. Obwohl das dahineilende Leben viele verschiedene Wege aufweist, der Tod, dem wir uns nähern, hat nur ein Geleise. Warum also wegen nichts sich übermässig betrüben? Lasst uns daher bei Wein noch einmal fröhlich sein! Glänzender Tau fällt auf die ganze Vegetation, so dass würzige Kräuter wie Hsiao und Lan verwelken. Der grüne Rasen am Fuss der vier Mauern (meines Hofes) breitet sich dagegen noch immer über den Boden aus. Die fröstelnde Zikade ist einstweilen stillgeworden, während das Heimchen nach Herzenslust zirpt. Im Kreislauf der Jahreszeiten gibt es keinen Stillstand, und die charakteristische Kraft, die die Wesen von der Natur empfangen, zeigt (diesem Wandel der Jahreszeiten gegenüber) grosse Verschiedenheiten. Zu seiner Zeit gelangt jedes Wesen zu seinem Höhepunkt, Fichte und Zypresse (die sich niemals ändern) dürfen daher nicht überschätzt werden. Wie schnell verrinnt doch die Zeit des Lebens! Warum sind meine Wünsche auf (unerreichbare) Fernen gerichtet? Der Ch'ih-shou-Beamte Kung-sun Yên ergab sich dem Trunke (weil er nichts zu tun hatte); Lien P'o (B.D. No. 1254), obwohl alt, ass viel, um seine Verwendbarkeit zu beweisen. In der Studienhalle (des Kuo-tzu-chien) habe ich täglich nur wenig zu tun; ich reite daher spazieren, wohin es mich freut. Ohne Ziel verlasse ich mein Haus, um mich ein wenig aufzumuntern. Doch bald kehre ich zurück, um wieder in historischen Werken zu lesen, deren Inhalt sich in hunderttausend Zeiten ergeht. Wie wenige haben für die Spuren der Vorzeit Interesse! Doch was der Tiefstehende liebt, darf er darum noch nicht dem Hochstehenden anbieten (die Neigungen der Menschen sind verschieden). Die Gedanken des Mannes sind auf eine bestimmte Aufgabe gerichtet, während die Frauen nur Gefühle der Kränkung kennen (wenn sie nicht geliebt werden, Legge I, 330). Das Aussehen des Herbstes wird täglich trauriger, und seine Luft wird täglich kälter. Oben auf den Aesten der Bäume sitzt keine Zikade mehr (Legge IV, 229), unten in der Schüssel findet sich keine Fliege mehr. Sind etwa Ohr und Auge der Jahreszeit nicht dankbar, dass das was sie hassen, nun entfernt ist? Am klaren Morgen sitze ich mit Büchern in der Hand und blicke nach den hohen Umrissen des Südberges (bei Ch'angan). Dort drüben befindet sich der durchsichtige See (T'an-ku-ch'iu, vgl. 12. Gedicht), dessen Drache in der Kälte gefangen werden kann. Schade dass ich nicht hingehen kann; wer würde sagen, ich wäre nicht imstande, den Drachen zu fangen? Zerrissenen Gemütes hänge ich mich an meine grundlosen Sorgen und umklammere traurig die leeren Schreckgespenster (Wen-hsüan 16/14). Der Tau erglänzt hoch auf den Herbstbäumen, die Insekten jammern über die ewige Länge der kalten Herbstnacht. Resigniert ergebe ich mich der neu über mich gekommenen Schwäche, in meiner Lebensführung bedaure ich mein früheres Ungestüm. Zur Einfalt zurückkehrend erkenne ich klar den (mir vom Schicksal vorgezeichneten) Weg: um im Brunnen des Altertums zu schöpfen, bedarf es eines langen Seiles (d.h. eines langen Studiums, T. of T. II, 7). Ich schäme mich darüber, dass mein Ruf grösser ist als meine Verdienste (Liki II, 495); wenig Ehrgeiz zu besitzen würde wirklich für mich ein Glück bedeuten. Ich hoffe, Reue und Tadel (Legge I, 151) hinter mir zurücklassen zu können, denn ohne Ehrgeiz zu leben ist schon dem Leben in der Einsamkeit zu vergleichen. Heute früh ist es nicht zum Aufstehen gekommen, aufrecht sass ich am Bettrand bis der Tag vorüber war. Die Insekten zirpen in der Tiefe des Hauses (Legge IV, 303), der Mond sieht glänzend durchs Fenster herein. Mein Herz ist voll Trauer, wie wenn ich die Richtung verloren hätte; flüchtige Gedanken quälen mich gar sehr. Ich bin zu faul den Staub von meinen Möbeln zu fegen, und lese nur unterschiedslos literarische Produkte. Noch muss ich meine Unfähigkeit in den Dienst des Staates stellen, und meine Pflicht gegenüber dem Herrscher erfordert den Audienzgang. Die Herbstnacht will nicht Morgen werden (Wen-hsüan 28/27), der Herbsttag wird leider bald dunkel. Ich besitze kein heisses Streben (das mich mit der Zeit geizen liesse), warum habe ich dann dieses Missvergnügen (mit dem Herbst)? Das fröstelnde Huhn sitzt einsam auf seiner Sprosse, die schmale Sichel des Mondes zieht immer von neuem meine Blicke auf sie. Ich habe eine Laute (vor mir) und beginne zu spielen (Stege und Saiten werden geordnet, Wen-hsüan 17/7); doch bei der Wiederholung des Stückes erklingen mir die Töne noch monotoner. Die alte klassische Musik ist schon lange begraben, und es besteht keine Möglichkeit mehr zu erkennen, welche Musik wahr und welche übertrieben ist (Liki II, 87). Demütig entspreche ich den Neigungen der Zeit, doch kann ich nur mit Ueberwindung dieser modernen Musik zeitweilig folgen. Es ist wie wenn ein Schiff, vom Winde getrieben einmal im Gange, sich nicht wieder anbinden lässt (diese Musik könnte mir verderblich werden). Besser ist es sich mit literarischen Produkten zu beschäftigen und Kritik auszuüben mit Zinnober und Bleiweiss (Wen-hsüan 38/26). Muss man etwa nach mehr Gehalt streben? Alles was (zum Leben) notwendig ist, ist eine Last Reis (Pétillon, All. litt. pg. 13). Wirbelnd fallen die Blätter zur Erde und werden vom Winde vor mein Fenster geweht. Sie rascheln wie wenn es mit Absicht geschehe; Hals über Kopf eilt eines dem anderen nach. In der leeren Halle herrscht Dämmerung, und sitze ich düster und schweigend da. Der Diener kommt herein und zündet die vor mir stehende Lampe an. Er frägt mich etwas, ich gebe aber keine Antwort; er bringt mir Essen, ich esse aber nicht. Ich ziehe mich zur Ruhe an der westlichen Mauer zurück und lese mehrere Hefte Gedichte durch. Diese Dichter sind nicht Männer der Jetztzeit, sondern haben vor tausend Jahren gelebt. Ihre Verse treffen und rühren mich und lassen in mir neuen Kummer entstehen. Zum Diener gewendet sage ich: "lasse die Bücher nur hier und gehe ruhig schlafen". Ein Mann darf nicht vergessen, dass seine Aufgabe im Leben (Legge, Iking pg. 377/32, 431/10) an keine Jahre gebunden ist. Eiskalter Wind überfällt den Wu-t'ung-Baum, dessen Blätter auf den Aesten vergilben. Auf der öden Treppe rollt ein Blatt hinab und raschelt wie wenn ein Edelstein zertrümmert würde. Es heisst dass wenn einmal die Nachtdünste geschwunden sind, vom Monde runde Stücke brechen und auf die Erde fallen. Am Himmel hat er keinen Stützpunkt (ebenso wenig wie ich auf Erden) seine hohe Bahn ist gefährlich und in labilem Gleichgewicht. Erschreckt erhebe ich mich und trete vor die Türe, um ihn mir anzusehen; an den Türpfosten gelehnt weine ich lange heisse Tränen (über meine ähnliche Lage). Durch all' diesen Kummer wird nur viel Zeit verloren, denn Sonne und Mond eilen schnell dahin wie springende Kugeln. Auf falschem Wege muss man umkehren ohne Rücksicht darauf wie weit man gegangen ist; glaubst Du etwa, dass Sonne und Mond Deinetwegen ihren Lauf einhalten werden? Bei einbrechender Dämmerung verlässt mich der Gast, der mich besucht hat, und alle Geräusche verstummen. Weithin dehnt sich das Schweigen, und ich geniesse voll Inbrust (Legge IV, 428, 536) das herbstliche Mondlicht. Die Bande der Welt treten plötzlich vor meine Gedanken, und äussere Sorgen nehmen mein Gemüt in Beschlag. Mein Wunsch nach Stärke kann sich nicht mehr voll entfalten, und Gedanken der Schwäche, die schon verschwunden waren, erschienen von neuem. Meine Sprache ermangelt der Klarheit und ich vermeide daher den Umgang mit Menschen; in meiner Einsamkeit kämpfen entgegengesetzte Gedanken in meinem Herzen. Wenn ich Misserfolg habe, glaube ich tausend Silberstücke weggeworfen zu haben (T. of T. II, 34), und meinen Erfolg vergleiche ich mit dem Glanz eines Grashalmes. Wer sich zu schämen weiss (darüber dass er Misserfolg gehabt hat), kann allein schon als tapfer gelten; wenn man sein Herz beruhigen kann, wer kann einem noch etwas anhaben? Herrlich zu schauen ist die Chrysanthemum-Blüte im Schnee; obwohl es schon spät an der Zeit ist, warum ist sie doch noch so schön? Selbstzufrieden umspielt sie der duftige Schmetterling; auch Du bist sehr spät geboren. Wenn der Kreislauf beendet ist, wird beide ihr Los treffen; ihrer Jugend und Anmut (Legge IV, 158, 222) ist der Tod sicher. Wenn der Westwind zu wehen beginnt, fallen Drachen und Schlangen in Winterschlaf; die ganze Vegetation verwelkt täglich mehr und mehr. Von jeher war es so bestimmt, wozu von dieser Vernichtung noch sprechen?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 17-21. -
Qiu mu jiao ju shu huai 秋暮郊居書懷: Das Herbstende im Weichbild der Hauptstadt verbringend schildere ich meine Gefühle (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Qiu yu lian ju 秋雨聯句: Das Kettengedicht vom Herbstregen (Han Yu 韓愈, Meng Jiao 孟郊)
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Mêng Chiao: Das Rauschen zahlloser Bäume (im Regen) wird zu betäubendem Lärm, die Kraft von hundert Wasserläufen vereinigt sich. Han Yü: Im Hofe schwingen die Bäume, bald sich trennend, bald einander sich nähernd, vor den Fenstern wechselt das Licht, einmal wird es helle, dann wieder dunkel. Mêng Chiao: Die Wasserfluten nehmen noch immer kein Ende, die Regenmassen sind wirklich überwältigend. Han Yü: Sie lassen in mir den Wunsch entstehen, in die öden Berge zu fliehen, um dort gerade aus der Nähe den Tönen der tosenden Giessbäche zu lauschen. Mêng Chiao: Vom Dachvorsprung stürtzt das Regenwasser herunter und erinnert an ein herabhängendes weisses Seidenzeug; die Gosse fliesst über und lässt in ihrer Vollheit an den klaren Hsiang-Fluss (in Hunan) denken. Han Yü: Der wohltätige Regen befördert das Wachstum der glückverheissenden Kornfrucht, die durchdringende Feuchtigkeit vermehrt die Ueppigkeit der wildwachsenden Vegetation. Mêng Chiao: Mein Gastherr (Han Yü) summt freudig seine Verse, während ich der Wanderer (fern von der Heimat) nur mit Ueberwindung mitsinge. Han Yü: Das Yang-Prinzip ist beeinträchtigt und die Sonne versteckt sich im Dunkel, die Jahreszeiten sind in Verwirrung geraten und der Wind stürmt über die Wassermassen (Legge, Iking pg. 432/15). Mêng Chiao: Uferlos stürzt der Giessbach der Berge lärmend dahin, während der Strom der Ebene, vom Sturme getroffen, hohe Wellen aufwirft. Han Yü: Ein leichter Wirbelwind kommt (abends) bis an mein Kopfpolster und von neuem stürzen Regenfluten aus den höchsten Höhen des Himmels. Mêng Chiao: Wie enge ist die Höhle, in die sich alle Grillen zurückgezogen haben! Die Zikaden auf den Zweigen haben ihr Rufen eingestellt. Han Yü: Die runden Chrysanthemen des Gartens erblühen in frischem Wohlgeruch, der späte Duft der Orchideen an den Seiten des Weges hat sich verzogen. Mêng Chiao: Die Wasserlachen des Bodens sind bald hell bald dunkel, die schwimmende Vegetation des Teiches ist in steter Bewegung. Han Yü: Das Rauschen des Regens vereinigt sich zu einem Klange, das herabstürzende Wasser erstickt alle anderen Töne. Mêng Chiao: In der Gelehrtenschule des Kuo-tzu-chien ist die Küche nass geworden, in den Verkaufsständen des Marktplatzes stehen die Leute in ungeduldigem Gedränge. Han Yü: Liegend friert man und verlegt das Bett vergebens möglichst weit weg von der Türe; die Kleider geben keine Wärme und wiederholt greift man nach dem Gürtel (ob er nicht zu lose sitzt). Mêng Chiao: Die erzürnten Gewässer überströmen bereits ihre Ufer, das Uebermasz an schlechtem Wetter lässt die Bildung einer Ueberschwemmung befürchten. Han Yü: Um nicht ein Fisch zu werden, denkt man an Boote und Ruder; in Erinnerung an Ta Yü (B.D. No. 1846) arbeitet man fleissig an künstlichen Kanälen. Mêng Chiao: Denn Umschliessungen und Ueberströmung durch die Wassermassen sind wirklich zu befürchten, und wir sind auf Verteilung des Wassers und Schaffung von Abflusstellen angewiesen. Han Yü: Will man das Schicksal (betreffs dieses Regens) befragen, vertraut man wohl der Schafgarbe; will man das Wetter erforschen, konsultiert man die Schildkröte. Mêng Chiao: Es ist wie wenn plötzlich im Hofe der mythische einbeinige Vogel (Vorzeichen einer Inundation) zu tanzen begänne; beim Opfer gegen Wasserschäden vollbringe ich selbst Libationen auf der Stadtmauer. Han Yü: Die Wolken werden dünner, es zerreisst ein wenig die Hülle: aber die wirr wogenden Nebelschwaden bilden ein dichtes Hindernis (für die Sonne). Die schwarzen, wie Fahnen aussehenden Massen treiben stets noch überall herum, und der Wirbel der Himmelstrommeln verdichtet sich zu schweren Donnerschlägen. Im Garten fallen die unreifen Datteln wie grüne ovale Perlen, in ihren Beeten verderben die Kürbisse, die gefleckt wie Kauris aussehen. Bei den Armen genügt das (spärliche) Brennholz nicht, um den Ofen zu heizen; bei den Reichen füllt gesegneter Ernteertrag nutzlos die Scheunen. Mêng Chiao: In Ch'angan pflegt man stets nur von Gewinn zu sprechen; von wem könnte ich armer Gelehrter aus Lu mir etwas erbitten? Im tiefen Schlamm der Strasse stürzt das magere Beipferd, im weichen Boden der Wege bleiben die Räder stecken. Selbst die Vögel leiden alle unter der Kälte; im nassen Federkleid können sie sich nicht in die Lüfte emporschwingen. Die vom Wind gepeitschten Wellen fegen das Firmament, die sich überstürzenden Wogen zerstören Scheunen und Magazine. Han Yü: Wir (Mêng Chiao und ich) befinden uns schon in grossem Elend (wie Konfuzius einst im Lande Ch'ên), von unserer Dienerschaft darf man wirklich gar nicht sprechen (Legge V, 546/2). Wegen dieses Elends muss ich an die nach Ssu-ch'uan ins Feld gezogenen Krieger denken, die nicht vermeiden können, dass ihre Zelte und Fahnen durchnässt werden. Wie könnte man einen trockenen Wind rege machen, der die seit langem angehäuften Wolkenmassen auseinanderfegen würde? Sodass die helle Sonne wieder über das weite Land schiene und der tiefe Kot sich in leichten Staub verwandelte. Dann würde der Kriegsschauplatz zeitweilig trocken werden, und die Rebellen könnten alsbald zerhackt werden. Mêng Chiao: Wir müssen unser Herz nach einem Mittel durchforschen, von dem Erfolg erwartet werden kann; wir müssen einen Plan ausdenken, von dem wir hoffen dass er der beste sein wird. Man darf nicht nur an die Einbringung der Ernte denken, sondern vor allem an die den Armen zu gewährende Hilfe. Han Yü: Die Vögel beginnen gerade ihre Genossen zu rufen, die Piedestale der Säulen haben schon etwas ihr feuchtes Aussehen verloren (Zeichen des endenden Regens). Vielleicht lässt der Himmel unsere Hoffnungen in Erfüllung gehen, indem er endlich den Regen aufhören und nicht zum Uebermass werden lässt.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 215-218. -
Qiu zi 秋字: (Bei gleicher Gelegenheit) erhalte ich den Reim ch'iu (Han Yu 韓愈)
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Bei der Brücke über den Lo-Fluss wird ein Abschied gefeiert, Familie und Freunde sind traurig gestimmt. Hier auf dem Lande ist die Luft klar, und die Berge treten deutlich hervor; unter dem Morgenreif sehen die Chrysanthemen frisch aus. Voll Sehnsucht werden wir Dir nach Deinem neuen Standplatz Briefe schreiben, jetzt aber wollen wir vor unserer Trennung noch zusammen trinken. Wir wissen, dass Deine neue Stellung nicht unwichtig ist (ebensowenig wie Huai-yang es einst war für Chi An, B.D. No. 286), und doch hoffen wir, dass Du bald wieder zu Schiffe zurückkommst.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 275. -
Qu sui zi xing bu shi lang yi zui bian chao zhou ci shi cheng yi fu ren qi hou jia yi qian zhu xiao nü dao si bin zhi ceng feng yi bang shan xia meng en huan chao guo qi mu liu ti yi liang 去歲自刑部侍郎以罪貶潮州刺史乘驛赴任其後家亦譴逐小女道死殯之層峰驛旁山下蒙恩還朝過其墓留題驛梁: Im Vorjahre wurde ich als Sekretär des Justizministeriums wegen einer Verfehlung zum Gouverneur von Ch'ao-chou degradiert; ... (Han Yu 韓愈)
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Mit einigen Stricken Rotan als Bande und einem Sarg aus Baumrinde Wurden Deine weissen Glieder, mit Gras umhüllt, in die kalte Bergwildnis gebettet. Schrecken und Furcht waren Dir in das Herz Deines schon kranken Leibes gedrungen. Deine Leiche auf der Weiterreise mitzuführen war, wie wir alle wussten, unmöglich. Wir hatten nicht einmal Musze rund um den Grabhügel dreimal Deine Seele zu rufen. Und als Opfer brachten wir nur eine einzige Schale Reis Dir dar. Das Schicksal erreichte Dich, o Schuldlose, durch meine Schuld. Mein ganzes Leben werde ich deswegen Scham und Schmerz empfinden und Ströme von Tränen vergiessen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 282f.
Continuation of the title: "...auf der Poststrasse begab ich mich auf meinen neuen Bestimmungsplatz; später wurde auch meine Familie verbannt, meine kleine Tochter starb auf der Reise und wurde am Bergabhang bei der Ts'êng-fêng-Poststation begraben. Als ich später durch die Gnade des Kaisers nach der Hauptstadt zurückkehren konnte, kam ich an ihrem Grabe vorüber und schrieb beim Abschied diese Verse auf einen Zimmerbalken der Poststation." -
Ren ri cheng nan deng gao 人日城南登高: Am 7ten Tage des ersten Monats besteige ich im Süden der Stadt eine Anhöhe (Han Yu 韓愈)
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Das neue Jahr beginnt gerade zu keimen; von diesem siebenten Tage an fängt man an sich des kommenden Frühlings zu freuen. Warme Dünste schweben über dem Lande, und die Sonnenstrahlen vertreiben des Wassers Kälte. Dank einer weisen Regierung ist mein Körper noch unverbraucht und feiere ich wie seit alters dieses schöne Fest. Verwandte und Freunde haben versprochen zu kommen, Kinder und Neffen dürfen auch mitgehen. Winter- und Frühlingsgemüse vermengen sich in den Schüsseln, klarer wie trüber Wein füllen die Becher. Als Trinkbusse muss ich von der Vergangenheit erzählen, mit dem Becher in der Hand singe ich ein neues Lied. Auf den Stock gestützt überschreite ich alte Ruinen, das Boot abstossend (T. of T. II, 200) richte ich Unheil unter den welken Wasserpflanzen an. Die den Teich liebende Entenschaar beschreibt auf dem Wasser Kreise, die von hohen Felsen sich trennende einsame Wolke verschwindet. Das Leben des Menschen könnte eigentlich ruhig und heiter verlaufen (Legge I, 207); wer heisst ihn doch sich wegen nichts Sorgen zu machen? (Ch'u tz'u 16/29) Die mit Pfirsich- und Pflaumenbäumen bepflanzte Terrasse gerade vor uns bietet für einen, der die Einsamkeit sucht, Ruhe und Frieden.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 160f. -
Ru guan yong ma 入關詠馬: Beim Ueberschreiten des Han-ku-kwan Passes preise ich mein Ross (Han Yu 韓愈)
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Wie könntest Du im hohen Alter noch die Rolle eines erstklassigen Renners erfüllen? Wenn die Kräfte beschränkt sind, muss man mit ihnen haushalten für kommende Reiseetappen. Ich weiss nicht, warum Du doch noch stolz Dein Haupt erhebst Und Deine Ermüdung vergessend laut wieherst, wenn Du (bei der Rückkehr nach Ch'angan) durch das Passtor geführt wirst?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 243f. -
San xing xing 三星行: Die Erzählung von den drei Sternbildern (Han Yu 韓愈)
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Zur Stunde meiner Geburt stand der Mond im Sternbild des südlichen Scheffels. Das Sternbild des Rindes bewegte seine Hörner, das Sternbild der Kornschwinge öffnete weit seinen Mund. Doch das Rind kann nicht verwendet werden, um meinen Wagen zu ziehen (Legge IV, 356) und das Scheffel nicht, um daraus Wein zu schöpfen. Nur die Kornschwinge hat eine wunderbare Kraft: sie hört niemals auf zu schwingen (d.h. meinen Ruf in Bewegung zu erhalten). Obwohl ich noch keinen guten Ruf verdiene, bin ich unter den Leuten schon günstig bekannt; obwohl ich noch keinen schlechten Ruf verdiene, machen die Leute schon Lärm und verleumden mich. Der gute Ruf und der schlechte Ruf werden unter einander ausgeglichen, es bleibt nur wenig Gutes übrig und überaus viel geht verloren (wie beim Worfeln mit der Kornschwinge, wo auch viel Kleie entfernt wird). Die drei Sternbilder sind alle am Himmel (Legge IV, 179), in wirrer Menge (Legge IV, 31) verteilen sich ihre Sterne über Osten und Westen. Ach über die Sternbilder des Rindes und des Scheffels, Ihr allein könnt keine wunderbare Kraft entfalten.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 96f. -
Sha shan lian ju 莎柵聯句: Das Kettengedicht vom So-cha-Fluss (in Honan) (Han Yu 韓愈, Meng Jiao 孟郊)
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Han Yü: Der eisige Fluss rauscht soeben wie unaufhörliches Schluchzen, die vom Wind gepeitschten Bäume (des Ufers) schwingen gerade hin und her. Mêng Chiao: Wenn dieser Ort einem nicht das Herz bricht, dann weiss ich wirklich keinen anderen, der dies tun würde.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 222. -
Shan lu ou xing 山路偶興: Gelegentliche Eingebung auf einem Spaziergang in die Berge (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Shan nan zheng xiang gong fan yuan wai chou da wei shi qi mo xian you jian ji yu fan fen yi shi yu yi fu shi si yun yi xian 山南鄭相公樊員外酬答為詩其末咸有見及語樊封以示愈依賦十四韻以獻: Chêng Yü-ch'ing, Gouverneur von Shan-nan und früherer Staatsminister, und der Ministerialsekretär Fan Tsung-shih haben Gedichte unter einander ausgetauscht. Da am Ende beider dieser Gedichte Worte sich finden, die sich auf mich beziehen, hat mir Fan diese Gedichte zur Einsicht gesandt. Auf Grund dieser Gedichte habe ich nun ein Gedicht von 14 Reimen verfasst, das ich hiermit anbiete (Han Yu 韓愈)
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Liang-chou ist gewissermassen die Schutzwehr gegen Südwesten, die Berge sind wie hohe Wälle, die Gewässer tief eingebettet und windungsreich. Die Eingeborenen sind von Natur aus (dem Lande entsprechend) ungewöhnlich und es ist (für einen Beamten) schwer, mit dem Volke auszukommen. Du, Chêng Yü-ching, Herzog von Jung-yang, bist schon ein alter, routinierter Staatsdiener, und Deine Kraft zu lenken und zu leiten ist ungeheuer gross. Der Kaiser sagte zu Dir: "Gehe für mich auf jenen Posten" und schon wirbeln die vorauseilenden Banner (Deiner Eskorte) den Staub auf. Dein ehrfurchtgebietendes Auftreten verbunden mit gnädigem Wohlwollen erfüllen Himmel und Erde. Obwohl Dein Gebiet sich weit zwischen Hua-yang und Hei-shui erstreckt (Legge III, 119), so ist doch Deine durch Beispiel wirkende reformatorische Tätigkeit von rapidem Erfolg. Da Du von vielseitiger und edler Vollkommenheit bist, verbreiten Deine literarischen Arbeiten Glanz und Licht. Täglich ersuchst Du Freunde die hehren Lehren der Alten zu erklären, und unter ihnen befinden sich Männer mit den Abzeichen der kaiserlichen Sendung und im Gewande der hohen Würdenträger. – Meister Fan sitzt in Deinem Absteigequartier für Gäste, kommentiert Konfuzius und kritisiert Laotzu und Buddha. Wenn auf Gold geschlagen wird, erklingt der Jadestein harmonisch mit (dies bezieht sich auf die ausgetauschten Gedichte); und die so zustandegekommenen Gedichte verbreiten einen stärkeren Wohlgeruch als Orchideen. Meister Fan sendet mir sie in einem wichtigen Brief, den ich knieend empfange, voll Ernst und Ehrfurcht. Der Worte sind wenige, umso reicher aber der Inhalt; im tiefen Schacht dieser Verse suche ich emsig nach der Bedeutung. Plötzlich ist es dann mir, wie wenn ich gerade das Ohrenschmalz entfernt hätte oder wie wenn Donnerschlag und Sturmesbrausen mich erschreckt auffahren liessen. Soll dieses Antwortgedicht etwa eine klassische Belehrung sein? Es will nichts anderes als mit simplen Worten den Styl eines Chwangtzu und eines Ch'ü Yüan (d.i. von Euch beiden) fortsetzen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 179f. -
Shan shi 山石: Zwischen den Felsen hindurch (Han Yu 韓愈)
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Zwischen den wilden Felsen hindurch führt ein schmaler Fusspfad, Abenddämmerung ist's, schon flattern die Fledermäuse, da erreich' ich das Kloster. Ich steige zur Halle hinauf, setze mich auf die Stufen und sehe, dass der letzte Regen ausreichend war: Vor mir sind grosse Bananenblätter und saftige Gardenia-Blüten. Der Bonze spricht von der Schönheit der alten buddhistischen Wandmalereien Und bringt eine Fackel herbei; was ich sehe ist von seltener Herrlichkeit. Ein Bett wird aufgeschlagen, die Matte gekehrt und Essen mir vorgesetzt. Obwohl nur einfache Grütze, genügt sie meinen Hunger zu stillen. Die Nacht ist tiefstille, die Ruhe sanft, denn die hundert Insekten haben zu zirpen aufgehört. Der helle Mond erhebt sich hinter dem Gebirge, und sein Licht scheint die Tür herein. Am Morgen gehe ich allein aus ohne Weg und Steg. Waldein waldaus, bergauf bergab, überall dichten Nebel durchdringend. Die sich nach allen Seiten verbreitenden Sonnenstrahlen röten die Berge und lassen das Wasser des Giessbaches grün erglitzern. Oft begegnet man Fichten und Eichen von riesigen Dimensionen. Beim Durchwaten betritt der nackte Fuss die Steine des Giessbaches, Das Wasser rauscht, und der Wind bläst durch die Kleidung. Wenn das Leben immer so sorgenlos verliefe, könnte man wirklich glücklich sein. Ist es denn durchaus nötig, sich von den Menschen einspannen zu lassen? Ach, ihr meine wenigen Freunde (die ihr mich heute begleitet), Warum können wir nicht bis in unser Alter hier verbleiben, ohne weiter an die Rückkehr zu denken?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 65f. -
Shan zhong wen yue 山中問月: In den Bergen richte ich eine Frage an den Mond (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Shao yao 芍藥: Die Päonie Shao-yao (Han Yu 韓愈)
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Bisher habe ich ein so üppiges Aussehen und einen so berauschenden Duft wie von dieser Blüte nirgends angetroffen. Die rote Blüte ist gleich einer leuchtenden Lampe, die sie umgebenden grünen Blätter wie ein gewundener Drache. Aus meinem Traume erwachend frage ich mich überrascht, während ich allein vor dieser (seltenschönen) Blüte stehe, In welchem Feenpalast halte ich mich doch gerade auf? (Han Yü scheint durch Begegnung mit einem schönen Mädchen zu diesem Gedichte veranlasst worden zu sein).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 254. -
Shao yao ge 芍藥歌: Das Lied von der Päonie (Han Yu 韓愈)
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In Deinem Hofe blüht eine herrliche Blume. Und kein anderes Gewächs kann mit ihr in Frühlingspracht wetteifern. Die roten Blumenblätter auf grünem Stengel hat ihr der Himmel gegeben. Diese (himmlische) Gnade hat nichts mit der Erde (und ihren Jahreszeiten) zu tun (Liki I, 371, 398, Wen-hsüan 35/3). Aus ihrer zarten, duftigen, vollen Schönheit erhebt sich erfrischendes Parfum. Es ist wie wenn sie den Edlen nachahmte und schweigend lächelte. Eine himmlische Fee hat sich Mühe gegeben, Dich mit scharfer Schere auszuschneiden (und ins Leben zu rufen). Warum senkst Du (bescheiden) das Haupt ähnlich den Pfirsich- und Pflaumenblüten? Törichte Jungfrauen voll reizender Naivetät Halten sich gegenseitig an ihren Frühlingsgewändern und kommen eiligst hierher, um ihre Schönheit mit jener Blume prüfend zusammenzuhalten. Sie wollen das Rot ihrer Wangen mit dem Rot der Päonie vergleichen, Nachdem sie zuvor hinter grünem Fenster ihre Bronzespiegeln fein säuberlich geputzt haben. Wir dagegen trinken vor dieser Blume einen Becher honigsüssen Frühlingsweines. Von solchen Freuden weiss niemand etwas als Du allein. Wer wird vor dieser Blume trunken und singt ein begeistertes Lied? Ich bin es, Han Yü, der rasende Mann aus dem Reiche Ch'u (Chieh-yü, Legge I, 332).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 291. -
Shao zhou liu bie zhang duan gong shi jun 韶州留別張端公使君: In Shao-chou lasse ich beim Abschied dieses Gedicht für den kaiserlichen Kommissär, Censor Chang, zurück (Han Yu 韓愈)
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Zum zweitenmale treffe ich auf meiner Her- und Rückreise frische Pflaumen- und Weidenblüten an. Beim Abschied sitze ich ganz trunken inmitten eines Frühlingsbouquets schöner, in Seide gekleideter Sängerinnen. Schon lange bewundere ich die hohen literarischen Talente von Dir, einem zweiten Chiang Tsung. Wie einst Yü Fan (B.D. No. 2518) bedaure ich, dass meine Gesichtsbildung unheilvoll ist (was wohl zu meiner Verbannung beigetragen hat). Die lauten Flöten werden rasch gespielt und wetteifern mit der schnell sinkenden Sonne. Die helltönenden Lieder werden langsam vorgetragen und beruhigen den Gast, der aufbrechen soll. Ich weiss schon, dass Deine administrativen Leistungen dem Kaiser berichtet wurden, sodass Deine Rückberufung nach Ch'angan und gleichzeitige Beförderung bevorstehen. Wie könntest Du auch noch lange hier verbleiben und das Lied von den weissen Wasserkastanien singen? (vgl. Buch X/2)?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 279. -
She xun hu 射訓狐: Ich erschiesse die Eule (Han Yu 韓愈)
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Es gibt einen Vogel, der Nachts herumfliegt, sein Name ist Eule. Stolz auf seine Schlechtigkeit und Ränke, ruft er fortwährend seinen eigenen Namen. In der Nacht, wenn alles dunkel ist, lässt er sich auf dem Dach meines Hauses nieder. Seine Stimme klingt wild und ungewöhnlich roh. Unbekümmert schreit er laut auf und scheut dabei niemanden. Er macht allerlei seltsame Dinge, wobei er übrigens auf Assistenz angewiesen ist. Er versammelt die Geister und beruft die Kobolde, um sich mit ihnen anzufreunden und sie aufzuhetzen. Er rüttelt an den Dachsparren, bis der Kalk von den Wänden fällt. Die liebevolle Mutter umarmt (bei diesem Lärm) ihr Kind und fürchtet schlafen zu gehen; Wo hätte sie noch Zeit, ausserdem auch die Küchlein im Hühnerstall zu schützen? – Ich glaube, die Unparteilichkeit von Himmel und Erde ist allzugross, Dass sie stets mit gleicher Sorgfalt dieses böse Wesen sich entwickeln lassen. Ich lasse es einstweilen gewähren, weil ich denke, dass es doch nicht viel mehr Unheil stiften kann, Denn der Griff des Sternbildes vom Scheffel zeigt bald nach der südwestlichen Himmelsecke (d.h. die Nacht wird bald vorüber sein). Wer weiss, ob nicht seine Ränke noch viel ärger werden, wenn man seiner Schlechtigkeit offen entgegentritt, Und ob es dann nicht gar den Sonnenraben selbst angreifen wollte? Je mehr Stunden jedoch verstreichen, je weiter die Nacht fortschreitet, desto gefährlicher wird sein Wesen. Wie könnte man so glücklich sein, es auch nur für kurze Zeit zur Ruhe zu bringen? Ach, kann ich etwa anders und es nicht erschiessen gehen? Ich warte nur, bis Du Deine gierigen Augen weit aufsperrst........ Vom Pfeil getroffen fällt die Eule vom Firstbalken und will wie eine Schlange in ihre Höhle flüchten. Einer meiner Diener schneidet ihr den Hals ab, und ihre Jungen (im Neste) müssen jetzt alle zugrundegehen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 154f. -
Shi ding lian ju 石鼎聯句: Das Kettengedicht vom steinernen Kessel (Han Yu 韓愈, Hou Xi 侯喜, Liu Shifu 劉師服, Xuanyuan Miming 軒轅彌明)
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Ein tüchtiger Steinmetz hat aus einem Berge diesen Steinblock gebrochen, und sein Inneres zu einem Kessel ausgehöhlt, um ihn beim Kochen zu verwenden. Wenn man seine Griffe fasst, kann man ihn noch nicht emporheben; schliesst man seine Oeffnung, klingt das Geräusch des brodelnden Wassers zeitweilig gedämpft. Die Drachenköpfe (seiner Griffe) ziehen sich gleichsam zurück, man sieht nur einen dicken Schweinsbauch, der wie geschwollen hervortritt. Aussen ist der Kessel von Linien trockenen Mooses überzogen, im Innern herrscht die Bewegung stiller Wogen (des kochenden Wassers). Wenn er kalt ist, gibt er sich zufrieden, in Schweigen zu versinken; wenn unter ihm Feuer angezündet wird, ändert er noch weniger sein keusches Wesen. Irrtümlich ist dieser steinerne Kessel unter metallene geraten und wird nur zufällig zum Kochen von Wasser verwendet. Er ist so gross wie die Gallenblase eines Helden, so rund wie das Joch eines Pferdes, das den Streitwagen zieht. Der obere Teil erinnert an die Spitze eines Weihrauchfasses, der untere Teil ist eben wie eine Spiegelfläche. Er sieht aus wie eine Herbstmelone, deren Stengel noch nicht abgefallen ist, wie eine Colocasia, die im Winter mit Mühe Sprossen hervortreibt. Er lässt denken an eine verschlossene Kugel der Urkraft, woraus wie aus einer verborgenen Oeffnung eine Quelle hervorrauscht. Wenn der Inhalt nicht manchmal ausgegossen würde, wie könnte man die Reinheit seines Inneren erkennen? Erst wenn wir das Feuer unter einem grossen (gefüllten) Dreifuss anzünden, wird uns klar, dass ein kleines Gefäss (wie unser Steinkessel) schnell voll wird. Wenn wir die Oberfläche des Kessels genau ansehen, sehen wir keine Spuren eines Meissels; sie ist glatt wie von Natur aus gerundet. Aus der Ferne betrachtet glaubt man eine Schildkröte mit dem Plane der Hexagramme am Rücken zu sehen, die sich morgens bei Schönwetter nach einem sonnigen Fleck begibt. Wenn man an beiden Seiten die durchbohrten Griffe und oben den wie einen Chignon emporstehenden Deckel bemerkt, Glaubt man entweder eine Pfanne mit kurzen Handhaben oder einen Dreifuss ohne Füsse zu sehen. Oder man glaubt mit Bedauern, es mit einem Spielball zu tun zu haben, der zur Zeit des Han-shih-Festes in ein Loch an der Wegseite geworfen wurde. Wann wird er endlich aus der Asche herauskommen? Er hat leider keine Möglichkeit sich von Krügen und Töpfen zu trennen (aus denen fortwährend Wasser zugegossen wird). Der plumpe Stein empfängt immer neue Zugüsse, und weil er nicht viel in sich aufnimmt, schämt er sich, gebraucht zu werden. Man kann die Arznei der Unsterblichen darin nicht kochen, aber er ist auch durch Hammelsuppe noch nicht beschmutzt. Die Form seines schwangeren Bauches lässt Frauen und Mädchen lachen, und weil er so wenig in sich fasst, wird er selbst von Kindern verspottet. Er zeigt nur seine harte, schwere, steinerne Natur und kann dabei kaum einen Liter in sich fassen. Von der Seite betrachtet, sieht er aus wie eine weggeworfene, nach oben gerichtete Radnabe oder wie ein gebrochenes, plump daliegendes Achsenende. Manchmal dringt aus einer Oeffnung (des Deckels?), klein wie das Erdloch eines Regenwurmes, das summende Geräusch von Fliegen hervor. Wegen seines Fehlers leicht überzulaufen, enttäuscht er jene, die voll Vertrauen zu ihm ihn verwenden wollen. Da er gut behandelt wird, wagt er nicht das Wasser auslaufen zu lassen (ähnlich wie ein Minister die Geheimnisse eines Fürsten nicht ausplaudert, der ihm Vertrauen schenkt). Lieber will er in der Hitze zugrundegehen statt mit der Kälte Kenntnis zu machen. Trotz seiner Kleinheit möchte er gerne etwas leisten, aber auch diese kleine Leistung ist kaum erwähnenswert. Wenn man ihn umkehren will, zeigt er nur plumpen Widerstand; wenn man ihn öffnet oder schliesst, hört man nur tiefe Töne. Er sieht im Ganzen würdiger aus als ein Opfergefäss im kaiserlichen Ahnentempel, aber er trägt mit Unrecht den traditionellen Namen Ting (Dreifuss). Wie kann man ihn mit alten Opfergefässen vergleichen, da er doch mit der Hand nicht emporgehoben werden kann? Man müsste ihn polieren, so dass er Kanten und Ecken verlöre, man müsste ihn ins Wasser legen, damit er glatt und glänzend würde. Dann, hoffe ich, werdet Ihr über ihn nicht mehr lachen und er dürfte in der Welt Anklang und Verwendung finden.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 305-307.
The translator comments: "(vgl. Han Yü's Gesam.werke 21/23; von Liu Shih-fu, Hou Hsi und Hsüan-yüan Mi-ming – unter welchem Pseudonym sich angeblich Han Yü selbst verbirgt)." p. 305. -
Shi er 示兒: Gedicht, das ich meinen Kindern zeigte (Han Yu 韓愈)
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Als ich das erste Mal nach der Hauptstadt (Ch'angan) kam, trug ich nur ein Bündel Bücher mit mir. Dreissig Jahre habe ich fleissig gearbeitet, um nun dieses Haus bewohnen zu können. Hat dieses Haus etwa keine Vorzüge? Für mich ist es sicherlich viel zu gross. Die Mittelhalle ist hoch und neugebaut; hier werden in allen vier Jahreszeiten Fleisch und Gemüse als Opfer dargebracht. In der vorderen Veranda werden Gäste und Verwandte bewirtet; hier werden die Zeremonien der Mannbarkeits-Erklärung und Hochzeit vollzogen. Der Hof ist ganz leer, nur acht bis neun hohe Bäume stehen darin. Diese Bäume, die von Schlingpflanzen umwunden sind, stehen im Frühjahr in reicher Blüte, im Sommer geben sie viel Schatten. Von der östlichen Halle kann man bequem die Berge erblicken, wo Wolken vom Winde getrieben vorüberziehen. Zypressen und Fruchtbäume verbinden das Haus mit dem südlichen Pavillon, jenseits davon sind Melonen und Kartoffeln gepflanzt. Auf der Westseite befinden sich nicht mehr viele Gebäude, Sophoren und Ulmen verdecken den leeren Platz. Waldvögel singen Morgens und Abends, man möchte glauben in einer Bergschlucht zu wohnen. Die Frau des Hauses waltet in der nördlichen Halle; mit Nahrung und Kleidung versorgt sie nahe und ferne Verwandte. Durch kaiserliche Gnade wurde sie als Edle von Kao-p'ing in den Adelstand erhoben; ihre Söhne und Enkel werden auch einmal die kaiserliche Uniform tragen. – Wenn Ihr die Türe öffnet und ich frage, wer gekommen sei, ist es beinahe immer ein hoher Würdenträger. Wenn Ihr nicht wisset, ob hoch oder niedrig, ist dies leicht zu erkennen: denn am edelsteinbesetzten Gürtel hängt der Goldfisch (das Abzeichen vom dritten Rang aufwärts). Ihr wollt wissen, was die Gäste hier machen; in ihren hohen Amtsmützen sprechen sie von den Zeiten der Yao und Shun (und der jetzigen Lage des Reiches). Nach beendetem Essen und Trinken ruht man ein wenig aus oder spielt wohl eine Partie Schach zur Unterhaltung. Unter den anwesenden Gästen sind etwa neun von zehn hervorragende Staatsmänner. Wenn Ihr ferner fragt, wer am häufigsten kommt, so wisset: niemand kommt öfter als Chang Chi und Fan Tsung-shih. Sie kommen auch ohne besondere amtliche Veranlassung zu Besuch, um nur gewisse Punkte der Philosophie mit mir eingehend oder oberflächlich zu besprechen. Leute, die gerne studieren, gehen fortwährend bei mir aus und ein, täglich finden sich neue Schüler innerhalb meiner vier Wände. Bei ihrem grossen Können fragen sie mich Unwissenden um Rat, wie könnte ich ihre Zweifel verscheuchen und ihnen Aufklärung geben? Wenn ich nicht fortwährend trachten würde, mich zu vervollkommen, würde sich mein Werk in nichts von dem der gewöhnlichen Menschen unterscheiden. Wie könnte ich es sonst wagen, Schulter an Schulter mit den Gelehrten des Hofes zu sitzen? Dieses Gedicht zeige ich Euch, meinen Kindern, damit Ihr nicht am Beginn Eurer Studien einen unrichtigen Weg einschlägt (ähnlich wie ich).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 189-191. -
Shi gu ge 石鼓歌: Das Lied von den Steintrommeln (Han Yu 韓愈)
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Chang Chi (B.D. No. 26) hält in der Hand (einen Abklatsch) der Inschrift auf den Steintrommeln. Und ermuntert mich zu versuchen ein Steintrommellied zu dichten. Tufu (aus Shao-ling) weilt nicht mehr unter den Menschen, Lit'aipo, der nach der Erde verbannte Genius, ist schon tot. Mein Talent (verglichen mit jenem der genannten Dichter) ist geringe, was kann ich über die Steintrommeln sagen? Die Herrschaft der Chou-Dynastie war in Verfall geraten, das ganze Reich war in gewaltiger Erregung. Da trat Herzog Hsüan voll Energie hervor und schwang seinen himmlischen Speer (d.h. entfaltete seine militärische Macht, Chavannes, Mém. hist. I, 276). Er öffnete weit den Ming-t'ang-Tempel und empfing daselbst die Glückwünsche der in Audienz erschienenen Lehensfürsten. Deren Schwerter und Gürtelgehänge erklangen harmonisch, wenn sie an einander schlugen. Er veranstaltete im Süden des Ch'i-Berges (Legge IV, 453) eine grosse Jagd, um die Tapferkeit seiner Krieger zu zeigen. Ueber eine Region von zehntausend Meilen wurden Vögel und Vierfüssler ohne Unterschied eingekreist und in Netzen gefangen. Seine Verdienste sollten in einer Inschrift für alle zukünftigen Geschlechter verzeichnet werden. Steine wurden in der Form von Trommeln behauen, wodurch hohe Felsen niedriger wurden. Die den Herrscher begleitenden Gelehrten waren alle erstklassige Männer. Aus ihnen wurden die besten ausgewählt, um die Inschrift zu verfassen und auf den Trommeln einzumeisseln, die auf einem Bergrücken niedergesetzt wurden. Schon längst wären die Trommeln durch Regengüsse, Sonnenhitze oder Waldbrände vernichtet worden, Wenn nicht die Dämonen angewiesen worden wären, sie zu beschützen. – Von woher hast Du, mein Freund, den Abklatsch der Inschrift erhalten? Der Text ist durchaus vollständig und findet sich darin auch nicht der geringste Fehler. Die Worte sind gewählt, die Bedeutung ist dunkel, und der Leser kann sie nur schwer enträtseln. Der Duktus der Zeichen erinnert weder an die Kurial noch an die Kaulquappenschrift. Wie konnte im Laufe so vieler Jahre die Inschrift einem Verfall ihrer Zeichen entgehen? Mit scharfem Messer eingemeisselt entstanden Zeichen in der Form von Krokodilen und Gavialen (Liki I, 367). Phönixe flogen herum und die Unsterblichen kamen (vom Himmel) herabgestiegen (d.h. die Zeichen machen einen lebendigen Eindruck). Man meint Korallen- und Edelsteinbäume zu sehen, die ihre Aeste mit einander verflechten. In mächtige Eisenkabel scheinen grosse Knoten gelegt zu sein. Alte Dreifüsse erheben sich gleichsam aus dem Wasser, und Weberschiffchen verwandeln sich in Drachen. – Einseitige Gelehrte haben das Buch der Oden zusammengestellt, ohne jene Inschrift darin aufzunehmen. Die beiden Liedersammlungen (Hsiao-ya und Ta-ya) enthalten Nichtigkeiten und sind unbefriedigend (Legge IV, 28). Konfuzius auf seinem Zuge nach Westen erreichte nicht das Land Ch'in (Shensi, wo sich die Steintrommeln befanden); So kam es dass er (im Shihking) nur Sterne aufnahm, doch Sonne und Mond übersah. – Ach ich liebe das Altertum und bedaure nur, so spät geboren zu sein. Angesichts dieses Abklatsches rinnen meine Tränen in Strömen (Legge IV, 213). Ich denke zurück an die Zeit, da ich zuerst an die kaiserliche Akademie als Professor berufen wurde. Es war damals gerade der Beginn der Aera Yüan-ho (806 n. Chr.). Mein Freund war beim Militärkommando von Fêng-hsiang-fu angestellt Und riet mir, jene alten Monumente auszugraben (und ihnen einen sicheren Aufbewahrungsplatz zu geben). Dem wichtigen Zweck entsprechend machte ich mich zu einem Besuch bereit und trug die Sache meinem Vorgesetzten, dem Chi-chiu der Akademie, vor. Sind denn etwa viele solcher überaus wertvollen Denkmäler noch erhalten? In Filzdecken und Matten gewickelt könnten sie sofort hierher transportiert werden. Die zehn Trommeln könnten schon durch einige Kameele herbeigeschafft Und im Ahnentempel der Dynastie aufgestellt werden, ähnlich wie die Dreifüsse von Kao (Legge V, 39). An herrlichem Wert übertreffen sie ja diese wohl hundertmal. Wenn kaiserliche Gnade gestatten würde, sie in der Hochschule aufzustellen, Dann könnten sie die Studenten genau und gefällig (Legge IV, 91) erklären. Wie einst (zur Zeit des Ts'ai Yung, B.D. No. 1986) beim Besichtigen der Stein-Klassiker würde der Durchgang beim Hung-tu-Tore (von Ch'angan) blockiert sein. Aus dem ganzen Reiche würden sicherlich die Menschen herbeieilen, um die Trommeln anzuschauen. Das Moos würde weggekratzt werden, und die Züge der Schriftzeichen zum Vorschein kommen. Dann würden sie auf einen geschützten Platz gebracht werden, auf eine ebene, durchaus nicht geneigte (Legge, Iking pg. 81/15; Lisao 42. str.) Fläche. Man würde darüber ein grosses Haus mit breitem Dachvorsprung bauen, um sie schirmend zu bedecken, Und würde an nichts anderes denken als an ihre lange Erhaltung. Von den hohen Beamten am Hofe, die in ihren Stellungen alt geworden sind, Wollte sich keiner meines Planes erbarmen, und sie zeigten nur Unentschlossenheit. Jetzt schlägt der Hirtenknabe (aus jenen Denkmälern) Feuer, und das Rind stösst mit seinen Hörnern darauf. Wer möchte da noch die Hand daran legen, um einen Abklatsch der Inschrift zu machen? Die Sonne brennt sengend herab, der Mond scheint darauf, so dass die Schriftzüge allmählich verschwinden. Sechs Jahre sehe ich schon sehnsuchtsvoll nach Westen (Legge IV, 449) und seufze umsonst. Wang Hsi-chih's (B.D. No. 2174) gewöhnliche Schriftzüge werden ihrer eingebildeten Schönheit wegen aufgestöbert; Für einige Blätter (mit seinen Zeichen) kann man sogar noch weisse Kraniche eintauschen. Die acht Dynastien, die auf die Chou-Dynastie gefolgt sind, sind alle kämpfend untergegangen, Und (trotz so langer Zeit) gab es niemanden, der sich dieser Inschrift angenommen hätte, wie ist das zu erklären (Legge V, 288/2)? Erst jetzt herrschen Ruhe und Frieden im Reiche, und man ist frei von Sorgen. Die Regierung ist konfuzianistisch orientiert, man verehrt Konfuzius und Mêngtzu. O dass ich doch diese Angelegenheit dem Kaiser zur Entscheidung vorlegen könnte! Wie gerne wäre ich zu diesem Zwecke ein guter Redner, dessen Rhetorik an einen Wasserfall erinnern würde. – Hier endigt mein Lied von den Steintrommeln. Ach, ich fürchte, meine Bemühungen werden keinen Erfolg haben.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 130-133. -
Shi qu he yi 食曲河驛: Ich esse in der Poststation am Ch'ü-ho (Han Yu 韓愈)
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Morgens erreiche ich die Poststation am Ch'ü-ho, tiefer Kummer (über meine Verbannung) bedrückt natürlich meine Stimmung. Eine Schar Raben nistet in den Bäumen des Hofes, junge Spatzen fliegen zwischen den Balken des Vordachs. Und ich habe schwere Schuld auf mich geladen und stehe kleinmütig vor dieser zehntausend Meilen weiten Reise. Familie und Verwandte sind plötzlich von mir getrennt, und meine Bücher sind kreuz und quer durch einander geworfen. Meiner Familie gegenüber trage ich schwer an der Verpflichtung mich reinzuwaschen (Legge III, 316). Dem Herrscher gegenüber fühle ich, dass ich mich seiner Gnade nicht würdig gezeigt habe. Auch durch meinen Tod könnte sicherlich meine Schuld nicht gesühnt werden, wie kann ich erst das mir geschenkte Leben vergelten?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 164f. -
Shi shuang 示爽: Ich zeige dieses Gedicht meinem Vetter Shuang (Han Yu 韓愈)
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Hsüan-ch'êng (in Chiang-nan) ist von der Hauptstadt Ch'angan über dreitausend Meilen weit entfernt. Da ich denke, dass Du mich verlassen willst, nehme ich Dein Reisegepäck wieder auseinander und bereite Dir ein Abschiedsmahl. Bei einbrechendem Abend können wir uns nicht trennen; was immer Du tust (Wen-hsüan 23/2), ich hänge mich an Dich. Ist die Winternacht etwa nicht lang? Doch bis zum Morgen sollen Lampen und Kerzen brennen. Die mit am Tische sitzen, sind alle Verwandte und Freunde; niemand will sich von Dir trennen und schlafen gehen. Ich denke daran, wie Du allein vor einigen Jahren nach Westen (Ch'angan) gekommen bist. Deine Prüfungsresultate übertrafen jene vieler anderer hervorragender Männer, und bei der Provinzialprüfung warst Du unter den Beamten der erste gewesen. Jetzt bist Du vom Gouverneur von Hsüan-ch'êng berufen worden, der wieder einer der würdigsten Männer der Jetztzeit ist. Unter Deinen über tausend Altersgenossen, wer würde Dich nicht als einen Tüchtigen preisen? Wenn Du in die Nähe von Chiang-nan gekommen sein wirst, wirst Du die Gegend wo wir einst gewohnt haben vielleicht ähnlich wie früher finden. Die Kinder, die früher mit Dir gespielt haben, stehen jetzt an der Seite des Weges und staunen Dich an. Wenn man im Leben nichts anderes als solche Erfolge wie Du erreicht hat, ist es auch schon sehr beneidenswert. – Ich bin schon alt und habe die Freude an der Welt verloren; als amtlicher Müssiggänger kann ich mich von der Hauptstadt nicht mehr trennen. Die Scham überwindend bin ich in den Reihen meiner Amtskollegen geblieben; ist das etwa kein Fehler gewesen? Bei meinen geringen Fähigkeiten ist es schwer, mich geltend zu machen; ich fürchte, mich bis zu meinem Ende von jenem Fehler nicht reinwaschen zu können. Im Momente der Trennung spreche ich die Wahrheit zu Dir: wenn irgend eine Möglichkeit sich zeigt, will ich sofort zu meinen Feldern zurückkehren.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 159f. -
Shuai bing "Lao ci you ye xun hua ban" 衰病 “老辭遊冶尋花伴”: Alt und krank (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Shuang li 瀧吏: Der Beamte von Shwang-t'ou (in Kwangtung) (Han Yu 韓愈)
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Schon über sechzig Tage ging die Reise nach Süden, da begann erst die Fahrt den Shwang-Fluss hinab im Distrikte Lê-ch'ang. Die gefährlichen, schwierigen Stellen kann ich gar nicht beschreiben, wo das Schiff fortwährend gegen die Felsen stiess. Und da wandte ich mich an den Hofbeamten von Shwang-t'ou mit der Frage, wie viele Meilen noch bis Ch'ao-chou-fu wären, Ob wir bald ankämen und wie endlich die Sitten des Landes wären. Der Beamte liess die zum Grusse erhobenen Hände sinken und sagte lachend: "Ach, wie thöricht sind doch Deine Fragen. Es ist wie wenn Du in der Hauptstadt als Beamter leben würdest, wie solltest Du da auch die Verhältnisse von Ost-wu nicht kennen? Ost-wu ist das Land der wandernden Beamten, wenn Du es kennst, besteht dafür natürlich ein Grund (weil immer viele Beamten dorthin gehen oder von dort kommen). Ch'ao-chou-fu dagegen ist der Ort, wohin Leute, die sich vergangen haben, verbannt werden. Ich habe glücklicherweise nichts verbrochen, wie sollte ich dahin gekommen sein und es kennen gelernt haben? Du wirst selbst bald dort angelangt sein, wozu also voreilig thörichte Fragen stellen?" – Ich hatte nicht vermutet, plötzlich so in Verlegenheit gebracht zu werden; Schweiss trat mir auf die Stirne, ich schämte mich und war erschrocken. Da sagte der Beamte: "Ich spasse ja nur ein wenig mit Dir; ich selbst habe früher einmal Verbannte nach Ch'ao-chou-fu gebracht. Das Land südlich von den Mei-ling-Bergen ist grossenteils einförmig; wenn Du dahin gehst, ist der Weg leider noch sehr weit. Auf diesem Fluss hinunter geht es noch dreitausend Meilen, dann kommst Du erst zu jener Präfektur, die Ch'ao-chou-fu heisst. Ueber dem Fluss Wo-ch'i sammeln sich giftige Miasmen, und ununterbrochen blitzt und donnert es dort. Krokodile gibt es dort grösser als Schiffe, und ihre Zähne und Augen liessen mich tödlich erschrecken. Einige zehn Meilen südlich von der Präfektur liegt das Meer, das in den Himmel übergeht. Es gibt Zeiten, wo sich ein Cyklon erhebt; dann ist das Steigen und Fallen der Wogen wirklich eine Merkwürdigkeit. Wenn ein weiser Kaiser die Welt beherrscht, lässt er allen seinen Untertanen gegenüber Gnade walten. Ich habe vor kurzem mir sagen lassen, dass auch unter den nach Ch'ao-chou-fu Verbannten es solche gibt die wieder lebend zu ihren Feldern zurückgekehrt sind. Du darfst jene Präfektur nicht schlecht finden, weil es ein Ort ist, wohin gewöhnlich Beamte verbannt werden. Du bist in einer aufgeklärten Zeit gekommen, so braucht der Grund Deines Kommens nicht weiter erörtert zu werden (es ist sicher Deine Schuld, und nicht jene der Regierung). Du bist eben unvorsichtig gewesen, darum musst Du jetzt Deinem Schicksal folgend dahin abgehen. Warum stehst Du am Ufer dieses Flusses schon so lange, wie in hilflosem Jammer? – Das Fass ist gross, der Krug, die Flasche klein, und die Quantität der Flüssigkeit, die sie enthalten, ist dementsprechend verschieden. Warum hast Du Deine Kraft nicht vorher abgeschätzt? Dadurch dass Du Dir zu viel zugetraut hast, hast Du Dir Deine Verbannung zugezogen. Handwerker und Bauern sind zwar kleine Leute, doch jeder von ihnen hat seine bestimmte Beschäftigung. Ich weiss nicht, ob Du am Hofe von Nutzen für den Staat warst oder nicht. Vielleicht warst Du nur eine dort nistende Laus, weder Soldat noch Beamter. Einer, der sich mit Humanität und Gerechtigkeit aufzuputzen suchte und die öffentliche Meinung durch Listen und Ränke zu dupieren wusste." Ich neigte das Haupt und dankte dem Mann für seine Worte; erst hatte ich mich geschämt und jetzt schämte ich mich noch mehr. Ich habe mehr als zwanzig Jahre als Beamter gedient und habe die kaiserliche Gnade auch nicht im geringsten vergolten. Alles was jener Beamte an mir auszusetzen fand, ist leider grösstenteils nur zu wahr. Dass der Kaiser mein Vergehen nicht sofort mit dem Tode (T. of T. II, 208) bestraft hat, war eine besondere Gnade, die ich bis zum Tode zu vergessen nicht wage. Obwohl Ch'ao-chou-fu äusserst entlegen ist, obwohl seine Nachteile nicht mehr übertroffen werden können – Am Leben geblieben zu sein, ist ja allein schon unerwartetes Glück, und in Anbetracht dieser Umstände kann ich nicht anders als mir gratulieren.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 165-167. -
Shuang niao shi 雙鳥詩: Die beiden Vögel (Han Yu 韓愈)
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Zwei Vögel kamen von jenseits des Meeres flatternd nach China geflogen. Der eine Vogel liess sich auf dem Marktplatze nieder, der andere siedelte sich in der Felsenwildnis an. So hatten die beiden keine Möglichkeit zusammen zu singen; seitdem sind 3000 Jahre verflossen. Die beiden Vögel hielten ihre Schnäbel geschlossen (sangen nicht) und auch die anderen zahllosen Tiere schwiegen. Da erhob sich wirbelnd der Frühlingswind vom Erboden und die hundert Sorten von Vögeln schwangen sich alle in die Lüfte. Die beiden Vögel trafen einander plötzlich und sangen zusammen hundert Tage ohne Unterbrechung. Wer Ohren hatte, wurde durch den Lärm taub; wer einen Mund hatte, konnte nicht in den Wettkampf treten, musste sich vielmehr schämen. Die Vögel, die die Stimmen der anderen nachahmten (Liki, ed. Couvreur, I, 360), waren früher überaus laut, doch senkten sie von nun an beständig das Haupt. Sie wurden krank und liessen ihre Stimmen nicht mehr hören; sie schwiegen bis zu ihrem Tode. Da berichtete der Geist des Donners über die Sache dem Herrscher des Himmels: "Die ganze Natur bedarf einer Oelung (d.i. Deines Rates und Deiner Hilfe). Seitdem die beiden Vögel begonnen haben zu singen, wirkt ihr Lärm betäubend, und selbst der Donner (weil unhörbar) muss eingezogen werden. Dämonen und Geister fürchten das Gezwitscher, die Tätigkeit der ganzen Natur steht still. Die Vegetation hat zwar nur wenig Gefühle, aber auch sie zeigt in allen neun Provinzen (des Reiches) ihre Entrüstung. Insekten und Mäuse sind sicherlich nur kleine Tiere, doch auch sie können die ununterbrochene Belästigung (Legge V, 560/9) durch die Vögel nicht ertragen. Wenn daher Du, o Gott, den beiden Vögeln nicht Ruhe auferlegst, wird Jammer über die ganze Natur kommen. Wenn Du dem Zwitschern kein Ende machst, wird es von nun an keinen Frühling und Herbst geben. Wenn Du die beiden Vögel noch weiter singen lässt, werden Sonne und Mond sich nicht mehr bewegen. Wenn Du ihnen nicht Schweigen gebietest, wird der grosse Weltenplan in allen seinen Unterteilen (Legge III, 323) Einbusse erleiden. Chou-kung (B.D. No. 418) wird nicht mehr als Chou-kung verehrt, Konfuzius nicht mehr als Konfuzius betrachtet werden". – Der Herrscher des Himmels ärgerte sich über die beiden Vögel, liess sie ergreifen und ihnen Einzelhaft geben. Die hundert Arten von Insekten und hundert Sorten von Vögeln sangen darauf wieder nach Herzenslust (Ch'u-tz'u 2/28). Nachdem die beiden Vögel jeder an einen anderen Ort gebracht waren, hörten sie zu singen auf und bereuten, dass sie Anstoss gegeben hatten (Wen-hsüan 3/33). Morgens assen sie tausend Drachen, Abends verspeisten sie tausend Rinder. Morgens tranken sie soviel, dass die Flüsse austrockneten, und Abends soviel, dass das Meer sich zu bewegen aufhörte. Und wieder in 3000 Jahren werden sie sich von neuem zu wechselseitigem Gesang erheben.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 133f.
Von Zach remarks: "(Dieses Gedicht soll eine Anspielung auf Lit'aipo und Tufu sein; andere wieder behaupten, es wäre Han Yü und sein Freund Mêng Chiao gemeint; oder endlich Buddha und Laotzu; letztere Ansicht hat viel für sich.)" -
Shui shi zi 誰氏子: Der Sohn der Familie X (Han Yu 韓愈)
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(Lü Ch'iung, der Frau und Mutter verliess, um taoistischer Bonze zu werden, wurde vom Präfekten Li Su bei seinem Erscheinen im Yamên ergriffen, seiner Priesterkleidung beraubt und seiner Mutter zurückgegeben, vgl. Han Yü's Gesam. Werke 25/5). Er war weder dumm noch verrückt, jener Sohn der Familie X, Als er in das Wang-wu-Gebirge zog, um dort taoistischer Bonze zu werden. Die alte weisshaarige Mutter verstellte weinend die Türe, Er riss sich mit Zurücklassung eines Aermels los und war nicht zu halten. Seine junge Frau hatte herrliche Augenbrauen und war gerade zwanzig Jahre alt; Er setzte sie auf einen Wagen und sandte sie zu ihren Eltern zurück; ihr Wehklagen erfüllte den ganzen Marktplatz (Legge V, 279/14). Man behauptete, er wolle die Phönixflöte spielen lernen, Da er nach einer zweiten Nung-yü (B.D. No.713) strebe und dem Hsiao Shih gleichkommen wolle. Auch hiess es: da der Zeitgeist für das Gewöhnliche nur wenig übrig habe, Begab sich jener Mann mit Absicht in Gefahren, um (Aufsehen zu erregen und) einen guten Beamtenposten zu erlangen. – Obwohl nun die Tradition von Geistern und Unsterblichen spricht, Wissen doch alle Kundigen, dass dieses Gerede nur Schwindel ist. Weise Fürsten und würdige Minister kann man damit nicht täuschen (um etwa so eine hohe Würde zu erlangen). Schliesslich hätte ihn doch nur der Hungertod im öden Gebirge erwartet. Ach, mein Herz ist wirklich voll Sympathie für den armen Mann! Ich möchte ihn aufsuchen, ihn belehren und mit ihm die Sache gründlich besprechen. Einen zu strafen, um hunderte abzuschrecken, ist sicher eine Methode des Regierens. Sollte er daher (den Anordnungen des Präfekten) nicht gehorchen, kann er noch immer (in Zukunft) bestraft werden. Wer von seinen Freunden oder Verwandten mit ihm Mitleid haben kann, Der möge diese Verse abschreiben und sie ihm gleichsam als Geleitworte überbringen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 127f. -
Si shi wu 四十五: Als ich 45 Jahre alt wurde (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Song bian zhou jian jun ju wen zhen 送汴州監軍俱文珍: Dem Armeeinspektor von Pien-chou (Honan) Chü Wên-chên zum Abschied (Han Yu 韓愈)
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Früher hast Du als Gesandter das Land beim Kukunor besänftigt, jetzt hast Du als Armeeinspektor die Ruhe in der Gegend des Pien-Flusses (bei K'ai-fêng-fu) wiederhergestellt. Wie der Vogel Rock mit seinen weiten Flügeln nimmst Du zum Himmel Deinen Aufflug (Du begibst Dich nach der Kaiserstadt Ch'angan); das Schwert, mit dem Du die Gnade des Kaisers vergolten hast, lässt Deine Feinde zittern. Morgen bei Tagesanbruch treibst Du Dein Reitpferd vorwärts und beim Wehen des Frühlingswindes singst Du das Lied vom Pflücken der Orchideen (die Du Deinen Eltern nach Hause bringen willst, Wen-hsüan 19/16). Wer da sagt, dass es schwer ist ein tüchtiger Staatsdiener und ein liebevoller Sohn zu sein, die Pflichten der Loyalität und Pietät mit einander zu vereinigen, hat in Deinem Falle Unrecht (Du gehst nach Ch'angan zum Kaiser und zu Deinen Eltern).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 304f. -
Song gui zhou yan da fu tong yong nan zi 送桂州嚴大夫同用南字: Dem Präfekten von Kuei-chou zum Abschied, als er sich auf seinen Posten begab (Han Yu 韓愈)
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In Shanhaiking wird von einem Orte erzählt, wo acht Cassia-Bäume in üppiger Pracht sich entfalten; dieser Ort liegt jetzt im Süden des Hsiang-Flusses (in Kuei-chou). Die Ströme bilden dort Bänder wie grüne Epheuranken; die Berge sehen aus wie Haarnadeln aus Smaragd. Viele Leute (Deines neuen Wirkungskreises) bringen Dir Königsfischerfedern als Geschenk dar; in jedem Haus pflanzt man selbst gelbe Pomeranzen. Dorthin zu gehen ist weit besser als ein Unsterblicher zu werden; und Du brauchst nicht erst auf einem fliegenden Phönix dahin zu reiten.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 287. -
Song hou can mou fu he zhong mu 送侯參謀赴河中幕: Ich nehme Abschied von Hou Chi (Sekretär des Gouverneurs Wang O), der nach Ho-chung (Shansi) aufbricht (Han Yu 韓愈)
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Ich denke zurück an die Zeit, da wir unser Doktorat machten: da waren wir beide noch jung zu nennen. An Deinem Kinne sprosste gerade ein Bart, und meine Zähne waren glänzend wie Eis. Zu jener Zeit waren unsere Herzen voll Energie, und alles glaubten wir unternehmen zu können. Ich weiss nicht wie lange wir später von einander getrennt waren, und doch ist es mir als ob es erst gestern gewesen wäre. Jetzt sind meine Zähne hässlich voll Lücken, und Dein Gesicht sieht schrecklich alt aus. Wieder haben wir uns inmitten des Staubes dieser Welt getroffen, und als wir uns sahen, seufzten wir beide wiederholt voll gegenseitigen Mitleids. Glücklicherweise wurden wir Kollegen in der Akademie und zum Schlusse verband uns wieder enge Freundschaft. Zum Fên-ssu in Loyang ernannt, hörte meine Tätigkeit als Lehrer an der Akademie auf; gemeinsame Spaziergänge und Bankette wurden zu etwas Gewöhnlichem (weil ich viel Zeit hatte). Im Herbste fischten wir im Schatten dichter Wälder, Nachts würfelten wir bei greller Beleuchtung. Auf schneebedeckten Wegen trafen wir alte Holzsammler, unter luftiger Klosterveranda debattierten wir mit dem gesprächigen Priester. In den Pfirsichgärten von Lu-hun (vgl. 13. Gedicht) fanden wir eine heisse Quelle, die wie kochend hervorsprudelte. Im dritten Monat ergingen wir uns ein wenig im Sung-Gebirge, wo die Rhododendren auf zahllosen Stufen rot erblühten. Nur zu oft sassen wir Abends auf dem Sande der Insel oder sahen von steilerer Bergeshöhe aus nach der aufsteigenden Sonne. Traumverloren zählten wir nicht die Tage, und unsere Freuden hätten nicht grösser sein können. – Jetzt auf einmal trennst Du Dich von mir wegen Deiner Berufung nach Ho-chung, eine Trennung die früher nicht vorauszusehen war. Du hast Dich nun zur Reise bereit gemacht; wie stolz und kräftig siehst Du und Deine Reiter aus! Aus der Dankbarkeit (gegenüber dem Kaiser) erhob sich Deine Tapferkeit; denn niemals zuvor standest Du in militärischen Diensten. Martialisch sieht der Minister Wang O aus, der des Kaisers rechte Hand ist (Arm und Kralle, Legge V, 377/15). Er führt mit sich eine Armee von mehr als hunderttausend Mann, und die ganze Welt respektiert seinen Einfluss und Würde. Die Truppen sind noch nicht nach Ho-pei vorgerückt, um die dortige Rebellion zu unterdrücken; der General Wu Shao-ch'êng von Ts'ai-chou ist gerade gestorben. Warum bittest Du nicht den Kaiser gegen diese Rebellen ziehen und dem dortigen Volke (Wen-hsüan 48/5) helfen zu dürfen? Obwohl ich Armer tatsächlich feige und schwach bin und mich deswegen der kaiserlichen Gnade gar sehr schämen muss, Denke ich doch daran, meine amtliche Karrière aufzugeben und mit Todesverachtung als Erster die Wälle des Feindes zu ersteigen (Legge V, 31/4). Auch möchte ich in einer Audienz dem Kaiser die Sache vorlegen oder ein Gesuch einreichen, mit der Bitte berufen zu werden. Aber jemandem anderen die Stellung wegnehmen (Legge V, 392/2) ist auch nicht recht, und mein törichtes Vorhaben könnte vielleicht bestraft werden. So bleibt mir nicht anderes übrig als zu warten bis ich entlassen werde, dann will ich in mein Dorf zum Feldbau zurückkehren (Wen-hsüan 1/7). – Du dagegen hast jetzt (in Wang O) eine Stütze gefunden, und Deine Stellung ist ähnlich der des Falken, der den Aermel des Jägers verlässt (d.h. Du bist im Begriffe Deine Tüchtigkeit zu zeigen). Im Verfassen militärischer Depeschen stehst Du niemandem nach, bei strategischen Plänen stützt man sich auf Dein Talent. Du sammelst Verdienste, die einmal in der Geschichte verzeichnet werden, auf Deinem Flug in die Höhe (Legge IV, 333) verfolgst Du den Vogel Rock des Nordmeeres (T. of T. I, 164; d.h. Du wirst noch zu hohen Würden gelangen). Ein Mann schätzt schaffende Tätigkeit (Legge III, 518) im Dienste des Staates, aber die schnell dahinfliessende Zeit kann man nicht aufhalten (d.h. es muss Abschied genommen werden). Wenn das Jahr zu Ende geht, erhebt sich die Kälte (Wen-hsüan 13/9), die Wolken zerreissen und es fällt Schnee. Zu dieser Zeit streift Dein scheidender Aermel das Wasser des Lo-Flusses, und Dein Kriegswagen rollt nach Westen zwischen den beiden Bergrücken des Yao-Passes (Legge V, 220/16). In Deiner Eile trankest Du Deinen Abschiedswein nicht aus; angesichts Deines Tatendrangs bin ich doppelt unzufrieden mit mir selbst. – Nachdem ich von Dir bei Deiner Ausreise Abschied genommen, kehre ich nach Hause zurück, mein Inneres ist schmerzerfüllt, wie wenn es an einem Stricke gezogen würde. Schweigend sitze ich da und denke an unsere früheren heiteren Unterhaltungen; ich bin betäubt wie eine Fliege beim Eintritt der Kälte. Wenn ich jetzt ausreite, wen könnte ich besuchen gehen? Und wenn ich sprechen möchte, wer könnte mir antworten? Ich kann es nicht über mich bringen, den Staub von der Sitzmatte wegzufegen, worauf Du gesessen bist; ich sitze vor Deinem halbgeleerten Glas, worin der Wein sich verdickt hat. – Wir wissen mit Sicherheit, dass bis zu einem Wiedersehen gar viele Tage und Monate vorübergehen werden. Mitten im Leben stehend musstest Du der Armee folgen; unsere Freuden haben ein Ende gefunden und werden kaum so bald wieder fortgesetzt werden. Sende mir oft Briefe und spare nicht mit dem Papier (mit Bambustabletten und Seidenstoff).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 110-112. -
Song hou xi 送侯喜: Meinem Freunde Hou Hsi zum Abschied (Han Yu 韓愈)
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Ich bin schon hinfällig und kann mit der Zeit nicht mehr mitgehen. Ich bin auch zu müde (um mit Dir das Neujahrsfest zu feiern und) durch den Staub der Strassen zu wandeln. Jetzt willst Du Dich gerade von mir, Deinem Vorgesetzten (im Kuo-tzu-chien), trennen. Komme nur am Tage der Eröffnung des Amtes im neuen Jahre wieder.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 250. -
Song hu nan li zheng zi gui 送湖南李正字歸: Dem Sekretär Li Chu zum Abschied, als er nach Hunan zurückkehrte (Han Yu 韓愈)
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Ch'ang-sha liegt tief im Lande Ch'u; wenn Du zum T'ung-t'ing-See gelangst, wird es gerade Herbstende sein. Leute, die mit den Störchen und Wildgänsen nach Süden ziehen, gibt es nur wenige; und der Weg, der Dich am Strom mit seinem Schilf (Legge IV, 195) vorüber führt, entfernt Dich immer weiter von mir. Ueberall dort wo ich einst vorüber gekommen bin, musst Du nun auf Deiner weiten Rückreise hingelangen. Allein reisend ist Dein Herz voll Energie, in Gasthöfen übernachtend wirst Du von schönen Frauen träumen. Die Sitten in Hunan sind etwas anders als hier; Fische und Krebse bilden täglich eine fremd anmutende Speise. Deine Verwandten und Freunde befinden sich alle hier (in Loyang), mit wem wirst Du wohl dort in Hunan Verkehr haben?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 119. -
Song hui shi 送惠師: Dem buddhistischen Priester Hui zum Abschied (Han Yu 韓愈)
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Der Priester Hui ist ein Buddhist, aber ein Mann unabhängigen Charakters. Mit fünfzehn Jahren liebte er schon Berge und Flüsse und trennte sich ruhig von Verwandten und Freunden. Er warf die Kappe seiner Mannbarkeit (Liki II, 636) weg, liess sich das Kopfhaar scheeren und enteilte, nur den Staub seiner Schritte zurücklassend. – Er begab sich auf den Ssu-ming-shan (bei Ningpo) und stieg unter dem klaren Herbsthimmel bis zur Spitze empor. Dann hielt er Ausschau von der Höhe des T'ien-t'ai-shan: alle Täler verschwanden ihm in unergründlicher Tiefe (Wen-hsüan 7/10). Die Nacht verbrachte er auf dem höchsten Gipfel, das Haupt erhebend betrachtete er die Sterne. Ihre Strahlen scintillierten lebhaft unter einander, im Norden und Süden wetteiferten (die Sterne) ihre Position einzunehmen. An diesem Orte gab es weder fliegende Vögel noch laufende Tiere, die Natur erschien erhaben und geheimnisvoll. Ein leichter Wind blies durch Wald und über Felsen, und im Rauschen der Quellen hörte er die göttliche Musik (des Kaisers Shun). Mitten in der Nacht stand er auf und blickte hinab: die Wogen des Oceans hielten noch das aufsteigende Sonnenrad zurück. Fische und Drachen sprangen erschreckt (aus dem Meer) heraus, und ihre Schreie (Wen-hsüan 12/7) wurden zu Klagelauten. Ein wunderbarer Dunst, bald violett, bald rot, flammte um die Sonnenscheibe (Wen-hsüan 39/12). Endlich flog die goldene Krähe (d.h. die Sonne) auf, und alle Weltgegenden wurden plötzlich helle. – Immer hatte er gehört, dass die Höhle des grossen Yü (in Kuei-chi) ein merkwürdiger Platz wäre: jetzt ging er dahin, um Chêkiang und Fukien zu durchwandern. Die Sitten von Yüeh wollen vom Altertum nichts wissen, dort hat die Tradition ihre Grundlage verloren. Die Spuren des grossen Yü sind schon lange verschwunden und nicht mehr zu sehen, der von ihm betretene Weg (nach Süden) ist für immer unauffindbar geworden. Bei seiner Rückkehr stand (unser Priester) vor den Wellen (d.h. Gezeiten) des Chê-kiang, die emporschlugen so hoch wie die Berge O und Min. Ein energischer Geist (d.i. der Geist des in den Fluten des Chêkiang begrabenen Wu Yüan, B.D. No. 2358) ruht auch im Tode nicht, vor tausend Jahren war seine Kraft wohl ebenso stark wie gestern. Ob dies nun Fabel war oder nicht, hatte für unseren Priester keine Bedeutung; er verwarf diese Geschichte nur, da sie in keinem Zusammenhang mit seiner Religion stand. Den Strom überschreitend besuchte er den Lü-Berg (in Chiang-chou), die weite Aussicht übertraf alles früher Gesehene. Die Spitze des Berges verschwand jenseits der Wolken, seine Abhänge berührten die Ufer des P'êng-li-Sees. Damals war gerade nach Regen Schönwetter geworden, und der Wasserfall hing herab wie eine himmlische Schärpe. Im vorletzten Jahr begab er sich nach dem Lo-fou-Berge, und sein Fuss betrat (Wen-hsüan 12/7, Tufu 2/13) die Küste des Südmeeres (Wen-hsüan 1/25). Unendlich gross ist (hier im Süden) die Kraft der Sonne, und das Gedeihen der Vegetation gleicht einem ewigen Frühling. Wenn der Vogel Rock auffliegt, lässt er schlaff seine langen Flügel hängen; und der Kapriolen machende Walfisch spreizt nicht seine langen Schuppen (infolge der Hitze). – Seitdem unser Priester in's Kloster von Lien-chou gekommen war, hatte er niemals die Stadt durch den Torturm (Legge IV, 146) betreten. Täglich begleitete er hochstrebende Gelehrte als Führer, erforschte die schönen Szenerien der Umgebung und drang auf hohe Felsen und bis zum Meeresufer vor. Der Gouverneur der Stadt lud ihn wiederholt ein, er folgte aber dem Rufe nicht; zahlreiche Beamte baten ihn zu kommen, aber vergebens. Obwohl er nicht ein Silberstück in der Tasche hatte, nannte er doch die Reichen arm. – Vor kurzem verschwand er plötzlich, und liess ich seine Nachbarn fragen, wo er zu finden wäre. In meiner Hast ging ich selbst ihm nach, erreichte ihn, nahm ihn bei der Hand und frug ihn nach dem Grunde seines Verschwindens. Er blickte mich an, seufzte und sagte: "Bist Du etwa verschieden vom andern Volke, (d.h. Du denkst wohl ähnlich wie die Andern). (Weist Du denn nicht), dass Trennung und Wiedervereinigung von altersher immer einander folgen; wozu auf das Abschiednehmen besonderen Wert legen? Ich (der Priester) hörte von der Schönheit der Bergkette der "Neun Zweifel" und wollte einen langgehegten Wunsch zur Ausführung bringen. Ich wollte dort die Bambus sehen, deren Flecken durch die Tränen der beiden Witwen des Shun entstanden sind, und den durchsichtigen Hsiangfluss, in dem sich Ch'ü Yüan, der Minister von Ch'u, ertränkte. Ich wollte den Hêng-Berg und den Tung-t'ing-See sehen, wo mein Weg mich vorüber führen musste. Ich wollte den Sung-Berg besuchen, dann Loyang erreichen und über den Hua-Berg nach Ch'in (Shensi) gehen. Herumwandernd will ich mir kein bestimmtes Ziel setzen, bald gehe ich dahin, bald dorthin, und wo ich eine Furt antreffe, setze ich über (den Fluss)." (Auf diese Worte) erwiderte ich: Du musst alleine gehen, denn Dein Weg ist nicht der Weg, den ich einschlagen will. Du bist wie ein Fisch im Strome, der im Teiche stirbt; Du bist wie ein Vogel der Wildnis, den kein Käfig zähmen kann (Wen-hsüan 13/4). Obwohl ich kein Anhänger der buddhistischen Lehre bin, sympathisiere ich mit Deiner Begeisterung und Naivität. Ich hasse die faulen (Bonzen), die nur zum Vergnügen herumwandern (Liki I, 691), doch ich liebe Deine Torheit und Verbohrtheit. Lebe wohl! Wir besitzen verschiedene Neigungen, und doch befeuchten Tränen mein Taschentuch, (denn der Abschied von Dir wird mir schwer).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 37-39. -
Song jin shi liu shi fu dong gui 送進士劉師服東歸: Dem Chin-shih (Doktor) Liu Shih-fu zum Geleite bei seiner Rückkehr nach Osten (Han Yu 韓愈)
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Der wilde Tiger, der in den vergitterten Zwinger gefallen ist, frisst ruhig (aus der Hand) wie ein elternloses Ferkel (d.h. Du weisst ebensowenig wie ein gefangener Tiger Deine Fähigkeiten zu zeigen). Eines Mannes Streben geht nach Ansehen und Reichtum, da wird man doch nicht sich in die Heimat zurückziehen und seine Türe bewachen. Dein Herz hat Mut und Energie, Deinem Munde entströmen Worte der Wahrheit. Wie kann man sich da begraben lassen und nicht trachten hoch emporzusteigen? Ich habe ursprünglich auch mein Doktorexamen gemacht und die Wege der Welt gründlich erforscht. Von jeher lassen sich gerne ehrliche Menschen wie Du von minderwertigen Intriganten betören. Sie senken das Haupt und werden von ihnen verlacht und verspottet; schweigend tragen sie das schroffe Unrecht. – Regen macht die Wege östlich von der Stadt morastig; über den hohen Sophoren erheben sich dichte Wolken. Obwohl Du arm in die Heimat zurückkehrst, wirst Du doch bald (innerhalb weniger Tage) in der Lage sein, Deinen Eltern selbst das Essen aufzutragen (Wen-hsüan 19/16). Mit einem herrlichen Ruf kommst Du heim, der allein schon genügt, um Deiner Familie Ansehen zu verleihen. Mit den Zeitverhältnissen ist nicht zu spassen, und an Verwandte und Bekannte muss man sich wegen Erlangung von Protektion wenden, Suche bald wiederzukommen, um das goldene Siegel und violette Band zu erwerben, und verweile nicht zu lange in Deiner Heimat.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 137f. -
Song ke nan qian 送客南遷: Ich gebe einem Gaste, der nach Süden versetzt ist, das Geleite (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Song li ao 送李翱: Dem Li Ao zum Abschied (Han Yu 韓愈)
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Auf dem zehntausend Meilen weiten Wege nach Kwang-chou finde sich gar viele Berge und sich windende Flüsse. Wann wirst Du am Ende Deiner Reise angelangt sein? Wer könnte die Zeit Deiner Rückkehr bestimmen? Wenn Du jetzt von mir Abschied nimmst und beim Tore hinaustrittst, wird Deine Gesichtsfarbe anders sein als sonst (d.h. Du wirst Dich grämen). Denn obwohl ich Dich bis hierher begleitet habe, ist doch der Moment gekommen, wo unsere Schritte sich trennen müssen. Wir Menschen leben in dieser Welt, ohne selbst etwas unternehmen zu können (d.h. wir werden vom Schicksal getrieben, das wir nicht kennen). Wir sind dem auf dem Strome treibenden Holze zu vergleichen, das kreuz und quer dahineilt, ohne es selbst zu wissen. Besser ist es wohl Kummer beim Abschied zu haben, als sich zu grämen, nachdem wir uns getrennt haben.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 118. -
Song li liu xie lü gui jing nan 送李六協律歸荊南: Ich nehme Abschied vom kaiserlichen Musikmeister Li Ao, als er nach Ching-nan (Chiang-ling in Hupeh) zurückkehrte (Han Yu 韓愈)
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Nach dem Orte, wo ich in früheren Jahren in der Verbannung geweilt habe, begleitet Dich nun der Frühlingswind. Die Weiden stehen in Chiang-ling noch in reicher Blüte, und die Schwalben des Grossen Stromes fliegen gerade herum. Von den Sängerinnen und Tänzerinnen von damals, wer dürfte dort noch leben? Von meinen früheren Amtskollegen, die mit den Gouverneuren wechselten, wohl sicher niemand mehr. Neben dem Pavillon des Sung Yü befindet sich ein im Frühling grüner Teich; vergesse nicht über die duftigen Kräuter auf dessen Ufer zu lustwandeln.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 251f. -
Song li shang shu fu xiang yang ba yun de chang zi 送李尚書赴襄陽八韻得長字: Dem Minister Li Hsün zum Abschied, als er nach Hsiang-yang (Hupeh) ging (Han Yu 韓愈)
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Der Kaiser ist aufs äusserste besorgt um die südlichen Provinzen (Legge IV, 358); er ändert die frühere Entschliessung (womit Yen Shou zum Gouverneur ernannt wurde) und vertraut den Posten dem loyalen Li Hsün an. Die Sterne über der Dir zugeteilten Region beginnen zu funkeln, Deine Fahnen mit den verschiedenen darauf abgebildeten Tieren (Bären und Tigern) setzen sich in Bewegung. Die Soldaten von fünf Divisionen werden unter Deinem Kommando umso gefürchteter sein; die Provinz von tausend Quadratmeilen Umfang (Legge II, 146), die Dir übertragen ist, erinnert wieder an die Grösse des Landes eines Lehensfürsten. Beherrschend (Asia Major 1925, pg. 152) wirst Du das Land im weiten Umkreise des Ching-mên-Berges umfassen und dominierend über der ganzen Länge des Han-Flusses (Legge V, 139/9) schweben. Du lassest den Nachbargebieten schriftlich mitteilen, sie mögen sich nicht beunruhigen, Deine Kavallerie werde die Grenzen nicht überschreiten. Dich dort in Hsiang-yang der Jagd widmend, bist Du so schnell wie Donner und Blitz, beim Schachspiel folgen Deine Züge geschwind. Deine Gäste werden Männer hoher Kultur sein, wie jene, die einst Yang Hu (B.D. No. 2383) auf dem Hsien-Berge (in Hsiang-yang) bewirtete; Deine Sängerinnen werden schön sein, wie jene aus Ta-ti, die Liu T'an, Prinz von Sui, besungen hat. – Reichtum und Ansehen erwirbt man sich selbst (durch eigene Tüchtigkeit), was mag wohl mich am Vorwärtskommen (Legge, Iking pg. 267/3) gehindert haben? (Gleicher Gedanke bei Tufu, ed. Chang Chin 17/21).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 262. -
Song li yuan wai yuan zhang fen si dong du 送李員外院長分司東都: Dem Yüan-wai-lang und Amtschef Li Chêng-fêng zum Abschied, als er als Präfekt nach Loyang ging (Han Yu 韓愈)
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Im Herbst des Vorjahres zur Zeit des "weissen Taues", da folgten wir dem Minister P'ei Tu in die Fremde auf seinem Zuge nach Osten. Jetzt beim ersten Erscheinen des Frühlingsglanzes verlassest Du die Hauptstadt Ch'angan, um Dich auf Deinen neuen Posten Loyang zu begeben. Während wir uns beim Abschied zutrinken, sehen wir einander traurig an; nach der Trennung werde ich einsam zurückkehrend Sehnsucht nach Dir empfinden. Die beiden Orte (Ch'angan und Loyang) sind keine tausend Meilen von einander entfernt; ergreife daher so oft wie möglich die Gelegenheit, mir (auf den Flügeln des Windes) Nachricht zu senden.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 272. -
Song ling shi 送靈師: Dem buddhistischen Priester Ling übersendet (Han Yu 韓愈)
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Seitdem die Lehre Buddha's in China eingedrungen ist, sind schon 600 Jahre vergangen. (Durch den Eintritt in ein Kloster) entzieht sich der gewöhnliche Mann den Steuern und verpflichtender Arbeit, während der hochstehende Gelehrte sich gerne einsamer Meditation hingibt. Die Behörden tun nichts um die Lehre zu verbieten, lassen sie vielmehr sich nach Herzenslust entfalten. Ackerbau und Seidenzucht verlieren täglich mehr Arbeiter, Hof und Bureaukratie treten stets mehr würdige Männer (an die Klöster) ab. – Unser Priester Ling gehört der Familie Huang-fu an, deren Mitglieder von jeher ohne Unterbrechung (Wen-hsüan 5/7) hohe Würden bekleideten. Von Jugend auf machte er sich vertraut mit den historischen Werken und konnte schon frühzeitig schriftstellern. Doch fand er darin keine Befriedigung, gab diese Richtung allmählich auf, da er (bei den Prüfungen) keinen Erfolg hatte. Sein Unabhängigkeitsgefühl liess ihn an keine Lehre sich binden, in hohem Fluge zerriss er alle Banden und Schranken. Er liebte das Wei-ch'i-spiel, wo weiss und schwarz mit einander kämpfen und Sieg oder Niederlage durch die Geisteskraft des Spielers entschieden wird. Er fand Gefallen am Würfelspiele, wo alles von einem Wurf abhängt und die gewinnerpichten Spieler den fallenden Würfeln zurufen: Dreht euch, dreht euch! Im dichterischen Konkurrenzkampf kam ihm niemand gleich, seine üppige Sprache wehrte Speere und Lanzen (der Gegner) ab. Er trank mit Leichtigkeit seine hundert Becher Weines, wobei sich dann seine witzigen Gedanken immer origineller entfalteten. Manchmal wurde er in Mondnächten des Frühlings trunken und erschallten dann weithin seine herrlichen Lieder. Die ganze Tafelrunde lauschte schweigend und glaubte das Lautenspiel der Feen des Hsiang-Flusses zu hören. Er war ein Freund schöner Landschaften und kannte keine Gefahr; wiederholt fuhr er den Ch'ien-chiang (in Ssu-ch'uan) hinauf und hinunter (Wen-hsüan 26/25). Im 5. oder 6. Monat in der Ch'ü-t'ang-schlucht wurde einst sein (aus Ssu-ch'uan) zurückkehrendes Boot von den blitzschnell dahinschiessenden Fluten überwältigt. Im wildbewegten Wasser brach plötzlich das Schiff auseinander, tausend Klafter tief stürzte es in den geheimnisvollen Abgrund. Die Kraft des wirbelnden Wassers wurde immer schneller, und vom Himmel sah man beim Emporblicken nur kleine Ausschnitte. Was konnte er durch einen Sprung ins Wasser erwarten? Er hatte eben alle Hoffnung schon aufgegeben. Von den Wellen wurde er jedoch emporgetragen und wusste durch Schwimmen sein Leben zu retten. Die mit ihm fahrenden zwanzig Leute kamen sämtlich mit Leib und Seele um. Priester Ling liess sich durch dieses Abenteuer nicht abschrecken, trotzte den Gefahren der Schifffahrt und legte noch weitere Wege zurück. – Die Präfekte von K'ai-chou und Chung-chou, deren Gedichte seinerzeit sehr bekannt waren, hatten seit ihrer Entlassung den Pinsel nicht mehr ergriffen; jetzt aber (nach diesem Vorfall) haben sie Deinetwegen (o Priester) neuerdings Verse gedichtet (Ch'u tz'u 13/20). Viele Tage und Monate hielten sie Dich gewaltsam zurück und zeigten Dir in intimem Zusammensein die Schönheit ihrer Poesien. Vor Kurzem kamst Du nach Lin-i (Annam?), wo der Gouverneur Dir zu Ehren wiederholt Feste gab. Die drei bis vier verbannten Würdenträger (die unter den Gästen waren) widmeten Dir aus übervollem Herzen herrliche Gedichte (Wen-hsüan 16/11). Bei der Wanderung über den See fuhr man dahin über die weite Wasserfläche, beim Picknick in der Schlucht ruhte man am Rande des rauschenden Giessbachs. Worte des Abschiedes durften nicht geäussert werden, und die Weggehenden wurden stets wieder an ihren Gewändern zurückgehalten. Benachbarte Distrikte wetteiferten Dich einzuladen, wie flogen da die Briefe hin und her! (Legge IV, 347). Im zehnten Monat begabst Du Dich nach Kuei-ling-hsien (in Kwangsi), wo Du in der kalten Jahreszeit die Schönheiten der Gegend nach Herzenslust geniessen wolltest. Der (sonst) reservierte Yüan-wai-lang Wang Chung-shu überbot sich in Höflichkeit, und ihm als ersten gelang es, Dich als Gast bei sich zu sehen. Seitdem Du sein Gästequartier betreten, wollte er, eifersüchtig Dich hütend, Dich nicht mehr freigeben. Wir (Deine Freunde) kamen manchmal mit Bettzeug hinüber, ruhten zusammen und ergingen uns in freudiger Unterhaltung. Wenn man Dich über die Zustände in den beiden Hauptstädten (Ch'angan und Loyang) sprechen hörte, stand alles deutlich vor Augen. Ueberall verflochtest Du Wahrheit und Dichtung und brachtest in der Erzählung auch geringfügige Détails vor. Es ist wirklich schade, dass Deine Begabung keine Verwendung gefunden hat: die Farben (d.h. das Talent) waren vorhanden und warteten nur angerieben zu werden. Gerade war ich im Begriffe, Dich in unsere Lehre einzuführen und wollte Dir schon die konfuzianische Kappe auf`s Haupt setzen, (Da verliessest Du uns). Li, Gouverneur von Shao-yang, war ein hochgesinnter Mann (dessen freudige Schritte über die Wolken zogen). Wenn er einen Edlen zu Gaste haben konnte, vergass er des Essens und beschenkte ihn reichlich mit Seide und Geld. Mit dem Empfehlungsschreiben des Wang Chung-shu in der Hand (zogest Du zu ihm); die darin enthaltenden bedeutenden Worte erinnerten an die Aufschrift eines Edelsteines. Der Geist der Klassizität darin stellte sich an die Seite der Erklärungen des Iking, die edle Schönheit (der Diktion) übertraf das T'ai-hsüan-ching des Yang Hsiung. Du bandest Dein Schiff (in Shao-yang) an und batest um Audienz (Tufu 2/33); nachdem der Gouverneur Dein Empfehlungsschreiben gelesen hatte, wurde sein Kopfschmerz besser. Er behandelte Dich wie einen alten Freund, trank und unterhielt sich mit Dir. So kam es, dass man wieder Dich zurückhielt und nicht wegliess; wann wirst Du endlich Dein Pferd mit der Peitsche zur Rückkehr antreiben?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 39-42. -
Song liu shi fu 送劉師服: Dem Liu Shih-fu zum Abschied (Han Yu 韓愈)
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Jetzt im halben Sommer hat die Regenzeit gerade begonnen, durch die ganze Natur weht ein Wind, die baldige Ankunft des Herbstes verkündend. Das Zirpen der Zikaden dringt in das Ohr des Wanderers, erschreckt erhebt er sich und kann nicht länger verweilen. In aller Eile wird der Reiseproviant vorbereitet und er wartet nicht einmal, bis ihm mit Abschiedswein Bescheid getan wird. Das Leben des Gelehrten ist infolge seines Strebens nach Ruhm wie durch eine Marschroute gebunden; er fühlt sich wie ein Fisch am Angelhaken. Wer Waren zum Verkauf auf den Markt bringt, weiss dass die theueren stets schwer abzusetzen sind (d.h. je tüchtiger man ist, desto schwieriger setzt man sich durch). Fürchtest Du denn nicht, verfallen auszusehen (wenn Du endlich das Ziel erreicht haben wirst)? Wegen des Ruhmes allein bist Du bange, auf halbem Wege Halt machen zu müssen. Sei nun fleissig im Erfüllen Deiner Pflichten, damit Du gegen Ende des Jahres eine gute Ernte erwarten kannst.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 157. -
Song lu chang gui jiang nan 送陸暢歸江南: Dem Lu Ch'ang zum Geleite, als er nach Chiangnan zurückkehrte (Han Yu 韓愈)
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Eine gar würdige Erscheinung ist Meister Lu aus Chiangnan; er ist wegen seiner dichterischen Fähigkeiten berühmt. Sobald er hier (in Ch'angan) ankam, errang er sofort die Doktorwürde und wurde in der Gardetruppe des Kronprinzen verwendet. Er holte seine Frau (Enkelin des Ministers Tung Chin) aus dem Hause des Ministers, und konnte sich seiner Errungenschaften vor der Schar seiner Kollegen (Liki I, 300) brüsten. Er war wie ein Phönix, der unter Cassia-Bäumen singt, wie zahlreich waren da seine Bewunderer (d.h. die Leute, die seinen Aufstieg sympathisch betrachteten)! – Aber die menschlichen Verhältnisse verwandeln sich gerne in ihr Gegenteil; Abends ist alles schon wieder anders als Morgens (durch den plötzlichen Tod des Ministers Tung Chin). Verlassen stand der bis in die Wolken ragende Stamm, um schliesslich zusammen mit Dornengestrüpp verbrannt zu werden (Tung Chin's Sohn, Lu Ch'ang's Schwiegervater, wurde in der Verbannung zum Selbstmord gezwungen). Gegen Ende des Jahres flogen Storch und Wildgans vorüber, da erhob sich in Lu Ch'ang wie zu neuer Schönheit der Gedanke an die Heimat. Erst wird er diesen Schnee auf den Pässen von Shensi überschreiten müssen, denn sein Haus liegt weit entfernt unter jenen Wolken bei Wu-chou (Soochow). Bitterlich weinend besteigt seine Frau den Reisewagen: Familienbande sollten nicht getrennt werden. Ich bin von Gefühlen überwältigt bei diesem Abschied am Tore der Residenz, während wir Männer gerade vom Weine benebelt sind. Ich bin eigentlich untergeordneter Beamter im Dienste des Ministers Tung Chin (Grossvaters Deiner Frau) gewesen, doch war meine Kraft leider beschränkt wie die einer Mücke oder eines Mosquito's (und konnte ich seinem Sohn nicht helfen). Die Gnade, die ich von Tung Chin empfangen, konnte ich niemals vergelten und bleibe ihm gegenüber, der jetzt in Hsiang-chung (Hunan) begraben liegt, für immer verschuldet.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 136f. -
Song ou hong nan gui 送區弘南歸: Dem Ou Hung zum Abschied, als er nach Süden zurückkehrte (Han Yu 韓愈)
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Einst machte Mu-wang einen Kriegszug nach dem Süden, doch von seinem Heere kam niemand mehr zurück. Alle wurden in Insekten, Sand, Affen und Kraniche verwandelt, wie sie da kriechen und fliegen. Es rauschen die Wogen des Tung-t'ing-Sees, die wie immergrüne Hänge aussehen. Die neun Spitzen reichen bis an den Himmel hinan und verwirren durch ihre Aehnlichkeit den Beobachter. In der Wildnis gibt es Elephanten und Rhinocerosse, in den Gewässern Kauris und ovale Perlen (Legge III, 116). Ueberall sind hundert Kostbarkeiten zerstreut, aber Gelehrte sind selten. – Gerade ein Jahr vor Deiner Ankunft (in Yangshan) wurde ich strafweise nach Süden versetzt. Unter allen die mich besuchen kamen, war niemand der sich mir anschliessen wollte. Da erschien Freund Ou Hung mit seinem Glanz von seltener Helle. Ich zeigte ihm in fortwährender Belehrung (Legge III, 403), was er zu tun hätte, und es gab Dinge, die er befolgte und die er unterliess. Ich denke, die Leute des Altertums verglichen solches mit dem Rübenkohl, dessen Blätter man nicht gleich verwirft, wenn die Wurzel schlecht ist (Legge IV, 55) (d.h. ich sah nur das Gute in ihm). Mit dem Beil suchte ich das Holz zu behauen, geleitet durch vorher angebrachte schwarze Richtfäden (Iking, Legge pg. 119/20). Obwohl es Ziele gab, die durch ihn nicht erreicht wurden, machte er doch ununterbrochen Fortschritte. Bald hiess ich ihn Holz im Walde sammeln, bald vom Felsen aus nach Fischen angeln. Er schämte sich nicht mir zu dienen, und seine Worte zeigten niemals Missvergnügen. – Du folgtest mir auf meiner Reise von Chiang-ling nach der Hauptstadt Ch'angan. Du trenntest Dich von Mutter und Frau, so dass diese allein standen. Leider konnte ich selbst durch meine Lehre nicht reich werden; Obwohl Du Dich so angestrengt hattest, was konntest Du schliesslich erhoffen? Die beiden Tortürme des Kaiserpalastes ragen mächtig empor. Die sich bäumenden Pferde werden dort alle mit Sattel und Zaumzeug versehen (d.h. alle tüchtigen Leute werden dort als Beamte verwendet), Und die Gewänder und Gürtel (der Würdenträger) zeigen prächtige, violette und rote Farben. Nur Deine Unlust, Dich um eine amtliche Stellung zu bewerben, muss man beklagen. – Deine Mutter lässt Dir Briefe zukommen, Deine Frau schickt Dir Kleider. Wenn Du die Briefe öffnest und die Kleider auseinanderfaltest, so siehst Du darauf die getrockneten Spuren von Tränen. Obwohl sie Dich nicht zurückrufen, ist doch ihr Herz voll Hoffnung (dass Du bald heimkehren wirst). Morgens und Abends sitzt die Mutter traurig vor ihrem Essen, Im stillen Gemach sitzt die Frau einsam ohne Mann, an den Wänden sieht sie betroffen allein nur die Assel (Legge IV, 236). Im Leben des Menschen kann nur diese Trennung von der Familie schwer ertragen werden; in allen anderen Dingen kann eine Wendung zum Besseren erhofft werden. Gehe jetzt nur! Denn plötzlich wie das Schnellen einer Feder (Legge III, 202) geht die Zeit vorüber (d.h. ich fürchte, Mutter und Frau werden alt). Die Muschel sinkt in die Tiefe des Meeres (d.h. Du kehrst in die Heimat zurück), doch ihre Emanation erhebt sich zu herrlicher Fata morgana. Der bunte Fasan verbirgt sich in der Wildnis, aber seine Federn werden als Fächer bei Hofe verwendet. Die sittsame Jungfrau lebt zurückgezogen und wird schliesslich zur kaiserlichen Nebenfrau gewählt. Wer hervorragende Tüchtigkeit besitzt, wird sie auch in der Zurückgezogenheit nicht verlieren (Legge IV, 357). Und dies umsomehr, wo jetzt der Kaiser sein tugenhaftes Prestige entfaltet; Wo jene, die tüchtige Männer verbergen, bestraft und solche, die Talente empfehlen, belohnt werden. Während ich Dir das Geleite gebe, klopfe ich Dir tröstend auf den Rücken und wische mir selbst die Tränen ab. Gehe nur rüstig auf Deinem rechtschaffenen Wege weiter, werde nicht schwach und bleibe Dir treu. Wenn dann Dein Studium vollbracht ist und Dein Entschluss (die amtliche Carrière einzuschlagen) feststeht, komme wieder zu mir in all' Deiner Herrlichkeit. Ich soll dann für Dich an die Himmelspforte klopfen (d.h. ich will mich beim Kaiser für Dich verwenden).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 94-96. -
Song qian niu li jiang jun fu que wu shi yun 送千牛李將軍赴闕五十韻: Ich gebe dem Gardegeneral Li das Geleite, als er sich von Loyang an den Kaiserhof nach Ch'angan begibt. Gedicht in fünfzig Reimen (Li Shangyin 李商隱)
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Du erhellst wie ein herrlicher Zweig des Edelsteinbaumes die Sitzmatte; noch in jungen Jahren hast Du den Glanz der violetten Schärpe (d. h. die 3. Rangklasse) errungen. Deiner Stellung zufolge gehörst Du der alten Einrichtung der kaiserlichen Garde an; Deine glorreiche Familie hat sich seit langem um die westliche Residenz (Ch'angan) verdient gemacht. Einst als die kaiserliche Herrschaft durch Wirren bedroht war, wer war es da, der das Reich aus seiner kritischen Lage wieder befreite? Wenn Dein Ahne Li Shêng (B.D. No. 1192) nicht durch eine entscheidende Schlacht die Führung im Kampfe gewonnen hätte, wie hätte sich die Dynastie behaupten können? Der Kaiser verliess sich allzusehr auf seine Eunuchen, die Generäle kümmerten sich nur wenig um den kaiserlichen Tadel und nahmen ihre Pflichten leicht. Schliesslich hasste der Hof es, die Wahrheit zu hören, und die Generäle zwangen ihren Anhang, sich gegen den Kaiser zu empören. Die glückverheissende Wolke des Kaiserpalastes verschwand und innerhalb seiner Tore feierte die Mordlust Orgien. Die Rebellen erhoben einen gewaltigen Lärm wie ein Rudel zorniger Affen; mit Leichtigkeit gelang es ihnen, den Wagen (des Kaisers Tê-tsung) zur Flucht nach Fêng-t'ien zu bewegen. Der Rädelsführer Chu Tz'u (B.D. No. 473), ein zweiter T’ao Wu, war viel zu lange vom Kaiser schonend behandelt worden; er hätte getötet werden sollen, wie einst der Feudalherr von Fang- fêng durch Ta Yü. Von jeher hatte der Kaiser Mitleid mit Widerspenstigen; sonst hätte er doch diesmal selbst den Kampf gegen Chu Tz'u aufgenommen statt nach Fêng-t'ien zu fliehen. Das Aufgeben der Residenz war jedenfalls kein guter Plan; um sie zu verlassen, wie einst König T’ai seine Hauptstadt Pin (Legge II, 174), war noch kein genügender Grund vorhanden. Freilich hatte er auch nicht einen einzigen guten Minister (wie einst Huang-ti den Li-mu) an seiner Seite; so war er geflohen ohne zu warten, dass der Regengott für ihn den Strassenstaub gelöscht hätte. Die Feuerpfeile (der Rebellen) erreichten den Steinblock, von wo aus der Kaiser in seinen Wagen stieg; ihre Sturmleitern bedrängten das kaiserliche Lager in Fêng-t'ien. Wann hätte man daselbst die Wachsamkeit verabsäumen können? Selbst bevor es Nacht wurde, sah man am Himmel einen unheilverkündenden Komet. Auch hörte man wiederholt, dass gewisse Rücksichten den Kaiser bestimmten, nicht zum Angriff überzugehen; wer hätte auch gewagt, einen Wal mit einem Pfeil zu erschiessen? Die öffentliche Meinung kümmerte sich nicht um diese Rebellion und man lachte über jene, die für den Kaiser ihr Leben opfern wollten. Die Aufständischen schienen sich wie Drachen aufschwingen zu wollen und niemand kümmerte sich mehr um die Kaisergräber (das Grab des Kaisers Shun in Ts'ang-wu wurde von den Elephanten vernachlässigt, Forke, Lun Hêng II, 5). Dort schwitzten vor Scham die Ahnen in ihren Totengewändern, und die steinernen Reiter vor den Gräbern verwandelten sich in Dämonen, die ununterbrochen für ihre Dynastie kämpften. In den Lustschlössem verbrannten unterdessen die Rebellen übermässig viel Weihrauch, die geräumigen Paläste wurden durch zahllose Wachskerzen erhellt. Der Huang-shan-Berg verdeckte die Orgien der Hauptstadt, das Rauschen des Hei-Flusses verhinderte, dass Musik und Gesang der Aufständischen das Ohr des Kaisers in Fêng-t'ien erreichte. Obwohl Chu Tz'u die Herrschaft noch nicht ganz an sich gerissen hatte, konnten die Soldaten des Kaisers einem Blutbad ebensowenig entgehen, wie einst die Truppen des Reiches Chao bei Ch'ang-p'ing (vgl. B.D. No. 1653). Die kaiserliche Armee, die für ihre Bogen keine Pfeile mehr hatte, wich kämpfend zurück, und es fehlte nicht viel, so wäre Fêng-t‘ien infolge einer künstlichen Überschwemmung gefallen. Trotzdem wollte man eher auf die Hilfe der Götter vertrauen, als sich zu einem kräftigen Widerstand aufraffen. Unter den von den Rebellen Gefangenen waren loyale Männer wie einst Su Wu (B.D. No. 1792), die von feindlichen Anerbietungen nichts wissen wollten; unter den zum Tode Verurteilten gab es solche, die standhaft ihr Schicksal ertrugen wie einst Tzu Lu (B.D. No. 522). Die frühere Prophezeiung von Unheil im Falle des Verlassens des Kaiserpalastes ging nun in Erfüllung; ebenso wurde der dem Kaiser früher gegebene (aber nicht befolgte) Rat, die Befestigungen von Fêng-t'ien zu verstärken, jetzt als sehr wertvoll erkannt. Der Kaiser musste sich mit geschmorten Hühnern begnügen; wie grundverschieden war dies von seiner einstigen Tafel selbst zur Fastenzeit; man stampfte nun roten Reis, um davon eine Schleimsuppe zu bereiten, und wusste nichts von Gewürzen, die früher in der kaiserlichen Küche verwendet wurden. - Wenn die Not aufs Höchste gestiegen ist, kommt der Umschwung; trotz zahlloser Hindernisse wird schliesslich der Weg wieder gangbar. Gerade als der fliehende Kaiser sich beinahe schon mit dem Gedanken trug, die Residenz nach dem Süden des Grossen Stromes zu verlegen (wie es einst die Chin-Dynastie tat), fand sich plötzlich ein tüchtiger General, nämlich in der Person Deines Ahnen Li Shêng (der später zum Herzog von Hsi-p'ing ernannt wurde). Geister und Dämonen entfernten alle Finsternis und die Rebellen gestanden selbst ihre masslosen Verbrechen. Obwohl Li Shêng's amtlicher Rang durchaus nicht so hoch war wie der eines Gouverneurs der Westlande, schätzten ihn seine Truppen als Führer und blieben der Dynastie treu. Die Verhältnisse vor dem Aufstand wurden wiederhergestellt (Himmel und Erde nahmen wieder ihre ursprüngliche Lage ein, die durch den Aufstand gewissermassen umgestürzt war); so nahm die Rebellion ihr Ende, bevor noch ein Jahr verflossen war. Vor dem Pferde des Feldherrn wurden die Rädelsführer (Chu Tz'u, Yao Ling-yen u.a.) enthauptet, wie einst Wang Mang und Tung Cho (B.D. No. 2203 u. 2091); auf erhöhtem Altare dankte der Kaiser dem siegreichen Li Shêng (und seinen Unterbefehlshabern), eine Ehre wie sie einst in der Han-Dynastie Han Hsin und P'êng Yüeh zuteil wurde. Als Li Shêng seinen Kaiser nach Ch'angan begleitete, war die Welt (Himmel, Erde und Menschen) zur Ordnung zurückgekehrt; als der Kaiser mit seiner Armee in die Residenz wiedereinzog, hellte sich die Lage in allen Hinmelsrichtungen auf. Um jene Zeit konnte sich Li Shêng auf nichts stützen, als auf sein kurzes Schwert; aber seine Verdienste waren so gross, dass alle seine Nachkommen Grosswürdenträger wurden, denen man zwei Fahnen vorantrug. – Du, o Li, hast mich immer wie einen Vetter betrachtet, und wenn ich mit Dir zusammentreffe, bin ich voll Bewunderung für Deine Erfahrung und Weisheit. Die Gnade Deines erhabenen Ahnen Li Shêng hat sich auf Dich, seinen direkten Nachkommen, niedergesenkt, und er hat Dir seine Pläne hinterlassen, sodass Du selbst ein berühmter General geworden bist. Wie sich ein Adler auf kleine Vögel stürzt sie zu verschlingen, so musstest Du die bösen Elemente ausrotten; wie der Vogel Rock stiegst Du auf in die Höhe und jeder kennt Deine hohe Stellung. Wenn Du im Kaiserpalast Dienst tatest, warst Du neben dem kaiserlichen Thron aufgestellt; beim Tode des Kaisers Wên-tsung wurdest Du Deiner Pflichten enthoben und weintest bitterlich auf dem Platz mit der Erzsäule (mit der Platte zum Auffangen des Taues) vor dem Kaiserpalast (bevor Du nach Loyang zurückkehrtest). – Glücklicherweise konnte ich mich auf literarische Arbeiten stützen, ähnlich wie einst die Gelehrten im Park des Herzogs Hsiao von Liang; so fand ich unberechtigter Weise Deine Anerkennung, der Du Kritik ausübtest wie einst in der Han-Zeit Hsü Shao (B.D. No. 786). Ähnlich wie Hsün Hsien (der Chin-Dynastie) wirst Du gepriesen als der Schwiegersohn eines erhabenen Mannes (des Wang Mao-yüan); Du wirst als Held verehrt, wie einst Pan Ch'ao, Graf von Ting- yüan (B.D. No. 1598). Der neue Kaiser (Wu-tsung) hat bereits gezeigt, dass er beim Regieren Loyalität, Wahrheit und Tüchtigkeit (Legge I, 190) hochzuschätzen weiss; (er hat Dich jetzt berufen und) alle Untertanen warten auf eine aussergewöhnliche Leistung Deinerseits. Am Gürtel hängt Dein langes Schwert, das wie die Mondscheibe glänzt; auf schnellem Pferd, dessen Lauf einer Sternschnuppe gleicht, begibst Du Dich jetzt zurück nach Ch'angan an den Kaiserhof. – Du behandeltest mich stets mit grosser Herzlichkeit, und ich musste mich wegen Deiner tiefen Anteilnahme an meinen Geschicken schämen; der jetzige Abschied von Dir bewegt daher mein anhängliches Herz. Selbst wenn der Frühling vorüber ist, behalten die Orchideen ihren Duft; und wie die Fichte grün bleibt, wird auch unsere Freundschaft bis ins höchste Alter dauern. – Ich werde jetzt nach Hêng-chou (Hunan) aufbrechen, hinter welchem Ort der hohe Berg liegt, den die Wildgänse auf ihrem Zug nach Süden nicht überfliegen können; das Dir gegebene Abschiedsmahl, bei dem wir herrliche Fischspeisen genossen haben, ist gerade vorüber. Du begibst Dich bei brausendem Wind auf Deine Reise, und ich werde diese Nacht traurig nach dem Tropfenfall der Wasseruhr lauschen. In meinem Leben wie jenem des Yü Hsin (B.D. No. 2520) gibt es viele Kümmernisse und ich bin ebenso wie Yang Chu (B.D. No. 2370) stets betrübt beim Gedanken der Trennung am Scheidewege. Während meiner Abwesenheit in Hêng-chou wird meine Frau in ihren Gemächern traurig die Laute spielen oder mit kalten Fingerspitzen in Erinnerung an mich das Spinett ertönen lassen. Nach meiner Rückkehr hoffe ich zusammen mit ihr, einer zweiten Nung-yü (B. D. No. 713), nach Ch'angan gehen zu können und die Oriolen des Kaiserparks singen zu hören. Jetzt stehe ich hier am Ufer des gewundenen Weihers von Loyang fassungslos (über die Trennung von Dir), und unsere beiden Herzen schlagen einander voll Freundschaft entgegen, während Mondenschein und weisse Nebel uns umgeben.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 367-371. -
Song seng cheng guan 送僧澄觀: Dem buddhistischen Priester Ch'êng-kuan zum Geleite (Han Yu 韓愈)
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Welchen Nutzen brachte wohl der aus dem Westen kommende Buddhismus dem chinesischen Reiche? Er hat die ganze Welt in Aufruhr gestürzt, weil die Menschen sich überall beeiferten ihm zu dienen. Mächtige Pagoden und gewaltige Tempel hat man errichtet, die bis an die Milchstrasse reichen. Wer könnte die Menschheit noch hindern, auf all' den Glanz dieser Gebäude stolz zu sein? – Später erschien im Lande der Flüsse Huai und Ssu (Anhui und Shantung) der Bonze Sañgha Tashih (vgl. Doré, Recherches VII, 263, Lit'aipo VII, 24). Durch ihn wurde der Einfluss aller Buddhas noch grossartiger und merkwürdiger. Alle Kaufleute von Yüeh im Osten bis Zentralasien im Westen wollten Ablass ihrer Sünden erlangen Und brachten Edelsteine herbei, die in ungezählten Mengen die Schiffe füllten. Der reine Huai-Fluss wirft keine Wellen auf und ist glatt wie eine Matte. An seinem Ufer erheben sich steil Tempelgebäude (Stockwerke mit Balustraden), deren rote Reflexe das halbe Firmament färben. Man sieht nichts anderes als das Feuer der Farben und das umgebende Wasser. Mächtig steigt daraus die dreihundert Fuss hohe Pagode auf. Ihr Schatten fällt in das Wasser, so dass die Drachen erschreckt das Weite suchen. Selbst an wolkenlosen Tagen scheint sie in den Himmel zu ragen. Ich erlaube mir zu fragen, wer hat eigentlich diese Pagode gebaut. Es war der Priester Ch'êng-kuan, der dadurch weit und breit berühmt wurde. Früher als ich der Armee nach Ta-liang als Sekretär folgte, Verkehrten in meinem Hause stets hervorragende Männer. Sie alle meinten, Ch'êng-kuan, obwohl der buddhistischen Geistlichkeit angehörend, Habe durch seine Fähigkeiten für das Gemeinwesen und seine Verwendbarkeit als Beamter derzeit nicht seinesgleichen. Später kam aus Hsü-chou ein Schreiben, das mich dahin berief. (Beim Gouverneur Chang Chien-fêng) traf ich so viele Gäste, dass ich mich ihrer (Namen) nicht mehr erinnern kann. Sie alle sagten, das Ch'êng-kuan ein Dichter sei. Und die ganze Tafelrunde wetteiferte seine kürzlich gemachten Verse zu summen. Lange habe ich umsonst geseufzt, dass ich bisher seine Bekanntschaft nicht habe machen können. Ich hätte ihn gerne für die konfuzianische Lehre gewonnen (vgl. Han Yü's Gedichte 2/11), um aus ihm einen Beamten zu machen. Als ich mich in Loyang gegen Ende des Herbstes gerade in meiner Einsamkeit langweilte, Wurde plötzlich an meine Türe geklopft, so dass ich das Picken eines Spechtes zu hören glaubte. Es war jener buddhistischer Priester, der mich aufsuchen kam und den ich aufforderte näher zu treten. Er hatte eine bis zum Scheitel reichende Stirne und stark hervorragende Backenknochen. Leider war er schon alt und meinen Bekehrungsabsichten nicht mehr zugänglich. Ich betrachtete stumm seine wunderbare Erscheinung und konnte nur Tränen vergiessen (Legge IV, 353). – Der Gouverneur von Lin-hwai ist gerade auf seinem Posten eingetroffen. Und hat aus der Ferne einen Mann seines Distriktes zu mir geschickt, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen. Er liebt und ehrt seltsame Menschen, die sonst nur schwer zu treffen sind. Gehe daher jetzt zu ihm und überbringe ihm meine Wünsche für sein Wohlergehen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 178f. -
Song shi hong chu shi fu he yang mu de qi zi 送石洪處士赴河陽幕得起字: Dem Einsiedler Shih Hung zum Abschied, als er als Stabschef des Gouverneurs von Ho-yang dahin abging (Han Yu 韓愈)
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Stets beschäftigtest Du Dich mit Büchern über Baumzucht, und die Leute nannten Dich einen Weltflüchtling. Plötzlich besteigst Du das Streitross und sagst von Dir selbst, dass Du die Gnade des Kaisers vergelten willst. Wind und Wolken (Hoffnung auf rasche Karrière) finden Eingang in Deiner tapferen Brust, und Dein an die Einsamkeit gewöhntes Ohr trennt sich von Felsen und Quellen. Die Truppen des (Eunuchen) T'u-t'u Ch'êng Ts'ui liegen schon lange energielos in Chü-lu, und der Rebell Wang Ch'êng-tsung hält noch immer den Ch'ang-Berg besetzt. Dies ist nicht nur der Kummer jenes Ministers, sondern wir alle müssen uns deswegen schämen. Gehe jetzt nur (auf Deinen Posten), denn der Zustand ist gerade kritisch; nachdem der Wein herumgereicht ist, magst Du aufbrechen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 118f. -
Song wen chang shi bei you 送文暢師北遊: Dem buddhistischen Priester Wên Ch'ang bei seiner Abreise nach Norden zum Abschied (Han Yu 韓愈)
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Einst, als ich Professor der Literatur an der kaiserlichen Schule Kuo-tzu-chien war, kam eines Morgens ein buddhistischer Priester mich besuchen. Er sagte, dass er aus Wu stamme und in seiner Jugend Schüler in einem Kloster ausserhalb der Stadt (Legge IV, 144) gewesen wäre. Er habe die Prinzipien der buddhistischen Lehre gründlich erforscht und kenne in groben Umrissen das Auf und Ab dieses Lebens. Da Schranken und Fesseln seiner wahren Natur Abbruch täten, habe er seinen Wagen schmieren lassen und denke in die Ferne zu wandern. Hohe Würdenträger, die den Pinsel zu führen verständen und deren Ruhm Glanz auf die verdienstlichen Vorfahren würfe, Seien von ihm ersucht worden, ihm Gedichte zum Abschied zu geben; wiederholt habe er vorgesprochen und daher keinen Misserfolg in den Kauf nehmen müssen. Jetzt habe er schon mehr als zehn Hefte (solcher Gedichte) zusammengestellt, worin die Kunst jener Männer deutlich zu sehen sei. Ich (Han Yü) wohne versteckt in einer entlegenen Gasse, und er habe daher noch keine Gelegenheit gehabt, von meiner Kunst Kenntnis zu nehmen. Er habe auch gehört, ich kenne die grosse Lehre (des Konfuzius), und er möchte gerne wissen, auf welche Weise er die Defekte seiner Bildung verbessern könnte (T. of T. I, 256). (Nach dieser Einleitung) nahm er ein Manuscript aus der Tasche, bei dessen Prüfung ich darin wirklich reine, erhebende Töne fand (Liki II, 698). Ich sagte daher dem Priester, er möge ein wenig warten, und schrieb dazu eine sehr kritische Vorrede (vgl. Han Yü's Gesam. Werke 20/5). In der Einleitung ging ich zurück auf die ältesten Zeiten und legte dar, warum Belohnungen und Strafen erteilt würden. Gegen Schluss versuchte ich die Zweifel seiner Brust zu zerstreuen und durch Fällen von Bäumen einen freien Ausblick zu schaffen (d.h. der Buddhismus wurde angegriffen, die konfuzianische Lehre in den Vordergrund gestellt). Da fühlte sich der Priester befriedigt (T. of T. I, 193), es war wie wenn man einem Verdurstenden Wasser gereicht hätte. Später kam ich in's Elend und wanderte in's Exil, es vergingen zahllose Tage. Drei Jahre lang war ich verbannt im wüsten Gebirge und sass als Distriktsrichter von Yang-shan in tiefem Schatten. Beim Einbringen der Steuer versammelten sich seltsame Leute, die sich wunderten über die geschickte Handarbeit meiner Mütze und Strümpfe. In der Einsamkeit hatte ich niemanden, mit dem ich hätte sprechen können, und meine Gedanken und Wünsche waren wie zurückgehaltene Rülpse. Vor kurzem erhielt ich ein Amt in der Hauptstadt und begrüsste selbst im Skorpion an der Mauer (gegenüber dem Eingang) einen alten Bekannten. Umso grösser war meine Freude, wenn ich alten Verwandten und Freunden begegnete; unzertrennlich wurden wir, wie jene in Paaren wandernden Tiere. In Ch'angan leben gar viele Menschen, und der traurigen und festlichen Gelegenheiten (Kondolieren und Glückwünschen) gibt es kein Ende. Trotzdem vermochtest Du, o Priester, mich fleissig aufzusuchen, und diese grosse Gnade kann ich Dir nicht hoch genug anrechnen. – Jetzt am Beginne der Regierung eines weisen Herrschers (Hsien-tsung), dessen Segnungen sich auf Vierfüssler und Vögel (Liki I, 524) erstrecken, Warum willst Du Dir nicht Ruhe gönnen statt nach Norden in's Feld zu ziehen und Habichte und Falken (d.h. Rebellen) zu verfolgen? Der Minister T'ien Chi-an kommandiert an der nördlichen Grenze und sein Prestige hält die Barbaren im Zaume. Der Gouverneur Liu Chi befehligt in Peking, und die geschichtlichen Aufzeichnungen werfen Glanz auf seine verdienstlichen Taten. Bei deren Festen tanzen herrliche Mädchen des Harems, bei Jagden im Mondlicht der Grenze wird das Wild eingekreist. Du brauchst nur den im Koffer geborgenen Schatz (die Abschiedsgedichte Deiner hochstehenden Freunde) zu zeigen und kannst sie wie eine Furt oder ein Floss als Mittel zur Erreichung Deiner Zwecke gebrauchen. Von nun an wirst Du Pelze und Pferde zur Verfügung haben und wirst wohl nicht wieder Gänsefuss und Farnkraut essen. – Was mich betrifft, so will ich nach Vergeltung der kaiserlichen Gnade wegen Krankheit meinen Abschied nehmen und bis ins hohe Alter meine Felder bestellen. Zum Schutze meines Körpers sei eine schilfgedeckte Hütte bestimmt, zu meiner Unterhaltung werde ich mit meinen Hunden (Legge IV, 192) auf die Jagd gehen. Wenn Du, o Priester, dann aus dem Norden zurückkommst, will ich Yamsknollen ausgraben und für Dich kochen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 50-52. -
Song wu ben shi gui fan yang 送無本師歸范陽: Dem buddhistischen Priester Wu-pên zum Geleite, als er nach Fan-yang zurückkehrte (Han Yu 韓愈)
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Wu-pên hat beim Schriftstellern einen Mut, der noch grösser ist als sein grosser Körper, Ich habe ihn früher einmal in die Schwierigkeiten (der Dichtkunst) eingeführt, er hat sich mutig damit befasst und es gab nichts, wovor er zurückgeschreckt wäre. Selbst wenn Drachen ihre Hörner und Hauer zeigen, sucht er sie ohne Rücksicht auf die Gefahr zu ergreifen, Die vielen Dämonen liegen gefesselt in der grossen Finsternis; Wu-pên blickt hinab und will in die schwarze Höhle vordringen. Die Sonne scheint heiss auf das ganze Reich; Wu-pên blickt furchtlos nach oben, ohne das Haupt zu senken. Walfisch und Vogel Rock kommen plötzlich gleichzeitig zum Vorschein; er packt sie beide, um sie schnell auf einmal zu verschlingen. War er denn etwa berechtigt, so tollkühn aufzutreten? Jedenfalls hatte er sich von aller Dunkelheit (Unbestimmtheit) freigemacht. In wilden Worten ergeht er sich nach Herzenslust, aus den gedrückten und gehobenen Stellen (seiner Gedichte) erkennt man seine Freude und seinen grossen Schmerz. Passagen von grosser Kunst verwandeln sich in wunderbarer Weise und gehen allmählich in ruhige, unauffällige Komposition über. Seine Verse erinnern manchmal an das Zirpen von Heimchen oder Zerreissen von Seide oder an das Aufblühen von Lotusblumen in einem grünen Teich. Man denkt an eine herrliche Wunderblume, die sich aus Dornengestrüpp erhebt, an einen einzigen Vogel, der aus dem Schilfdickicht auffliegt. – Seine Familie lebt weit entfernt im Norden (Fan-yang); bevor wir uns kennen lernten, hatten wir bereits gleiche Neigungen (die zur Freundschaft führten). Er kam mich aufsuchen, doch was hätte ich ihm bieten können? Er verhielt sich mir gegenüber nicht anders als jemand, der von allem Anfange an gern Kalmuswurzeln isst (d.h. gewöhnlich wissen die Menschen mich erst später zu schätzen, Wu-pên hat mich aber von allem Anfange an geschätzt, vgl. Wilhelm, Frühling und Herbst des Lü Bu We, pg. 199). Das erstemal trafen wir uns in Loyang im Frühling, da waren die Zweige der Pfirsichbäume voll von roten Blüten. Darauf kamen wir nach Ch'angan und jetzt ist es gerade im elften Monat (Iking 29. Hexagramm), dass wir uns trennen müssen. Ich bin schon alt und faul und habe keinen Sinn mehr für Wettbewerb (mit den Menschen); schon lange beschäftige ich mich nicht mehr mit literarischer Produktion. Ich würde Dir gerne Gold und Seide zum Abschied schenken, aber meine ganze Familie befindet sich in dauernder Notlage (Lisao 18. str.). Ich fürchte, dass jetzt nachdem Du mich verlassen haben wirst, Schnee und Eis Dich strenge und unbarmherzig (Liki II, 487) verfolgen werden. Ein gewaltiger Wind braust über die Wege des Firmaments und erschüttert Himmel und Erde. Unter diesen Schwierigkeiten habe ich mit Mühe und Not dieses Gedicht zusammengestellt: es soll Dich trösten, wenn Du nach der Trennung es durchlesen wirst.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 128-130. -
Song zhang dao shi 送張道士: Dem taoistischen Bonzen Chang zum Abschied (Han Yu 韓愈)
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Ein tüchtiger Zimmermann verwirft kein Material; ob dieses einen Klafter oder nur einen Fuss lang ist, er verwendet es. Umsoweniger wird er bei der Gründung der Hauptstadt zögern, lange, starke Balken zu verwenden. Du, erhabener Chang, kommst aus den Höhen des Sung-Berges herab, und Dein Antlitz sieht imponierend aus wie das eines Bären oder Panthers. Wenn Du den Mund öffnest, sprichst Du über Gut und Böse, und Deine Worte sind von schneidender Schärfe. Du bedauerst keine kurze Peitsche zu haben, um die fremden Barbaren zum Nutzen des Reiches zu züchtigen. Du begibst Dich zum Kaiserpalast und überreichst drei Eingaben, worin Du sagst: "Ich bin (im Herzen) kein taoistischer Bonze (sondern ein Patriot). Ich besitze Mut und Energie und will nicht wie ein gewöhnlicher Mensch im Grase (d.h. ohne Leistungen) sterben. Auch ist es mir nicht gegeben, mich durch heitere Worte einzuschmeicheln oder wie ein Lehrer mit Kindern zu spielen. Ich habe die Kleidung eines Bonzen angelegt, und niemand in der grossen Menge weiss, dass ich ein Patriot bin. Ich habe einen Plan ausgearbeitet, um die Rebellen zur Ruhe zu bringen, und halte es nicht für schwierig, mit diesen wilden Buben fertig zu werden". Deine Worte waren bündig und bedeutsam, und Du hofftest, dass der Kaiser auf Dich hören würde. Im weiten Firmament sind Sonne und Mond gar hoch, ihre Strahlen erreichen naturgemäss alle Wesen ohne Ausnahme (warum hat gerade Deine Eingabe bisher keine Erwiderung gefunden?). Vielleicht liegen dem Throne so viele Gesuche und Berichte vor, dass des Kaisers Entscheidung auf Deine Eingabe noch nicht erfolgen konnte. Warum wartest Du nicht lieber auf eine Erledigung statt in Eile in die Heimat zurückzukehren? Du aber antwortest mir: "Die Sache liegt nicht so. Meine Mutter ist gerade jetzt voll Sehnsucht nach mir. Gestern nachts träumte ich, dass sie an der Türe unseres Hauses lehnte und nach mir ausschaute; in der Hand hielt sie zwei verkettete Ringe (mich gewissermaszen zu schneller Rückkehr auffordernd). Heute nun ist ein Brief aus der Heimat gekommen, worin sie mich fragt, wann ich zurückkehren werde. Die Kälte (bei Eintritt des Winters) habe Granatäpfel und Kastanien reif werden lassen, man dürfe daher mit der Ernte nicht länger warten. Nördlich vom Sung-Riesenberg könne man Fischreusen anlegen, denn die fröstelnden Fische kämen den klaren I-Fluss herunter. Da ich im Staatsdienst keine Verwendung finde, ist es wohl besser für mich zu meinen Privatangelegenheiten zurückzukehren". – So gehst Du jetzt wieder so ruhig fort, wie Du gekommen bist, und immer hast Du nur das getan, was angemessen war. Es gibt eben günstige und ungünstige Zeiten; in ungünstigen Zeiten kann selbst ein ehrwürdiger Mann wie Du nichts leisten. Ich kann Dich nur ermuntern, an Deinem früheren Lebenswandel festzuhalten; wenn nicht Du, wer anders würde Reichtum und Ansehen verdienen?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 303f. -
Song zhang shi lang 送張侍郎: Dem Ministerialvicepräsidenten Chang Chia zum Abschied (Han Yu 韓愈)
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Dem Grosswürdenträger Han Hung, der im Osten (Anhui) kommandiert, habe ich mit Eilbrief den Aufstand in Huai-hsi gemeldet. Dann ritt ich dem Minister P'ei Tu, der von Westen kam, zum Empfange entgegen. Die beiden grossen Staatsmänner werden (durch ihre Zusammenkunft) zu einem umso innigeren Einvernehmen (in ihren Plänen) gelangen. Es wird ihnen nicht schwer werden, das Räubergesindel jener ganzen Gegend (Huai-hsi) wieder zu unterwerfen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 268. -
Song zheng shang shu fu nan hai 送鄭尚書赴南海: Beim Abschied von Ministerialdirektor Chêng, als er nach Nan-hai-hsien reiste (Han Yu 韓愈)
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Dein neuer Standplatz Nan-hai-hsien, das alte P'an-yü, ist ein blühender Ort; ich will über ihn einiges sagen, setze daher einstweilen Deinen Becher zur Seite. Deine Truppen, deren zahlreiche Fahnen das Meer bedecken, ziehen jetzt (auf Schiffen) hinaus, und Du wirst bald die bis an den Himmel reichenden hohen Gebäude (des Hauptquartiers) erblicken. Zur Zeit der Amtsstunden versammeln sich dort die Perlenfischer (die Bootbevölkerung Tan-hu); und am ersten Tage jeden Monats erscheinen die Malayen um Tribut zu bringen. Sobald der Taifun sich beruhigt hat, verlässt der in den Kuo-yü erwähnte Vogel Yüan-chü seine Zufluchtsstätte und fliegt weg; wenn die Behörden beim Perlenhandel uneigennützig vorgehen (wie einst Mêng Ch'ang, B.D. No. 1513, Pétillon, All. litt. pg. 243), kehren die Muscheln zu ihren ursprünglichen Bänken zurück. Handel wird dort getrieben bis nach dem fernen Ceylon, Musik wird gespielt auf dem alten Söller des Chao T'o (Wu-wang von Nan Yüeh, B.D. No. 187). Alle Dinge sind dort ganz verschieden von hier; sei nur nicht ärgerlich, dass Dein grosses Talent an unrechter Stelle verwendet wird.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 275f. -
Song zheng shi jiao li de luo zi 送鄭十校理得洛字: Dem Bücherrevisor Chêng Han, zehnten seines Clanes (Sohn des Chêng Yü-ch'ing), zum Abschied (Han Yu 韓愈)
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Dein Vater hat seine Stellung als Staatsminister niedergelegt und im Auftrage des Kaisers das Kommando über Loyang übernommen. Du, sein begabter Sohn, besitzest grosse literarische Bildung und arbeitest als Bücherrevisor im T'ien-lu-Palaste. Du willst das Fest, an welchem Du Deinem Vater den Becher des langen Lebens kredenzen wirst, in Loyang verbringen; wenn Du jetzt dorthin reitest, fürchte ich (wegen der dortigen Kälte), dass dein Frühlingshemd zu dünn sein dürfte. Jetzt beginnen überall die Vögel laut zu zwitschern und die Weidenblüten in Menge herumzufliegen. Wer von Deiner Familie und Freunden wird Dich nicht mit Liebe begrüssen? Gehe jetzt nur und erhebe Dich (wie ein Vogel) in den weiten Luftraum.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 304. -
Song zhu ge jue wang sui zhou du shu 送諸葛覺往隨州讀書: Ich gebe Chu-ko Chiao das Geleite, als er nach Sui-chou ging, um beim Gouverneur Li Fan zu studieren (Han Yu 韓愈)
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Li Fan, Graf von Ye-hsien (Sohn des Li Pi) hat in seinem Hause viele Bücher, auf seinen Büchergestellen finden sich 30.000 Bücherrollen. Eine jede Rolle ist mit einer Etikette versehen, und alle sehen so neu aus, als hätte sie niemals eine Hand berührt. Als Mensch (Legge II, 492) ist er mit einem so gewaltigen Gedächtnis für das Gelesene begabt dass er die Blätter mit dem Auge nur überfliegt und sie nicht nochmals lesen muss. Herrlich ist die Literatur der vielen Weisen (des Altertums), und gar viel davon hat Li Fan in seinem Innern aufgespeichert. Sein Lebensalter ist fünfzig Jahre, und schon sechsmal ist er als Gouverneur in den Provinzen aufgetreten. In der Hauptstadt Ch'angan steht sein altes Haus, das ihn aber nicht lange beherbergt und beköstigt (da er stets auswärts verweilt). Die Aemter der Hauptstadt haben gar viele Anwärter, und nirgends war für ihn ein Plätzchen, wo er hätte untergebracht werden können. Obwohl ich selbst bei Hofe amtlich tätig bin, wird mein Einfluss daselbst täglich geringer. Wiederholt habe ich zu seinen Gunsten mit den Ministern gesprochen, aber obwohl ich flehentlich bat, wurde ich nicht erhört. Bei seiner Ausreise in die Provinz gab ich ihm bis über den Ch'an-Fluss das Geleite und werde auch in Zukunft unverwandt nach Osten blicken. Jetzt wirst Du (o Chu-ko Chiao) ihm nach seinem Standplatz folgen und dort Gelegenheit finden, Dein Wissen nach Herzenslust zu vergrössern. Um den Drachenfisch zu sehen, musst Du ans Meeresufer gehen; um der braunen Wildgans zu folgen, musst Du Dich in die Lüfte schwingen. Versuche neue Gedichte zu verfassen und schicke mir allmonatlich drei oder vier.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 194f. -
Su long gong tan 宿龍宮灘: Ich verbringe die Nacht (im Tempel) der Lung-kung-Insel (Han Yu 韓愈)
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Mächtig sind diese Wassermassen, gewaltig ihre Bewegung; der Lärm der Brandung bei der Insel nimmt ab und wieder zu. Der dahineilende Strom erinnert an die Schnelligkeit des Blitzes, die sich überstürzenden Wellen sind weiss wie treibender Reif. – Vom Traum erwacht sehe ich die Lampe vor mir trübe brennen, am Ende der Nacht bringt Regen Kühle. Wie kommt es, dass unsere Gespräche bis zum Morgengrauen sich zur Hälfte mit unserer Sehnsucht nach der Heimat beschäftigen?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 235. -
Su shen gui zhao li er shi ba feng shi qi 宿神龜招李二十八馮十七: Ich übernachte in der Poststation Shên-kuei-i und rufe Li Chêng-fêng und Feng Su (Han Yu 韓愈)
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Der öde Berg und der verlassene Fluss werden von den Strahlen der sinkenden Sonne erleuchtet. Der im Schnee pickende fröstelnde Rabe benützt gerade diese letzten Strahlen, um aufzufliegen und heimzukehren. Ich übernachte in der Poststation und kann vor Verlangen nach Gesellschaft nicht schlafen. Ich hoffe daher dass Ihr zu mir kommen und Eure Felduniform als Decke mitbringen werdet.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 270f. -
Su zeng jiang kou shi zhi sun xiang er shou 宿曾江口示姪孫湘二首: Ich verbringe die Nacht in Ts'êng-chiang-k'ou. Zwei Gedichte, die ich meinem Grossneffen Han Hsiang zeige (Han Yu 韓愈)
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Unter dunklen Wolken stürmen die Fluten dahin, Himmel und Wasser umfassen einander, so weit das Auge reicht. Die drei Flüsse (die hier zusammenströmen) sind zu einem geworden, und ihre Mündungen sind verschwunden. Wer könnte noch ihre Ufer erkennen? Abends bin ich in einem Dorfe eingekehrt, um zu übernachten; obwohl hoch gelegen, reicht das Wasser bis zur halben Höhe der Türen. Hund und Hühner weilen alle oben auf den Dächern und haben das Laufen und Fliegen bis auf weiteres aufgegeben. Auf einem mit einer Stange fortgestossenen Boot komme ich in ein Haus hinein, wo ich in der Dunkelheit Schluchzen vernehme. Auf meine Frage erfahre ich, dass alljährlich gleiches passiert, und ich beklage das von steten Gefahren bedrohte Leben. Ein Wind vom Meere bläst kühl und reinigend über die Landschaft; über den bewegten Wellen funkeln die Sterne. Ich blicke auf zum hohen Sternbild des nördlichen Scheffels und weiss wirklich nicht, auf welchem Wege ich wieder zurückkehren kann. Auf meiner Bootreise habe ich (infolge der Ueberschwemmung) die alte gewöhnliche Route verloren und fahre kreuz und quer zwischen hohen Bäumen. Zwischen diesen Bäumen gibt es nichts als Wasser, das rauschend vorübereilt. Ach, ich habe wirklich für mein Leben schlecht gesorgt, dass ich nun unter die südlichen Barbaren geraten bin. Verwirrt habe ich jede Richtung verloren. Wie kann ich ohne Weg in die Heimat zurückkehren?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 170f. -
Su zi qing shi si shou (1) 蘇子卿詩四首(其一): Vier Gedichte, "Blutsverwandte verhalten sich zueinander wie Äste und Blätter" (Su Wu 蘇武)
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in: Zach, Erwin von. Sinologische Beiträge II. Übersetzungen aus dem Wen Hsüan. Jakarta: N.V. Drukkerij Lux, 1935. –
in: Zach, Erwin von. Die chinesische Anthologie, Harvard Yenching Institute Studies 18. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1958. -
Su zi qing shi si shou (2) 蘇子卿詩四首(其二): Vier Gedichte, "Wenn die braune Wildgans einmal in die Ferne zieht" (Su Wu 蘇武)
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in: Zach, Erwin von. Sinologische Beiträge II. Übersetzungen aus dem Wen Hsüan. Jakarta: N.V. Drukkerij Lux, 1935. –
in: Zach, Erwin von. Die chinesische Anthologie, Harvard Yenching Institute Studies 18. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1958. -
Su zi qing shi si shou (3) 蘇子卿詩四首(其三): Vier Gedichte, "Seit unserer Jugend sind wir Mann und Weib" (Su Wu 蘇武)
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in: Zach, Erwin von. Sinologische Beiträge II. Übersetzungen aus dem Wen Hsüan. Jakarta: N.V. Drukkerij Lux, 1935. –
in: Zach, Erwin von. Die chinesische Anthologie, Harvard Yenching Institute Studies 18. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1958. -
Su zi qing shi si shou (4) 蘇子卿詩四首(其四): Vier Gedichte, "Hell scheint der Mond am Morgen" (Su Wu 蘇武)
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in: Zach, Erwin von. Sinologische Beiträge II. Übersetzungen aus dem Wen Hsüan. Jakarta: N.V. Drukkerij Lux, 1935. –
in: Zach, Erwin von. Die chinesische Anthologie, Harvard Yenching Institute Studies 18. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1958. -
Tan Yuan jiu 歎元九: Ich bedaure Yüan Chên (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Tan zhou bo chuan cheng zhu gong 潭州泊船呈諸公: Während ich in T'an-chou (Ch'angsha) vor Anker liege. Meinen dortigen Kollegen angeboten (Han Yu 韓愈)
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Die Nacht ist kalt und ich kann keinen Schlaf finden, Trommeln und Flöten machen einen furchtbaren Lärm. Dunkle (unsichtbare) Wellen schlagen an die Mauer des Stadtturmes, und ein heftiger Wind zerbricht die Bambusruder. Meine hiesigen Kollegen studieren jetzt (wahrscheinlich) in den Vorschriften für kaiserliche Kommissare, ich, der Fremdling, lese Ch'ü Yüan's Lisao. Ich habe mir sagen lassen, dass der sogenannte Fichtenwein hier billig sei; wozu also mit dem Gelde sparen? (Wen-hsüan 29/12).–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 299. -
Tao lin ye he jin gong 桃林夜賀晉公: Nächtlicher Weile in T'ao-lin beglückwünsche ich den Minister P'ei Tu zu seiner Ernennung zum Herzog vom Reiche Chin (Han Yu 韓愈)
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Die vom Westen (Ch'angan) gekommenen Fackelreiter (mit Deiner Ernennung) lassen die Berge rot erscheinen. Die Nacht verbringst Du in T'ao-lin – es ist gerade Mitte des 12. Monats. Du hälst in Deinen Händen Dein offizielles Szepter und das Siegel des Ministerpräsidenten. Zu gleicher Zeit hat der Kaiser Dich mit diesen grossen Ehren überhäuft für Deine erstklassigen Verdienste.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 272. -
Tao yuan tu 桃源圖: Das Bild vom Pfirsichblüten-Quell (Han Yu 韓愈)
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Die Frage, ob es Geister und Unsterbliche giebt, ist schwer zu beantworten. Die Erzählung vom Pfirsichblütenquell ist wirklich zu vage (um als Beweis dafür zu dienen). Das fliessende Wasser (des Quells) zeigt zahlreiche Windungen, die Berge hundert Krümmungen. Einige Rollen weisser Seide mit diesen Bildern hängen an der Wand der Mittelhalle (des Yamêns von Wuling). Der Gouverneur von Wuling ist ein Mann, der sich für alles interessiert. Er schickt die Rollen mit einer Weisung an seinen Freund im Ministerium der Zeremonien. Dieser nimmt sie mit grosser Freude entgegen und verfasst ein Gedicht. Die Wellen der Inspiration durchfliessen seinen Pinsel, und seine Dichtung ergiesst sich (über die Seide). Sowohl das Gedicht wie die Malerei sind von vollendeter Schönheit. Wunderbare Gegenden werden gewissermaszen hierher versetzt. Zwischen aufgetürmten Felsen und tief eingegrabenen Tälern zeigen sich Häuser (Legge, Iking pg. 385/6). Dächer und Mauern reihen sich an einander, wie sie vor langen Jahren gebaut wurden. Die Chin- und Han-Dynastie stürzten, doch jene Leute hatten davon nicht das geringste gehört. Ob Himmel und Erde sich spalteten, es liess sie kalt (sie kümmerten sich nicht um das Chaos jenseits des Pfirsichblütenquells). Sie pflanzten überall Pfirsichbäume und dachten allein nur an ihr Blühen. Land und Wasser, nahe und ferne zeigte überall rote Blüten, wie aufsteigende rote Wolken. Am Anfange dachten sie noch an ihr Land (aus dem sie zur Ch'in-Zeit geflohen waren); Je mehr Jahre aber vergingen, desto mehr betrachteten sie den Pfirsichblütenquell als ihre Heimat. (Sie frugen) woher der Fischer mit seinem Boot gekommen wäre. Sie wunderten sich über seine Kleidung und Aussehen und frugen ihn weiter über anderes aus. (Er erzählte, dass) der Kaiser Han Kaoti, der die Schlange, – die ihm den Weg versperrte – mitten auseinander geschnitten hatte, die frühere Dynastie (Ch'in) gestürzt hätte, Und als die Prinzen Ssu-ma alle über den Strom nach Süden gezogen waren, dann wäre eine neue Dynastie (Chin) gegründet worden. Nachdem sie der Erzählung zu Ende gelauscht hatten, waren sie alle traurig Und meinten, dass seit der Ch'in-Zeit bis jetzt 600 Jahre verflossen wären. Die Dinge jener Zeit (der Ch'in-Dynastie) hatten sie noch mit eigenen Augen gesehen, Sie wussten aber nicht, wie viel davon überliefert worden wäre. Sie beeiferten sich, ihm (dem Fischer) Essen und Trinken vorzusetzen. Ihr Zeremoniell war (vom jetzigen) verschieden und ebenso die Form der Gefässe. Bei hellem Monde schlief er allein in einer herrlichen Halle. Seine Knochen hatten kalt, die Seele fühlte sich frei, und er schlief traumlos. Mitten in der Nacht riefen die Fasan-Hühner. Das Sonnenrad flog auf, des Gastes Herz erschrack: An die Welt knüpfen ihn Bande und er kann nicht bleiben. Voll Kummer trennt er sich, der Abschied wird ihm schwer. Sein Boot stösst ab, die Ruder greifen ein, noch wirft er einen Blick zurück, Da sieht er nichts als Himmel, Wolken, Wasser, Dunkelheit. – Weiss die Welt, ob es Wahrheit oder Dichtung ist, Was sich bis heute nur die Leute von Wuling erzählen?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 69-71. -
Ti bai ye tao hua 題百葉桃花: Auf die hundertblättrigen Pfirsichblüten (Han Yu 韓愈)
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Die beiden hundertblättrigen (gefüllten) Pfirsichblüten öffnen sich erst spät im Frühling und sind dann röter als die gewöhnlichen. Beim Blick durchs Fenster sehe ich sie gegenüber dem grünen Bambus noch glänzender hervortreten. Die Blüten dürften wissen, dass die beiden (den diensttuenden Beamten zugeteilten) Kammerzofen schon ins Paradies (den kaiserlichen Harem) zurückgekehrt sind, Daher leisten sie (die Blüten) den in der Verbotenen Stadt übernachtenden, diensttuenden Beamten Gesellschaft.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 252. -
Ti chu zhao wang miao 題楚昭王廟: Auf den Tempel des Herzogs Chao von Ch'u (Han Yu 韓愈)
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Wohin man auch sieht, erblickt man nur Gräber stolzer Würdenträger des Altertums. Der Aussichtsturm der Stadtmauer (Legge IV, 144, an deren Fuss der kleine Tempel liegt) reicht bis in die Wolken, die Vegetation ringsherum zeigt trostlose Verwilderung. Noch immer gibt es im Reiche Leute, die der Tüchtigkeit des früheren Herrschers eingedenk sind Und zu dieser sehr unbedeutenden Schilfhütte kommen, um dem Herzog Chao zu opfern.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 235. -
Ti guang chang guan 題廣昌館: Ich schreibe diese Verse auf die Wand der Poststation Kuang-ch'ang (in Hupeh) (Han Yu 韓愈)
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WIe viele Jahre sind verflossen, seitdem Kaiser Kuang-wu-ti wie ein Drache aus seiner Heimat Pai-shui-hsien (in Nan-yang, Honan) hervorgeflogen ist! Zufällig treffe ich hier seine hinterlassenen Spuren und erkundige mich bei den Bauern. Die Gräber seiner Ahnen, worüber jetzt die Reichsstrasse läuft, sind längst schon von Räubern aufgebrochen worden. Wo gäbe es jetzt in Nan-yang noch Verwandte des Kaisers, wie es einst Kaiser Hsien-tsung (B.D. No. 1292) behauptet hat?–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 281. -
Ti jiu xie zhen tu 題舊寫真圖: Zu meinem früheren Bilde (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Ti lin shuang si 題臨瀧寺: Ich schreibe diese Verse am die Wand des Lin-shuang-Klosters (Han Yu 韓愈)
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Unmerklich habe ich mich von der Heimat schon fünftausend Meilen entfernt. Und doch muss ich mit meinem kranken Körper noch das Schiff zur Fahr auf dem Shuang-Fluss besteigen. Obwohl ich Ch'ao-yang-hsien noch nicht erreicht habe, hörte ich darüber schon sprechen: Die Dünste des Meeres verdunkeln (dort) das Tageslicht und die Wellen schlagen bis zum Himmel.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 277f. -
Ti mu ju shi er shou 題木居士二首: Auf den hölzernen Eremiten, zwei Gedichte (Han Yu 韓愈)
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Vom Feuer verwüstet, von den Wellen durchhöhlt stehst Du schon da unzählige Jahre. Deine Wurzel gleicht einem Antlitz, Dein Stamm einem Körper. Da wurde Dir zufällig der Name "hölzerner Eremit" gegeben, Und schon kamen die Menschen unaufhörlich Dich zu verehren und um Glück zu bitten. Dieser als Geist verehrte Strunk ist schlechter als ein in der Gosse treibendes Stück Brennholz. Denn während letzteres noch Kenner findet, aus den Flammen gerettet und noch zur Laute geschnitzt wird, Ist dieses faul und brüchig und zerbröckelt unter Messer oder Säge; Selbst der beste Bildner weiss damit nichts anzufangen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 239. -
Ti yuan shi ba qi ting (Ting zai lu shan dong nan wu lao feng xia) 題元十八溪亭(亭在廬山東南五老峰下): Ich schreibe diese Verse auf den Pavillon des Yüan (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Tong han si lang you zheng jia chi yin shi xiao yin 同韓侍郎遊鄭家池吟詩小飲: Zusammen mit Ministerialsekretär Han besuche ich den See der Chêng-Familie, wir dichten Verse und trinken ein wenig Wein (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Wan chun gu jiu 晚春酤酒: Am Frühlingsende kaufe ich Wein (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Wan gui you gan 晚歸有感: Abends kehre ich mit traurigen Gedanken heim (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Wang zhao jun er shou (Shi nian shi qi) 王昭君二首(時年十七): Wang Chao Chün (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Wei cun tui ji li bu cui shi lang han lin qian she ren shi yi bai yun 渭村退居寄禮部崔侍郎翰林錢舍人詩一百韻: Zurückgezogenes Leben im Dorfe Wei (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952.
Gedicht in 100 Reimen, seinen Freunden Ts'ui, Vicepräsident im Ministerium der Ceremonien, und Ch'ein, Beamter der Hanlin-Academie gewidmet. -
Wu chang wu 無長物: Ohne Kostbarkeiten (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Wu ti er shou (1) "Zuo ye xing chen zuo ye feng" 無題二首 (其一)“昨夜星辰昨夜風”: Ohne Titel "Gestern nachts funkelten die Sterne und wehte der Wind" (Li Shangyin 李商隱)
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Gestern nachts funkelten die Sterne und wehte der Wind. (Da traf ich meine Geliebte im Pavillon) zwischen dem farbigen Haus im Westen und der Halle mit den Cassiabäumen im Osten. Und obwohl wir keine Flügel hatten wie zwei zusammenfliegende Phönixe, Verstanden sich unsere Herzen, gleichsam durch jene Linie verbunden, die sich zwischen Spitze und Grund des Rhinoceroshorns hinzieht. Ueber den Tisch hinüber wurde das Spiel der versteckten Agraffe gespielt, und wer verlor, musste als Busse erwärmten Frühlingswein trinken. Und während die beiden Parteien den verborgenen Gegenstand zu erraten suchten, brannten glänzend rot die Wachslichter. Ach, da hörte ich plötzlich den Trommelschlag (der Morgenstunde) und musste in mein Amt eilen. Ganz geistesabwesend ritt ich nach dem Censorenhof, einer Distelwolle vergleichbar, die vom Winde dahingeweht wird.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 372. -
Xi xue 喜雪: Ich freue mich des Schnees (Li Shangyin 李商隱)
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Der Schnee des Nordens kommt aus der Wüste Gobi; er ist ein gutes Vorzeichen (für die Ernte des folgenden Jahres), weswegen ich sein Erscheinen preise. Wo sich Felder dehnen, sieht es aus, wie wenn Brillanten gesät wären; es gibt keinen Baum, der nicht weisse Blüten trüge. Verglichen mit der Weisse dieses Schnees würde Pan Chieh-yü's Seidenfächer den kürzeren ziehen; und das Buch der Oden hätte ihm sicher nicht die Hanfleinwand von Ts'ao gleichgestellt. Während er fällt, glaubt man die Gänse des Wang Hsi-chih nach dessen Wohnung oder die Kraniche des Ting Ling-wei dessen Haus bedecken zu sehen. Tiefe Stille herrscht und alle Türen sind geschlossen; einzelne verschwommene Fusstapfen laufen quer über ihn hin. Die Leute auf den Wegen sehen aus, wie wenn sie gerade den Mehlmarkt verlassen hätten; und die Pferde erinnern an jene, die in Salzwagen eingespannt sind. Die weiße Fee des Lo-Flusses blickt voll vergeblicher Eifersucht auf diesen Schnee, und der Geist des Ku-Berges darf sich nicht mehr seiner hellen Hautfarbe rühmen. Von Gedichten werden nur jene, die Hsieh Tao-yün zusammen mit ihrem Bruder verfasst hat, diesem Schnee gerecht; von Liedern hat von jeher das Schnee-Lied "Yang-ch'un-po-hsüeh" jenes andere mit dem Titel "Hsia-li-pa-jen" beschämt. Die Pforten der weissangestrichenen Kabinettskanzlei (in Ch'angan) dürften jetzt infolge dieses Schnees ganz unzugänglich sein; und der Weg zum Zensorenamt (dessen erhabene Strenge mit Frost zu vergleichen ist) wird immer weiter (und mühsamer). Dort in jenen beiden Ämtern der Hauptstadt, die einander gegenüberliegen, trinkt man jetzt Wein zu diesem Gutes verheissenden Schnee.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 371f. -
Xi you zhi liu su 喜友至留宿: Ich freue mich der Ankunft des Freundes, den ich über Nacht bei mir zurückhalte (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Xian ju "Shen bi zhu jian fei" 閒居 "深居竹間扉": Ich lebe zufrieden und glücklich (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
Xing ci xi jiao zum yi bai yun 行次西郊作一百韻: Auf meiner Reise erreiche ich die westliche Vorstadt von Ch'angan (Li Shangyin 李商隱)
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Im 12. Monat des Schlangenjahres (Ting-ssu, 837 n. Chr.) kehrte ich aus Hsing-yüan in Liangchou nach Ch' angan zurück. Von Süden kommend stieg ich den Ta-san-Pass hinab und setzte nördlich über den Wei-Fluss. Die Vegetation war halb und halb schon im Blühen (begriffen), als ob es nicht die Jahreszeit von Eis und Schnee gewesen wäre. Andererseits sah sie aus, wie wenn in einem heissen Sommer die Blätter in folge Mangels wohl riechender Säfte vertrocknet und eingerollt sind. Auf den hochgelegenen Feldern (in den Bergen) wuchs (für Nutzzwecke) unbrauchbares Holz, auf den tiefgelegenen Gründen (der Ebene) machte sich Dornengestrüpp breit. Ackerbaugeräte fand man weggeworfen an der Wegseite, verhungerte Rinder lagen tot auf öden Hügeln. Voll Wehmut fuhr ich langsam an den Dörfern vorüber; von zehn Häusern war kaum eines mehr übriggeblieben. Die noch vorhandenen Bewohner weinten mit abgewandtem Gesicht und schämten sich ihrer mangelhaften Kleidung, um den Gast zu empfangen. Zuerst war es wie wenn sie die Fragen des Ankömmlings fürchteten und erst als er eintrat, erzählten sie Einzelheiten (hier beginnt die Erzählung der Dorfbewohner). Die Felder von Yo-fu (= Yu-fêng), so begannen sie, sind nicht besonders fruchtbar und dadurch ist das hiesige Volk an Armut gewöhnt. Früher wurde dieses Land ein Paradies genannt, weil es sich auf die Humanität der Gouverneure stützte. Die Beamten waren fleckenlos wie Eis oder Jade, die Untergebenen gut wie Verwandte. Hatte man Söhne, wurden sie nicht in einen fernen Feldzug geschickt; hatte man Töchter, heirateten sie in der Nachbarschaft. Starker Wein füllte die Tonkrüge, Paddy (aus früheren Jahren) lag aufgehäuft in den aus Dornengestrüpp geflochtenen Scheunen. Die kräftigen Männer hielten sich alle Nebenfrauen; die altersschwachen Grosseltern waren voll Zärtlichkeit für ihre Enkelkinder. Mit Beginn der Cheng-kuan-Periode (627 n. Chr.) wurde es noch besser, da viele konfuzianische Gelehrte die Beamtenposten ausfüllten. Tüchtige Gouverneure wurden gewöhnlich später nach der Residenz berufen, um dort Ministerstellen zu bekleiden. Erst zur Zeit der mittleren K'ai-yüan-Jahre (etwa 730 n. Chr.) versuchten schlechte Staatsdiener den kaiserlichen Verfügungen zuwiderzuhandeln. Li Lin-fu, Herzog von Chin-kuo (Giles, B.D. No. 1170), sah mit Missgunst auf jene Beförderung tüchtiger Gouverneure und trachtete besonders die Verdienste der an der Grenze dienenden Generale zu belohnen. So liess er diese rücksichtslosen Militärs (an Stelle konfuzianischer Gelehrten) das friedliche Volk regieren. Das Mittelreich hatte darauf viel Ungemach durchzumachen; selbst die Anstellung der Beamten erfolgte nicht mehr durch den Kaiser. Sie geschah bald durch die Bande der Günstlinge, bald durch die Gnade der Kaiserinnen (und ihrer Familien). Das chinesische Volk litt unsäglich, als ob es geschlachtet und zerstückelt würde, und die Trabanten jener Herrschenden überfraszen sich am reichlichen Troge. Die kaiserlichen Sprösslinge wurden nicht mehr grossgezogen, sondern ausgesetzt, während z. B. die kaiserliche Nebenfrau Yang Kuei-fei einen Barbaren (An- lu-shan) zu ihrem Adoptivsohn machte. Durch reiche Geschenke (an diesen) wurden die chinesischen Finanzen ruiniert, während seine starke Truppenmacht die nördliche Grenze beherrschte. Er hatte unter sich 200, 000 Bogenschützen, die alle lange Arme wie Affen besassen und trefflich den Bogen zu spannen verstanden (wie einst Li Kuang). Obwohl er von der Hauptstadt Ch'angan dreitausend Meilen entfernt war, konnte er da so schnell wie ein Adler oder Habicht erscheinen. Alle fünf Meilen liess er die Pferde wechseln, alle zehn Meilen waren Vorbereitungen für die Verpflegung getroffen. Sein mächtiger Einfluss vermochte selbst auf die glänzende Sonne zu wirken, seine Kraft konnte Frühling in Herbst verwandeln. Hohe Würdenträger wurden von ihm in beschämender Weise zurechtgewiesen oder verächtlich fallen gelassen wie Unrat. Bei grossen Audienzen kamen die Gouverneure aller Gegenden des Reiches zusammen; der Kaiser sass auf seinem Thron, von der versammelten Menge durch eine Balustrade getrennt. Bunte Fahnen flatterten im Winde, von der Morgensonne beschienen; der Jadesitz Seiner Majestät war von Weihrauchwolken umgeben. Hier waren goldene Schirme und Fächer eigens aufgestellt, dort wurden Perlenvorhänge hoch emporgezogen. An-lu-shan aber strich sich den Bart und sah in seinem Stolze von all' dem nichts während er vor dem kaiserlichen Ruhesitz sass. Der ihm Widerstand leistete, ging unter dem Tritt seines Fusses zugrunde; wer sein Anhänger war, konnte zu den höchsten Würden emporsteigen. In Luxus suchte ein Günstling den anderen zu überbieten, die Grossmächtigen trachteten sich gegenseitig zu verschlingen. Dadurch wurden die Interessen des Volkes vernachlässigt, und man begann allmählich damit, in einem Jahre die Steuern wiederholt einzuheben. Da kamen plötzlich wilde Räuber aus dem Nordosten heran, mit einer Schnelligkeit wie wenn der Himmel einstürzen würde. Zu dieser Zeit hatten die Leute gerade den Krieg vergessen (waren aus der Übung des Kämpfens gekommen); und die (wenigen) starken Divisionen befanden sich grossenteils an den (westlichen) Grenzen. Alle Städte an den Ufern des langen Huangho hissten schon am Morgen (nach Ankunft des Feindes) die weisse Flagge der Übergabe. Man hörte nur noch vom Einzug der Kavallerie der Barbaren und sah keine chinesischen Truppen (auf den strategisch wichtigen Punkten) gelagert. Die Hauptfrau umarmte schluchzend ihre Kinder, die junge (kinderlose) Nebenfrau hing sich an den Kotschutz des Wagens, der ihren Gatten entführte. Seit ihrer ersten Jugend hatten die Leute stets Jahre des Friedens erlebt und wussten daher noch nichts vom nächtlichen Schliessen der Pforten. Die rüstigen Jünglinge wurden alle zu Kriegsdiensten ausgehoben, die Altersschwachen blieben als Wache in den leeren Dörfern zurück. Den Lebenden war ein sicherer Tod gewiss und viele Tränen wurden vergossen in ununterbrochener Folge wie Regen von den Wolken im Herbste. Die Hofbeamten zeigten sich furchtsam wie Rehe, die Generäle flüchteten wie magere Schafe. Für die Rebellen wurde der Shan-yang-Palast in Loyang gereinigt und hergerichtet; man sandte Eunuchen, Haremsdamen und Musiker aus Ch'angan über den T'ungkuan-Pass nach Loyang. Die kaiserliche Sänfte nahm ihren Weg nach Süden (Ssu-ch'uan), und es war noch unbestimmt, ob sie einmal wieder zurückkehren würde. Es ist eine Tatsache, dass Dynastien bei langem Bestande stets solchen Schwierigkeiten begegnen. Die Aufständischen frugen bloss nach der Grösse der Dreifüsse (d. h. sie wollten sich der Herrschaft bemächtigen), während die Treugebliebenen nur nach Beamtenposten verlangten. In dieser Zeit des Aufruhrs suchte einer den anderen auszuspähen; wer hätte da zwischen der bösen Eule und dem guten Phönix unterscheiden wollen? Von tausend Pferden kam nicht eines mehr mit seinem Reiter zurück, von zehntausend Wagen sah man nie mehr die Deichseln wieder. Die Städte lagen verödet und in ihnen starben Spatzen und Ratten vor Hunger; die Menschen waren geflüchtet und Wölfe heulten in den Strassen. Die Kräfte der südlichen Provinzen Wu und Yüeh im Senden von Unterstützungen waren (allmählich) erschöpft, und trotz grosser finanzieller Anstrengungen im Westen gingen die Gebiete am Oberlauf des Huangho an die Turfan verloren. So kam es, dass die kaiserlichen Magazine für die Tributzahlungen in Verfall gerieten und nur deren öde Mauern stehen blieben. Das Reich ist dem vollständigen Körper eines Menschen zu vergleichen; jetzt gab es aber davon nur mehr die linke Hälfte. Die rechte war in ihrer Muskelkraft gelähmt, und am Ellbogen und in der Achselhöhle waren faulende Geschwüre entstanden. Verschiedene T'ang-Kaiser hatten bisher diese Schmach in Kauf nehmen müssen; sie hatten die Zustände toleriert und konnten sie nicht überwinden. Die Ratgeber der Kaiser standen tatenlos mit gefalteten Händen da; einer warnte den anderen, dem Kaiser Vorschläge zu unterbreiten, so dass keiner es wagte voranzugehen. In den zahlreichen Provinzen war man müde geworden, die Webstühle in Bewegung zu setzen; in den Schatzkammern des Hofes gab es keine Gelder mehr. Die kräftige Jugend stand im Eis und Schnee der nördlichen Grenze; sie litt Hunger und trug einfache (dünne) Kleidung. Proviant und Löhnung kam meistens viel zu spät; die Preise der Waren waren gestiegen, da das Kupfergeld mit Blei verfälscht wurde (und dadurch an Einkaufswert verlor). Von Shantung bis Hopei gab es noch immer eine ununterbrochene Kette von Bewohnern, die Feuer auf ihren Herden brannten; Doch die Regierung fand keine Zeit, sich dieser Leute anzunehmen, und trotz aller Anstrengungen konnten diese Bauern kaum für ein halbes Jahr ihr Auskommen finden. Von den reisenden (Kaufleuten) wurden hohe Weggelder erhoben, von den Ansässigen nach Grösse ihrer Wohnungen drückende Steuern eingefordert. Mitten in diesem Chaos stifteten die Provinzialgouverneure Unruhen und gebrauchten in aufrührerischer Weise ihre Waffen gegen den Kaiser. Der Kaiser sandte Bevollmächtigte bis an ihre Pforten, ernannte Rebellen zu wirklichen Gouverneuren und verlieh ihnen hohe Würden. Es gab Gouverneure, die von ihren Untergebenen abgesetzt und mit ihrer ganzen Familie ausgerottet wurden; und wieder solche, die sich zu behaupten wussten und ihre Macht an ihre Kinder übertrugen. Ihre Behandlung durch den Kaiser unterschied sich von jener anderer (loyal gebliebener) Statthalter, und sie gehörten nur noch dem Namen nach zu China, wie etwa barbarische Völker (jenseits der Grenzen). (Durch diese aussergewöhnliche Behandlung) wollte der Kaiser nur ihr früher loyales Herz wiedergewinnen und hoffte nichts anderes als die Einheit des Reiches in seiner Grösse zu erhalten. – Hoch ragte die Halle, wo die Regierungsangelegenheiten behandelt wurden; doch die dort erscheinenden Minister dachten nur daran, bis zur Übersättigung Delikatessen zu verspeisen. Demütig wagten wir die Unterbeamten zu fragen: "Wer ist es eigentlich, der jetzt die Sachen erledigt?" Das Elend dauert jetzt schon einige Dutzend Jahre, und niemand wagt das Übel mit der Wurzel auszureissen. Das Reich ist kleiner und die Steuern nur umso drückender geworden; der Bewohner sind weniger und die verpflichteten Dienste für den einzelnen sind schwerer geworden. In den letzten Jahren bildete der Sohn eines Vieharztes (Chêng Chu) eine Sippschaft, die sich auf die Macht der Minister stützte und immer mehr Freunde in sich vereinigte. Obwohl er beinahe blind war, hiess ihn der Kaiser die grosse Fahne ergreifen und machte ihn zum Befehlshaber der Division, die Ch'angan im Westen beschützte. Er freute sich der unruhigen Verhältnisse und vergass den verhassten Feind; er formte eine Koterie aus lauter Bösewichten. Während des Lebens war er gefürchtet, nach seinem Tode gab es niemand, der um ihn trauerte. Ein scharfes Beil trennte seinen Kopf vom Rumpfe, und seine Leiche wurde ausgehängt wie ein geschlachtetes Schwein oder Rind. Innerhalb der 300 Quadratmeilen von Fêng-hsiang-fu machte sich plötzlich die kaiserliche Kavallerie breit wie einst die Gelbmützen zu Ende der Han-Dynastie. Mitten in der Nacht waren kaiserliche Befehle eingelangt, dass 15,000 Soldaten hier versammelt werden sollten. Die Bewohner erschracken, weil sie eine solche Truppenmenge nicht beköstigen konnten; Alt und Jung begann zu fliehen. Kinder und Enkelkinder, die der Mutter noch nicht entgegengelacht hatten, wurden ohne Mitleid zurückgelassen. Man frug nicht, wohin man gehen müsse; man wollte nur in den Bergen sterben. Seither sind schon wieder drei Jahre vergangen; als man zur Frühjahrszeit säte, blieb der Regen aus. Selbst am hellichten Tage zeigen sich Räuber; frägt man, wer sie seien, so heisst es, verarmtes Volk, durch die Not dazu gezwungen. Die Gouverneure machen die Wegpolizei dafür verantwortlich; doch diese fürchtet wieder, arme unschuldige Leute verhaften zu müssen. Auf den Wegen sieht man einander nicht selbst auf geringe Entfernung: so dicht ist der braune Staub infolge der langen Trockenheit. Polizisten, mit dem Bogen am Gürtel befestigt, kommen und gehen und nennen sich patrouillierende Beamte. Doch wir sind stets besorgt, dass sie in öden, entlegenen Gegenden (nicht nur Räuber sondern auch) friedliche Bürger mit ihren Pfeilen ermorden. Wir schämen uns vor dem Gaste, der uns über die allmähliche Entwicklung unseres Elends befragt; wir möchten ihn aber warnen vorsichtig zu sein: Von Mei-wu bis Ch'êng-ts'ang darf man sich abends (wegen der Gefahren) nicht auf der Strasse zeigen (hier endigt die Erzählung der Dorfbewohner). – Als ich diese Worte zu Ende gehört hatte, war ich von tiefem Kummer erfüllt, der gewissermassen mein Inneres versengte. Ich habe gehört, dass einst im Reiche Chin ein einziger Mann namens Shih Kuei (Legge V, 330/4) zum General ernannt wurde und schon ergriffen alle Räuber seinetwegen die Flucht. Auch habe ich weiters gehört, dass Ordnung oder Unruhe im Reiche von den Menschen abhänge und nicht von Gott (es ist Schuld, nicht Schicksal). Jetzt möchte ich wegen all' dieses Unglücks offen mein Herz vor dem Herrscher ausschütten. Ich möchte vor ihm mein Haupt gegen den Grund schlagen, bis frisches Blut aus der Stirne spritzt und in Strömen den Thron besudelt. Leider ist der Kaiserhof gleichsam durch dunkle Wolken von mir getrennt, und meine Tränen fliessen umsonst über meine Lippen. Man denke nur, ein Schreiber wird jetzt Minister, ein Pferdeknecht General! Oh wollt Ihr mir gegenüber darüber nichts mehr erwähnen, denn solche Worte kann ich noch immer nicht vertragen zu hören.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 355 - 361. -
Ye ru qu tang xia 夜入瞿唐峽: In der Nacht fahre ich durch die Chü-T'ang-Schlucht (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. Vol. 7. -
You jing si ti guan zhu shan fang 遊精思題觀主山房: Beim Besuche des taoistischen Klosters Ching-Ssu schreibe ich diese Verse auf die Bergklause des Abtes (Meng Haoran 孟浩然)
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Zufällig bin ich zu einem andern Pfirsichblütenquell geraten; vom Eintritt an hat mir der tief durch den Bambushain führende Weg zur Bergklause besonders gefallen. Da verstand ich erst, dass dies die Wohnung eines Unsterblichen (d. i. des Abtes) sein müsse, die noch von keinem Menschen dieser Welt aufgesucht wurde. Tanzende Kraniche zogen an der verlassenen Treppe vorüber, behende Affen schrieen im dichten Wald. Langsam begriff ich das Geheimnis der taoistischen Lehre und erreichte jenen Zustand tiefer Kontemplation, von der Yên Hui im Werke Chwangtze's (T. of T. I; 257) spricht: Beschaulich sitzend alles vergessen.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 315. -
Yu gao shi xue ju deng ci en si fu tu 與高適薛據登慈恩寺浮圖: Zusammen mit den Dichtern Kao Shih und Hsieh Che besteige ich die Pagode des Tz'u-ên-Klosters (Cen Shen 岑參)
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Die Pagode macht (von unten gesehen) den Eindruck, als wäre sie aus der Erde hervorgeschossen; einzeln erhebt sie sich hoch bis zum Himmelspalast. Wir steigen hinauf, um die Welt zu verlassen; der Treppenweg führt in Windungen bis zum Äther empor. Mächtig hervorragend beherrscht die Pagode das Land der Geister (die Residenzstadt Ch'angan); durch ihre ungewöhnliche Höhe erscheint sie wie das Werk von Dämonen. Die vier Ecken ihres Daches behindern die glänzende Sonne in ihrem Lauf; mit ihren sieben Stockwerken streift sie das blaue Firmament. – Nach unten spähend weisen wir auf hochfliegende Vögel; nach unten lauschend hören wir den brausenden Sturm. – Die Bergketten (die wir von der Spitze erblicken) sind wie Frühlingswogen, die sich in eilendem Lauf nach Osten begeben. Grüne Sophoren (im Sommerschmuck) stehen zu beiden Seiten der kaiserlichen Strasse, (die nach Süden führt), wo sich scharf umrissen die Gebäude der Kaiserstadt erheben. Herbstliche Farben drängen sich uns von Westen auf und erfüllen mit ihrem satten Glanz die ganze Region innerhalb der Pässe (Shensi). Auf der nördlichen Ebene liegen die fünf Kaisergräber im ewigen (alle Winter überdauernden) Immergrün der sie umhüllenden Haine. – Das Prinzip der Kontemplation kann ich nun deutlich verstehen; war ich doch dem herrlichen Dogma der 12 Nidanas von jeher zugetan. Fürwahr, ich will meine amtliche Stellung aufgeben, und der Weg der Erkenntnis (d. h. die buddhistische Lehre) wird mir weiterhelfen zur unendlichen Klarheit.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 317. -
Yu shun zhi yi zi xia qi yuan zeng yi shi da zhi 庾順之以紫霞綺遠贈以詩答之: Mein Freund Yü Shun-chih sendet mir aus der Ferne einen Brokat mit purpurnen Wolkenornamenten, und ich danke ihm mit diesen Versen (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. -
Yu yi shi wu shou (4) "Pian pian liang xuan niao" 寓意詩五首 (其四) "翩翩兩玄鳥": No title ("Zwei Schwalben kreisen in der Höhe") (Bai Juyi 白居易)
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in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. -
Zao mei 早梅: Frühe Pflaumenblüten (Meng Haoran 孟浩然)
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Im Garten sind frühe Pflaumenblüten erschienen, die alljährlich der Kälte trotzend sich zu öffnen pflegen. Die junge Frau hat den Blütenzweig bereits herausgebrochen und kehr damit ins Haus zurück, um ihn an den Spiegel zu stecken. Doch sie sagt sich, er sei doch noch etwas zu dürftig zum Anschauen, da möchte sie ausserdem noch einige Papierblüten mit der Schwere dazu ausschneiden.–
in: Zach, Erwin von. Hightower, James Robert (ed.). Han-Yü's poetische Werke, Harvard-Yenching Institute studies. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1952. p. 314. -
Zui hou zeng wang li yang 醉後贈王歷陽: Im Rausche (Li Bai 李白)
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Ich schrieb Pinsel stumpf aus den Haaren zahlloser Hasen, und meine Gedichte haben bereits das Gewicht zweier Ochsenlasten erreicht. Mein Pinsel rast dahin, und es ist, als ob Drachen und Tiger entstünden; mein tanzender Ärmel streift die Wolken des Firmaments. Die beiden Tatarenmädchen singen ihre Lieder und wechseln die Melodien bis zum frischen Morgen. Ich hebe den Becher und fordere den nördlichen Schnee heraus, ich werde dir im Trinken folgen und in nichts nachstehn.–
in: Donath, Andreas. Chinesische Gedichte aus drei Jahrtausenden, Fischer Bücherei. Frankfurt a. M.: Fischer Verlag, 1965. p. 35.